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Der erste August

Personen:

Gschwendtner, Bauer,

Gschwendtnerin, sein Weib

Hans, beider Sohn

Loni, Magd

Martin, Knecht

Seppl, Dienstbub

Bürgermeister

Ein Bursche

Die alte Weberin

Bauernburschen, Reserveleute usw.

Reinliche altbayerische Bauernstube. In der rechten Ecke der Herrgottswinkel. Hier steht der schwere viereckige Tisch; an der Innenseite laufen Bänke, die in die Wand eingelassen sind. Die Rückwand hat zwei niedrige Fenster, die rechte Seitenwand eines. An den Fenstern kleine Geranienstöcke, Heiligenbilder; Gedenkblatt an die Militärzeit, ein Diplom des Landwirtschaftlichen Vereins hängen an den Wänden. Eine Tür rechts, die zum Flötz, eine links, die in die Schlafkammer führt.

Erste Szene

Die Gschwendtnerin deckt den Tisch zum Abendessen. Sie wischt nachdenklich einen Teller mit der Schürze ab, hält damit ein und sieht vor sich hin. Dann seufzt sie, stellt den Teller auf den Tisch.

Gschwendtnerin seufzt: Ah ja! … Dös is was! Sie setzt sich auf einen Stuhl vor dem Tisch und brütet vor sich hin.

Loni von rechts. Kommt von der Feldarbeit, hat ein Leibl an, das die Arme vom Ellenbogen an frei läßt, und ein weißes Kopftüchl, das sie abnimmt: Ja, was is denn dös, Bäuerin? Dös han i aa no nia g'sehgn, daß du bei der Arbet ei'schlafst!

Gschwendtnerin langsam aufstehend: Ja, schlafa! Seufzt wieder: Dös vergeht oan scho. –

Loni: Daß d' na it weiter machst? Sie wer'n bald da sei …

Gschwendtnerin: I ho's Ess'n scho g'richt. Brauchst di net kümmern.

Loni: Bist d' marodi? Seit a paar Tag kam's mir a so vor.

Gschwendtnerin: I bin net marodi. Jetzt geh no in Kuchl außi!

Loni: Gel, weil s' allaweil sag'n, daß 's an Kriag gab? Aba da Postbot hat g'sagt, dös is ausg'schloss'n, es war grad so a G'red g'wen.

Gschwendtnerin: Der muaß's ja wissen …

Loni: Ja no, er hat halt verzählt, daß in der Stadt drinn o'g'schlag'n is, daß si de G'schicht wieda herum draht …

Gschwendtnerin: Woll'n ma's hoffen. Mit'n Red'n werd 's it anderst.

Loni: Daß si d' Leut net ängst'n soll'n, is o'g'schlag'n.

Gschwendtnerin deckt fertig auf: Geh zua in d' Kuchl!

Loni: I geh scho. Geht zur Türe hin und bleibt stehen: Du, Bäuerin, müaßt da Hans glei mit?

Gschwendtnerin: Freili. Er is ja grad in Ernteurlaub heraust.

Loni: Und da müaßt a glei auf und davo, und glei in Kriag?

Gschwendtnerin: Wia halt de andern aa.

Loni: Und a's Frankreich eini?

Gschwendtnerin müde: Geh, jetzt frag it so viel. I woaß aa net mehra wia du.

Loni: Aba, wann do da Postbot sagt, daß gar it so viel Geld auf da Welt is für so an Kriag? Man hört stark mit der Peitsche knallen und Mannsstimmen rufen: Wust öha! Wüst! Oi! Heb stad!

Gschwendtnerin: Sie san scho herin. Jetzt holst' d' Supp'n.

Loni: I glaab's amal net, und da Bürgamoasta hat heut am Feld draußt g'sagt, auf d' Zeitungen war gar koa Valaß, und da gang oana grad irr, bal a dös all's glaabt …

Gschwendtner tritt von rechts ein. Straffer Fünfziger, barhäuptig in Hemdärmeln, derb und fröhlich: So Muatta! Heunt hamm ma's g'schafft!

