Ludwig Thoma
Der Ruepp
Ludwig Thoma

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Zwölftes Kapitel

Der Rueppbauer fuhr in seinem Bernerwägerl den Dachauer Berg hinauf, am Unterbräu vorbei. Er schielte hinüber und sah den Wastl breitbeinig unterm Haustor stehen und ihm nachschauen.

»Schaug no zua,« brummte er vor sich hin. »Lackl vadächtiga, du hast dös letzte Fufzgerl von mir kriagt.«

Gewiß ahnte der Wastl die unfreundliche Gesinnung, denn der Ruepp hatte seit Jahren bei ihnen eingestellt, und wenn er jetzt vorüberfuhr und sich einen andern Unterstand suchte, war es leicht zu erraten, daß er belzig war.

Aber das schuf ihm keine Reue, denn er war ein Mann, der Gerechtigkeit auf der Welt haben wollte, und wenn einer hinausgeschmissen werden mußte nach Verdienst und Recht, dann schmiß er ihn hinaus.

Da gab es keine langen Erwägungen und keine kleinlichen Geschäftsrücksichten.

Er tat nicht dergleichen, und vielleicht ging das Ereignis überhaupt spurlos an ihm vorüber, denn wie gleich darauf der Unterbräu herauskam und sich neben ihn stellte und dabei nach seiner Gewohnheit die langen Lappen seiner Ohrwascheln in die Muscheln einkniff, sagte der Wastl kein Wort davon, daß der Ruepp so abweisend an ihm vorbeigefahren sei.

Oben auf dem Berge, wo eine Straße zum Amtsgerichte abzweigte, hatte der Ruepp noch eine andere unangenehme Begegnung.

Vom Gerichte herunter kam der Unterhändler Schlehlein, und neben ihm ging eifrig redend und gestikulierend ein städtisch gekleideter Mensch, der dem Ruepp bekannt vorkam. Er hatte nicht lange Zeit, ihn zu beobachten, denn die beiden hatten ihn nun auch erblickt und steckten die Köpfe zusammen.

Der Schlehlein nickte zu irgendeiner Bemerkung bestätigend mit dem Kopfe und lachte höhnisch.

Die hatten von ihm geredet, und plötzlich fiel es dem Bauern ein, wo er den andern schon gesehen hatte.

Das war ja der Pfleiderer, der Zuchthäusler, der Verwandte von der alten Loni!

So . . . so?

Da steckten also die zwei beisammen?

Freilich, selbiges Mal aus der Fahrt von Schwabhausen her hatte ihm ja der Schlehlein erzählt, daß er den Menschen gut kenne. Und er hatte ihm damals gesagt, daß er für die Loni den Notar zum Testamentmachen holen wolle.

Herrgott, wie dumm das gewesen war! Gegen so einen Spitzbuben war doch jedes Wort zuviel. Und hernach, freilich, hernach hatte er ja beim Heimfahren dem betrügerischen Haderlumpen die Peitsche um die Ohrwaschel geknallt.

Und jetzt steckten sie beisammen?

So . . . so?

Dann hatte der Schlehlein dem andern allerhand zugetragen und ihn aufgeredet.

Der Ruepp war sehr verdrießlich und nachdenklich, als er beim Zieglerbräu ausspannte.

Die zwei gingen an ihm vorüber, zum Hörhammer hinunter, und drehten sich ein paarmal nach ihm um, und jedesmal lachte der Schlehlein recht dreckig.

»Lach no! Wer'n ma nacha scho sehg'n, ob's ös was mach'n könnt's. Waar ja net übi, wenn ma si vor so a paar Gauner aa no fercht'n tat.«

Er war aber doch recht beklommen, als er gleich darauf den Berg zum Amtsgericht hinaufging.

»Weg'n einer Verlassenschaft?« fragte ihn der Gerichtsschreiber. »Da müssen S' über'n Gang nüber, ins erste Zimmer. Was?«

»Ja, muaß i da . . .?«

»Dös wird Ihnen schon der Herr Amtsrichter sag'n, was S' müssen. I hab koa Zeit . . .«

Drüben klopfte der Ruepp an.

»Herein!«

Ein dicker Herr sah über seinen Zwicker weg auf den Eintretenden.

»I kumm wegen dera Sach.«

»Was für eine Sache?« fragte der Amtsrichter unwirsch.

