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Bärbel hatte sich von der Vorweihnachtszeit beruflich etwas mehr versprochen. Wohl kam hin und wieder ein Kunde, aber die Einnahmen blieben doch weit hinter ihren Erwartungen zurück. Sie tröstete sich damit, daß ihr Atelier erst besser bekannt werden müsse. Dabei hätte sie so gern alle Hände geregt, denn ihr graute vor dem bevorstehenden Fest. In den Kindern war schon die Weihnachtsfreude, immer wieder sprachen sie von dem Weihnachtsbaum, von den zu erwartenden Geschenken, Erna übte Weihnachtslieder, lernte mit Jürgen Gedichte auswendig, die Wunschzettel waren längst geschrieben; so schufen die Kinder für sich die Weihnachtsstimmung, die zu der Mutter nicht kommen wollte.
Mit welcher Freude, mit welchem Eifer hatte sie sonst die Einkäufe besorgt! Sie selbst fühlte sich zur Weihnachtszeit wie ein Kind. Sie hatte Freude an den aufgestellten Tannenbäumen, an den weihnachtlich geschmückten Schaufenstern. Wie ganz anders war es jetzt! Wohl hatten die Eltern versprochen, die Weihnachtsfeiertage in Heidenau zu verleben, aber auch das würde in Bärbel keine frohe Stimmung aufkommen lassen. Der Bruder, Kuno, hatte erklärt, er werde selbstverständlich allein in Dillstadt bleiben, um nach dem Rechten zu sehen. Die Eltern gehörten in diesen schweren Tagen zu ihrer trauernden Tochter. Sie sollten ihr möglichstes dazu beitragen, der Schwester über das schlimmste hinwegzuhelfen.
Die Kinder trieben schon seit Wochen allerlei Geheimniskrämerei. Kam Bärbel unerwartet ins Kinderzimmer, wurden Papiere und anderes mehr eiligst unter den Tisch gesteckt. Die Mutter wurde dringend gebeten, möglichst rasch wieder zu verschwinden. Sie tat es. Selbst Frau Leuschner wurde oftmals aus dem Zimmer geschickt, denn man plante eine große, sehr große Überraschung.
Frau Leuschner saß dann mit der kleinen Erna im Nebenzimmer, während die beiden Knaben jeden Augenblick zu ihr hereinkamen, sie baten, die Buntstifte zu spitzen oder Tintenfinger abzuwischen und anderes mehr. Was die Knaben trieben, ahnte niemand. Anscheinend wurde irgendein Gemälde hergestellt, Bilder ausgemalt. Alle Anfragen blieben unbeantwortet. –
Bärbel hatte sich eben vorgenommen, hinüber in die Wohnung zu gehen. Sie war heute recht unruhig. Die Worte der Kundin, die sie vorhin verlassen hatte, waren ihr unklar. Sie mußte von Hermann hören, ob er tatsächlich jene Zettel herumgetragen hatte, ob er auf diesen Zetteln die Kollegen herabsetzte und anderes mehr. Sie konnte dadurch die größten Unannehmlichkeiten haben. Sie mußte ihrem Ältesten klarmachen, daß er derartige Anpreisungen nicht anfertigen, daß er nicht einmal mit Äußerungen die anderen photographischen Ateliers herabsetzen durfte.
Sie betrat das Kinderzimmer. Ihr Blick fiel auf ein großes Plakat. Ein breiter, bunter Rand war geschickt angefertigt worden. Obwohl sich Hermann sofort über den Tisch warf, hatten Bärbels Augen doch das Wort »Rotmühl« gelesen.
Jäher Schreck durchzuckte sie. Rotmühl hieß einer ihrer Kollegen.
»Mutti, bitte, geh rasch wieder 'raus! Hier ist der Weihnachtsmann!«
»Was macht ihr da?«
»Bitte, geh 'raus, Mutti!«
»Was hast du zu verbergen, Hermann?«
Zwei Kinderaugen schauten bittend zu ihr auf. »Wenn Weihnachten kommt, dürfen kleine und große Leute nicht neugierig sein, Mutti.«
»Soll das ein Geschenk für mich werden, Hermann?«
»Ja«, schrie Jürgen, »und ganz was Feines! – Sieh mal, Mutti!« Er hielt ihr die Finger entgegen, die schwarz von Tinte waren. »Mit 'nem kleinen Knüppel malen wir die Buchstaben, und der Jürgen zieht mit dem Finger den dicken Strich drunter!«
»Ich glaube, daß sich die Mutti über dieses Geschenk nicht freuen wird, Hermann!«
»Wird sie schon«, jubelte Jürgen. »Wir freuen uns ja auch. – Und nu geh doch wieder 'raus!«
»Ich habe mit euch zu reden, Kinder. Ist es wahr, Hermann, daß du Zettel geschrieben hast, die in die Häuser getragen wurden? Hast du auf diesen Zetteln bekanntgegeben, daß deine Mutter ein Atelier hat?«
»Ach, wie schade«, sagte Hermann. »Du solltest es doch erst zu Weihnachten wissen, wenn du dich wunderst, daß alle Leute zu dir kommen, und du viel Geld verdienst.«
»Was sind das für Zettel?« fragte Bärbel voll Unruhe. »Was steht auf den Zetteln?«
Hermann vergaß, daß er das große Plakat mit seinem Körper decken wollte, und richtete sich empor. Auf der grauen Jacke zeigten sich vier große Querstriche von Tinte, denn Hermann hatte sich auf das frisch unterstrichene Plakat gelegt und die Tinte auf diese Weise abgetrocknet.