Gschwendtnerin: Seid's firti wor'n? … Zu Loni: Jetzt geh amal! Loni zögernd rechts ab.

Gschwendtner reckt sich und fährt sich mit der Rechten über den Kopf, fröhlich: I moan scho, daß ma firti san! Mit da ganzen Wagnerleit'n, und a Korn, sag i dir. Grad rausch'n tuat's!

Gschwendtnerin gedrückt: Is wenigstens eppas herinn.

Gschwendtner: I glaabs selm. Is schad, daß morg'n Sunntag is. Aba de nächst Woch pack'n mir an Bründlacker o, und na geht's über'n Woaz.

Gschwendtnerin seufzt: De nächst Woch!

Gschwendtner: Was hast denn du? Ah so! Dös G'red vom Kriag? Dös is nix für ins Bauernleut! Jetzt werd g'arbet.

Gschwendtnerin: Bis auf oamal de Nachricht kimmt …

Gschwendtner unbekümmert; er setzt sich auf die Bank am Tisch: Ah! Pappalapapp! Laß da nix vazähl'n, na woaßt nix davo!

Gschwendtnerin: Ös wißt's alle net, was si a Muatta dabei denkt.

Gschwendtner: Ja no! Dös laßt si leicht denka, aba i spar ma's auf, bis as braucht.

Gschwendtnerin: Und i bring's an ganz'n Tag it aus'n Kopf!

Gschwendtner gut: Geh zua, Alte! So lang it trummelt werd, werd net marschiert! De Angst davor hat koan Wert. Jetzt schau, daß d' was zum Zeug bringst, der Hunger is scho da.

Gschwendtnerin: Wo is denn da Hans?

Gschwendtner: D' Roß g'schirrt er hak aus, dei Kloana! Mögst'n gar nimma vom Rock weg lass'n?

Gschwendtnerin: Geh zua! I bi gar it aufg'legt zu deine Spassetln!

Gschwendtner: Aba i waar aufg'legt zum Ess'n … Man hört vor der Tür eine lustige Melodie pfeifen: Da is er a so scho.

Zweite Szene

Hans tritt pfeifend von rechts ein. Hinter ihm Seppl, ein vierzehn- bis fünfzehnjähriger Dienstbub, und Martin, ein alter, etwa vierundsechzigjähriger Knecht. Hans ist wie die übrigen im Arbeitsgewand und hemdärmelig. Er trägt eine Soldatenmütze, die er abnimmt und in die Bank hineinwirft.

Hans lustig: Grüaß di God, Muatta! Host d' aufkocht?

Gschwendtnerin die bei seinem Anblick munterer geworden ist: Geh no z'erscht bei der Tür rei, Wildling! 's Essen kimmt wia'r alle Tag.

Hans: I waar halt scho g'richt, Muatta … und g'arbet hamm ma heut wia d' Roß.

Gschwendtnerin: Hast dir an Urlaub a weng leichta denkt, gel?

Hans: Ah, was waar denn net dös? So is ja grad lusti!

Gschwendtner: Und 's Zuaschaug'n waar härter.

Hans: Daß i net vagiß, Vata, da Handgaul gibt vorn a weng nach.

Gschwendtner: Hamm ma 's scho wieda! Zu Seppl hin: Weil's d'as allaweil z' scharf o'ziag'n laßt! Wia oft hab i dir's denn scho g'sagt?

Seppl: I laß do it scharf o'ziag'n!

Gschwendtner: Naa! Weil i's net siech … Zu Hans: Müaß ma halt nacha Umschläg macha. Zu Seppl: An Arbet is scho mit dem Buam, mit dem nixnutzinga …

Seppl: I ho's do it scharf o'ziag'n lass'n. Von links Loni mit einer gehäuft vollen Knödelschüssel, die sie auf den Tisch stellt. Alle stellen sich zum Gebet auf und sprechen etwas eintönig die Worte: Himmlischer Vater, segne uns Speis' und Trank, die wir von deiner großen Güte empfangen haben, und gib uns Gnade und Gedeihen dazu, damit wir zu deinem Lobe gereichen mögen. Amen! Dann setzen sie sich ohne Hast nach gewohnter Ordnung an den Tisch. Sie nehmen sich bedächtig und mit bäuerlicher Sittsamkeit nach streng geregelter Reihenfolge heraus. Zuerst der Vater, dann Martin, Hans, die Mutter, Loni, zuletzt Seppl. Von den Erwachsenen spricht niemand mit vollem Mund.

