Ludwig Thoma
Der Ruepp
Ludwig Thoma

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Zehntes Kapitel

»Ja, Bua, was is denn mit dir passiert? Um da Gott's Will'n, wia schaugst denn du aus?« rief die Rueppin, als der Michel am andern Morgen in die Küche hinkte.

»Was werd denn passiert sei?« knurrte er. »A Dummheit. Eigentli is gar net wert, daß ma davo redt.«

Und er erzählte beinahe wortgetreu alles, was sich der erfinderische Zotzen-Peter als beste Erklärung ausgedacht hatte.

»Waar ja net aus!« jammerte die Bäuerin. »Bei da Nacht d' Leut o'packa und ganz frei herschlag'n, obwohl daß mi gar it bekannt is. So was ausg'schamt's muaß no gar it dag'wen sei . . .«

Der Ruepp, der die Sache gleich großartig mit Gericht und Advokaten und Schandarmerie angehen wollte, hatte freilich auch einiges zu tadeln, denn was andere anbetraf, hatte er strenge Ansichten, und die Gelegenheit, sie aufzuweisen, ließ er nicht aus.

»De Burschen wer'n ma scho kriag'n,« sagte er, »da gib i net nach, bis dös offenbarig werd. Aba dös muaß i aa sag'n als Vata: g'hör'n tuat si dös net, daß du mit an Knecht in de Wirtschaft umanandaziahgst . . .«

»Er hat ja grad a Maß in Erdweg drent trunka,« widersprach die Bäuerin. »Es werd eahm halt dürscht hamm nach dera Hitz und nach der Arwat . . .«

»Dös is gleich. Ma muaß allaweil wissen, wer ma is, und mit wem daß ma's z' toa hat. Es paßt si amal net für an Schtudierten, daß er bei de Knecht hockt oda gar a Freundschaft hat damit. Waarst mit mir zum Wirt abi ganga, waar di nix passiert . . .«

»No . . .« machte die Rueppin.

Aber der Bauer ließ sie nicht zum Wort kommen.

»I sag dös, ma muaß wissen, bei wem daß ma is, und ma derf nia vagessen, wer ma selm is. I hab dir's scho a paarmal sag'n woll'n unter der Arndt, du solltest net gar so Kamerad sei mit'n Peter . . .«

»Bal's do mitanand in d' Schul ganga san . . .«

»Dös g'hört da it her. I sag, ma muaß wissen, wer ma is. Und jetzt laßt's amal an Petern einakomma, daß er mir a weng an Auskunft gibt; i geh nacha zum Kommadanten . . .«

»Zu was denn?« brummte Michel. »Da werd nacha bloß 's G'red no größa . . .«

»Dös is gleich. Aber i leid's amal net, daß so was vorkimmt. Wo is denn da Peter?«

Die Rueppin ging in den Hof hinaus, um den Knecht zu holen, und in der Zwischenzeit machte Michel noch einmal den Versuch, seinen Vater von der Anzeige abzubringen.

Aber der Ruepp hatte seine Grundsätze, bei denen er fest blieb.

Jetzt kam auch der Zotzen-Peter in die Küche und stellte sich mit dem gleichgültigsten Gesichte neben die Türe.

»Ös seid's gestern in Erdweg g'wen?«

»Ja . . .«

Sein Blick streifte unauffällig zu Michel hinüber. Der hatte also seine Ausrede vorgebracht, und jetzt kam das Lügen an ihn.

Schon recht. Darin konnte man sich auf ihn verlassen.

Und er log auch tapfer und standhaft, wie es sich für einen Kameraden gehört, und wie es ein tüchtiger Mensch fertig bringt.

Das Ergebnis war sehr dürftig, denn der Peter wußte nichts, hatte keinen Verdacht und konnte sich nichts denken.

Das hielt den Ruepp ab, sogleich ins Dorf hinunter zu gehen und die Schandarmerie in Bewegung zu setzen.