Bärbel erblickte das Plakat und las es.
»Hermann! – Was soll das?«
»O je«, sagte er weinerlich, »die ganze schöne Weihnachtsfreude hast du gesehen!«
»Und das soll eine Weihnachtsfreude für mich sein?«
»Das hat er selber zusammengereimt«, rief Jürgen. »Fein, Mutti – was?«
Halblaut las Bärbel den Vers, der das Plakat schmückte:
»Geht nicht zu Rotmühl, der kann nicht viel.
Geht nicht zu Hampel, dem Mann, der nichts kann.
Geht nur zu Wendelin. Ins Atelier Goldköpfchen gehört ihr hin!«
»Das wollen wir dir schenken«, rief Jürgen. »Das hängen wir wie 'ne Fahne aus dem Fenster! O weh, der Hermann ist ein Ferkel – alles hat er verwischt.«
Goldköpfchen wußte anfangs nicht recht, was sie sagen sollte. Sie war eigentlich entrüstet. Trotzdem wußte die Mutter, daß ihr die Kinder mit Absicht keine Unannehmlichkeiten bereiten wollten. Nur zu helfen war ihr Wunsch.
»Kommt einmal her zu mir, ihr lieben Jungen«, sagte sie ernst, indem sie sich auf das Sofa setzte und rechts und links einen Knaben umschlang. »Ich weiß, ihr wollt eurer Mutti helfen. Aber so geht das nicht. Ihr werdet das noch nicht verstehen; doch paßt jetzt einmal gut auf, was ich euch sagen werde.«
Dann begann Bärbel den Kindern ein wenig Verständnis dafür beizubringen, daß solch ein Vorgehen nicht gestattet sei, daß es sogar strafbar wäre, und daß die Mutti heute schon unfreundliche Worte wegen der verteilten Zettel erhalten hätte.
Die Gesichter der beiden Knaben wurden immer erstaunter.
»Ach, Mutti«, sagte Hermann tröstend, »mach dir nur keine Sorgen. Die anderen sind nur böse, daß alle Leute jetzt zu dir kommen wollen. Wenn sie sich ein bißchen ärgern, so schadet das nichts. Du hast doch gesagt, ich sollte dir beistehen, da unser Vati tot ist. Und nun stehe ich dir bei. Oh, Mutti, ich habe noch ganz andere Dinge ausgedacht!«
»Was denn, Hermann?«
»Der Hugo und ich, wir haben gestern dem Herrn Hampel Knallerbsen auf die Treppe gelegt. Wenn die Leute dann kommen, schießt es los; dann laufen sie weg und kommen zu dir.«
»Hermann, wie kannst du das tun!«
Zärtlich strichen zwei Kinderhände über der Mutter Wangen. »Meine Mutti muß viel Geld verdienen, dabei helfe ich ihr.«
»Und ich auch«, rief Jürgen.
»Und morgen, hat der Herbert gesagt, morgen will er die Klingel bei Rotmühl mit Lehm verschmieren. Dann kann man nicht klingeln, dann hört der Rotmühl nicht, wenn sie kommen, und dann kommen sie zu dir.«
»Hermann, ich habe gedacht, daß du in deinem Alter bereits begreifst, daß man anderen Menschen absichtlich keinen Schaden zufügen darf. Was geht euch die Klingel des Herrn Rotmühl an? Würdest du Freude daran haben, wenn Herr Hampel deiner Mutter Knallerbsen auf die Treppe legte?«
»Der soll nur kommen!« rief Hermann mit blitzenden Augen. »Ich ginge zur Polizei und ließe ihn einsperren.«
»Wenn nun aber Herr Hampel zur Polizei geht und dich einsperren läßt?«
Da schwieg Hermann still. Der Herr Hampel war ein energischer Herr. Der Knabe fühlte heute noch die Schläge, die er von ihm bekommen hatte.
»Mutti«, sagte er innig, »du sollst doch nur viel Geld verdienen, und ich möchte dir dabei helfen.«
Es dauerte lange, ehe Goldköpfchen den beiden Knaben klargemacht hatte, welche Unannehmlichkeiten ihr durch das Verhalten der Kinder erstehen würden. Machte sie sich erst die beiden Photographen zu Feinden, sprach es sich in Heidenau herum, daß ihre Kinder in dieser unschönen Weise für die Mutter Stimmung zu machen versuchten, konnte es geschehen, daß niemand mehr in ihr Atelier kam. Schon die Äußerungen der letzten Kundin bewiesen, daß das Atelier Goldköpfchen keinen guten Ruf genoß. Und dann das Verhalten des Herrn von Sasseneck. Doch das würden ihre beiden Knaben noch gar nicht begreifen.