»Weil i vorg'laden bin z'weg'n der alten Loni.«

Ein Schreiber, der in der Ecke saß und eifrig kritzelte, wandte sich halb um und sagte, es handle sich vermutlich um die Sache Amesreiter.

»Ja, z'weg'n dera is . . .«

»Ach so! Das müssen Sie halt gleich sagen; zum Erraten hab ich keine Zeit . . .«

Der Amtsrichter zog einen Akt aus anderen hervor und blätterte darin.

»Sind Sie der Michael Umbricht, Rueppbauer?«

»Jawoi.«

»Hm . . . so . . . übrigens, Sie sind auf zehn Uhr vorgeladen; jetzt ist es erst halb.«

»I hab mir denkt, vielleicht, daß i was derfrag, weil i net woaß, z'weg'n was daß i da eina muaß . . .«

Der Richter wollte den Ruepp schon abweisen, als irgend etwas seine Aufmerksamkeit erregte.

»Bei Ihnen hat diese Apollonia Amesreiter gewohnt?«

»Freili. Guatding zwanz'g Jahr . . .«

»War sie bedienstet bei Ihnen?«

»Ja. In da letzt'n Zeit, wia sie alt wor'n is und krank, da hamma s' a so g'halten.«

»So? M–hm . . . Sie haben beim Bürgermeister angegeben, daß kein Vermögen da sei . . .«

»Jo. Dreihundertvierasiewaz'g March und eppas Pfenning. Hat's da Burgamoasta selm zählt.«

»Dreihundertvierundsiebzig – m . . . richtig . . .«

»I ho de Schachtel überhaupts it aufg'macht. De hat da Burgamoasta vor meina aufg'macht.«

»Was für eine Schachtel?«

»Da Loni de sei. A so a Pappadeckelschachtel is g'wen und mit an Spagat zuabund'n . . .«

»Die haben Sie vorher nicht geöffnet?«

»Na. Für dös is da Burgamoasta Zeugen.«

»Wieso Zeuge? Der kann doch nicht wissen, was Sie daheim mit der Schachtel angestellt haben.«

»I ho durchaus gar nix o'g'stellt. I hab s' eahm akrat a so bracht, wia s' im Schrank drin g'wen is.«

»So? Und da waren dreihundert Mark drin?«

»Dreihundertvierasiewaz'g March und eppas Pfenning.«

»Und der Bürgermeister hat vermerkt, daß der Betrag kaum hinreiche zur Deckung der Beerdigungskosten und der Bezahlung eines Grabsteines . . .«

»Den Grabstoa laß i setzen. Dös hab i an Burgamoasta scho g'sagt, und bei dem bleib i steh . . .«

»So . . .«

»Weil sie a richtige Person g'wen is, und weil i mir nix nachsag'n laß.«

»Das klingt sehr schön, aber da kommt noch was nach. Es hat sich nämlich ein Erbe gefunden, ein Verwandter der Verstorbenen . . .«

»Was waar na dös für oana?«

»Das werden Sie gleich hören. Ein gewisser Simon Pfleiderer, Aktuar oder Schreiber in München.«

»Der Bazi?«

»Unterlassen Sie solche Ausdrücke! Die schicken sich nicht da herin.«

»Mi derf do sag'n, daß oana a Lump is, der z'weg'n an Stehl'n im Zuchthaus war. Durch dös hat ja de alt Loni a Testament macha woll'n.«

»Ein Testament? Also! Da deckt sich ja Ihre eigene Aussage mit der des Pfleiderer. Jetzt erklären Sie mir einmal, wenn nichts da war, wegen was hat denn die Amesreiter ein Testament machen wollen?«

»Durch dös, weil sie net woll'n hat, daß der sell Lump eppas kriagt. Dös hat sie schriftli macha wollen.«

»Wenn nichts da war? Das ist ja Unsinn!«

»Sie hat dös ausdrückli g'sagt, daß sie mit dem Menschen durchaus gar nix z' toa hamm will. Da san Zeugen da für dös . . .«

»Dann muß sie doch etwas besessen haben! Sonst ist es ja lauter Blödsinn!«

»In dera Schachtel war net mehra, wia dreihundertvierasiewaz'g March und eppas Pfenning. Dös muaß da Burgamoasta ausweisen.«

»Sie reden immer von der Schachtel. War nicht anderswo Geld aufgehob'n?«

»Da war nix vorhanden.«

»Keine Pfandbriefe? Keine Schuldscheine?«

»Koan Schuldschei hab i überhaupts it aus g'stellt.«

»Sie haben keinen ausgestellt? Also sind Sie oder waren Sie was schuldig?«

»De dreitausad Mark, de wo sie mir geb'n hat . . .«

Der Amtsrichter stand von seinem Stuhle auf und schaute den Ruepp unwillig an.