Einen Tag später war ihm nicht mehr viel daran gelegen, und wieder etliche Tage darnach war schon das Gerücht von dem wirklichen Begebnisse durch die Dörfer und Weiler der ganzen Gegend gelaufen.

Eine Geschichte von Prügeln, die einer beim Kammerfenster erhalten hatte, war an sich schon volkstümlich, aber der Umstand, daß der Betroffene ein geistlicher Student war, gab erst die rechte Würze, und in allen Wirtshäusern erzählte man sich lachend, daß beim Holzböck ein schwarzer Kater eingefangen worden sei; die Mädeln steckten es sich kichernd zu, und die Bäuerinnen, die in allem die Frömmeren sind, waren bekümmert darüber, daß es so was auch gebe.

Der erste, der es auf der Leiten inne wurde, war der Kaspar, den im Feld draußen der Sexer darum anredete.

Das heißt, er fragte ihn teilnehmend, wie es dem Bruder gehe, und ob er sich doch nicht den Haxen gebrochen habe, wie er in Ried von der Leiter heruntergefallen sei. Wenn einer so was als erster einem andern, den es angeht, brockenweise zumessen kann, ist es ihm ein Genuß.

Der Kaspar lehnte das herzliche Bedauern, das der Sexer zeigte, schroff ab; er machte auch daheim kein Wesen daraus, aber der Leni erzählte er's.

»Unser Hochwürden macht si . . .«

»Was is damit?«

»Am Kammerfenschta is er g'wen z' Riad, beim Holzböck, und da hamm s'n dawischt und recht her g'schlag'n.«

»Ah . . . ah . . . na is dös gar it wahr, daß er in Erdweg o'packt wor'n is . . .«

»Dös is all's derlog'n. Beim Fensterln hamm s'n a so zuag'richt. Der werd amal richti als Pfarra.«

»Der werd z'erscht koana.«

»Mir kimmt's aa so vor, aba von dem werd scheint's it g'redt, was dös Geld kost hat, und waar jetzt all's umasunst außi g'schmissen.«

»Mir g'fallt scho lang nix mehr,« sagte Leni. »Bal oana wirkli auf geischtli tracht, na g'stellt er si do ganz anderst o, als wia da Michi. Der tuat ja gar it dergleicha . . .«

»Und lafft zu de Menscha glei a Stund weit; bis auf Riad treibt's 'n ummi, den geischtlinga Herrn.«

»I sag's aba da Muatta, und auf da Stell, weil sie scho gar nix mehr kennt, als wia grad Michi hi und Michi her . . .«

»Sag's ihr no. Is g'scheidter, sie hört's von dir, als wia von ander Leut. In der ganzen Gegend hamm s' eahna Gaudi damit, hat mir da Sexer g'sagt . . .«

»Bei ins paßt all's z'samm . . .«

Leni war kaum allein in der Küche mit der Rueppin, da fing sie schon an.

»Jetzt host as mit dein braven Michi . . .«

»Was hab i?«

»Weil's d' a so net woaßt, was d' eahm all's o'toan muaßt z'weg'n seine Schmerzen, de wo er so unschuldigerweis leidt . . .«

»Is dös vielleicht nix, wenn er hinterrucks überfall'n werd?«

»Ja . . . überfall'n! Von da Loata hamm s'n aba g'schmissen, wia'r a bei so an lüaderlichen Weibsbild am Kammafenschta war . . .«

»Was redst du daher?«

»Dös, was wahr is. Beim Holzböck in Riad hamm s'n vertrieben, den saubern Herrn. Bei dera G'legenheit hat er seine Schlag kriagt, und d' Leut lachen recht drüber . . .«

Die Rueppin mußte sich niedersetzen.

»Dös gibt's ja gar it . . .«

»Frag'n selber. Vielleicht b'steht er dir's ei.«

»Wo is er denn?«

»Im Hof war er voring draußt beim Peter. De zwoa steckan ja a so allaweil beinand.«

Leni schaute zur Türe hinaus und rief.