Gschwendtner: Was sagst zum Wetta, Marti?

Martin: Aushalt'n tuat's. Mir hamm an guat'n Tau g'habt.

Gschwendtner: I sag ja, es is schad, daß morg'n Sunntag is.

Martin: Wenn's mag, halt's lang.

Gschwendtnerin: Bal no sinscht nix daher kimmt!

Gschwendtner zu Martin: De Alt traamt von nix andern als wia vom Krieg … I hätt gar koa Zeit, daß i dro denkat.

Seppl laut: Von Glonn hamm scho a paar ei'rucka müass'n.

Gschwendtnerin: Ei'rucka müass'n?

Hans: Woher woaßt denn du dös?

Seppl: D' Leut sagn's …

Gschwendtner: De sag'n heut viel, und amal so und na wieda anderst. Wenn oaner auf d' Leut aufpass'n müaßt, na kennat er si bald nimma aus.

Hans: Und i moan, nacha hätt i aa scho mein Befehl kriagt. 's Leibregiment kimmt do scho z'erscht!

Loni: Zu mir hat no da Postbot g'sagt, daß all's lauter G'red is.

Gschwendtnerin: No also! Der hätt's do aa g'les'n, wenn er de andern a Schreibat's bracht hätt … Zu Seppl, ärgerlich: Du kunnt'st oan scho derschrecka mit dein dumma G'red'!

Seppl: Da Weber Pauli hat's ausdrückli g'sagt, und weil's Piganier san, hat er g'sagt, müass'n s' z'erscht eini und …

Gschwendtner: Laß no guat sei und kümmer di mehr um dei Arbet. Zu den andern: Überhaupt's laßt si dös denka, daß ma net so auf Schnall und Fall an Kriag hamm. Da werd ma z'erscht scho was inna …

Gschwendtnerin: Du lest ja koa Zeitung!

Gschwendtner: Ja, Zeitung! I moan dös anderscht. Daß man vom Bezirksamt oda so a Warnung kriagt.

Martin: Dös sell grad net, Bauer … Dös kunnt über Nacht kemma.

Gschwendtner: So, moanst? Du bist ja siebazgi dabei g'wen.

Martin: M – hm – ja. Aba g'warnt hat ins neamd, und denkt hat si überhaupts koana was.

Gschwendtner fragend: Ja – ganz oafach – auf und furt?

Martin: Es is halt grad vor da Arndt g'wen. Net? Selbig'smal is 's Sach a bissel weita voro g'wen als wia heuer. Da Blasibauer hat scho mit'n Kornmah'n o'g'fangt g'habt, dös woaß i no guat, und da Wegner, bei dem bin i do selbigsmal g'wen, net?, dersell hat no g'sagt zu mir: Martl, sagt a, mir wart'n aa nimma lang, und an's Korn, sagt a, wachst nix mehr hi, und hoaß is aa g'wen, net? Na hätt'n mir am nächsten Tag mit'n Korn o'g'fangt, net? Und sagt der Wegner zu mir, auf'n Feieramd soll i außi geh zu der Eckhofer Leit'n und schaug'n, net? Und wia'r i außi geh, kimmt ma da Postbot z'geg'n und sagt: Du schreibst di Kneidel, gel? Ja, sag i, Martin Kneidel. Und nacha stimmt's scho, sagt er, da hätt' i was für di, und ziagt an Zedel außa, und dös sell is mei Ei'berufung g'wen auf Ingolschtadt – net? –, und an andern Tag in der Früah hon i grad no so viel Zeit g'habt, daß i Klee mah'n hab kinna, und um sechsi is dahi ganga. Ja, so is g'wen.

Gschwendtner: Und von Korn hast nix mehr g'sehg'n dösell Jahr?

