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Auf der Terrasse

Die schwüle Parfümluft des Ballsaales treibt mich ins Freie. Durch die geöffnete Glasthür trete ich auf die breite Steinterrasse, deren weißschimmernde Stufen in den schlummernden Park hinabführen.

Die große Rundung ist geschmückt mit betäubend duftenden Gewächsen. Hohe, schlanke Palmen breiten ihre vollen Kronen aus oder nicken leise mit breitfächerigen Blättern. Stämmige Orangenbäume stehen dazwischen mit ihren kleinen, festen, grünen Blättern, und blühende Oleanderbüsche hauchen ihren bestrickenden Duft in die sommernächtliche Kühle. Ich lehne mich in einen Sessel, der ganz versteckt im dichten Palmengebüsche steht. –

Drinnen geht der Tanz zu Ende ...

Ein surrendes Geräusch lachender und plaudernder Menschen dringt aus den geöffneten hohen Thüren in die weiche Stille der Nacht.

Die schmale weiße Sichel des wachsenden Mondes hängt an dem dunkelblauen Himmel, dicht über den Wipfeln des schwarzen Eichenhaines, und scharf hebt sich das Spiegelbild der Sterne in dem klaren Spiegel des schlummernden Sees ab.

Wie aus weiter Ferne klingt aus dem Gewirr der blassen Teichrosen das langgezogene Gequak eines Frosches; dann geht ein rascheln durch das Röhricht, und wieder wird es still, bis eine erschreckte Nachtigall ihr sentimentales schluchzen aufs neue beginnt.

Ich lehne mich zurück, blicke zu dem flimmernden Sternenhimmel auf, und muß nachgrübeln über das ewige Rätsel des Lebens. –

Aus dem Ballsaal dringen die schmeichelnden Klänge eines wiegenden Walzers – ein neuer Tanz.

Ich wache auf aus meinen Träumen. –

Von meinem Sitze aus kann ich ein Stück des lichtdurchfluteten Ballsaales übersehn. Hie und da ist ein Fenster weit geöffnet, um der kühleren Nachtluft den Eintritt zu gewähren.

Wie sie dort sich eng umschlungen haltend durcheinanderwirbeln ... wie in tollem Hexensabbath. –

Gleich Traumbildern ziehen die schwebenden, kreisenden Gestalten an meinem Auge vorüber. –

Jagen wir nicht alle durch das Leben hin, ohne aufhalten, in sinnlosem Taumel, und die düstere Göttin Zeit schwingt ihren Taktstock, – und so ziehn wir dahin in jauchzender Tollheit, – und oft bricht mitten im Jubel jäh die Melodie ab, und der Tanz ist aus, den wir armen Motten um das Licht der Sonne aufgeführt haben.

Wie ich mich den alten Grübeleien aufs neue ergeben will, treten zwei Gestalten in den lichterfüllten Rahmen der hohen Thür, daß ihre verschwimmenden Schatten riesengroß sich über die bunten Steinplatten der Terrasse erstrecken. Dann tritt das Paar weiter hinaus in die Nacht. –

Ich höre sie flüstern, aber achte nicht weiter darauf. Ein Liebespaar, das an sich selbst mehr als genug hat ... Träume – Schäume! –

Aber plötzlich werde ich aufmerksam.

Diese weiche Frauenstimme kenne ich ...

Ich habe mich nicht getäuscht ... die junge Herrin des Hauses, am Arme eines Fremden. –

Seit kurzem erst weilt er in unserem Gesellschaftskreise. Sein Name hat in der Gelehrtenwelt, weit über sein Vaterland hinaus, schon jetzt einen guten Klang.

Sie treten näher an das Gebüsch heran, durch das jetzt leicht rauschend die Abendluft streicht. Sie stehen so, daß man sie aus dem Saale nicht erblicken kann.

Der Mann spricht; ich verstehe die Worte nicht, aber aus dem Klange fühl' ich es heraus, daß so kein Mann mit dem Weibe eines andern sprechen darf.

