Graf Leo N. Tolstoi
Meine ersten Erinnerungen sowie verschiedene kleine Schriften
Graf Leo N. Tolstoi

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Satirisches Gedicht

von Graf L. N. Tolstoi und anderen aus der Zeit der Belagerung von Sewastopol.

Der Übersetzer fand dieses schöne Lied, welches in den Erinnerungen von E. P. Schuyler erwähnt wird, in einer russischen historischen Zeitschrift (Russkaja Starina 1884), in welcher es auf Veranlassung eines der damaligen Mitkämpfer und Mitpoeten abgedruckt worden war. Dieser erzählt in Übereinstimmung mit E. P. Schuyler, daß während der Belagerung von Sewastopol die Offiziere vom Stab der Artillerie sich gewöhnlich abends bei ihrem Chef, General Krüschanowsky, zusammengefunden und dabei dieses Epos mit vereinten Kräften geleistet haben. Es waren: ein Oberst, ein Oberstleutnant, drei Hauptleute, darunter Graf L. N. Tolstoi, welcher bereits den Rang eines »Stabskapitän« (Hauptmann II. Klasse) erreicht hatte, und drei Leutnants, sowie gelegentlich einige andere Offiziere, wobei der Oberstleutnant gewöhnlich am Klavier die Begleitung lieferte. – Mehrere Strophen, jedoch nicht alle, sollen bestimmt von Leo Tolstoi sein.

Der Übersetzer hat sich bemüht, wenigstens den Sinn und den Ton richtig wiederzugeben.

Dort im August, am vierten Tag,4. Aug. 1855, der Tag der Schlacht an der Tschernaja.
Da hat der Böse uns geplagt,
      Die Berge wegzunehmen,
      Die Berge wegzunehmen.

Baron Wrewsky, der General,Der Bevollmächtigte des Kriegsministers. Er trieb Fürst Gortschakow an, die Stellungen der Verbündeten südlich und östlich von Sewastopol anzugreifen.
Es dem Fürst Gortschakow empfahl
      Und ließ ihm keine Ruhe,
      Und ließ ihm keine Ruhe.

»Den Berg nimm, Fürst, ich sag' es Dir,
Und hör', verdirb es nicht mit mir,
      Sonst werd' ich's dienstlich melden!
      Sonst werd' ich's dienstlich melden!«

Sogleich versammelt sich zum Rat,
Was große Epauletten hat,
      Dabei auch Platz-Bekok,
      Dabei auch Platz-Bekok.

Platz-Bekok, so nämlich heißt er,
Weil er ist Platz-Polizeimeister.
      Aber dem fällt gar nichts ein,
      Aber dem fällt gar nichts ein.

Lange thaten Rat sie halten
Und die Topographen malten
      Auf ein großes Blatt Papier,
      Auf ein großes Blatt Papier.

Und sie malten alle Straßen,
Nur die Schluchten sie vergaßen,
      Durch die wir sollten gehen,
      Durch die wir sollten gehen.

Alsdann ritten Fürsten, Grafen
Und zugleich die Topographen
      Bis zur großen Redutee!
      Bis zur großen Redutee!

Gortschakow sagt: »Geh', Liprandi!«
Aber der meint: »Ne, attendez,
      Ich geh' lieber nicht dahin,
      Ich geh' lieber nicht dahin.«

»Kein kluger Kopf ist nötig da.
Drum geh' nur Du hin, Reada,
      Ich aber werde zusehn,
      Ich aber werde zusehn.«

Reada ging in aller Ruh
Und führt' uns auf die Brücke zu.
      Und nun mit Hurra vorwärts!
      Und nun mit Hurra vorwärts!

Dringend bat zuvor noch Martenau,
Reserven abzuwarten:
      »Nein, laßt sie nur stürmen jetzt,
      Nein, laßt sie nur stürmen jetzt.«

Wir mit Hurra vorwärts treiben,
Aber die Reserven bleiben,
      Gott weiß wo, sie sind verirrt,
      Gott weiß wo, sie sind verirrt.

Bjelewzow, der General,
Die Fahnen kräftig schwang im Thal,
      Jedoch es stand ihm schlecht an.
      Jedoch es stand ihm schlecht an.

Auf die Höh'n von Feduchin
Kamen nur drei Kompagnien
      Von all den Regimentern,
      Von all den Regimentern.

Ja, unsre Zahl war gar nicht groß
Und dreimal stärker der Franzos,
      Doch von Succurs auch keine Spur,
      Doch von Succurs auch keine Spur.

Wir warten, endlich kommt Entsatz,
Eine Kolonne aus dem Platz
      Und wir zum Rückzug blasen,
      Und wir zum Rückzug blasen.

Der Gen'ral Sacken fromm und gut
Derweil Gebete lesen thut
      Zur heil'gen Mutter Gottes,
      Zur heil'gen Mutter Gottes.

Den Rückzug hat man uns befohlen,
Den aber soll der T . . . . . . . . . .,
      Der uns dahin gesandt hat,
      Der uns dahin gesandt hat!

Man könnte sich darüber wundern, daß ein solches Epos unter den Augen des vorgesetzten Generals entstehen konnte. Aber man muß berücksichtigen, daß der Russe nun einmal von Natur eine im ganzen harmlose Neigung, zu kritisieren, hat, wobei er auch sich selbst nicht schont, sowie daß in Kriegszeiten der Krieger leicht auf mancherlei und oft noch bedenklicheren Zeitvertreib verfällt.

L. A. H.

 


 


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