»Ich weiß, daß ihr es sehr gut mit mir meint, daß ihr eurer Mutti helfen wollt. Doch nun versprecht mir auch, daß ihr derartiges niemals wieder tun werdet. Die Klingel darf nicht verklebt werden, ihr geht nicht wieder in die Ateliers der Herren und schreibt auch keinen Reklamezettel mehr.«
»Dann will ich auch vom Großpapa die Druckerei nicht haben, die ich mir gewünscht habe.«
»Was wolltest du mit der Druckerei?«
»Zettel für das Atelier Goldköpfchen drucken, weil der eine gesagt hat, die Zettel sind zu verschmiert, sie müßten gedruckt werden. Nun will ich die Druckerei gar nicht haben.«
Wieder zog Bärbel ihren Ältesten fest an sich. Sie konnte den Knaben nicht zürnen. Nur aus guten, hilfreichen Herzen heraus hatten sie ihr beistehen wollen und waren in die Irre gegangen.
»Den ganzen Tag wollte ich für dich arbeiten, Mutti, weil der Vati doch nun tot ist und für dich nicht mehr arbeiten kann. Und da ist es wieder nichts geworden. Und ich habe so schöne Ideen gehabt, Mutti. Darf ich auch die Zettel hier nicht verteilen?« Hermann sprang aus und holte aus dem Schulranzen etwa zwanzig beschriebene Zettel hervor.
»Zeige her, mein lieber Junge.«
Auf der Rückseite der Kinozettel stand zu lesen: ›Jeder hundertste Besucher des Atelier Goldköpfchen bekommt ein Geschenk.‹
»Nein, mein Junge, auch diese Zettel darfst du nicht verteilen.«
»Aber der Pfeiffer hat es auch in die Zeitung geschrieben, daß jeder hundertste Besucher ein Geschenk bekommt. Wenn es der Pfeiffer schreiben darf, kann ich es doch auch schreiben.«
»Der Pfeiffer hat ein Warenhaus, mein liebes Kind. Das ist ganz etwas anderes als ein photographisches Atelier. Ihr sollt in Zukunft gar nicht mehr von meinem Atelier sprechen, damit leistet ihr mir den allergrößten Dienst.«
Draußen klopfte es. Das Mädchen kam herein und teilte Frau Wendelin mit, daß ein Polizist gekommen wäre, der nach der gnädigen Frau frage.
»Ein Polizeibeamter will zu mir?«
Bärbel ging hinaus. Dort stand der Mann. Scheu und zaghaft schauten zwei Knabenköpfe durch den Türspalt.
»Frau Barbara Wendelin?«
»Jawohl, die bin ich.«
»Wir haben hier eine Vorladung. Wenn es Ihnen möglich ist, erwarten wir Sie morgen vormittag zwischen neun und zehn Uhr auf dem Revier.«
»Liegt denn gegen mich etwas vor?«
»Das werden Sie morgen erfahren.«
Der Beamte war gegangen. Gedrückt kehrte Bärbel ins Zimmer zurück.
Jürgen klammerte sich an die Mutter.
»Was will er denn von dir?«
»Ich weiß es nicht, mein Junge.«
»Mutti«, begann Hermann leise, »ob er wegen den Knallerbsen kommt?«
Goldköpfchen atmete schwer. Es war nicht unmöglich, daß einer der Kollegen zur Polizei gegangen war. Wer konnte wissen, was die beiden Knaben noch weiter angerichtet hatten? Vielleicht nahm man sie in Strafe, vielleicht erfuhr sie noch manches, was ihr bis heute unbekannt war.
»Mutti, stecken sie dich ein?« fragte Jürgen sorgenvoll. »Neulich haben zwei Polizisten auch 'nen Mann gleich von der Straße mitgenommen.«
Vor der Polizei hatten die beiden Knaben die allergrößte Hochachtung. Besonders Hermanns Herz schlug unruhig. Hampel hatte neulich, als man bei ihm gewesen war, davon gesprochen, daß er die Polizei benachrichtigen würde. – Wenn er es getan hatte, trug er allein die Schuld daran, daß man die Mutti einsperrte.
In plötzlich aufsteigender Angst umklammerte er die Mutter. »Mutti, wenn sie dich einsperren, wenn du nicht mehr wiederkommst – Mutti, dann nimm mich lieber gleich mit.«
Nun fing Jürgen bitterlich an zu weinen. »Der Polizeimann darf dich nicht mitnehmen.«
Bärbel mußte die erregten Kinder beruhigen. Sie rief Frau Leuschner herein, die nun auch ihrerseits den Knaben begütigende Worte sagte.
»Mutti, wenn sie dich nicht einsperren, will ich auch niemals wieder einen Zettel schreiben. Ich werde auch nicht mehr als Indianer zum Herrn Hampel gehen, und dabei habe ich mir schon so viele Federn gesammelt.«
Noch allerlei Neues erfuhr die Mutter in dieser Stunde, und immer schwerer wurde ihr Herz. Sie ahnte bereits, daß ihr der morgige Tag manch Peinliches bringen würde.