Martin lacht gemütlich: G'wiß net, und an Habern hab i aa vasaamt, und wia ma dahoam d' Ruabn außa hat, bin i z'weitest in Orleaß hint'n g'wen …

Gschwendtner: Sollt'st do moana, de Franzosen hättn's selbigsmal g'spannt, daß mit ins net guat Kersch'n ess'n is …

Martin: Dös hamm s' wohl g'spannt, aba es is halt lang her.

Hans lustig: Na muaß ma eahna 's Gedächtnis wieder aufriegeln. De wer'n bald seg'n, daß mir Junge net schlechter san wia de Alt'n.

Gschwendtnerin: Geh, Bua!

Hans etwas zornig: Is ja wahr aa! De ganze Zeit hörst allaweil frag'n: Kriag'n ma'r an Kriag? Kriag'n ma koan? Auf den Tisch schlagend: Herrschaftseit'n! Soll'n s' halt amal o'fanga! Na wern s' glei sehg'n, was s' g'winna!

Gschwendtnerin: Du redtst scho grad, als wenn di dös freu'n taat.

Hans: Trauri wurd i kaam sei, und koan anderner aa net beim Leibregiment.

Gschwendtnerin: Geh zua, dös mag i gar net hör'n.

Gschwendtner: Warum it? Was sei muaß, soll ma frisch o'packa … Gutmütig: Aba laß no guat sei, Muatta, er alloa ko net o'fanga.

Hans: Vo dem sagt ma net. Aba daß ma grad allwei herwart'n müaßt, ob oan a Hund beißt oda net, dössell werd oan aa z' dumm.

Gschwendtner: Hau no zua, wann's dir g'schafft werd; und, daß ma wieda von was andern red'n, am Montag geht's übern Bründlacker; wenn's Wetta a bißl mag, hamm mir in drei Tag 's Korn herin … Vielleicht kunnt da Schmid Lenz bei'n Mah'n mithelfa. Er werd heut mit sein Sachl scho firti worn sei … Man hört von sehr weit her einen Juchzer, dann noch einen. Alle horchen auf, und Gschwendtner dreht gleichzeitig den Kopf gegen das Fenster zu.

Gschwendtner: No! Was is denn dös für a Gaudi mitt'n in der Arndt?

Martin: Weil's halt morg'n Sunnta is …

Gschwendtner: G'hört si aba net; zum Juchezen is Zeit, wann's Sach glückli herin is. Ja, wia'r i's sag, du kunnst an Schmid Lenz frag'n, Martl, ob er net aushelfa mag … und zu Hans: mir zwoa schaug'n nacha an Schimmi o, und wann's weita fehlt, Seppl … na dischkrieren mir no a Wortl mitanand. Ein gellender Juchzer ganz nahe ertönt: Alle schauen zum Fenster hin.

Gschwendtnerin: Was na dös grad is?

Gschwendtner: An U'furm is, ma moanet scho, es waar Kirta.

Gschwendtnerin ängstlich: I woaß net … Hastig mit dem Kopf gegen das Fenster hin: Da steht ja wer draußt! Sie steht halb vom Stuhl auf.

Gschwendtner: Geh, was hast denn? Es klopft stark ans Fenster: Wirkli! Er steht auf und öffnet das Fenster, in dessen Rahmen der Bürgermeister erscheint.

Bürgermeister: Gschwendtner, is dei Hans dahoam?

Hans frisch und militärisch, mit starker Stimme: Hier! Er drängt aus der Bank heraus.

Bürgermeister: A Telegramm hon i für di! Du muaßt heut nacht no furt! Alle haben sich erhoben und sind vor den Tisch getreten, Hans geht rasch ans Fenster. Der Bürgermeister reicht ihm einen Zettel hin.

Gschwendtnerin erschrocken: Jessas!

Bürgermeister ernst: Ja, Leut! Kriag gibt's! D' Mobilmachung is befohl'n, zu Hans: du werst heut no auf d' Station ummi müass'n. Hans hat den Zettel gelesen und stößt einen gellenden Juhschrei aus.

