Ludwig Thoma
Der Ruepp
Ludwig Thoma

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Drittes Kapitel

In dem kleinen Austraghäusel, das vom Vater des Ruepp an den Hof angebaut und ehedem von ihm bewohnt worden war, hauste jetzt eine alte Magd Apollonia Amesreiter.

Sie war vor Jahren aus Orthofen zum Ruepp gekommen, als die erkrankte Bäurin sie um Aushilfe gebeten hatte.

Sie wurde in dieser Zeit der Rueppin so unentbehrlich, daß sie sie nicht mehr ziehen lassen wollte, und weil auch der Bauer zugeben mußte, daß die Loni die brauchbarste und billigste Helferin war, überredete man das brave Frauenzimmer zum Bleiben.

Das war vor mehr als zwanzig Jahren gewesen, und in all der Zeit bewies die Loni, daß man auf dem Ruepphofe mit ihr den besten Treffer gemacht hatte.

Den Kindern war sie im Herwachsen eine treue Hüterin gewesen, und sie galt ihnen für eine zweite Mutter. Am stärksten hing der Michel an ihr, denn er war weichmütiger wie der Kaspar und viel zutulicher wie die Leni, die in den häuslichen Kämpfen gallbitter geworden war.

Seit etlichen Wochen lag die alte Loni krank, und die müden Augen in ihrem magern, gelblichen Gesicht verrieten, daß sie wenig Hoffnung auf Gesundwerden haben durfte.

Sie selber hatte keine, und sie glaubte nicht wehleidig, daß ihr zulieb ein Wunder geschehen müßte.

Sie hatte ihr Bündel geschnürt, und am Ende war es nicht groß ausgefallen, denn was sich in fünfzig Jahren harter und treuer Bauernarbeit an Sünden begehen ließ, war nicht gar soviel.

Wenn die Loni über die schwere, blaukarierte Bettdecke hinweg nachdenklich zum Fenster hinsah, wo ein paar Blumenstöcke standen, die sie immer liebevoll behütet hatte, oder wenn sie stundenlang aufmerksam zur Weißdecke hinaufblickte, und wenn sie dabei in Gedanken ihr Erdenleben vorüber wallen ließ, erinnerte sie sich kaum an was anderes, als ans Frühaufstehen und Arbeiten bis in die sinkende Nacht.

Auch die freundlichen Bilder waren nicht frei von Müh' und Plag'. Kinderwarten. Zwischen aller Arbeit in ein paar gestohlenen Stunden den kleinen Wagen unter den Ahornbaum hinterm Haus schieben, dem Michel den Diezel ins Maul stecken und die Fliegen von ihm abwehren. Und dabei gewann sie den winzigen Kerl lieb, der sie aus seinen dicken Backen heraus vergnügt anlachte und seine Finger um ihre Nase krallte.

Über eine Weile kroch er schon auf allen vieren in der Stube herum, wenn sie die Socken stopfte und die Bauernhemden flickte und daneben acht gab, daß der Michel, der alles ins Maul steckte, was ihm unterkam, nichts Unrechtes verschluckte. Wieder vergingen etliche Jahre mit Schneien, Regnen und Sonnenschein und der kleine Kerl saß auf dem Schemel neben ihr und heftete seine erstaunten Augen auf sie, wenn sie ihm Geschichten erzählte. Bauernmärchen handeln nicht von verwunschenen Prinzen und erlösten Prinzeßlein, sondern von den Wundern, die die Heiligen gewirkt haben und immer noch wirken.

Dabei ergeht es ihnen nicht immer gut, wenn sie auf Erden wallen und Umschau nach den Leuten halten. Der heilige Petrus kriegt einmal Prügel bei einem habgierigen Bauern, weil er nicht gleich zum Arbeiten aufstehen will, und er kriegt Prügel von Zimmerleuten, die ihn für einen Spielmann halten und erbost sind, weil er ihnen nicht zum Tanz aufspielen will.