Während sich Bärbel am anderen Morgen für den Gang zur Polizei rüstete, herrschte in zwei Schulklassen die größte Erregung. Hermann hatte sein kummervolles Herz den Freunden ausgeschüttet und erzählt, daß die Mutti heute früh zur Polizei kommen müsse. Jürgen aber wußte schon, daß man die Mutti dort festhalten werde, daß sie eingesperrt würde, und daß man von nun an bei Frau Leuschner bleiben müsse. Unter den Knaben wurden die verschiedensten Pläne ausgeheckt, wie man Frau Goldköpfchen beistehen konnte, doch wagte niemand mehr, gegen Herrn Hampel vorzugehen, weil alle sich klar darüber waren, daß nur er die Polizei gerufen habe. Eine Panik brach aus, als in der ersten Pause ein Schupobeamter am Schulhof vorüberging. Hermann versteckte sich hinter eine Tonne, Hugo stürmte ins Klassenzimmer zurück, andere Missetäter verbargen sich, so gut es ging, und Jürgen, der am ängstlichsten war, schloß sich sogar in die Toilette ein. Erst nach Verlauf von fast einer Stunde wurde er dort entdeckt und herausgeholt. So unaufmerksam wie heute war Hermann Wendelin noch niemals gewesen. Alle seine Gedanken weilten bei der Mutter, die jetzt vielleicht schon eingesperrt saß.
Bärbel hatte schweren Herzens den Weg zur Polizei angetreten. Es war ihr klar, daß die Streiche der Knaben diese Anzeige zur Folge hatten.
Ihre Vermutungen bestätigten sich. Ein Aktenstück lag vor dem Wachtmeister auf dem Tisch. Das Verhör begann. Nicht nur Photograph Rotmühl, auch Herr Hampel hatten Anzeige erstattet. Beide Herren fühlten sich durch das Vorgehen des Ateliers Goldköpfchen empfindlich geschädigt.
»Es ist nicht nur das«, fuhr der Wachtmeister fort, »die beiden Herren wollen Anzeige wegen unlauteren Wettbewerbes erstatten. Sie sind sich einig, daß man Sie bei der Innung anzeigen muß, denn solch ein Vorgehen ist weder korrekt noch statthaft. Ihnen müßte bekannt sein, daß derartige Äußerungen, wie sie von Ihnen getan wurden, strafbar sind.«
»Was für Äußerungen?«
»Das wird vor Gericht näher beleuchtet werden, das geht uns hier nichts an. Für uns kommt nur der grobe Unfug in Betracht, den sich Ihre Kinder – vielleicht auf Ihr Anraten hin – geleistet haben.«
»Aber, Herr Wachtmeister, wie können Sie glauben, daß –«
»Die Anzeige liegt uns vor.«
Er verlas sie. Bärbel erfuhr von den verklebten Firmenschildern, von allerlei anderen übermütigen Streichen und wurde immer verzagter.
»Wollen Sie sich nun dazu äußern?«
»Ich habe leider zu spät von diesen Dingen erfahren, Herr Wachtmeister. Erst gestern konnte ich mit meinen Kindern darüber sprechen. Ich habe ihnen Vorhaltungen gemacht. Glauben Sie mir, alles das, was meine Knaben taten, ist aus Liebe zu ihrer Mutter geschehen. Sie wissen noch nichts von unlauterem Wettbewerb. Sie wollten mir helfen und haben einen falschen Weg eingeschlagen. Ich bedaure aufrichtig, daß es so weit kam. Derartiges wird in Zukunft nicht wieder geschehen.«
»Das alles sind leichte Entschuldigungen, die die Sache nicht aus der Welt schaffen.«
»Hätte ich früher eine Ahnung davon gehabt, ich hätte es nicht erlaubt. Ich gönne den beiden Herren jedes Geschäft. Ich bin ja erst eine Anfängerin, es fällt mir gar nicht ein, die Leistungen der Konkurrenz herabzusetzen.«
»Sie werden für das Verhalten Ihrer Kinder verantwortlich gemacht werden, Frau Wendelin.«
»Ich werde an die beiden Herren schreiben und mich entschuldigen.«
»Grober Unfug ist festgestellt worden.«
Verängstigt blickte Bärbel den Beamten an, der so barsch mit ihr sprach.
»Was soll ich tun?«
»Sie werden in Strafe genommen. Sie sagten, Ihr Sohn hat das alles aus eigenem heraus unternommen?«
»Ich nehme an, daß er sich mit seinen Schulfreunden beraten hat. Es war doch ganz gewiß keine böse Absicht. Alles ist kindliche Unüberlegtheit, Herr Wachtmeister.«
»Deswegen kann Ihnen die Strafe aber nicht erlassen werden, Frau Wendelin. Die Polizei kann derartiges nicht durchgehen lassen. Anzeigen liegen bei uns vor. Ich habe Ihre Aussagen zu Protokoll genommen, alles weitere wird sich finden.«
»Ich gebe Ihnen nochmals die Versicherung, Herr Wachtmeister, daß ich in Frieden mit der Konkurrenz leben will.«
»Wir werden Sie heute nachmittag nochmals herbitten, und zwar in Begleitung Ihres ältesten Sohnes.«
Bärbel erschrak. Sie hatte gestern bereits erkannt, welch große Furcht ihr Sohn Hermann vor der Polizei hatte.