»Was sind denn Sie eigentlich für ein hinterhältiger verdruckter Mensch? Beim Bürgermeister haben Sie kein Wort davon gesagt, und jetzt . . .«

»Er hat ja mi gar it g'fragt . . .«

»Unterbrechen Sie mich nicht! Und jetzt muß man Ihnen jedes Wort herauspressen, und da kommt nach und nach das Geständnis, daß die Verlebte eine Forderung von dreitausend Mark an Sie hatte . . .«

»Bal mi da Burgamoasta g'fragt hätt, nacha hätt' i's eahm aa g'sagt.«

»Stellen Sie sich nicht so dumm! Sie haben recht gut gewußt, daß Sie die dreitausend Mark jetzt an die Erben zahlen müssen.«

»Na, dös hab i net g'wißt, und zahlen muaß i's überhaupts it.«

»Was?«

»Na, weil dös ausg'macht war, daß i dös Geld z'ruckzahl'n ko, wann i mag und bal i's leicht zahl'n ko.«

»So?«

»Ja. Dös hat de alt Loni net grad oamal g'sagt, und für dös hon i Zeugen.«

»Das werden Sie mit dem Erben auszumachen haben.«

Es klopfte, und zur Türe schob sich der Aktuar Pfleiderer herein, der sich mit zur Schau getragener Unterwürfigkeit verbeugte; hinter ihm kam der Unterhändler Schlehlein, der sein Maul zu einem höhnischen Lachen verzog, als er den Ruepp sah.

»Was wollen Sie?« fragte der Amtsrichter.

»Wenn Herr Oberamtsrichter entschuldigen, mein Name ist Pfleiderer und komme . . .«

»Sie sind vorgeladen, und Sie?«

»Schlehlein is mein Name. Ich bin quasi als Zeugen mitganga, indem ich gegen den Angeklagten eine Zeugschaft ablegen kann . . .«

»Da herin gibt es keinen Angeklagten und keinen Zeugen.«

»Indem daß ich bestätigen kann, daß dieser betreffende Ruepp zu mir g'sagt hat, daß er an Notari holen will . . .«

»Sie haben gar nichts zu bestätigen und verlassen jetzt das Zimmer. Ich kann Sie da herin nicht brauchen.«

»Indem daß ich aber . . .«

»Ich sag's nicht nochmal, gelt? Sie gehen hinaus!«

Schlehlein entfernte sich zögernd und warf seinem Freunde Pfleiderer noch einen vielsagenden Blick zu.

Dieser dienerte wieder ein paarmal und sagte:

»Der Herr Oberamtsrichter werden entschuldigen, wenn ich mir in betreff dieses Zeugen eine Bemerkung erlaube . . .«

»Sie haben jetzt gar nichts zu bemerken.«

Der Amtsrichter, dem der schielende, unterwürfige Mensch sichtlich zuwider war, blätterte im Akt herum und räusperte sich.

»Nach den Ausweisen sind Sie der nächste Verwandte der verstorbenen Apollonia Amesreiter?«

»Jawohl, wenn Herr Oberamtsrichter gestatten; meine Mutter war sozusagen die einzige Schwester der Erblasserin.«

»M . . . hm . . . ja. Andere Verwandte sind nicht vorhanden?«

»Nein, wenn Herr Oberamtsrichter gestatten.«

»Sie haben geltend gemacht, daß Vermögen vorhanden sein müsse.«

»Jawohl. Sozusagen ein größeres Vermögen, indem die Erblasserin seinerzeit viertausend Mark aus ihrem elterlichen Anwesen in Orthofen erhalten hat. Dafür sind die Nachweise zu erbringen, wenn Herr Oberamtsrichter gestatten, und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, indem nämlich die Rubrikatin, diese Amesreiter, lange Jahre im Dienst war und sozusagen anzunehmen ist, daß sie ihren Lohn ersparte.«

»Fürs G'wand braucht mi na gar nix!« unterbrach ihn der Ruepp in grobem Tone.