Gschwendtnerin: Bua! Bua! Wia koscht'n do no juchezen!

Hans: Woana wer i do net! Jetzt geht's scho dahi. Zum Bürgermeister: I wer's bald hamm, Burgermoasta. Er wendet sich zum Gehen nach links.

Gschwendtnerin faßt nach seiner Hand: Du werst do net glei auf und davo laufa?

Hans gut: Grad firti macha, Muatta. Danach nimm i scho pfüat Good! Nach links ab. Die Dorfglocke hat mit vollem Klang eingesetzt und läutet nun feierlich.

Bürgermeister: Ja, Leut, wer hätt si dös denkt? Jetzt is do so weit ganga! Hamm ma oft g'redt davo, und hat's koana recht glaabt!

Gschwendtner: Und mitt'n bei der Arndt!

Martin: Wia selbigsmal. Und wieda der Franzos und allaweil wieda.

Bürgermeister: Russ'n und Serb'n und Franzos'n und woaß der Teufi wer no …

Gschwendtner in Zorn ausbrechend: Was hamm eahna mir toa? Was hamm eahna mir woll'n? Hamm mir net oan Tag für den andern g'schafft? San z'fried'n g'wen mit der Arbet und hamm nix woll'n als wia d' Arbet? Und jetzt kam der Nächstbest und schmeißat an Zaun nieda! Weg da! I will dei Sach hamm!

Bürgermeister: Es werd was gut sei dafür!

Gschwendtner: Es werd was guat sei, ja, und z'erscht müaßt da letzt hi sei, vor er si's aus de Fäust reiß'n laßt … Herrgottsakrament.

Gschwendtnerin: Geh, Burgermoasta, kimm eina!

Bürgermeister: Es geht it, Bäuerin, hörst a so, wia's umgeht in Dorf, und i muaß no a paar de Botschaft bringa.

Gschwendtnerin: O mei! Was werd dös wern?

Bürgermeister: Von mir müass'n zwoa furt, bei'n Lenzbauern glei gar drei.

Gschwendtner: Und mitt'n in der Arndt!

Bürgermeister: Ja, es werd an Händ fehl'n. De Zeit wern mir ins lang mirka … aba jetzt pfüat enk Good, Leut! Ab vom Fenster.

Gschwendtner: Pfüat di Good, Burgamoasta! Sepp und Loni haben sich schon während der letzten Szene durch die Türe rechts entfernt. Die Glocken hören auf zu läuten.

Martin: I schaug aa a wengl außi. An Hans sag i scho no pfüat Gott! Rechts ab. Die Szene verdunkelt sich. Die Gschwendtnerin setzt sich auf einen Stuhl und fährt mit dem Schürzenzipfel öfter an die Augen und weint still, doch nicht heftig vor sich hin. Der Gschwendtner hat sich ans Fenster gestellt und schaut hinaus. Von fern hört man wieder einen oder zwei Juhschreie. Er wendet sich um und schaut zu seiner Bäuerin hin.

Gschwendtner gut: Geh, Muatta, muaßt it woana!

Gschwendtnerin: Da hat ma si plagt und kümmert, bis ma'r a Kind auf'zog'n hat, und na muaß 's a so furt!

Gschwendtner: Er werd wieda kemma.

Gschwendtnerin: De Leut müass'n it wiss'n, was dös is für a Muatta, a Kind aufziag'n, sinst taaten s' wol koan Kriag net führn.

Gschwendtner seufzt: Ja, ja! …

Gschwendtnerin: De Freud, wo ma hat, wann's no amal über des Ärgste nüber is, daß s' amal steh und geh kinnan … und wann s' herwachs'n und ma denkt si, jetzt hat ma dös seinige to und hat do alleweil no a hoamliche Angst bei an jed'n Huast'n … und na muaß er a so z'grund g'richt wern …

Gschwendtner: Es geht oan wia den andern, schau …

Gschwendtnerin: Ja … A Muatta denkt net an die andern …

Gschwendtner: Freili net … Er wendet sich vom Fenster ab, nimmt von einem Wandgestell den Kerzenleuchter, stellt ihn auf den Tisch und zündet das Licht an. Dann nimmt er einen Stuhl und setzt sich neben seine Bäuerin. Beide sind gerade gegen den Zuschauerraum gewendet.