»Hermann hat mir wahrheitsgetreu alles erzählt. Er würde hier nichts anderes aussagen können.«
»Einerlei! Sagen wir also um fünf Uhr.«
Ergeben senkte die junge Mutter den Kopf. Wenn sie Hermann auch gern diesen Weg erspart hätte, bekam er durch den Besuch auf dem Polizeibüro vielleicht doch einen Denkzettel fürs Leben. Da Bärbel auch anwesend war, wußte er, daß er Schutz bei der Mutter hatte. Aber ängstigen würde sich der kleine Kerl doch.
Gedrückt kehrte sie nach Hause zurück. Sie wollte sogleich die beiden Briefe an Hampel und Rotmühl schreiben, den Herren alles klarstellen und um Entschuldigung für die Missetäter bitten. Welch ein Glück, daß sie weiteres Unglück verhüten konnte. – Ob Hampel und Rotmühl schon eine Anzeige wegen unlauteren Wettbewerbes erlassen hatten? Ob man sie schon bei der Innung angezeigt hatte? Niemand war da, der ihr helfen konnte. Wie sollte sie sich weiter verhalten? Würde man ihr vielleicht das Weiterführen des Ateliers verbieten?
Da kam ihr ein rettender Gedanke. Ihr einstiger Chef, Herr Brausewetter, gehörte damals zu den Vorstandsmitgliedern der Innung. Ihm wollte sie ihr Herz ausschütten. Er hatte ihr in so freundlicher Weise Glück gewünscht, sie hatte ihn auch in der Zeit ihrer glücklichen Ehe hin und wieder in Dresden besucht und die Kinder photographieren lassen. Ein Gefühl der Dankbarkeit war in ihr zurückgeblieben. Aus diesem Grunde war manches glückliche Familienbild im Atelier Brausewetter entstanden.
Sie wollte ihn bitten, ihr beizustehen. Sie würde ihm schreiben, ihn fragen, an welchem Abend er zu sprechen sei. Vielleicht ließen sich durch ihn schlimme Folgen beseitigen.
Aus der Schule zurück, stürmten Hermann und Jürgen zuerst nach der Küche, um festzustellen, ob die Mutti daheim sei. Sie preßten sie an sich.
»Ein wahres Glück, daß sie dich nicht dabehalten haben«, sagte Jürgen, »ich hab entsetzliche Angst gehabt. Doch ich hätte dich befreit, Mutti.«
»War's schlimm?« fragte Hermann. »Hat dir der Schupo was getan?«
Bärbel bemühte sich, auch jetzt wieder den Kindern verständlich zu machen, daß ihre törichten Streiche die unangenehmsten Folgen gehabt hätten. Noch sagte sie Hermann nichts, daß er heute nachmittag mit ihr zur Polizei kommen müsse. Sie ließ ihn zuerst mit größtem Appetit das Mittagessen einnehmen, die Schulaufgaben machen, um ihm dann endlich mitzuteilen, daß man gemeinsam zur Polizei gehen müsse.
»Ich? –« flüsterte Hermann erstarrend.
»Ja, du, mein Junge. Der Herr Wachtmeister will von dir allerlei hören.«
»Mutti, dann müssen doch Ernst, Hugo, Herbert, Fritz und Max auch mitkommen. – Mutti, ich will sie alle schnell holen.«
»Wir beide gehen zusammen, mein Junge, und ich hoffe, daß du streng bei der Wahrheit bleibst und alles genau so sagst, wie es sich zugetragen hat.«
»Au weh«, meinte Jürgen, »der wird dich aber keilen. – Ich möchte heute nicht deinen Hosenboden haben.«
»Mutti, haut er mich wirklich?«
»Nein, Hermann, doch er wird sehr ernste Worte mit dir reden. Ein fast zwölfjähriger Knabe darf solche törichten Streiche nicht mehr machen.«
Es war für Hermann ein sehr schwerer Gang. Er blieb ganz dicht an der Seite seiner Mutter, seine Schritte wurden immer zaghafter, je näher man dem Revierbüro kam.
»Laß mich zuerst noch mal tief Atem holen. Ein bißchen kann er noch auf uns warten.«
Dann standen beide vor dem Wachtmeister. Unter seinen buschigen Brauen blickte der Beamte den Knaben durchdringend an. Hermann drückte sich verängstigt an die Mutter. Wohl fühlte er deren liebkosende Hand, doch sein Herz schlug wie ein Hammer.
