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I. Die Allegorien der Franziskaner-Gelübde und der Triumph des heiligen Franz

Über dem Grabe des Heiligen in der Unterkirche zu S. Francesco hat Giotto an den vier Feldern des Kreuzgewölbes die drei Gelübde des Ordens: die Armut, den Gehorsam, die Keuschheit, sowie die Glorie des Franziskus dargestellt. Jedes Bild ist von einem mit Laubwerk geschmückten Rahmen umgeben, in dem viereckige Medaillons mit Brustbildern von Engeln sich befinden.

1. Die Armut

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63. Die Kirche S. Francesco in Assisi. Südansicht.

Das Bild stellt die Verlobung des Franziskus mit der Armut dar. (Abb. S. 326.) In der Mitte auf felsigem Boden steht in Dornengestrüpp die hagere, mit einem zerfetzten und geflickten, von einem Stricke gegürteten Gewande bekleidete Figur der heiligen Armut. Über ihr blühen Rosen und Lilien. Kraftlos, wie gebrochen hängen ihre Flügel herab, das ernste Gesicht mit den ältlichen Zügen trägt die Spuren von Leiden und Entsagung. Mit ruhigem, aber scheuem Blick schaut sie auf Franz, der, freundlich und liebevoll ihr begegnend, links herantritt und ihr an den vierten Finger der rechten Hand den Ring ansteckt. In der Mitte zwischen Beiden, etwas dahinter, steht Christus, der in Sinnen verloren den Arm der Braut dem Freunde zuführt. Rechts von ihr stehen zwei Frauen, die vordere einen Kranz und drei Flammen im Haar, in der Rechten ein Herz haltend: ›die Karitas‹, die hintere, die eine Handbewegung macht, als hätte sie eben der Armut den Ring gegeben, den diese in der Linken hält: ›die Spes‹. Eine gedrängte Schar von großen Engeln wartet hinter Franz und den Tugenden, ernst und aufmerksam den Vorgang betrachtend. In der Mitte unten bellt ein Hund die Armut an, ein Knabe holt mit der Rechten aus, sie mit einem Steine zu werfen. Ein anderer schlägt mit einem Stabe nach ihr. Im Vordergrunde links faßt ein Engel einen Jüngling am Arme, der eben einem greisen Bettler seinen Mantel schenkt, und weist ihn auf den feierlichen Vorgang hin. Entsprechend sucht ein anderer Engel rechts einen vornehmen Mann, der einen Falken auf der Hand trägt, zu bewegen, an dem Vorbild des Franz sich ein Beispiel zu nehmen, doch vergebens, denn er macht eine verächtliche Handbewegung. Auch seine zwei Gefährten zeigen sich ungerührt. Der eine, im Begriffe fortzugehen, schaut scheu zurück und umschließt ängstlich mit beiden Händen seinen Geldbeutel, der andere dahinter, ein Mönch, scheint ihn mit scheelen Blicken anzusehen und faßt sich mit einer krampfhaften Bewegung an die Brust. – In der Höhe aber über der Mittelgruppe fliegen zwei Engel gen oben. Der links trägt ein Gewand und einen Beutel, der rechts das Modell eines turmartigen Gebäudes mit einem Garten. Die Hände Gottes langen von oben herab, die Gaben in Empfang zu nehmen.

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64. Die Kirche S. Francesco in Assisi. Südansicht, vom Kreuzgang gesehen.

Im Rahmen unterhalb des Bildes sind folgende Verse eines Hymnus undeutlich, zum Teil zerstört zu lesen:

– – – sic contemnitur
dum spernit mundi gaudia
veste vili contegitur
Querit celi solatia
– – tur duris sentibus
mundi carens divitiis
rosis plena virentibus
– – – – – – –

– – – – – ant
celestis spes et caritas
et angeli coadjuvant
ut placeat necessitas
hanc sponsam Christus tribuit
Francisco ut custodiat
nam omnis eam re (spuit)
– – – – – – – Es glückte mir, diese bis jetzt nicht beachteten Inschriften wenigstens teilweise zu entziffern, mit Hilfe jener alten Manuskriptbeschreibung im Archive, die sie ihrerseits schon unvollkommen und fehlerhaft wiedergibt..