»Michi! . . . Zu da Muatta solltst eina kemma . . .«

»Ahan . . .« sagte der Zotzen-Peter, der gerade einen Pflug herrichtete. »Jetzt wissen 's de aa scho . . .«

»Soll'n s' as wissen . . .«

»Red di auf mi aus und sag, i waar am Kammafenschta g'wen, und du bischt bloß mitganga . . .«

»Ah was, da liegt mir gar nix mehr dro,« sagte Michel und ging in's Haus.

»Du, was d'Leni verzählet, gel, dös is it wahr?« rief ihm die Rueppin zu.

»Was hat s' denn verzählt?«

»Daß dös all's a Schwindel war, was du g'sagt hast von Erdweg,« fiel Leni ein. »Daß s' di beim Kammafenschta g'haut hamm, dös hab i da Muatta g'sagt.«

»Wann d' no du was ausanand bringa ko'st; da hoscht ja du dei Freud dabei.«

»Weil's d' Leut überall'n verzähl'n; i trag's net weida und hab's net aufbracht.«

»Aba Michi, du werst do dös it g'macht hamm!« jammerte die Mutter.

»Gar so weit werd's net g'feit sei, bal ma'r amal an G'spaß macht.«

»Dös is an sauberna G'spaß für oan, der wo amal an Pfarra spiel'n möcht . . .« fiel Leni wieder ein.

»Hoscht an dös gar it denkt? Da nehman s' di am End gar nimmer,« sagte die Rueppin.

»Dös waar mir dös liaba . . .«

»Ja, Bua!«

»Na, Muatta, jetzt sag i dir's pfeilgrad, i waar z'erscht nimma z'ruck ganga ins Gymnasium.«

»So? Und 's Geld nacha, dös wo ma an di hing'hängt hot?« keifte Leni.

»Von dir hab i koans kriagt.«

»Net? Geht dös vielleicht net an dem unsern ab, was du verto host? Von dir hab i koans, saget er, und mir müassen de ganz Zeit zuaschaug'n, wia ma'r eahm 's Geld schickt, und mir dahoam kemman in d' Verlegenheit und gar no in d' Schuld'n.«

»Für dös konn i gar nix . . .«

»Jo . . .«

»Net wahr is. Wenn da Vata oa Wort g'sagt hätt, oder d' Muatta, na waar i scho Jahr und Tag dahoam und hätt tausendmal liaba mitg'holfen als Knecht . . .«

»Ja . . . wer's glaabt. Z'erscht treibt er si de längst Zeit als Schtudent umanand, der wo nix schtudiert, und na hoaßet's auf oamal, i waar liaba a Knecht. Mit der Arwat tandeln, so hättst as vielleicht in Sinn . . .«

»Jetzt hör amal auf!« bot die Rueppin ab. »Mit'n Streit'n is gar nix g'richt, und du, Michi, du werst di wohl no b'sinna . . .«

»Schau, Muatta, dös hat koan Wert gar nimma. Z' Freising hamm s' zu mir g'sagt, daß i z' alt wer, und schau, bal i jetzt no zwoa Jahr hi häng, und es werd do nix . . .«

»Ja, Bua, was is denn aba, bals d' it firti machst?«

Michel wollte ihr seinen Plan mit der Weihenstephaner Schule erklären, zögerte aber vor der Leni und sagte. »I hätt scho was in Sinn, und es kunnt no all's recht wer'n . . .«

Derweil schlug der Hofhund an, und man hörte Schritte im Hausflötz.

Die Rueppin schaute hinaus.

»Dös is ja da Mesner . . .«

»S' Good beinand!« sagte der Schwaiger, ein Kleingütler, der den Mesnerdienst verrichtete. »I hab d' Rechnung für der alt'n Loni ihra Leich. Pressiert aba net, bal da Bauer net da is; er ko s' leicht amal zahl'n, wann er abi kimmt.«

Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und holte einen Zettel daraus hervor, den er der Bäuerin gab.

