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Sommerabend

Am 30. Juli. Ich war zur Jagd in dem fruchtbaren Hügellande zwischen Dachau und Aichach. Schon war viel Korn gemäht, und von allen Höhen blinkten die weißen Hemdärmel der arbeitenden Männer, die grellroten Kopftücher der Weiber.

Hochbeladene Wagen schwankten langsam die schmale Straße entlang ins Dorf, leere kamen rasselnd mit trabenden Pferden zurück.

Die Sonne schien prall herunter, und wo sich Leute begegneten, riefen sie sich muntere Worte über das gute Wetter zu.

Überall Arbeit, Fleiß und Frohsinn.

Ich saß am Waldrand und sah versteckte Häuser über die Hügel lugen, sah Dächer sich behaglich in die Breite dehnen und Kirchtürme da und dort in die Höhe ragen.

Ich hörte die Schläge ihrer Uhren; sie klangen nicht hastiger als sonst und verkündeten Ton um Ton das Nahen des Feierabends.

So lag sie vor mir, die liebste Heimat, mir so vertraut und so ans Herz gewachsen; friedlich lag sie, still und so weit weg vom Lärm der Stadt, von dem scheuen Flüstern der brennenden Begierde, mit der jede Nachricht erwartet und jedes törichte Gerücht entgegengenommen wurde. Hier war es gesegneter Werktag, und die braven Menschen hatten alle Gedanken auf das Nächste, auf ihre Arbeit gerichtet.

Die Meinen aber kamen nicht los von dem Furchtbaren, das aus der Ferne drohend herannahte, das gestern gebannt schien und heute wieder dicht vor unsern Augen emporwuchs.

Weltkrieg.

Wie konnte dieser Frieden hier, und dieses kleine Glück, das täglich neu mit harten Händen errungen wird, zertrümmert werden von irgendeinem aus unbekannter Ferne hergeholten Schrecknis?

Und doch – ein Wort, und die kleinste Hütte hier war mit einem Schlage in den Bannkreis gezogen, und das böse Wirken von fremden Menschen mit hier nie gehörten Namen griff jedem Bauernweib ins Herz.

Mir war trübselig zumute, als ich aufstand und weiter ging.

Der Weg führte mich durch den Wald und an abgeräumten Feldern vorbei.

Da stand noch ein Wagen mit Korn beladen; ein kräftiger Bursche reichte mit der Gabel die letzte Garbe hinauf, die ein blondes Mädel unter die anderen ordnete.

Die Ochsen, die vorgespannt waren, suchten am Boden nach Halmen und wollten anziehen. Ein Alter mit der Peitsche in der Hand hielt sie zurück und verwies ihnen mit Worten die Ungeduld.

Ich kannte ihn und redete ihn an.

»Wie geht's, Hans?«

»Guat geht's. Morg'n is wieder der allerschönst' Tag.«

»Morgen – ja – was sagst d' zum Krieg, Hans?«

»Ah was! De Franzos'n hamm koa Schneid. De kennan ins no …«

»Und wenn s' do o'fanga?«

»Na wern s' wieda g'flaxt … öh … hab staad! Gel, Jackl?« wandte er sich an den Jungen.

»Da hast d' recht,« sagte der Bursch und lachte, daß man die weißen Zähne sah.

Dann rief er ein Scherzwort zu dem Mädel hinauf, schulterte die Gabel, und die Ochsen zogen an. Als ich ihnen nachsah, hörte ich hinter mir Schritte. Ein Mann kam eilends auf mich zu, aufgeregt, die Stirne in ernste Falten legend. Ein Automobilbesitzer aus Dachau, der herausgefahren war, um mir die Nachricht zu bringen.

»In München sind Telegramme angeschlagen. Die Mobilmachung ist befohlen.«

Also wirklich!

Es war übrigens die falsche Nachricht, die aus Berlin gekommen war. Ich kam aber nicht dazu, über ihre Echtheit nachzudenken, denn anderes lag mir schwer auf.

Ich hörte nicht einmal mehr auf den gesprächigen Mann, der neben mir herschritt und mir und sich die nächste Zukunft ausmalte.

Es war Abend geworden. Durch die Weizenfelder ging eine leise Bewegung; die Halme erschauerten, als hätte die Erde tief aufgeatmet vor dem Schlafe. Es dämmerte schon, als ich vor dem Dorfe einen Mann Klee mähen sah.

»Weberpauli, hast d' g'hört, daß mobil g'macht wird?«

Er stellte die Sense nieder und fragte gleichmütig: »So? Hat's der Burgermoasta verkünd't?«

»Na, aba in der Stadt is 's ang'schlag'n.«

»Vo mir aus. Solang mi der Burgermoasta net holt, werd g'maht.«

Und er holte mit der Sense wieder kräftig aus.

Da sind auch mir fast alle Kümmernisse vergangen. Ein solches Volk kann jeder Gefahr ruhig trotzen.


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