Er hat den Arm um ihren Leib gelegt, und ich sehe, wie sie die Augen schließt und den kleinen Kopf an die Schulter des Mannes lehnt, der sie fest an sich zieht.

Und jetzt tönt es leise, jubelnd und süß erschrocken, wie ein langverhaltenes scheues Geheimnis von ihren Lippen: Ach, Fredi! ...

Im ersten Augenblick bin ich versucht, aufzuspringen, um nicht Zeuge der Scene zu bleiben, aber dann bleibe ich ruhig sitzen, um mich nicht zu verraten. –

Und nun sehe ich, wie das junge Weib die Arme um den Hals des Mannes legt und seinen Kopf zu sich herabzieht, bis ihre Lippen die seinen finden, während sie schmeichelnd: Fredi! Fredi! flüstert und sich ihm entgegendrängt. –

Da bricht die Musik des Tanzes ab – die beiden fahren auseinander. –

Man kommt auf die Terrasse ... Eine größere Pause, und alles strömt aus dem Saale in die warme Sommernacht, plaudernd, sich verbeugend, fächerschwingend, ein rauschen von Kleidern, ein Gewirr von Stimmen Diener eilen mit Erfrischungen umher, und die junge Frau entschlüpft ihrem Begleiter, um ihren Pflichten als Herrin des Hauses nachzukommen.

Ich erhebe mich, und aus dem versteckten Winkel mische ich mich unter die plaudernde Menge. –

Aber immer wieder fliegt mein Blick zu dem jungen stattlichen Manne hinüber, der jetzt den Mittelpunkt eines kleinen Kreises bildet, der von ihm Belehrung über eine streitige Frage erbeten hat.

Und jetzt sehe ich auch die junge Frau, wie sie, als sei nichts geschehen, bald hier bald dorthin ein neckisches Wort wirft und ihren jungen Hausfrauenpflichten in anmutend liebenswürdiger Weise nachkommt. –

Der Herr des Hauses tritt an mich heran, und als alte Bekannte plaudern wir mit einander.

Ich sehe, wie sein Auge unablässig liebevoll jeder Bewegung seiner Gattin folgt.

Ein Ausdruck von Stolz und innigster Freude liegt auf seinen Zügen.

Und plötzlich faßt er meine Hand, und leuchtenden Auges bricht es aus ihm heraus:

Bin ich nicht ein glücklicher Mensch? – Ist nicht mein Weib die schönste und beste von allen? – Bin ich nicht zu beneiden? ...

Und ich nicke ihm zu, und sage zu all seinen Worten: Ja! und muß dabei immer denken: Du armer unglücklicher Prahler! – Glücklich, daß du nicht weißt. – Unselig, wenn du ein Wissender werden solltest. –

Und ich verschließe das Geheimnis der Terrasse tief in meinem Innern, um es selbst wieder zu vergessen ...

Ich gehe die Stufen in den Park hinab und lasse den armen Thor bei seinem Weibe, das zu ihm getreten ist und ihn mit glückstrahlenden Augen anlächelt, mit einem Lächeln, das ihm nicht gehört; – und ihm aus seine Frage: Amüsierst du dich auch, Schatz! geantwortet hat: Unaussprechlich! –

Und während ich durch den stillen, feuchten Park wandle, an dem dunklen Teiche hin, der träumerisch murmelnd an das Ufer plätschert, und die hohen Bäume wie verschlafen im Nachthauche raunen und rauschen, sehe ich die junge Frau vor ihrem Gatten stehn, lächelnd und frohsinnig; und denke, wie sie wenige Augenblicke zuvor auf der Terrasse in den Armen eines anderen lag ...

Und die duftenden Büsche rauschen wie in stillen Träumen leise in einander – und eine verlogen sentimentale Nachtigall singt ihren alten, schwermütigen Sang von Liebe und Liebesverrat ...

* * *


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