»Na werd's da Bauer scho am Sunntag recht macha . . .«

»Ja . . . ja . . . feit da nix . . . und no eppas hätt i zu'n ausrichte für'n Michi . . .«

»Für mi?« Der Studiosus bekam einen roten Kopf, als er fragte.

»Ja . . . an schön Gruaß soll i sag'n vom Herrn Pfarra, und Sie soll'n morg'n nach da Kircha, vielleicht um a neuni, zu eahm komma . . .«

»Is recht, i kimm scho. Hat er net g'sagt, z'weg'n . . .«

Michel stockte.

»Z'weg'n was?« sagte der Schwaiger. »Na, von dem hat er nix g'sagt . . .«

Dabei blinzelte er aber mit dem linken Auge, was dem Michel andeuten sollte, daß er ihm allein schon was verraten könnte.

»Von dem hat er nix g'redt,« wiederholte er. »Es werd halt was z'weg'n da Schtudi sei oder a so. Er hat bloß g'sagt, bals d' heut zum Ruepp aufi kimmst, sagt er, nacha richt an Herrn Schtudenten aus, daß er mi morg'n b'suacht. Nach da Kircha, hat er g'sagt, und mehra woaß i wohl it.«

»Werst na do scho a Nudel mög'n und an Kerschgeist?« fragte die Rueppin.

»Da sag i net na . . .«

Es schien dem Michel ewig lang zu dauern, bis der Schwaiger seinen Schnaps ausgetrunken und etliche Dorfneuigkeiten ausgekramt hatte.

Er schlich sich unauffällig aus der Küche und wartete hinterm Austraghäusel, bis der Mesner endlich den Heimweg antrat.

Als er ihn unter der Haustüre Abschied nehmen sah, ging er den Hohlweg hinunter und setzte sich beim Brünnl auf einen Baumstamm.

»Ah, da is ja da Michi . . .« sagte der Schwaiger.

»Ja . . . i hätt gern g'fragt weg'n an Herrn Pfarra. Was will er mir denn?«

»Was er will? Hm . . . G'sagt hat er ja nix, aba i denk ma halt, z'weg'n dera Gaudi da . . .«

»In Riad drent?«

»Freili . . .« Der Schwaiger blinzelte lustig. »Es is eahm halt aa z' Ohr'n kemma. Natürli, d' Leut red'n davo, und bal amal so was aufmahrig is, nacha laffan ja de Betschwestern in Pfarrhof eini, als wann eahna 's Feuer unterm Rock brennat. De erst war de alt Puachrainerin, und nacha is d' Nottensteinerin daher g'schwanzt und d' Rauscherin, und a Getua hamm s' g'habt und a Jammerei, als wann eahna selm dös größt Unrecht g'schehg'n waar, und als wann s' de Straf Gottes herbet'n müaßt'n . . .«

»Was bekümmert's denn de . . .«

»Sag i aa allaweil. Aba da Deifi is ja nix geng an alt's Wei, und natürli, vagunna tean de alt'n Luada de junga Leut überhaupts nix . . .«

»Was hat da Herr Pfarra g'sagt?«

»M . . . mei, net vui; der reißt si desweg'n koan Haxen aus. Er hot s' halt o'g'hört, net, weil er s' o'hör'n muaß.«

»Deifi, dös is mir scho so z'wida!«

»No mei, da is no net all's aus. Vorläufi, net, san S' no amal net geischtli, und mei Gott, hamm ma sogar scho Koprata g'habt, wo ma si allerhand vazählt hat, und überhaupts, a junga Mensch, dös woaß ma do . . .«

»Dös z'widerst is, daß mi eigentli de G'schicht gar nix o'geht. I bin bloß mit an Kamerad'n in da Begleitung mitganga . . .«

Michel erinnerte sich rechtzeitig an die Lüge, die ihm sein Lehrmeister angeraten hatte. Ob sie aber der Schwaiger glaubte, war nicht deutlich zu erkennen, denn er blinzelte wieder stärker mit den Augen, als wenn ihm die Abendsonne weh täte.

