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Kriegschronik des Dorfes Armetshofen von Bürgermeister Martin Ruepp, Leitnerbauer daselbst

Dieses habe ich geschrieben für uns und die Nachkommen zum Andenken an diese Zeit, damit man es sieht, was wir erlebt haben, und wie sich in unserer Gemeinde allerhand richten und schicken hat müssen.

Ich habe mir Mühe gegeben, daß alles wahrheitsgetreu beschrieben ist, denn sonst kann man nichts daraus lernen.

Wie es angefangen hat

Schon etliche Jahre ist viel geredet worden, daß es Krieg geben soll; zuerst, wie der Serb sich so aufgemanndelt hat gegen Österreich, hernach wieder, wie es über den Türken losgegangen ist.

Selbigesmal haben viele Stadtleut geklagt, daß der Handel so wenig war, aber wir Bauernmenschen haben nicht viel davon gespürt. Die Preise sind nicht schlecht gewesen für das Getreid, auch das Vieh hat was gegolten, und man hat sich helfen können.

1911 ist ein trockener Sommer gewesen; was weniger gewachsen ist, war dafür besser und leicht zum einbringen.

1912 war ein nasses Jahr, und 1913 hat man das Korn erst im Ausgang August und Anfang September hereingebracht, nach der Gerste und dem Weizen, was seltsam war für alle.

1914 hat sich gut angelassen; der Stand war zufriedenstellend, und um Jakobi ist die Ernte im Gang gewesen. In unserm Armetshofen haben wir uns darauf eingerichtet, und auch sind etliche Ernteurlauber heimgeschickt worden.

Der Gschwandtner Peter war heraußen, der Leitner Pauli und vom Holzmüller ein Knecht, und man hat ihre Hilfe gut brauchen können.

Jetzt muß ich berichten, daß am Peter- und Paultag der österreichische Thronfolger drunten in Bosnien ermordet worden ist von den Serben. Die Zeitungen haben viel darüber geschrieben, und es ist auch viel darüber geschimpft worden, daß sich diese verwegenen Menschen eine solche Untat trauen, aber wie es so geht, nach einiger Zeit hat man nicht mehr daran gedacht, denn unsereins hat seine Arbeit, und zum Zeitunglesen ist man nicht mehr gekommen.

Am Jakobitag hat man gehört, daß die Österreicher ein scharfes Schreiben an die Serben geschickt haben, sie sollen Rechenschaft geben über den Mord. Da hat unser Lehrer Kalkschmidt gesagt, ihr Leute, das geht nicht gut hinaus, denn bald ein solcher Stein ins Rollen kommt, reißt er alles mit.

Aber wer denkt an einen Krieg, und was versteht ein Bauernmensch von den Sachen, die gedruckt werden?

Am 28. Juli ist der Lehrerssohn aus der Stadt gekommen und hat allerhand Geschichten mitgebracht. Daß der Österreicher Krieg hat mit dem Serben, daß in München großer Spektakel ist, und daß sie einem Kaffeesieder die Fenster eingeschmissen haben, weil er die Leute nicht hat singen lassen.

Am Tag darauf hat mir der Postbot drei Telegramme gebracht für die Ernteurlauber, und es war der Befehl, daß sie gleich einrücken müssen. Da hat mir nicht mehr viel gefallen.

Im Dorfe sind nach Feierabend die Leute zusammen gestanden, und einer hat den andern gefragt, was er sagt zu den Geschichten. Gewußt hat wohl keiner was Rechtes.

Am 31. Juli, und es war ein Samstag und das schönste Wetter, da habe ich noch mit dem Dachserbauern einen Diskurs gehabt, wie schade es wäre, wenn jetzt am Anfang von der Ernte ein Krieg kommen müßte.

Es war schon ums Dunkelwerden, und wir sind vor dem Wirtshaus gestanden, der alte Klöckl war auch dabei, und wir heimgarten so miteinander. Auf einmal schreit die Wirtin heraus, ich soll ans Telephon kommen, es ist was da für mich, der Expeditor von Flinsbach hätte was Amtliches. Die Wirtin war kreideweiß, ihre zwei Buben waren bei der Reserve.