Gschwendtner gut: Geh, Alte, es werd it so weit g'feit sei … Er faßt nach ihrer Hand, sie nimmt die Schürze von den Augen.

Gschwendtnerin mehr vor sich hin: Jetzt hat ma si all's a so ausg'rech'nt g'habt, bal er no aa paar Jahrln mitg'holf'n hätt, und na hätt er a richtige Person g'heirat …

Gschwendtner auch nachdenklich: Ja … ja …

Gschwendtnerin: Und na hätt'n mir zwoa ins zu da Ruah begeb'n …

Gschwendtner: Und hätt'n g'wißt, daß insa Sach in richtige Händ is … Seufzt, dann wieder frischer: Und a richtiger Bauer wurd der Hans, hat mi von kloa g'freut, der Kamerad. Wia'r a des erstmal auf'n Gaul g'hockt is und is außi g'fahr'n mit'n Heuwag'n, sagt der Martl zu mir: Bauer, der werd amal – –

Gschwendtnerin eifrig einfallend: Und wia'r a jed's Roß im Dorf beim Nama g'wißt hat und hat's vo weit'n kennt, wem's g'hört, daß i oft g'sagt hab, ja Bua, wia ko'st da du dös all's mirka! Na hat er g'lacht und g'sagt, des kenn i von selm, Muatta!

Gschwendtner: Dös muaß oana drinn hamm, dös kann ma oan it lerna.

Gschwendtnerin: Über's ganz G'sicht hat er g'lacht und sagt a: Dös kenn i von selm, Muatta!

Gschwendtner: Und a Freud zu der Arbet und a jede Arbet richtig o'greif'n, und g'schwind, und a G'lenk und a Schneid. A Bua scho, daß ma scho oan suacha muaß.

Gschwendtnerin: Und a guats G'müat, und brav.

Gschwendtner ihre Hand tätschelnd: Da hast scho was Richtigs auf d' Welt bracht, Muatta. Da hast ma scho a große Freud g'macht …

Gschwendtnerin: Ja, und na wurd's oan a so z'grund g'richt, und woaßt it warum und für was …

Gschwendtner faßt sie ruhig bei der Hand: Dös muaßt it sag'n, Muatta!

Gschwendtnerin: Is do wahr aa! Was hamm denn mir z' toan mit de G'schicht'n? Inseroans will do nix als wia sei Ruah zu der Arbet?

Gschwendtner ruhig und ohne Pathos: Aba dö andern woll'n ins de Ruah net lass'n.

Gschwendtnerin: Was wissen denn de von ins?

Gschwendtner grimmig: Nix oder z'weni. Sunst fangat'n s' mit ins net o. Wieder gütig: Na, Muatta, mir wissen guat, warum unsere Buam fort müass'n. Steht auf: Es geht um viel oder um all's.

Gschwendtnerin seufzend: Daß so was auf oamal daherkaam?

Gschwendtner: Über dös könna mir it nachdenka. Aber dös wiss'n ma, daß mir koane schlecht'n Tropf'n san, dene ma 's Leben nimmt oder laßt. Und an Bod'n geb'n ma it her, an dem s' g'arbet ham, de wo vor uns da warn, und mir aa, und an Boden lass'n ma net verschandeln, in dem Vatta und Muatta begrab'n san und in dem mir aa'r a mal lieg'n woll'n … ehrbar und mit Fried'n … In Zorn ausbrechend: Herrgott, bal ma si so was denkt, daß schlechte Händ nach dem g'langa, was uns des Bescht is, und bloß mit Muatwill'n, weil mir eahna z' g'ring san … Schreit: Moanst, i schaug zua und bleib hintern Ofa? Moanst, i waar scho z' alt, daß i net aa no d' Büchs nahm? … Bei den letzten Worten ist Hans von links eingetreten in der blauen Leiberuniform, die Mütze etwas schief aufgesetzt, in der rechten Hand trägt er einen kleinen Koffer.