Aber der Petrus ist kein sanfter Heiliger, der alles demütig hinnimmt. Der Bauer wird für seinen harten Geiz gestraft, indem er aus Dummheit seine eigene Scheune anzündet, und für die Zimmerleute müssen alle Nachfolger büßen, denn zur Strafe für ihre Grobheit wachsen die harten Äste an den Bäumen, die noch heute soviel Arbeit machen.

Vom heiligen Leonhard, dem Schutzpatron des Viehes, gibt es viele erbauliche Geschichten und vom heiligen Koloman und vom Korbinian, dem ein Bär das Gepäck bis auf Rom tragen mußte, nachdem er das Pferd des Heiligen aufgefressen hatte.

Der Loni gingen die Geschichten, so viele sie auch wußte, immer noch eher aus wie dem Michel die Wißbegierde, und wenn sie meinte, es wär' genug, lehnte der Kleine seinen Kopf schmeichelnd an sie und bat.

»Nonimuatta, no was!«

Dafür war er aber auch zufrieden und aufmerksam, wenn sie eine alte Geschichte von vorne anfing, und seine Fragen blieben sich geradeso gleich wie ihre Erzählungen.

Ob der Bauer den Petrus mit einem Stecken oder mit der Geißel gehauen habe, und ob es weh getan habe?

Darin zeigte sich auch seine Bubenart, daß er kein Mitleid mit dem Heiligen hatte, sondern herzhaft lachte, wenn ihm die Loni vormachte, wie schmerzhaft der Bauer zugeschlagen, und wie jämmerlich der Petrus Acherl und Auweh geschrieen habe.

Im Bauernhof entwächst ein gesunder Wildfang schnell der weiblichen Hut, und auch der Michel wußte sich bald im Stall und draußen bei den Knechten, wo er reiten oder das Leitseil heben durfte, schönere Freuden zu finden als in der Stube. Er kehrte aber immer gerne auf kurze Zeit zur Loni zurück und nahm stets eine backene Nudel frisch aus der Pfanne mit Anerkennung an.

Und als der Abcschütz den ersten, bitteren Gang zur Schule antreten mußte, schnallte ihm die Loni den Ranzen zu, fuhr ihm noch einmal mit der Bürste über den Janker und schaute ihm nach, wie er, viel langsamer als sonst, den Hügel hinunter schlich.

Drunten am Weiher blieb der Michel stehen und schaute zu dem Hause zurück, aus dem ihn zum allererstenmal eine unumgängliche Pflicht herausgerissen hatte. Es war ihm weinerlich zumut, und ebenso war die Alte bedrückt, denn wenn sie auch nicht lange und klug darüber nachdachte, so fühlte sie es doch, daß jede Trennung einen Riß gibt, den die Zeit erweitert und nie mehr zusammen flickt. Das mußte sie ja erst recht erfahren, als der Bauer seinen Michel in die Studi fort haben wollte.

Die Loni war ehrfürchtig gegen die Diener der Kirche und hätte den Michel wohl gerne in dieser schönsten Laufbahn gesehen, aber sie hatte auch helle Augen und einen klugen Sinn, der ihr sagte, daß ein Bub, der jedes Roß im Dorf kannte und sich keine größere Freude wußte, als bei der Arbeit draußen mitzuhelfen, nicht zum studierten Herrn paßte.

Und was ihr der Bub anvertraute, wenn er mit schlechten Noten heimkam, wie so gar freudlos sein Leben in der Schulstube sei, das gab ihr recht.

Manchmal redete sie mit der Rueppin darüber und meinte, sie solle es beim Bauern durchsetzen, daß der Michel ausgespannt werde, aber die Bäurin stellte ihr vor, daß ihre Bitten den Ruepp bloß noch halsstarriger machen würden, und sie wußte, daß es nicht anders war.

An all das dachte die Loni jetzt in den langen Stunden, die der Tag für die Kranke hatte, und die Zukunft des Buben machte ihr Kümmernisse. Je älter er wurde, desto schwerer war die Umkehr, und am Ende war er dann der Arbeit so entwöhnt, daß er nichts mehr Rechtes anzufangen wüßte.