Also ich gehe zum Telephonkasten, und da lest mir der Expeditor vor, daß Mobilmachung befohlen ist, am Montag den 2. August ist der erste Tag, im zweiten Armeekorps muß der Landsturm einrücken, und hernach sagt er, für den Hopfner Peter, der Pionier war und Reservist, liegt ein Telegramm auf, daß er schon am 1. August weg muß.

Die Wirtin hat zugehört und gefragt und fangt gleich das Weinen an; ich bin still vor das Haus gegangen und habe mir überlegt, ob ich es noch in der Nacht ausschellen lasse. Die mehreren Leute waren schon im Bett, und ich habe gedacht, wenn ich es verkünde, ist die ganze Nacht keine Ruhe mehr. Derweil sind die paar Gäste in der Wirtsstuben schon lebhaft geworden und sind heimgelaufen und haben unterwegs an die Fenster geklopft und die Neuigkeit angebracht.

Da ist es in jedem Haus lebendig geworden; es war, als wenn die Impen auskommen. Die Ältern sind zum Wirtshaus gekommen und haben mich gefragt, die Jungen sind bei den Weibsbildern gestanden, die ein rechtes Erbarmnis mit ihnen gehabt haben. In dieser Nacht haben nicht viele Leute geschlafen, und wo eine Dirn war, ist ein Bursch ans Kammerfenster gekommen. Da hat man auch nicht streng sein mögen.

Am andern Tag in aller Herrgottsfrüh hat der Hopfner Peter von mir B'hüt Gott genommen. Das war der erste, und nach ihm haben es viele getan, mehr, als wir alle gemeint haben.

Der Peter ist tapfer fort; als ein lediges Kind hat er keinen großen Anhang nicht gehabt. Von den Burschen haben ihm etliche das Geleit geben, auch Votzhobel blasen und gejuchzt, daß man ihre Schneid gesehen hat.

Den 4. und 5. August sind acht Burschen fort und drei verheiratete Männer.

Die Burschen waren:

Der Schmied Lenz,

der Kirchmayer Anton und Vitus, dem Wirt seine Buben,

der Zottmayer Irgl vom Dachserbauern,

der Wiechel Kaspar vom Schwaigerbauern,

der Ecker Hans, der war Dienstknecht vom Schuhwastl,

der Rampolt Marti und

der Lechner Gori; alle zwei waren Dienstknechte beim Matheis.

Die drei Verheirateten waren:

Kaspar Zotz, Berglbauer,

Martin Widmann, Gütler. Man heißt es beim Wagner.

Mathias Weiß, Gütler. Man heißt es beim Kappenschneider.

Am 6. August haben noch zwei Männer fort müssen:

Der Rainergütler Valentin Zwerger und der Schmauß Lukas, Fottnerbauer.

Alle sind nach Röhrmoos gegangen und von da mit der Bahn nach München oder nach Ingolstadt.

Die vier Soldaten, die gerade gedient haben, waren der

Gschwandtner Peter,

der Leitner Pauli,

der Holzmüllerknecht Jakob Gneidl,

und der Hofbauernsohn Korbinian Schecker.

Drei Burschen waren bei der Ersatzreserve und haben sie am 12. August sich stellen müssen.

Das waren der Josef Weber, Sedlbauernssohn,

der Hans Ruepp, mein Ältester, und der

Quirinus Mayr, vom Sechser ein lediger Sohn, der bei ihm aufgezogen worden ist.

Die Burschen sind lustig fortmarschiert, haben aufg'rebellt und keine Traurigkeit gezeigt. Es haben ihnen auch die Weibsleute den Abschied nicht zu hart gemacht und sind daheim geblieben und haben nicht auf der Straße gejammert. Freilich, wo eine Mutter oder der Schatz unter der Haustür gestanden ist, hat es Tränen gegeben und haben sie ihren Leuten lange nachgeschaut.

Aber ich muß sagen, es war auch da alles anders, wie man es sich vorstellt. Wenn früherszeiten von Krieg geredet worden ist, hat man geglaubt, es müßt die Welt einfallen und alles still stehen; jetzt wie der Krieg da war, ist nirgends Spektakel gewesen, alles war ruhig und ist mit Ordnung gegangen, als wäre es ausprobiert gewesen. Da habe ich mich oft gewundert, und ich habe gesehen, daß man sich kein Ding richtig vorstellt, die schlechten nicht und die guten auch nicht. Von der Weiten schaut alles anders aus.