Hans frisch: Häh, Vater, ruckst d' glei gar mit mir ei?

Gschwendtner halb lachend, halb noch erregt: War ma nix liaber.

Gschwendtnerin: Und 's Sach kunnt dawei z'grund geh.

Gschwendtner wieder ruhig und ernst: Du woaßt guat, daß ma dös tuat, was recht is … Er tritt zu Hans hin, der den Koffer niederstellt und die Mütze abnimmt, er gibt ihm die Hand und schüttelt sie herzhaft: Hätt ma's it denkt, daß mir anand auf dö Weis pfüat Good sag'n müass'n.

Hans: Jetzt is halt a so, Vata …

Gschwendtner: Und … und weil's d' gehst, derf i dir's scho sag'n, daß d' a richtiger Mensch g'wen bischt, und i sag dir dank schö aa für dös, daß d' a so zuagriff'n hast … jetzt in Urlaub.

Hans kämpft seine Rührung nieder: Na … na! 's Dank-schö-sag'n, dös muaß scho i … und … und … i bitt Vater und Muatta … um Verzeihung … bald ich … sie betrübt habe … und …

Gschwendtnerin weint in die Schürze hinein: Mei Bua!

Gschwendtner fährt sich mit dem Handrücken über die Augen und gibt sich Mühe, seine Rührung zu unterdrücken: Geh zua, Muatta! Mir derf'n eahm's Furtgehn it so hart macha … Zu Hans, der in den Boden hineinschaut, sich mit der Hand die Stirn reibt: Du werst draußt dei Schuldigkeit scho toa, Hans, und müaß ma halt hoff'n, daß mir uns g'sund wiedersehg'n …

Hans wieder frisch: Da werd nix fei'n, Vater! …

Gschwendtnerin: Und it daß d' moanst, du muaßt überall'n der erst sei.

Hans lächelt gutmütig: Na … na … Muatta!

Gschwendtnerin: Ja … du moanst scho, du ko'scht all's alloa z'reiß'n, und so einbilderisch bischt scho, daß d' überall vorn dro sei muaßt.

Gschwendtner: Der Letzt is er amal g'wiß net. Er geht zum Wandschrank.

Gschwendtnerin: Red eahm du aa no zua! Du bischt grad so oana … Zu Hans: Und was is nacha, wenn … wenn … Sie hält wieder die Schürze vor die Augen und weint.

Hans tritt näher zu ihr, faßt sie bei der Hand, so daß sie die Schürze fallen läßt: Geh, Muatterl! Du muaßt it so woan!

Gschwendtnerin: Ja … du! Etwas lebhafter: Und bei 'n Eipack'n hätt'st d' mi do scho helf 'n lass'n kinna … Host g'wiß wieder all's vagess'n?

Hans: I hab all's, und gar so viel geht in Tornista net eini.

Gschwendtnerin: Aba warme Söck'ln werst do hamm und an g'strickt'n Janka, bal d' Nacht kalt wer'n.

Hans: I han all's, was i brauch, Muatta, und dös ander könnt's ma ja schicka …

Gschwendtnerin: Und a wollas Tüachel um an Hals umma … und a weng'l a G'selchts sollst do scho mitnehma.

Hans: Is scho recht, Muatta …

Gschwendtner ist hinzugetreten und drückt Hans einen Zuggeldbeutel in die Hand: Da hast a Geld, Hans, du werst es wohl braucha kinna.

Hans lacht gutmütig, indem er den Geldbeutel einsteckt: Dös faßt ma oiwei gern … und i sag halt Vergelt's Gott! Man hört aus der Entfernung von der Dorfstraße herein die Klänge einer Ziehharmonika und das Lied: »Franzosen müssen retarieren … die Franzosen müssen sehen, daß wir deutsche Sieger sein!« Hans richtet sich straff zusammen: Aba i muaß mi jetzt auf'n Weg macha …

Gschwendtnerin: Geh, daß d' gar so schleunst!

