Ludwig Tieck
Die Theegesellschaft
Ludwig Tieck

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Sechster Auftritt.

Ahlfeld, Julie.

Ahlfeld. Nun mein Kind! – Ei, Du hast Dich ja recht schön herausgeputzt.

Julie. Sie wünschen es ja, und der Baron sieht es auch gern.

Ahlfeld. Wohl, vollkommen wohl, da bist Du auf dem wahren Punkt. Es freut mich, daß Du Dich immer mehr in Deinen zukünftigen Stand zu schicken suchst; anfangs warst Du ein wenig widerspenstig.

Julie. Man kennt so oft sein eigenes Glück nicht.

Ahlfeld. Da hast Du wohl recht, mein Kind. – O wenn wir das immer wüßten, so würden wir nicht so oft gegen unser eigenes Beste handeln. – Setz' Dich doch nieder, ich möchte noch manches mit Dir darüber sprechen. – Sie setzen sich. Sieh, mein Kind, (denn ich habe Dich nun schon so lange als mein eigenes Kind betrachtet,) die Liebe ist ein ganz seltsames Ding. – Ich will es Dir durch ein Exempel deutlich machen. Du hattest Dir z. B. einmal eingebildet. Du liebtest Werner.

Julie Es ist vorbei.

Ahlfeld. Nein, ich will nur sagen; – sieh, das war von Grund aus falsch. – Die Liebe ist überhaupt die Leidenschaft, die alle unsre Gedanken in Confusion, so zu sagen in eine gewisse Verwirrung bringt. Es ist die psychologischeste von allen Empfindungen, und darum weiß man im Grunde nicht, was man darüber sagen soll. – Verstehst Du mich, mein Kind?

Julie. Ich glaube wohl.

Ahlfeld. Das ist recht. Ich kann es nun durchaus nicht leiden, wenn die Menschen immer nach ihren Empfindungen handeln wollen, denn das taugt gar nichts. – So mußt Du Dich auch in Acht nehmen, Deinen zukünftigen Gemal, den Baron, nicht zu sehr zu lieben; denn man hat Beispiele, daß eine solche Liebe in eine Leidenschaft, in eine gewisse pathetische Eruption ausgeartet ist, die der Gesundheit höchst schädlich ist. Man muß in allen Dingen mäßig sein. – Ich muß nur noch Eins das Vergnügen haben Dir zu sagen, aber Du mußt darüber nicht böse werden, liebes Kind.

Julie. Gewiß nicht, lieber Onkel.

Ahlfeld. Du bist immer noch zu bürgerlich, zu sehr eingezogen, Du hast nicht ein gewisses air. – ein Benehmen, – eine – um mich so auszudrücken, Entartung der Bürgerlichkeit, – kurz, enfin, – Du bist ein ganz hübsches Mädchen, aber eine Baronesse bist Du noch nicht.

Julie. Es wird mir schwer, da ich so lange –

Ahlfeld. Da hast Du Recht, wir haben zu entfernt von der Welt gelebt, zu eremitisch, zu philosophisch. Es ist mir selber schwer geworden, mir den feinen Ton zu engagiren, oder, wenn ich so sagen darf, mir zu eigen zu machen, indessen, – tant pis, – es giebt sich alles. Man muß nur eine Recursion nehmen es zu ändern, man muß sich unterrichten lassen, es giebt noch Mittel und Wege d'y parvenir. – Verstehst Du mich?

Julie. Vollkommen.

Ahlfeld. Du bist ein kluges Mädchen, und es wird schon werden. – Männer, wie der Baron, giebt's heut zu Tage selten; ich goutire ihn ungemein, denn er goutirt mich, und so sind wir, glaub' ich, in eine gewisse Parallele der Freundschaft gerathen. – Er wird doch heut kommen?

Julie. Gewiß.

Ahlfeld. Wenn ich Dich erst glücklich sehe, so will ich völlig zufrieden sein.



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