Mit dem Zwerger und dem Schmauß Lukas bin ich nach Röhrmoos hinübergegangen, denn der Lukas war mit mir von Mutterseiten her verwandt, und ein bissel was sehen habe ich auch wollen.

In Röhrmoos ist der lange Zug angekommen und war gesteckt voll von Landwehrmännern, daß die, wo hier eingestiegen sind, schier keinen Platz gefunden haben. Bei den Fenstern haben sie herausgerufen und geschnackelt und gepfiffen, und keine Traurigkeit war vorhanden. Ich habe etliche Bekannte gesehen. Den Billmoser von Flinsbach, den Ertl von Sengersried und andere dazu. Eine Rede hat die andere geben, und es waren lauter übermütige Reden, daß ich mich gefreut habe.

Der Lukas war ein wenig still. Er war überhaupts so und ist auch im Wirtshaus nicht laut geworden, aber jetzt denke ich oft, ob ihm nicht was vorgegangen ist, denn er war der erste, für den wir das Totenamt gehabt haben. Er ist in den Vogesen gefallen am 7. September.

Wie der Zug weggefahren ist, war ein Schreien und Juchzen, und ich steh da und schau nach. B'hüt euch Gott, Landsleut, denke ich, es werden nicht alle heimkommen, und wüßt man's von einem g'wiß, daß er in den Tod fahrt, was tät man ihm noch versprechen! Daran soll man denken sein Leben lang und auf Weib und Kinder schauen, die ein braver Mensch hint'lassen hat, und ich meine, wir sind's ihm schuldig.

Beim Heimgehen habe ich gesehen, daß auf dem Bahngeleis und an jeder Brucken Arbeiter und Stationsdiener gestanden sind, und jeder mit dem Gewehr. Da habe ich gemerkt, daß es Krieg ist.

Am 6. August habe ich einen Merks gekriegt vom Bezirksamt, und ist auch in der Zeitung gestanden, es soll Obacht gegeben werden auf Automobil, die aus Frankreich nach Rußland wollen, und sie haben viele Millionen Gold dabei. Ich habe unsere Alten aufgestellt, denn die andern waren blutnotwendig für die Arbeit, und sie haben einen sakrischen Eifer bezeugt. Mit alten Vorderladern sind sie ausgerückt und haben sich hinter Boschen versteckt. Wenn ein Schnauferl kommen ist, springen sie vor und waren zum Fürchten, so haben sie geschrien. Für unsern alten Matheis war das die größte Freud, denn als Veteraner hat er die Kumpanie befehligt und die Posten revadiert, und er ist scharf gewesen wie ein Feldwebel. Der Förster Hallberger hat mitgetan und die mehrere Zeit geflucht, und es soll einer bloß probieren, sagt er, und nicht halten, er schießt ihn vom Bock herunter.

Es ist aber nichts vorgefallen.

Erzählt ist allerlei worden, daß Automobile erwischt worden sind mit ganzen Kisten voll Gold. Hinterher ist nichts wahr gewesen.

Am 3. August sind die aufgeschrieben Roß aus dem Dorf fortgekommen. Es waren elf, und von mir waren zwei dabei, ein Fuchs und ein Schimmel. Mein jüngerer Bub, der Seppl und der Knecht haben sie nach Aichach gebracht. Ist mir der Abschied auch nicht leicht gewesen, denn daß ich sie nicht mehr sehe, habe ich mir denken können.

Selbigesmal ist nicht recht gut gezahlt worden, aber im Januar, wie das zweitemal Roß abgeliefert worden sind, haben die Leute ein schönes Geld gekriegt.

Freilich, ein Jahr später wäre mir ein Gaul, wie mein Schimmel war, nicht um siebzehnhundert Mark feil gewesen. Ich habe im August vierhundertneunzig Mark bekommen.

Damals hat es geheißen: Bauer, richt dich ein! Hast keinen Gaul, dann spannst Ochsen ein. Es ist zuletzt gegangen, bei mir und bei den andern auch, aber die Ochsen sind gleich gar teure und rare Viecher worden. Das werde ich schon noch beschreiben.