Über die eigentliche Bedeutung des allegorischen Vorganges können wir keinen Augenblick im Zweifel sein, hätten wir selbst nicht die feierlichen Strophen Dantes erhalten, in denen er die Entsagung des Franz und seine Verachtung aller irdischen Güter feiert:

Denn mit dem Vater stritt er, jung an Jahren
Für eine Frau, vor der der Freuden Tor
Die Menschen fest, wie vor dem Tod verwahren.
Bis vor dem geistlichen Gericht und vor
Dem Vater sie zur Gattin er sich wählte,
Und täglich lieber hielt, was er beschwor.
Sie, des beraubt, der sich ihr erst vermählte,
Blieb ganz verschmäht, mehr als elfhundert Jahr,
Da bis zu diesem ihr der Freier fehlte.
Obgleich durch sie Amiklas in Gefahr
So sicher ruht, als dessen Stimm' erklungen,
Des Mächt'gen, der der Erd' ein Schrecken war;
Obgleich sie standhaft, kühn und unbezwungen,
Als selbst Maria unten blieb, sich dort
An Christi Kreuz zu ihm emporgeschwungen.
Allein nicht mehr in Rätseln red' ich fort:
Franziskus und die Armut sieh in ihnen,
Die dir geschildert hat mein breites Wort.
Der Gatten Eintracht, ihre frohen Mienen
Und Lieb' und Wunder und der süße Blick
Erweckten heil'gen Sinn, wo sie erschienen Paradies XI, Ges. 58-84. Übers. Streckfuß..

Wer diese Verse liest, möchte wohl mit Schnaase geneigt sein, in ihnen das Vorbild zu sehen, an das sich Giotto gehalten. Indessen hat Dobbert mit Recht darauf hingewiesen, daß das Bild von der ›Vermählung der Armut mit Franz‹ schon lange vor Dante eine weite Verbreitung gehabt habe, daß die Verse, wie das Fresko, voneinander unabhängig auf eine dem ganzen Orden geläufige Vorstellung zurückgehen dürften Schnaase: Gesch. d. K. VII, S. 37. – Dobbert: Giotto. Dohme: K. u. K. III, S. 10 ff. – Auch Woltmann-Woermann: Gesch. d. M. I, S. 430.. Ob diese durch Franz selbst begründet worden ist, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen. Indessen ist es sehr möglich! Jene von Franz vor Innocenz III. erzählte Parabel von dem armen Weibe, das, in der Wüste lebend, ihre Kinder dem königlichen Gatten zuschickt, der sie freudig aufnimmt, hat Hase in Übereinstimmung mit einer Erklärung in den Schriften des Franz so gedeutet: die arme Frau sei die Armut selbst, der König Christus, und unter den Söhnen seien die Apostel, Anachoreten und Mönche zu verstehen. Das ist wohl sehr einleuchtend, mag auch jene Erklärung ganz zweifellos, wie mir scheint, mit Unrecht dem Franz selbst zugeschrieben werden, da doch Thomas von Celano in der II. Legende und die ›tres socii‹ noch in der armen Frau den Franziskus selbst, in den Söhnen die fratres minores sehen Hase, F. v. A. S. 39. – Francisci opera S. 84. – Th. II, Leg. I, 11, S. 30. – T. s. cap. IV, S. 736. – Bon. Cap. III, S. 749.. Auch das bleibt zweifelhaft, ob das Gebet zur Erlangung der Armut, das in den Opera sich befindet, von Franz selbst ist. Es beginnt: »Die Armut ist die Königin aller. Mein frommer Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner und der Herrin Armut; denn auch ich werde von Liebe zu ihr gequält und kann ohne sie keine Ruhe finden. Mein Herr, du weißt es, der du mich in sie hast verlieben lassen. Aber sie sitzt in Traurigkeit, von allen vertrieben, ›die Herrin der Völker ist gleichsam zur Witwe geworden‹; niedrig und verächtlich, sie, die doch die Königin aller Tugenden; auf einem Misthaufen sitzt sie und klagt, daß alle ihre Freunde sie verachtet haben und zu Feinden geworden sind; und sie zeigen so, daß sie selbst schon lange Ehebrecher geworden, nicht Gatten mehr sind Opera. P. I. Oratio de obtinenda paupertate.