»A so is de Sach? Grad in da Begleitung? No ja, nacha is ja eigentli gar nix dabei,« sagte er.

»A Dummheit is und bleibt's,« antwortete Michel.

»Aba a himmiweita Untaschied,« rühmte der Schwaiger. »Bal mi mit an Kamerad'n geht und der sell laßt si net abbringa von sein Plan, für dös ko ma do nix . . .«

»Mitgeh hätt i halt net soll'n . . .«

»Mei Gott, dös is G'schmacksach. Aba nacha is dös aa net wahr mit de . . .« Schwaiger deutete mit dem Stecken Hiebe an . . . »mit de Schmiergel?«

»Na, dös hoaßt, a bissel in a Rafferei bin i scho eini kemma . . .«

»A freili . . . a so halt . . . als Begleiter . . . natürli . . . da hilft ma sein Kamerad'n . . .«

Er blinzelte wieder stärker.

»No ja . . .« sagte er dann. »An Kohlrabi reißt Eahna da Herr Pfarra net aba, und bal er schimpft, sagen S' eahm halt dös, daß Sie ganz unbeteiligterweis zuawi kemma san. Dös glaabt er na scho . . . Und jetzt bfüad Good, Herr Michi . . . ausg'richt hab i mei Sach . . . adjes!«

Michel ging langsam heimzu, und er ließ den Kopf gedankenschwer hängen.

Derweil saß drunten beim Wirt der Ruepp und fing allgemach zu krakeelen an, wie er's im Brauch hatte, wenn er schon eine Halbe über den Durst getrunken hatte.

»Du g'hörst aa zu dena,« schrie er zum Langwaider hinüber, der sich wohl nicht ohne Absicht an einen andern Tisch gesetzt hatte. »I woaß gut, du bischt aa bei de sell'n, wo si 's Maul z'rissen hamm über mi. Di kenn i guat, Manndei!«

»Mein Ruah laß ma!«

»Laßt's ma ös z'erscht de mei! Aba dös sag i dir, da vaderb'n z'erscht no vui z' Weidach, vor i vadirb. Dös sagst eahna, de gar andern, de wo meine Schuld'n z'sammzähl'n möcht'n. Vor i vadirb, vaderb'n no ganz anderne, und i bin no koan Weidacher was schuldi blieb'n. Da waar i mir scho z' guat dazua, daß i mi von dena Hungaleider o'schaug'n liaß. Pfüad di Good, sag i, und so g'scheit, wia de ganz andern, bin i no lang. Waar ma scho g'nua, sag i, Herrgottsaggerament! Und du bischt aa dabei, bei de sell'n . . .«

»I trink mei Bier und will mein Fried.«

»Ja . . . dein Fried . . . Aba da steht's z'samm und redt's oan recht schlecht, und waar ja scho bald a so, als wann i an Weidacher was schuldi waar . . . Da seid's ma ös z' weni, ös Hungerleider, ös ganz notigen!«

»Geh, drah net a so auf; es steht dir net o.«

»I sag mei Sach, und 's Mäu laß i mir von enk net vabiat'n, daß d'as woaßt. Und i vadirb no lang it, dös mirkst da, und da vaderb'n z'erscht ganz anderne . . .«

»Was is denn?« fragte der eintretende Wirt.

»Was werd sei? Der Ruepp is halt wieda b'suffa . . .« sagte der Langwaider.

»Was bin i? Was woaßt du, daß i b'suffa bin?«

»Net z' weni. Und überhaupts, bal ma da eina geht und auf'n Feierabend sei Halbe Bier mit Ruah trink'n möcht, muaß ma si da d' Ohr'n voll plärr'n lass'n und si Grobheit'n sag'n lass'n?«

»Du haltst jetzt dei Mäu!« entschied der Wirt kurz und drohte dem Ruepp mit dem Finger. »Du woaßt guat, daß du da herin koa Bleib'n it hoscht, bal's du aufdrahst.«

»I trink mei Sach, und i zahl mei Sach, und i sag mei Sach. Und dös Recht wer i hamm, wia 'r a jeda, und i sag mei Sach, und i zahl mei Sach.«

»Und mi laßt d' in Ruah!« sagte der Langwaider.