Aus der Stadt hat man uns Arbeitslose und Buben geschickt zum Helfen; es war gut gemeint, und den Willen kann man loben, aber ich hab' heimlich lachen müssen, wie sich die Arbeitslosen angestellt haben. Das früh Aufstehen und in der Sonnenhitz Arbeiten haben sie nicht lang aushalten mögen. Nach ein paar Tagen sind sie wieder heim. Die jungen Burschen waren so übel nicht, wo sie halt zum Brauchen waren.

Das Beste hat das Wetter getan, das schön geblieben ist den ganzen August bis in den September hinein. So haben wir langsam und sicher geschafft und das letzte Fuder trocken hereingebracht.

Sonst heißt es: Wie Laurenz und Barthel sind, so wird der Herbst, rauh oder lind. Auf Laurenzi und Barthlmä war das schönste Wetter, aber der Herbst war nicht zum Loben. Da hat die Regel auslassen.

Die erste Zeit

Im Dorf ist es still gewesen, und auf den Feldern hat man lauter schweigsame Menschen bei der Arbeit gesehen, denn es waren halt die Jüngeren fort, und die Alten haben ihre Gedanken gehabt. Auch sind die Fuhrwerke nicht mehr so stolz heimgefahren oder so schnell feldaus gerasselt, weil der beste Bauer im zweiten und dritten Wagen Ochsen eingespannt hat.

Beim Kappenschneider haben sie Freude erlebt, denn er hat wieder heimdürfen. Am Samstag, den 8. August, klopft es am Fenster, und wie die Kappenschneiderin fragt, wer draußen ist, da war es der ihrige. Er ist frei geworden, weil er vor etlichen Jahren einen Fuß brochen hat und war nicht mehr zum brauchen bei der Atollerie als Fahrer. Es waren aber vier Kinder da und Schulden, und es laßt sich denken, daß der Kappenschneider froh gewesen ist.

Meine lieben Leute, es sind jetzt die Begebenheiten nacheinander gekommen, wo man in der Zeitung und in Büchern genau lesen kann, und ich kann nicht eins nach dem andern herschreiben. Bloß dieses berichte ich, daß die erste Nachricht von der Festung Lüttich sich gehandelt hat. Der alte Kienader Hans ist zu uns auf das Feld herausgelaufen und hat den Sieg vermeldet. Da haben wir alle geschwinder geschafft, daß wir nur mit einem vollen Wagen heimfahren können und genauer nachfragen. Unser Lehrer Kalkschmidt hat es uns ausgedeutscht, daß dieses Lüttich eine Hauptfestung in Belgien oben ist, und daß der General Emmich es ohne Federlesen gestürmt hat, obwohl daß die Feinde die allergrößte Hoffnung auf die starke Festung gehabt haben. So ein Anfang macht lebfrisch und hat uns allesamm gefreut und die beste Hoffnung gemacht, daß es wieder geht wie allemal, und daß die Deutschen Sieger sein müssen.

Selbigesmal habe ich und der Kistlschuster und der Lehrer eine Landkarten von München schicken lassen, und wir haben sie in der Wirtsstuben aufgemacht, daß ein jeder was davon hat. Der Lehrersohn Martin hat es übernommen, daß er den Weg aufzeigt, den die Deutschen vorwärts machen, und es sind auch Leute von auswärts froh gewesen, wenn sie beim Wirt eingekehrt sind und haben die Karten gesehen. Die Wirtin hat gut aufgepaßt, wie es der Martin erklärt hat, und sie hat hernach den Leuten ein wenig Bescheid geben können.

Die erste Zeit hat der Martin mit großem Fleiß die kleinen Fähnlein gesteckt und ist geschwind vorgerückt, später ist es weniger geworden, und um Micheli, wie es mit den Schützengräben angefangen hat, da hat er ganz auslassen.

Die Karten ist noch bis Lichtmeß an der Wand gehängt, aber wie sich niemand mehr darum kümmert hat, da hat die Wirtin sie weggetan.