Das Bild von der Vermählung selbst läßt sich mit Bestimmtheit zuerst in der II. Legende des Thomas nachweisen, in der es heißt: »Sie, die Vertraute des Sohnes Gottes, die schon lange von dem ganzen Erdkreise vertrieben, sucht er und trachtet danach, sich ihr in unwandelbarer Liebe zu verloben. So ward er zum Liebhaber ihrer Gestalt und verließ nicht allein Vater und Mutter, daß er inniger an ihr hänge und sie beide eines wären im Geiste, sondern ließ auch alles ihm Eigene fahren. Dann umfängt er sie in keuscher Umarmung und duldet es selbst nicht eine Stunde, nicht ihr treuer Gatte zu sein II, 1, S. 90. Danach Bon. cap. VII, S. 760. – Auch sonst öfters, z. B. III, 16. S. 112..« Bonaventura nimmt diese Schilderung auf, und bald nachher findet sie einen Widerhall in Jacopones Liedern. In dem einen derselben: ›San Francesco sia laudato‹, begegnen sich Franz und die Armut im Walde:

Als er in einen Wald getreten, nähert sich ihm plötzlich die Armut, in Gestalt eines ehrbaren Weibes, mit verklärtem Körper. Ruhelos erscheint sie ihm, wie eine verschmähte Frau, einsam und ermüdet ging sie, denn sie war schon viel gewandert. Als sie ihn erblickt, tritt sie an seine Seite, aber Franz zieht sich zurück und klagt sich selbst der Sünde an, daß man ihn so allein getroffen habe. Denn er glaubte, als sie sich auf ihn zu bewegte, sie sei ein Weib, und erschrak heftig vor Scham bei dem Gedanken, sie suche ihn auf. Dann grüßte er sie: »Göttliches Feuer vom heiligen Geiste entflammt möge dich brennen!« Sie erwidert: »Bruder, freundlich klingt dein Gruß. Sag' aus welchem Grunde du so allein gehst?« Und er: »Armut zu suchen bin ich ausgegangen, denn den Reichtum habe ich von mir geworfen. Nun will ich so lange gehen und sie rufen, bis ich ihr begegne.« Es folgt nun ein Zwiegespräch, in dem die Armut sich zu erkennen gibt. Franz preist die glückliche Stunde, sie aber ermahnt ihn, nicht zu früh zu frohlocken, denn trotzdem, daß sie mager und müde, sei sie doch schwer zu tragen. Aber seinem Drängen vermag sie nicht zu widerstehen und sie verlangt endlich, daß er sie zur Frau nehme. Mit ihr aber müsse er sich auch ihrer sieben Schwestern annehmen. Das sind die Caritas, der Gehorsam, die Demut, die Enthaltsamkeit, die Keuschheit, die Geduld, endlich die Hoffnung, die ihre ›Cameriera und Messagiera‹ sei. Als Franz es freudig verspricht, fordert sie ihn auf, in beständiger Eintracht mit ihr zu leben, und verheißt ihm endlich, daß er in ihrer und der Tugenden Gesellschaft zu Christo gelangen werde III, 24. Ode..