»Sie sind jetzt nicht gefragt.«

Der Richter wandte sich wieder an Pfleiderer.

»Also, Sie wollen sagen, daß sich die Verlebte zu den viertausend Mark noch weitere Ersparnisse gemacht habe?«

»Jawohl, und indem von der beklagtischen Seite die Behauptung ausgestellt ist, daß sozusagen überhaupt nichts vorhanden war, so wirst dies natürlich ein schiefes Licht auf den Betreffenden.«

»Ja, da ist inzwischen eine Aufklärung erfolgt. Der Umbricht gibt an, daß ihm seinerzeit – wann war das eigentlich? Wann haben Sie das Geld bekommen? . . .«

»Dös woaß i nimma so g'nau. A vier, a fünf Jahr werd 's her sei,« brummte der Ruepp. »Aber sie hat dös ausg'macht . . .«

»Das kommt später. Also der Umbricht erklärt, daß er dreitausend Mark als Darlehen erhalten habe.«

»Ahan!« rief Pfleiderer.

»Erhalten habe, und er gibt weiter an, daß die Amesreiter die Rückzahlung in sein Belieben gestellt habe. Jedenfalls besteht die Forderung und gehört zum Nachlaß. Vielleicht einigen Sie sich darüber, wann und wie das Kapital zurückgezahlt werden soll.«

»Nacha waar's a so, daß 's der kriagat?«

»Allerdings

»Und bal i Zeugen für dös herbring, daß de Alt durchaus woll'n hat, daß dös Geld auf mein Buab'n ummig'schrieb'n werd?«

»Wenn kein Testament vorliegt, ist der gesetzliche Erbe Ihr Gläubiger.«

»Wia ko denn dös g'setzli sei, bal i eigens um an Notari g'fahren bi, und dös woaß ja der ander, der Schlehlein, weil er bei mir aufg'hockt is, und da hab i's eahm g'sagt.«

»Das kann stimmen oder nicht stimmen, jedenfalls ist es ganz gleichgültig.«

»So? Da derf na a Mensch sein Will'n it hamm? Und dös kann i beweis'n, daß d' Loni an öften g'sagt hat, der Zuchthäusler derf nix kriag'n.«

»Wenn Herr Oberamtsrichter entschuldigen, aber ich laß mir keine Invektiven durchaus nicht bieten von einem Menschen, der wo als Erbschleicher gewissermaßen eruiert ist . . .«

»Nur Ruhe! Net wahr? Da herin dulde ich keine Streiterei.«

»Indem er mir sozusagen mein Unglück vorwirft . . .«

»Is vielleicht it wahr, daß d' in Zuchthaus g'wen bischt? Is it wahr, daß di de Alt ausg'wiesen hat?«

»Sie sind ruhig, und zwar sofort!«

»Bal's amal wahr is!«

»Das spielt hier keine Rolle. Ob der Pfleiderer vorbestraft ist oder nicht, auf jeden Fall ist er der gesetzliche Erbe und hat Anspruch auf den Nachlaß.«

»Dös waar'n G'setza! Bal mi amal g'wiß woaß, daß de Loni den . . . ah . . . also den da g'rad desz'weg'n enterbt hat, weil er ihr z' schlecht war . . .«

»Reden Sie nicht immer das nämliche! Wenn die Amesreiter ihren Verwandten enterben wollte, mußte sie ein Testament machen. Wenn sie keines gemacht hat, kommt die gesetzliche Erbfolge; das ist einmal so . . .«

»Wenn Herr Oberamtsrichter entschuldigen, möchte ich betreff dieser Strafe sagen, daß ich mir mein Brot ehrlich verdiene, und für den Fall, daß ich durch Leichtsinn in eine gewisse Kalamität geraten bin, so ist dieses eine Jugendsünde, durch die ich genug gelitten habe.«

»Is schon recht, ja. Ich sag Ihnen ja, mich geht das gar nichts an. Also wollen Sie sich wegen der dreitausend Mark einigen? Ja oder nein?«

»I zahl's überhaupts it,« schrie der Ruepp.