Aber selbigesmal im August, da war der größte Eifer bei den Leuten, und viele haben es sich ein bissel gar leicht vorgestellt. Auch ist viel Reden gewesen, daß wir auf Sedan marschieren und es bald nehmen. Der alte Matheis, der wo siebzig in Frankreich war, hat gesagt, wenn wir Sedan haben, hernach ist es um die Franzosen gefehlt, und was hinterdrein kommt, sagt er, ist nicht mehr so viel und hat nichts mehr zum bedeuten, wann sie sich auch einspreizen.

Sedan haben wir schon bekommen, aber keinen Napoleon nicht dazu, und es ist noch allerhand und das meiste erst gekommen.

Es sind Leute von Armetshofen bis ins hintere Rußland marschiert und bis ins Griechenland und zu den Serben und ins Rumänische bis an das Meer und sind weiter herumkommen im Krieg, als wie der Diesimaß Kaspar, der mit Holzhandeln im Frieden in Ungarn hinten war.

In der ersten Zeit ist es hart gewesen, daß man keine Nachricht hat erhalten können von den Kriegern. Kein Brief und keine Postkarte ist gekommen, und wann man von einer Schlacht gehört hat, ist die Unruhe gewachsen, denn man hätte wissen mögen, ob die Unsrigen dabei waren.

Nach Barthlmä ist der Ecker Hans, der Knecht war beim Schuhwastlbauern und eingerückt beim 12. Reserveregiment, heimgekommen als leicht verwundet in der Schlacht, die unser Kronprinz gewonnen hat in Lothringen. Er hat einen Schuß in der linken Hand gehabt und war im Lazarett in München. Es war der letzte Sonntag im August, wie er gekommen ist, und er hat beim Wirt erzählen müssen. Das halbe Dorf ist versammelt gewesen, und man hat nicht genug hören können. Der Hans hat beschrieben, wie die bayrische Armee zuerst ins Frankreich hinein marschiert ist, wo man die Rothoseten brav hergeschlagen hat, und dann langsam zurück, damit sie nachkommen, aber weiter wie bis Saarburg hat der Kronprinz nicht zurückmögen, sondern hat die Franzosen gepackt und hat ihnen die bayrische Schneid gezeigt.

So was hört man gern, und es hat mir auch das Herz gelacht. Freilich, wie der Hans gemeint hat, die Franzosen sind nicht viel wert und heben bald die Händ auf, da hat der alte Matheis den Kopf geschüttelt und sagt, gar so leicht darf man es sich nicht vornehmen. Der Hans hat es nicht gelten lassen, und sie hätten schier gestritten, aber ich sage, so ein junger Reißz'samm hat recht, wann er sich die Sache gering in Sinn schlagt. Das Härtere siecht man schon später, und es braucht's einem kein Mensch zu sagen. Wir haben es auch alle hernach gesehen und gespürt. Den alten Matheis hat es verdrossen, daß die Jungen nichts glauben wollen. Ich mein allaweil, es werden die alten Veteraner noch öfter grimmig werden, wenn die jungen Veteraner die Besseren sein wollen.

 

Die Ernte ist gut ausgefallen. Korn und Weizen ist nicht ganz so vollkernig gewesen, dafür hat es mehr Stroh abgegeben, aber kritisiern wäre eine Sünde bei dieser Zeit. Haber und Gerste hat man nur loben können. Es war beinah wie ein Wunder, daß wir mit wenig Leuten haben weiter arbeiten können. Immer war es schönes Wetter, den ganzen August, und man hat nicht hasten und schleunen müssen. Dafür wollen wir unserm Herrgott zuerst danken, und hernach unsern alten Leuten und den Weibern. Sie haben die Arbeit der kräftigen Männer verrichten müssen, tagaus und tagein, und haben nicht rasten können. Und wenn einer fertig war, ist er zum Nachbarn gegangen und hat ihm geholfen. Beim Roßmichl war überhaupts kein Mannsbild mehr da, wie man den Habern herein hat, denn der Korbi hat zum Landsturm einrücken müssen. Es wird im guten Andenken bleiben, wie unsere Gemeinde zusammengeholfen hat, und wenn es einmal wieder Streitereien geben soll, dann soll man sich an diese Zeit erinnern, und ein Maler sollte es aufzeichnen, wie die alte Kathi vom Roßmichl noch hinterm Pflug hergegangen ist, und die Tafel müßt in der Kirche aufgehängt werden.