Lebhafter als Dantes Verse gemahnt diese Schilderung an Giottos Bild. Von den sieben Begleiterinnen sind wenigstens zwei: die Caritas und ›die Dienerin und Botin‹ Hoffnung erschienen. Dazu aber hat sich die Schar der Engel gesellt. Der tiefe Sinn, der darin liegt, daß gerade die Liebe und die Hoffnung als tröstende Freundinnen der Armut beistehen, wird niemand entgehen. Auch der Haß der Welt ist in dem kläffenden Hunde und den erbitterten Knaben sehr verständlich angedeutet. Nur über die Erklärung der beiden Gruppen im Vordergrunde ist man nicht ganz einig – daß links an dem Beispiele des Almosen gebenden Jünglings gezeigt wird, wie man die Forderungen der Armut vollbringt, rechts im Gegensatze dazu an den drei Männern, was davon abhält, erscheint zwar klar, aber die letzteren hat man verschieden aufgefaßt. Es scheint mir im höchsten Grade wahrscheinlich, daß in ihnen die drei Laster: Geiz, Neid und Hochmut, die Dante wiederholt als eng zusammengehörig in einem Atem nennt, gekennzeichnet sind Vgl. z. B. Inferno VI, 74 und XV, 68.. Durch den Falken und die verächtliche Handbewegung ist der erste als ›superbus‹ deutlich charakterisiert, der zweite als ›avarus‹ durch die sorgsam ängstliche Art, mit der er den Beutel hält, der dritte durch die krampfhafte Handbewegung, die recht drastisch das würgende Gefühl im Herzen ausdrückt, als ›invidiosus‹. Daß gerade der Neidische in Mönchskutte erscheint, ist sehr bezeichnend und höchst absichtsvoll, da ja der arme Mönch der Gefahr dieses Lasters besonders ausgesetzt war So kann ich Lübke und Dobbert durchaus nicht beistimmen, wenn sie in der Figur einen zur Milde ermahnenden Mönch sehen. Die Hand weist nicht hin, sondern packt die Brust..

In den Gaben, welche die Engel gen Himmel tragen, sind wohl nur allgemein die irdischen Güter der Kleidung, des Geldes, der Wohnung zu sehen, deren sich der Verlobte der Armut entäußert. Man könnte sie ja unschwer auch auf Franz selbst deuten, keinesfalls aber als Stiftung jener weltlich gesinnten Leute unten, wie Woltmann will Gesch. d. Mal. I, S. 431. – Das Gebäude ist offenbar kein Kloster, sondern der Palast eines Vornehmen, also auch nicht wie Cristofani: St. d. Ass., I, S. 200 will, das Symbol der ›vita contemplativa‹..