Und was hatte er für Aussichten? Niemand wußte besser wie die Loni, daß der Ruepp schlecht stand, denn etliche Jahre vorher hatte sie ihm auf sein Ersuchen dreitausend Mark geliehen und hätte ihm später noch einmal ein paar Tausend leihen sollen.

Da hatte sie es ihm aber abgeleugnet, daß sie noch zweitausendfünfhundert Mark erspartes und ererbtes Geld in ihrem Schranke versteckt hielt, und sie hatte sein Drängen damit beantwortet, daß sie sich um das alte Darlehen besorgter stellte, als sie war.

Wenn sie nun auf dem Krankenbette über das Fortkommen Michels nachsinnierte, stieg der Wunsch in ihr auf, dem Buben ihr verstecktes Geld und die Forderung an den Ruepp zu vermachen.

Der nächste Verwandte, den sie hatte, war auch noch ein weitschichtiger Vetter und lebte als Schreiber in der Stadt.

Sie wollte von ihm nichts mehr wissen, seit er vor langen Jahren einmal wegen einer Schlechtigkeit ins Gefängnis gesteckt worden war.

Der Mensch hatte sie einmal aufgesucht und wäre ihr gar liebreich gekommen, aber sie hatte ihm gleich gesagt, daß sich die neu erwachte Liebe nicht austrage, weil sie einem unehrlichen Menschen nichts geben würde, und wenn sie noch soviel Geld hätte.

Der Herr Aktuar Pfleiderer, so schrieb er sich, war ihr seitdem aus den Augen und aus dem Sinn entschwunden.

Darum wußte sie nicht, was sie hindern hätte können, den Michel zu ihrem Erben zu machen, und sie nahm sich's vor, das in Ordnung zu bringen.

Gleich in den ersten Tagen ihrer Krankheit bat sie die Rueppin, man möchte ihr doch den Notar von Dachau kommen lassen. Aber da gerade die Ernte begann, redete sich der Ruepp, der wegen seiner Schuld die gerichtsmäßige Schreiberei scheute, darauf aus, daß vom Hof niemand wegkönne, und daß man jeden Gaul notwendig brauche. Es habe ja wohl Zeit bis auf etliche Wochen später, denn so schlimm sei die Loni nicht daran.

Die Alte ließ sich vertrösten, aber wie ihr die Füße stärker anschwollen, kam sie in große Unruhe und bat die Bäurin wiederholt, daß man's nicht länger hinausschieben möchte.

Die Rueppin ging ihren Bauern darum an, aber der wurde grob.

»Was hat denn de Alt' für a Bengserei weg'n ihre paar Markl? Moanat ma scho, sie lasset den größten Bauernhof z'ruck, daß no ja da Notari g'schwind kimmt. Dös kunnt a Testament wer'n!«

Die Rueppin schaute ihn an, und er verstand ihren Blick.

»Is scho recht! Ja. Woaß scho. Was i von ihr hab, dös werd ihr z'letzt sicher gnua sei. Waar übrigens aa schö, wenn sie 's Geld dort lasset, wo sie zwanz'g Jahr dös best Leb'n g'habt hat. I pfeif ihr ja drauf, aba ma sagt bloß . . .«

»Vielleicht will sie's da lassen . . .«

»So? Hat sie was g'sagt von dem?«

»Na, aba ihran Reden nach, moan i, möcht sie's an Michel zuaschreib'n . . .«

»An Michi? Dem braucht s' as net zuaschreib'n. Der hat wohl gnua von mir kriagt für sei Schtudi . . .«

»Wenn sie's eahm geb'n will, wer'n s' do mir it hindern? Sinscht irbt's am End der sell Schreiber, der lüaderliche . . .«

»Aba dös sag i dir glei, bal sie an Michi de Schuld vermacht, na rech'n i z'samm mit eahm.«