Da schrie aus der Ofenecke heraus eine scharfe Stimme, die dem Austrägler, dem alten Mader Lenz, zugehörte. »Überhaupts kümmer di um di und um dein Buab'n! Da hoscht di z' kümmern g'nua!«

»Was Bua? Wer Bua? Über mein Kaschpar werst du nix sag'n kinna . . .«

»Du woaßt scho, daß i den andern moan.«

»An Michi? Vo dem werst du erst recht nix wiss'n . . .«

»Dös nämli, wia alle Leut . . .«

»Ös müaßt's ja allsammete amal froh sei, bal enk mei Michi an Seg'n gibt. I gaab'n enk g'wiß it.«

»Den müaßt ma z'erscht mög'n . . . gel. Und überhaupts derf a sellana gar it g'weicht wer'n. Da werd da Babscht aa no was drei red'n . . .«

»A sellana? Was für a sellana? Dir schlag i s' Kreuz o, du Bettelmo, du ganz schlechter!«

»Hö . . . hö! Net gar so grob! Gel?« mischte sich der Wirt ein.

»Derf er mein Michi an sellan hoaß'n, der wo it g'weicht werd? Muaß ma'r i dös g'fall'n lassen?«

»No ja, über dös derf ma no red'n, bal dei Bua von de Kammafenschta verjagt werd. Dös steht eahm schlecht g'nua o . . .«

»Net wahr is!«

Der Wirt zog gleichmütig die Achseln hoch.

»Dös werd öffentli verzählt.«

»Wer derf dös sag'n?«

»Da Holzböck hat's selm verzählt, da herin vor alle Leut, daß d' as woaßt. Und jetzt hörst mit'n plärren auf, gel?«

»Und a sellana derf it geischtli wer'n,« sagte der Mader Lenz. »Dös werd da Babscht it zuageb'n.«

Der Ruepp verstand, daß es der Wirt ernsthaft meinte, und die Beschuldigung machte einen solchen Eindruck auf ihn, daß er beinahe nüchtern wurde.

Er zahlte und stand hastig auf, ohne sein Bier auszutrinken.

Als er mit unsicheren Schritten bis an die Türe gekommen war, sagte er. »Von dem woaß i gar nix, und bal's it wahr is, nacha mach i's advikatisch, und na müassen s' aba her, de Falschhauser, de wo auf ins aufi lüag'n. Kenna tua i s' allsammete . . .«

Da ihm niemand mehr angab, stolperte er zur Haustüre hinaus und stieß dabei mit dem Postboten zusammen, der gerade herein gehen wollte.

»Hö! Zeit lassen!« rief dieser. »Ah, da Ruepp! Dös is recht, daß i di triff. Für di hab i was, na brauch i nimma aufi zu dir . . .«

»Was hast?«

»A Zuastellung vom G'richt . . .«

»An mi?«

»Ja . . .«

»I ho mit'n G'richt nix z' toa.«

»Werd do a so sei,« sagte der Postbote und gab dem Ruepp das Amtsschreiben.

Der steckte es achtlos in die Tasche, aber schon nach ein paar Schritten zwang ihn ein unbestimmtes Gefühl, das Schreiben wieder hervorzuholen und zu öffnen.

Die Schrift verschwamm ihm vor den Augen, aber ein paar Worte setzten sich doch fest . . .«

Nachlaß der verstorbenen Apollonia Amesreiter . . .«

Halt auf! Kam da etwas nach?

Eine heiße Angst stieg in ihm auf, und er las noch einmal.

Nun standen die Buchstaben fester und drohender vor ihm, und er brachte heraus, daß er auf den 18. September vorgeladen war, um Auskunft über den Nachlaß zu geben.


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