Hans: I muaß ja an letzt'n Zug no derwisch'n … schau …

Gschwendtner: Mir derf'n eahm net aufhalt'n, Muatta!

Gschwendtnerin wischt sich nochmal über die Augen, seufzt: Wann 's scho sei muaß … Still und beinah verlegen: Geh, bück di a weng, Bua … Hans beugt den Kopf nieder, und seine Mutter macht ihm das Zeichen des Kreuzes auf Stirne, Mund und Brust mit den Worten: Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes … Amen! Hans faßt ihre Hand, und beide schauen in den Boden hinein, dann läßt sie seine Hand los, und der Gschwendtner schüttelt sie fest.

Gschwendtner: All's Glück auf'n Weg – und all's Guate …

Man hört von der Dorfstraße herein immer näher die Klänge der Ziehharmonika und die Stimmen der Burschen, die nun singen … »Die Vöglein im Walde … sie singen so wunder – wunderschön … In der Heimat … in der Heimat, ja, da gibt's ein Wiedersehn!«

Hans zum Vater: Pfüad Good nomal … Er richtet sich nun straff zusammen und nimmt seinen Koffer auf: Und muaßt halt jetzt selm schaug'n, Vata, was an Schimmi feit, und sollst eahm heut no Umschläg macha …

Gschwendtner: I schaug scho … Laute Stimmen am Fenster.

Ein Bursche schaut herein und ruft fröhlich und laut: Was is denn, Hans? Gehst du net mit ummi auf d' Station?

Hans frisch: Freili, i bin scho g'richt! Von rechts kommen ein paar Bauern und etliche Weiber und Mädeln herein, darunter die alte Weberin, eine gebückte Greisin, etwa siebzig Jahre alt. Die Gschwendtnerin tritt zu ihnen, Gschwendtner geht ans Fenster, in dessen Rahmen eine Anzahl Burschen, einige in Uniform, die andern in Zivil, die Hüte mit Sträußeln geschmückt, stehen.

Gschwendtner laut und frisch: Jetza, Buam … habt's a Schneid?

Einige sehr laut: Dös glaabst! Schneid g'nua!

Ein paar andere ebenso: Jetzt hau'n ma s' umanand, daß s' d' Stiefisteckeln aufdrah'n …

Einer singt:

Und drei Radi, drei Ruab'n
Und drei boarische Buam,
Und de san scho so raß',
Daß s' koa Deifi net fraß!

Er setzt einen gellenden Juchzer darauf, in den alle einstimmen.

Gschwendtner: So is recht! Jetzt hat d' Lustigkeit an recht'n Wert. Und kemmt's no g'sund wieda!

Viele: Dank schö! Feit si nix!

Einer: Ös müaßt ins scho wieda ham, da gibt's koan Radi! Alle lachen fröhlich.

Ein Anderer: Aba hoamzua fahr ma! – Da spann ma etla Russ'n ei!

Ein Anderer: Und Franzos'n!

Einige: Da kemma mir nobi hoam!

Ein Bursche: Hans, mach zua!

Hans: I bin scho da! Er geht stramm zur Türe, dreht sich noch einmal um und ruft: Pfüat Good, Muatta! Adjes, Vater! Dann ab.

Ein Bursche ahmt den Pfiff einer Lokomotive nach und ruft wie ein Schaffner: Einsteig'n! Alles einsteig'n! Zum Schnellzug nach Paris! Alle lachen.

Ein Anderer: Auf geht's!

Ein Dritter: kommandiert: Ganzes Batallion! Vorwärts marsch … Die Ziehharmonika setzt mit der Melodie: »Ich hatt' einen Kameraden« ein … ein paar Juchzer … dann setzen sich die Burschen in Marsch.

Gschwendtner ist ans Fenster geeilt und ruft hinaus: Und schreib fei recht oft … wia's da geht … Die Burschen sind mit Gesang abgezogen … »Ich hatt' einen Kameraden« … ihr Gesang verliert sich rasch in der Ferne …

Gschwendtnerin seufzt: Jetzt is er furt …

Die alte Weberin: De viel'n Buam! De viel'n frisch'n Buam!

Vorhang


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