»Du bist also der Hermann Wendelin?«
»Ja, geehrter Herr Wachtmeister.«
»Sie sollen hinein zum Herrn Polizeileutnant kommen.«
Der Wachtmeister stand auf, nahm das Aktenstück unter den Arm und schritt voran ins Nebenzimmer. Bärbel atmete auf. Polizeileutnant Winkler war ihr bekannt. Man war einmal auf einer Gesellschaft zusammen gewesen. Ihm konnte sie die Handlungsweise der Kinder ganz anders schildern als dem sachlichen Beamten, der nur die strafbare Handlung, doch nicht das gute Herz der Kleinen sah.
Der Beamte begrüßte Frau Wendelin freundlich. Nach einigen einleitenden Worten fragte er nach dem Atelier Goldköpfchen.
»Sie haben Ihr Atelier unter diesem Namen nicht angemeldet, gnädige Frau.«
»Aber, Herr Polizeileutnant, ich würde diesen Namen niemals gewählt haben.«
»Das konnte ich mir auch nicht denken. Solch ein eigentümlicher Name für ein photographisches Atelier läßt schiefe Deutungen zu.«
Zunächst wurde Hermann nicht verhört. Immer mehr zog er sich in den Hintergrund zurück. Er suchte mit den Augen den Ausgang. Sollte er vor dem Verhör hinauslaufen? Doch nebenan saß der böse Wachtmeister mit den durchdringenden Augen. An ihm würde er niemals unbemerkt vorbeikommen.
Doch nun stand der Polizeileutnant auf, öffnete die Tür zu einem anderen Zimmer, rief etwas hinein. Die Tür blieb offen. Und während der Polizeileutnant mit der Mutti weitersprach, hielt es Hermann für ratsam, nach dem anderen Zimmer zu entweichen. Vielleicht gelangte er von dort aus ins Freie.
»Nun wollen wir Ihren Sohn hören.«
»Hermann!« Bärbel sah sich um. Der Knabe war nicht mehr da.
»Nanu – der kleine Angsthase ist wohl davongelaufen?«
»Hermann!«
Der Polizeileutnant begab sich ins Nebenzimmer und fragte den Wachtmeister, ob der Knabe hinausgegangen sei. Der Beamte verneinte.
»Dann kann er nur hier hineingegangen sein.«
Man betrat das kleine Nebenzimmer. Auch hier war nichts von Hermann zu sehen. Der Schreiber erklärte, daß er nicht gemerkt habe, daß jemand das Zimmer betreten habe. Außerdem habe das Zimmer keinen anderen Ausgang, es sei also undenkbar, daß der Knabe entwichen sei.
»Vielleicht liegt er unter dem Sofa«, lachte Herr Winkler. »Will mal ein wenig Umschau halten.«
Aber von Hermann war auch hier nichts zu sehen. Der Polizeileutnant nahm den Vorhang zur Seite, auch Bärbel beteiligte sich beim Suchen. Doch Hermann war wie von der Erde verschwunden.
Schon wieder wurde die Mutter unruhig. Wenn der Knabe nicht durch das Nebenzimmer gegangen war, konnte er nicht entwichen sein. Da der Wachtmeister unmittelbar neben der Tür saß, war es unmöglich, daß Hermann ungesehen ins Freie gelangt war.
»Nun, gnädige Frau, er wird sich wieder einstellen. Er findet den Weg allein zu Ihnen. Doch lassen Sie mich später wissen, wie er entwischt ist.«
»Hermann hatte furchtbare Angst.«
»Das schadet nichts. Einen Denkzettel muß er haben, das ist gut und nützlich für die Zukunft. Doch nun will ich zusehen, was sich tun läßt. Aber um eine kleine Geldstrafe werden Sie nicht herumkommen. Mit Herrn Hampel werde ich persönlich sprechen, ich kenne ihn ziemlich genau.«
Dankbar reichte Bärbel dem Polizeileutnant die Hand. Nochmals sah sie sich suchend im Zimmer um, rief Hermanns Namen; doch kein Laut war vernehmbar.
Ein Knabenherz pochte stürmisch. Es war Hermann gelungen, sich unbemerkt aus dem Zimmer des Polizeileutnants zu entfernen. In dem kleinen Nebenraum, dessen Tür vorhin geöffnet worden war, saß ein einzelner Mann, den Kopf tief gebeugt über einen Bogen Papier. Regungslos blieb Hermann stehen. Er war sehr enttäuscht, denn das Zimmer hatte keinen zweiten Ausgang. Die Fenster waren wegen der strengen Kälte fest geschlossen. Wo konnte er sich verbergen, um dem furchtbaren Verhör, vielleicht auch der Prügelstrafe zu entgehen?
Da zuckte es in seinem Gesicht freudig auf. Dort drüben, an der Wand, hing ein Mantel. Unter dem Mantel standen zwei pelzgefütterte Stiefel. Vielleicht zog sie der Beamte über, wenn er des Nachts hinaus mußte.