»No ja, er hat do aa was von uns zum kriag'n, und dös laßt si ja alls amal spater richt'n, aba jetzt muaß ma do der Loni ihr'n Will'n toa . . .«

»Sagst ihr, bal der Woaz herin is, spann i auf da Stell ei und fahr selm auf Dachau eini und bring an Notari mit . . .«

»Sie glaabt halt, es pressiert . . .«

»Auf de paar Täg geht's it z'samm. Zerscht muaß d' Arwat g'schehg'n sei.«

Der Ruepp war nie großspuriger, als wenn er von der Arbeit redete, und schon gar, wenn er etliche Tage selber mitgetan hatte.

Dann mußte man ihn neben dem Wagen hergehen sehen, wie er gewichtig einherschritt und mit der Geißel schnalzte und den Hut bis ins Genick zurückschob, damit es jeder merkte, wie sich der Ruepp mit der Arbeit erhitzt hatte.

»Also sagst ihr, bal da Woaz herin is, fahr i selm eini. Werd schö gnua sei . . .«

Die Rueppin richtete es aus, und die Loni verstand, daß man ihretwegen nicht die Arbeit hint lassen wollte, obgleich sie wußte, daß der Bauer schon um Geringeres, etwa um ein Vergnügen oder eine Saufpartie, einen Tag ausgesetzt hatte. Aber ihre Bescheidenheit ließ sie es nicht unbillig finden, daß sie warten mußte. Dabei plagte sie aber eine innere Unruhe, von der sie gegen die Rueppin kein Hehl machte.

»Bal i's no derwart,« sagte sie. »A diam moan i scho, 's Wassa druckt mir geng a's Herz aufa, und na kannt's sei, daß i 's gar nimma beinand hätt, bal da Notari kimmt.«

»Ah geh, muaßt it so verzagt sei. Wer woaß, ob's d' net wieda aufstehst. Da Dokta hat's aa g'sagt. Da ko ma gar nix wiss'n, hat er 's letzt Mal g'sagt. Solchane Leut, sagt er, hamm oft a merkwürdige Kraft . . .«

»Ja, freili, a Kraft! Wo han denn i a Kraft? Dös kenn i selm bessa, wia da Dokta. Mit mir geht's dahi, und is nimma z'fruah aa. An Michi tat i wohl no gern sehg'n.«

»Den siehgst scho; der kimmt ja morg'n.«

»Morg'n?«

Ein Lächeln flog über das welke Gesicht.

»Bal er morg'n kimmt, na glaab i's aa, daß ma no mitanand z' dischkriern kemma. Hat er dir g'schrieb'n?«

»Ja. Am Sunntag den acht'n Auguscht kimmt er, hat er mir z'wissen g'macht.«

»Woaß er's?«

»Was? Daß du krank bischt?«

»Daß 's halt dahi geht.«

»Na, er woaß nix davo, daß di du leg'n hast müass'n. Schau, mir san halt aa net zum Schreib'n kemma.«

»Freili. In der Arndt. Aba bal er nur morg'n kimmt!«

Und dann kam der Michel.

Wie sich die Mutter erst ihren Kummer über den Vater ein wenig vom Herzen heruntergeredet hatte, sagte sie ihm, daß die Loni drüben in ihrer Kammer liege und recht schlecht daran sei, und auch, daß sie so hart auf ihn gewartet habe.

Er ging gleich hinüber, und hatte er auch noch keinen Menschen im Auslöschen gesehen, so erkannte er doch in ihren verfallenen Zügen die deutlichen Zeichen des herannahenden Todes.

Das griff ihm ans Herz, und er legte den Kopf auf den Bettrand und weinte.