Es sind jetzt mehr Nachrichten vom Krieg gekommen durch Postkarten und Briefe, aber kein Ort war nicht genannt. In der Zeitung ist ein Sieg nach dem andern gestanden, und da haben wir auch einen Namen zum erstenmal gehört, den sich Kinder und Kindeskinder merken sollen, den General Hindenburg. Er hat gegen die Russen eine große Schlacht gewonnen und hat es noch oft getan. Sein Bild habe ich in der Stube aufgemacht, und auch in der Wirtschaft hat er einen Platz. Er hat es mit Recht verdient, daß man ihn als wie einen Nothelfer betrachtet und voll Dankbarkeit ist. Der alte Matheis meint, er wird einen Ruhm haben beinah wie der Moltke. Gleichauf will es der Matheis nicht gelten lassen.

Nach Mariä Geburt ist das Wetter schlecht geworden, naß und kalt. Zum Bauen war es nicht schlecht, denn die Trockenheit hat den Boden sperr gemacht, und wir haben den Regen brauchen können. Freilich haben wir gedacht an unsere Soldaten, die bei der Nässen im Freien liegen, und es haben alle fleißig Unterjacken und Socken hinausgeschickt.

Ich muß sagen, ich habe keine kleinen Sorgen gehabt, ob unsere Alten und Jungen und die Weiber auch alles umackern können. Aber es ist gegangen.

Beim Kistlschuster, der zum Landsturm hat einrücken müssen, war der Vater da mit zweiundsechzig Jahren, ein Bub mit dreizehn Jahren und die Kistlschusterin. Diese drei haben die Arbeit versehen. Beim Roßmichl hat sie und die Tochter alles angebaut. Freilich ist das Anwesen kleiner. Beim Moarhansen, der auch eingerückt ist, haben die zwei Töchter geschafft. Auch bei den andern, die ich jetzt nicht alle nennen kann, hat es an Hilfe gefehlt.

Ich weiß es gut, wie leid es mir getan hat, daß mein Hans weg war und mein Knecht, und bin doch erst einundfünfzig alt.

Aber wenn es auch niemand hätte vorher glauben mögen, es ist doch wahr, daß kein Dezimal weniger angebaut worden ist. Das hat auch gelten müssen fürs Vaterland.

Den 12. September auf Maria Namen ist die Botschaft gekommen, daß der Fottnerbauer Lukas Schmauß gefallen ist. Eine Granate hat ihn und noch zwei Mann zerrissen am 7. September auf einem Berg in den Vogesen. So hat es ein Kamerad später geschrieben; den Totenzettel von der Kompanie habe ich den zwölften erhalten.

Er war ein rechtschaffener Mann, der gut gehaust hat. Verheiratet war er mit einer Tochter vom Diesimaß, und es sind drei Kinder da. Seine Mutter und die meinige sind Geschwisterkinder gewesen.

Den 17. September haben wir für ihn das Totenamt gehabt, und der alte Matheis hat den Böller dreimal für ihn abgelassen.

Wie es den Schall zurückgeworfen hat vom Hofberg, auf dem sein Anwesen steht, hat wohl ein jedes Stückl Vieh den Kopf aufgehoben, aber hat nicht gewußt, daß es für den Herrn gilt, der weit weg den Tod gefunden hat. Er ist der erste gewesen, aber nicht der letzte.

Auf Marias Namen sind sechs Männer zum Landsturm eingerückt; sie waren alle verheiratet und hat jeder Kinder gehabt, der Kappenschneider gleich gar sieben, und davon war das älteste zwölf Jahre alt.

Diese sechs Männer waren:

Peter Reischl, Gütler,

Jakob Hartmann, man heißt es beim Spielweber,

Simon Gneidl, Wagnermeister; dieser war der älteste, hat 89 gedient, aber weil er Pionier war, hat es ihn noch getroffen,

Jakob Zimmerle, man heißt es beim Kappenschneider,

Johann Reischl, Gütler, er ist ein Bruder vom Peter Reischl; von dem ältesten Bruder, der in Osthofen das Schneiderbauernanwesen hat, sind vier Buben eingerückt,

Korbinian Mayr, vom Roßmichlanwesen.

Ende des Fragments


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