Die Feder des Schreibers glitt unablässig über das Papier. Auf Zehenspitzen schlich Hermann an den Mantel heran, stieg behutsam in den einen Stiefel, dann in den zweiten, lehnte sich gegen die Wand und ließ den schweren Mantel über sich fallen. Von hier aus hörte er das Rufen der Mutter. Herr Winkler ging dicht an ihm vorbei und sah ihn nicht.
Unbeweglich stand der Knabe. Die Mutti rief zum zweiten, zum dritten Male. Er wagte sich nicht aus seinem Versteck heraus. – Doch was nun? Die Mutti verabschiedete sich, sie wollte heimgehen.
Er hörte deutlich, wie die Tür zum Zimmer des Wachtmeisters geöffnet wurde, er vernahm auch, wie der Leutnant seine Mutti durch das Zimmer begleitete. Nun gab es kein Halten mehr. Im Augenblick vergaß er, daß seine Füße in den hohen Stiefeln steckten. Polternd, stolpernd durcheilte der verängstigte Knabe die beiden Zimmer und fiel gerade vor der Mutti nieder. Dabei flog der eine Stiefel von seinem Bein.
»Hermann!«
Leutnant Winkler brach in lautes Lachen aus. Dann griff er nach dem Missetäter.
»Da hätten wir dich ja!«
»Mutti!« schrie Hermann auf, »die Polizei hat mich erwischt!«
»Nun komm noch einmal zurück.«
»Mutti – Mutti – –«
»Zieh zuerst den zweiten Stiefel aus, Hermann.«
»Mutti, ach, Mutti – –«
Mutter und Sohn kehrten nochmals ins Zimmer des Polizeileutnants zurück. Hermann war weiß wie die Wand.
Wohl tat es Herrn Winkler leid, als er die Angst des Knaben sah; trotzdem hielt er es für angebracht, dem Knaben die Folgen seiner unüberlegten Handlung klarzumachen.
»Deinetwegen muß nun die gute Mutti bestraft werden, Hermann. Das hast du doch gewiß nicht gewollt. Die anderen Leute sind jetzt sehr böse auf sie und werden ihr viel Ärger bereiten, und daran bist du schuld.«
Hermann war so verstört, daß er kein Wort hervorbrachte. Ihm war das eine klargeworden, daß er seiner lieben Mutti durch sein Verhalten viel Kummer und Sorgen bereitet hatte. Wie gern hätte er jetzt eine gehörige Tracht Prügel entgegengenommen, wenn dadurch alles wieder in Ordnung gekommen wäre. Doch daß nun seine geliebte Mutti durch ihn noch neue Sorgen, neuen Kummer haben werde, schnitt ihm tief ins Herz.
Dann war die Strafpredigt beendet, Mutter und Sohn waren entlassen. Auf dem Heimwege war Hermann noch immer mäuschenstill. Bärbel sagte ihm liebe, freundliche Worte; doch der Knabe war zu verstört.
Erst daheim, als Frau Leuschner neben ihm saß, begann er plötzlich bitterlich zu weinen.
»Ich wollte doch wie der Vati sein, der hat immer für die Mutti gearbeitet. – Nun werden sie die Mutti bestrafen, nur weil ich ungezogen war.«
»So wirst du in Zukunft doppelt artig sein, kleiner Hermann, damit machst du der Mutti große Freude.«
»Aber sie werden sie bestrafen.«
Es kostete große Mühe, den erregten Knaben zu beruhigen. – –
Bärbel hatte an den Folgen dieses unüberlegten Handelns der Knaben schon am nächsten Tage schwer zu leiden. Frau Lohmann stellte sich ein und wollte die beiden Bilder sehen. Sie war haßerfüllter denn je, weil ihr der Bruder inzwischen von den Knallerbsen erzählt hatte.
»Immer Neues ersinnt sie, immer wieder hält sie ihre Kinder zu Gemeinheiten an. Ich habe es satt. Sie wird angezeigt. Die Innung muß sich dahinterklemmen, man muß ihr das Atelier schließen.«
Nun hielt Frau Lohmann die Bilder in den Händen. Zunächst zeigte ihr Goldköpfchen die Aufnahme der Tochter. Frau Lohmann preßte die Lippen fest zusammen, denn ein Ruf der Bewunderung, der hellsten Freude wollte darüber kommen, als sie ihr Mauselchen so liebreizend vor sich sah. Noch niemals hatte sie solch ein entzückendes Bild von Nina erhalten; doch gerade das erregte ihren Groll doppelt. Was der Bruder in seiner jahrelangen Tätigkeit nicht fertigbrachte, vermochte dieser Neuling. Dabei hatte sie sich darauf gefreut, ihren Bekannten ein schlechtes Bild von Mauselchen zeigen zu können.