»No, das werden Sie sich noch überlegen. Und was ist mit Ihnen, Pfleiderer?«

»Ich kann mich nicht einverstanden erklären, auch wenn der Rubrikat gewissermaßen Zahlung leistet, indem noch viel mehr dagewesen sein muß.«

»Außer den dreitausend?«

»Jawohl, wenn Herr Oberamtsrichter gestatten, indem noch bedeutende Ersparnisse da waren und das elterliche Vermögen schon viertausend war . . .«

»Was sagen Sie, Umbricht?«

»I sag, daß i dem durchaus gar nix zahl . . .«

»Bestreiten Sie, daß außer dem unbedeutenden Barbestand und außer dieser Forderung an Sie noch weiteres Vermögen vorhanden war?«

»Was soll denn da g'wen sei? Sie hat ja do aa was braucht.«

»Nun, wenn sie bis zuletzt bei Ihnen im Dienst war . . .«

»Sie ko's ja aa herg'schenkt hamm. Was woaß denn i? Und überhaupts mach i mei Gegenrechnung. In de letzt'n Jahr hat de Alt nix mehr g'arbet. Da wer i s' net umasunst g'fuattert hamm . . .«

»Geht jetzt alles nicht daher. Antworten Sie mir auf meine Frage: war außerdem noch Vermögen da?«

»Durchaus nix . . .«

»Bestreiten Sie also. Schön. Dann haben Sie,« wandte sich der Richter an Pfleiderer, »das Recht, den Umbricht zum Offenbarungseid vorzuladen.«

»Da kann i jed'n Tag schwör'n.«

»Stellen Sie den Antrag?«

»Gewiß, wenn Herr Oberamtsrichter gestatten, und ich möchte auch, daß die Frau den Offenbarungseid leistet.«

»Das können Sie verlangen. Also Umbricht, Sie und Ihre Frau . . .«

»D' Afra? Z'weg'n was müaßt den de schwört? De woaß do gar nix.«

»Das kann sie ja dann auf Eid erklären, aber schwören muß sie.«

Der Ruepp wurde unruhig. Er stellte sich von einem Fuß auf den andern und drehte den Hut mit den Händen.

»Dös braucht's na do scho net, daß z'letzt no dös ganz Haus aufs Gericht eina müaßt weg'n dem do . . .«

Der Amtsrichter gab ihm keine Antwort, sondern blätterte in seinem Kalender, und diese Gelegenheit benützte der schielende Schreiber, um den Ruepp höhnisch und herausfordernd anzugrinsen.

Er verzog sein Gesicht gleich wieder zu einem würdigen Ernst, als der Richter aufsah und sagte:

»Den Termin setze ich fest auf heut in vierzehn Tagen. Ihre Frau wird schriftlich geladen.«

»Ja, muaß dös sei, daß ma d' Afra da eina sprengt?«

»Das muß sein, jawohl. Und für heut sind wir fertig. Adje!«

»Dös gelangt do, bal i alloa schwör' . . .«

»Nein . . . Ihre Frau kommt mit. Adje! . . .«

Pfleiderer entfernte sich nach vielen höflichen Bücklingen; der Ruepp aber blieb noch immer unschlüssig stehen, als hätte er noch was zu sagen, und erst, wie ihm der Protokollführer warnend zunickte, ging er schwerfällig und langsam hinaus.

Auf der Gasse sah er wieder den Schlehlein eifrig mit dem Zuchthäusler redend vor sich hergehen.

»Lacht's no . . . ös . . .«

Aber die Lumpen hatten ihm doch ein Bein gestellt, und eine mahnende Stimme in seinem Innern sagte ihm, daß er leicht darüber stolpern könnte.

Die Afra schwören . . .

Er wußte, wie ängstlich sie war, und er ahnte, daß sie von der Geschichte, von der verfluchten dummen Geschichte mehr wußte, als sie bis jetzt gesagt hatte.

Herrgott, wenn er selbig'smal gleich zum Notar gegangen wäre!

Alles wär' anders gekommen, alles wär' gut geworden.

Der schlechte Kerl da vorn hatte ihn verführt. Wenn der nicht dazu gekommen wär' . . .

Aber das half jetzt nichts mehr.

Verdrossen setzte er sich beim Zieglerbräu an einen Tisch. Es schmeckte ihm kein Essen und kein Trinken.

Und kaum eine Stunde später rasselte sein Wagen die steinige Straße hinunter und aus Dachau hinaus.


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