»Was hoscht denn? Muaßt it woana, Bua . . .«

»Daß s' mir nix g'schrieben hamm . . .«

»Ah schau, sie hamm si halt denkt, daß i di scho no derwart, und jetzt bist ja da. Wia geht's dir denn, Michi?«

»Ah mei, mir! Wenn's nur dir besser gang.«

»I bin an alt's Leut, und amal muaß dös sei, daß 's an End nimmt. Da brauchscht do it woana, Bua . . .«

»Weil i net dahoam bleiben hab derfa, und weil i furt sei muaß, und jetzt find i di a so . . .«

»No ja, schau, weil's d' no jetzt da bist; mir könnan do richti bfüad Good nehma von anand . . .«

»Und na hab i gar neamd mehr . . .«

»Hast do d' Muatta, Michi, und deine G'schwister . . .«

»Du woaßt ja selm . . .«

Ach ja, die Alte wußte es, wie leer das Haus da drüben war, ohne Freude, ohne Zusammenhalten. Die Bäurin zermürbt von den Sorgen, die Jungen verdrossen und erbittert über den Zustand, dem auch emsige Arbeit keine Heilung brachte.

»Schtudierst halt weita,« tröstete sie. »Und na hockst di amal in a guate Pfarrei eini, und . . .« sie stockte, »und wann's da amal schlecht außi gang, nacha kunntst am End d' Muatta no zu dir nehma . . .«

»Ah mei . . .«

»Was denn? Geht's it recht damit? Hoscht allawei no koa Freud zu da Schtudi?«

»I hab no koan Tag oani g'habt.«

»Ja ... ja ... I hab scho viel nachdenkt über dös, Michi, und mir is nia recht g'wen, daß ma di zwunga hat.«

»Hätten s' mi dahoam lassen! I waar eahna jetzt a Hülf, oder wenn's da net ganga waar, hätt i an Platz als a richtiger Knecht, und i lasset mi g'wiß it o'schaug'n und tat mei Sach. Aba so . . .«

»Hoscht ja allaweil a Freud g'habt zu da Bauernarwat . . .«

»Ja, und nacha hat's aber sei müass'n, daß i auf Freising kimm und mi abracker und do nix füri bring.«

»Derpackst as gar it, moanst?«

»Na, Lonimuatta, mit dir kann i über dös red'n. I wer gar nia a Geischtlicher, garnia! Und wann's aa mit'n Schtudieren leichter gang, und wann i scho firti waar mit'n Gymnasium, i werat do koana. In da letzten Stund kehrat i no um . . .«

»Aber Bua, gar so hart muaßt d'as do it nehma! A Pfarra hat wohl des schönste Macha . . .«

»Vielleicht. I woaß net. Wem's g'fallt, für den ko's ganz schö sei. Aber i paß amal net dazua.«

»I han's wohl denkt, i han's oft denkt.«

»Schau, wann so g'redt werd unter de Schulkameraden, und der oa woaß dös und der ander dös, was eahm g'fallt bei da Geistlichkeit, und auf was er si g'freut, na is mir grad, als wenn s' was redet'n, was mi von da Welt aus nix o'geht. Aber wann mir spaziern gengan aus der Stadt außi, und i siech oan ackern am Feld draußd, na moan i, i derheb mi nimma, i muaß weg laffa von de Schulbuab'n, und wann i oan auf an Fuhrwerk siech, möcht i aufspringa und wegfahr'n, no grad weit weg, daß i nix mehr hörat und sehgat von dem Schmarrn . . .«

»Geh, Michi, muaßt di net versündigen . . .«

»Na, i moan's net a so, daß i was Unrechts sag'n möcht, i moan de Marterei mit'n Schtudieren. Aba dös ander, woaßt, dös bring i aa net z'samm. I hab's net mit dera Heiligkeit. Oft denk i mir, ob anderne, de wo i kennt hab am Gymnasium, und de jetzt scho drinna san im Priesterseminar, ob's dena wirkli so ernst is. I will eahna nix nachsag'n, aber i versteh's amal net. Mir kimmt's allaweil so vor, als wann i unserm Herrgott mit da Bauernarbet liaba sei müaßt . . .«

Die Loni schaute ihn ernst und bekümmert an und strich mit ihrer magern Hand über die Decke.