»Ein wenig gesucht«, stieß sie grimmig heraus. »Der Hund ist auf dem Bilde die Hauptsache. Ich glaube, das ist nicht das Richtige, Frau Wendelin – ach nein, Frau Goldköpfchen.«
»Die Aufnahmen von Ihnen, gnädige Frau, sind leider nicht gelungen.«
»Das wäre ja noch besser. Fast eine Stunde haben Sie damit verbracht. Eine von drei wird doch geglückt sein?«
»Leider nein, gnädige Frau.«
»Das ist mir noch nicht passiert!«
»Ich glaube, Sie haben nicht ruhig gesessen, gnädige Frau.«
»Eine sehr bequeme Ausrede! Drei Aufnahmen – einfach lächerlich. Zeigen Sie mir die Bilder!«
»Ich habe nur einen Abzug von jeder Platte gemacht. Vielleicht versuchen wir es noch einmal.«
»Das sollen Bilder aus einem Atelier sein, das ankündet, erstklassige Arbeiten zu liefern? Nur im Atelier Goldköpfchen bekommt man einwandfreie Photographien, die anderen fertigen Kitsch an. Verehrte Frau Goldköpfchen, da gehe ich doch lieber ins Atelier Hampel, dort glückt gleich die erste Aufnahme. Wer Kitsch macht, das dürfte nun zur Genüge erwiesen sein. Ich verzichte auf eine weitere Aufnahme. Selbstverständlich bezahle ich die Bilder nicht. Dreimal gesessen, fast eine Stunde vertrödelt, und dann solch ein klägliches Ergebnis.«
»Ich wiederhole nochmals, gnädige Frau, daß in diesem Falle die Schuld nicht an mir liegt.«
»Also an mir? – Schau schau! Ich habe mich in meinem Leben mehr als zwanzigmal aufnehmen lassen und immer gute Bilder erhalten. Aber natürlich, im Atelier Goldköpfchen ist das eben ganz anders. Geben Sie mir die Aufnahmen.«
»Nein, gnädige Frau.«
»Ich wünsche diese Aufnahmen.«
»Sie sehen doch selbst, gnädige Frau, daß die Bilder nichts wert sind. Außerdem sind sie nicht retuschiert.«
»Daß sie nichts wert sind, sehe ich allein, trotzdem will ich sie haben. Sie müßten wissen, daß ich das Recht an diesen Bilder habe. Ich kann sogar die Platten verlangen, wenn ich sie bezahle, und ich will diese Bilder haben.«
In Goldköpfchen stieg ein schlimmer Verdacht auf. Wenn sie diese mißlungenen Aufnahmen aus der Hand gab, wenn man die Aufnahmen herumzeigte, war das keine Empfehlung für ihre Arbeit. Daß Frau Lohmann so energisch darauf bestand, diese Bilder zu haben, ließ darauf schließen, daß sie Goldköpfchen schaden wollte. Vielleicht war diese Frau von einem der anderen Photographen zu ihr geschickt worden und hatte ganz absichtlich gewackelt.
»Kein Photograph wird mißlungene Bilder aus der Hand geben.«
»Ich bestehe auf meinen Bildern. Ich will nicht, daß mit meinen Bildern Unfug getrieben wird. Unfug wird in Ihrem Atelier genug gemacht. Es ist keine Empfehlung für mich, im Atelier Goldköpfchen photographiert worden zu sein. Ich habe das erst später erfahren.«
»Ich werde vor Ihren Augen die Platten vernichten«, erwiderte Goldköpfchen bebend vor Erregung.
Doch schon hatte Frau Lohmann die drei Abzüge in ihre Handtasche gesteckt.
»Hier sind drei Mark, ich glaube, das ist reichlich bezahlt für solch eine Arbeit. – Hahaha, Kitsch bei Hampel. Ich weiß, wo Kitsch gemacht wird. – Sonderbar, daß es überhaupt gestattet wurde, das Atelier Goldköpfchen zu eröffnen.«
»Bitte, nehmen Sie das Geld wieder an sich.«
»Nur nicht so großartig, wer schon den Bäcker um Brot bitten muß, sollte froh sein, wenn er für eine mißglückte Aufnahme drei Mark bekommt. Das sind sechs Brote, Frau Goldköpfchen.«
»Sind Sie gekommen, nur um mich zu beleidigen, gnädige Frau?« Die schlanke Gestalt der jungen Witwe richtete sich hoch auf. »Ich versuche, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen, doch Kränkungen weise ich zurück.«
»Leben Sie wohl, Frau Goldköpfchen, mich sehen Sie nicht wieder. Aber hüten Sie sich vor weiteren Verleumdungen. Es dürfte Ihnen teuer zu stehen kommen.«
Mit diesen Worten war Frau Lohmann gegangen.
Goldköpfchen ließ sich auf einen Stuhl nieder und stützte den Kopf schwer in die Hand.
»Nur nicht verzagen«, murmelte sie, »immer recht tapfer sein. Aller Anfang ist schwer! Ich denke, daß ich mich durchsetzen werde. Nur muß ich Hampel und Rotmühl wieder versöhnen. Ich sehe, sie können mir viel schaden.«
Dann erhob sie sich müde und schaute mit umflorten Augen hinüber zum Hügel des verstorbenen Gatten.
»Du hast es gewollt, daß ich tapfer sein soll. Ach, Harald, du hast auch kämpfen müssen, auch dir ist es nicht leicht geworden. – Häschen, mein Häschen, stehe mir bei!«