»Über so was han i wohl no weni nachdenkt,« sagte sie, »und da bin i mir net g'scheidt gnua, daß i dir was rat'n kunt. Aber freili, dös sell han i scho lang kennt, daß du für an geischlinga Herrn net paßt . . .

»Ganz und gar net,« bekräftigte Michel.

»Ma sollt's bei die Leut aa kenna, zu was daß s' g'hör'n . . .« fuhr die Alte fort. »Und wo s' hi'passen. Wenn ma's sogar beim Viech kennt. Aber dei Vata hat si's halt amal ei'bildt . . .«

»Ja . . . ei'bildt, und nacha muaß's ganz oafach geh . . . Und d' Muatta hat mir aa net g'holfen.«

»Michi, schau, da muaßt koan Vadruß hamm über dös. Was hätt dei Muatta toa soll'n? Sie werd si denkt hamm, wann's am End Gott's Willen is, daß du bei da Schtudi zu was kimmst, nacha is dei Glück. De Eltern derfen net grad frag'n, was a Kind mag oder net mag . . .«

»Aber was oans ko, sollen s' frag'n,« sagte Michel.

»Dös sell freili. Und dei Vata hätt an Pfarra glaab'n soll'n. Er hat eahm glei abg'redt. Ja, mei Bua, was werd dös no all's wer'n?«

»Dös will i dir scho sag'n, Lonimuatta. I geh in dem Herbst nimma aufs Gymnasium z'ruck. De Professa hamm's aa g'sagt, daß dös koan Wert net hat . . .«

»Und nacha?«

»Ja . . . no . . . da denk i hin und her. Wann da Vata anderst waar, und wann er si net a so ei'spreiz'n tat, nacha hab i mir scho denkt, ob i net in de landwirtschaftliche Schul auf Weihenstephan geh soll . . .«

»Kost dös viel Geld?«

»Kost'n werd's freili was, aber net so viel, als wann i ins Gymnasium z'ruck gang, weil i ja darnach no lang net firti waar.«

»Und da gang's am End no guat naus, Michi?«

»Freili, i kannt amal a guate Stell kriag'n, als Verwalter, und auf a größers Guat kemma. Aber werst sehg'n, mit'n Vata laßt si über dös net red'n.«

»Mit eahm wohl net, aba Bua, sieghst, wenn dös net so lang dauert und net gar soviel Geld kost, nacha hilf dir i dazua.«

»Du . . . Lonimuatta?«

»Ja. A bissel was hab i, und dös soll dei g'hören.«

»Na . . . dös muaßt du selm g'halt'n.«

»I? I wer bald nix mehr b'halt'n kinna.«

»Geh, an dös muaßt it denk'n.«

»Warum net? I hab koa Zeit nimma, daß i's nausschiab, und i hab nix mehr anderst zum denk'n als wia dös.«

»Warum sollt'st du nimma g'sund wer'n?«

»Weil's gar is, Bua. Dös kenn i guat, und mir is ganz recht a so. Da tat mi ja unser Herrgott strafa, wenn i als a Kranker umanand hocka müaßt. Über dös red'n mir nix mehr. I mach die Sach, und nacha werst du a richtiger Mensch. Gel?«

Die Alte suchte seine Hand. Er gab sie ihr und saß lange schweigend neben ihr.

»Koa Sünd werd's wohl it sei, daß du auf de Weis von der geischtlingen Schtudi wegkimmst?«

»Na, i hätt nia ferti g'macht; dös braucht dir koa Kümmernis net sei.«

»Und i denk mir,« sagte die Alte mehr zu sich selber als zum Michel, »wann ma so was net gern werd, soll ma's ja it wer'n. Aba jetzt gehst ummi zu deine Leut, Michi. I muaß a weng rast'n, und sagst da Muatta, vielleicht schaugt s' spater no amal her, vor s' ins Bett geht . . .«

Michel ging, und als er die Türe sachte hinter sich zuzog, sah er, daß die Alte ihre müden Augen auf ihn gerichtet hielt und ihm zulächelte.


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