Die großartige Einfachheit der Komposition, die Sicherheit und Schärfe der Charakteristik und die tief innerliche Empfindung weisen diesem Werke Giottos den ersten Platz unter den allegorischen Darstellungen des 14. Jahrhunderts an. Im Gegensatze zu den anderen Allegorien der Gelübde wirkt es unmittelbar verständlich und ergreifend. Der Grund dafür ist hauptsächlich darin zu suchen, daß die Armut nicht, wie die Keuschheit und der Gehorsam, eine geistige Eigenschaft, sondern ein äußerlich sich geltend machender Lebensumstand ist. Ein tugendhafter Mensch unterscheidet sich im Äußeren nicht von einem lasterhaften: den Armen erkennt man sofort an der dürftigen Kleidung und dem kümmerlichen Aussehen. So stellt die Allegorie der Armut nur den Armen selbst dar, den einzelnen Repräsentanten an Stelle des Begriffes, während Allegorien der Tugenden, von deren menschlichen Trägern getrennt, symbolisch ihre Eigenart kennzeichnender Attribute bedürfen, welche, mehr oder weniger willkürlich erfunden, den Beschauer auf Kosten der freien künstlerischen Empfindung zu grübeln zwingen. Die Armut als ein von außen an den Menschen herantretender Umstand läßt sich aber andrerseits in Gedanken unschwer von dem Individuum trennen. Dieses tritt zu ihr gleichsam in ein objektives Verhältnis, während die Tugend als subjektive Eigenschaft von ihrem Besitzer nicht zu trennen ist. Wo diese vereinzelt als Zustand dargestellt wird, vertritt sie den Besitzer selbst und erhält, vorausgesetzt, daß eine Zeit sich über die Art ihrer Symbolisierung einig ist, die künstlerische Berechtigung. Wo immer sie aber handelnd dargestellt wird, tritt der Widerspruch, der darin liegt, daß eine subjektive Eigenschaft in ein objektives Verhältnis zu ihrem Träger gerät, zutage. Die Allegorien der Keuschheit und des Gehorsams, die wir betrachten werden, sind künstlerische Unmöglichkeiten und lassen daher den Beschauer kalt, wenn sie ihn nicht gar abstoßen, die Allegorie der Armut aber ist künstlerisch denkbar und wirkt ergreifend. Denn nähme man selbst der Armut den Heiligenschein, ließe man Christus und die Engel weg, d. h. vernichtete man selbst die Elemente, welche die Illusion der Allegorie hervorbringen, so bliebe immer eine künstlerisch wirksame Handlung, die an das Gefühl des Beschauers appellierte. Wer, ohne etwas davon zu wissen, daß hier die Armut dargestellt sei, der sich Franz verlobt, vor das Bild träte, würde durch den Anblick des rührend merkwürdigen Schauspieles, welches die Verlobung eines Jünglings mit einer armen, elenden Frau bietet, bewegt werden. Ganz von selbst würde er dazu kommen, der Szene einen tieferen Sinn unterzulegen, durch die künstlerische Empfindung hindurch erst zu dem geheimen geistigen Gehalte dringen. Vor den andern Allegorien aber bleibt die künstlerische Empfindung ganz aus und stellt sich sogleich die Reflexion ein. Und durch die Reflexion ist man noch nie zu künstlerischer Empfindung durchgedrungen.

Aus dem Gesagten ergibt sich leicht, warum die italienische Kunst nach Giotto die Vermählung des Franz mit der Armut öfters, die Allegorien des Gehorsams und der Keuschheit nur ganz selten und dann nur als Einzelfiguren behandelt hat. Zunächst hat Giotto selbst an dem Gewölbe der Capella Bardi in S. Croce die Brustbilder der Frauen dargestellt. Da sieht man die Armut in zerrissenem Gewande, geflügelt, vor einem Dornstrauch mit Rosen, wie sie, einen Stab in der Hand, vor einem rechts bellenden Hundekopf zu entweichen scheint. – Ähnlich mag das jetzt zerstörte Medaillon, das in einem der Gewölbezwickel des Chores von San Francesco zu Pisa von Taddeo Gaddi gemalt war, gewesen sein. – Das Tafelbild in der von Giovanni da Milano ausgemalten Kapelle Rinuccini in S. Croce zeigt unter den Heiligen zu Seiten der Madonna auch Franz, dem die kleine Figur der Armut fliegend den Ring ansteckt. – Über dem Heiligen fliegt letztere auf dem Robbiarelief in S. Girolamo fuori bei Volterra Vasari II, S. 197. Kommentar. – Abb. Plon: St. François. S. 162. Pl. XIV.. – Die Handlung der Verlobung selbst, aber vielleicht so wie bei Giovanni da Milano, ist von Lorenzo di Bicci über der Türe des Klosters S. Onofrio di Fuligno gemalt worden Vasari II, S. 52.. – Von der Hand eines Schülers des Fra Filippo sehen wir sie auf einem kleinen Bildchen der Münchner Pinakothek dargestellt Früher Pollajuolo genannt. Crowe: Art des Matteo da Gualdo.. Da hält Franz nach rechts gewandt stehend mit der Linken die Hand der mit weißem Hemde, zerrissenem grauem Rocke und weißem Kopftuche bekleideten alten Frau Armut und steckt ihr den Ring an. – Ebenso einfach ist die Szene auf einer trefflichen, aber mit Unrecht dem Pollajuolo zugeschriebenen Handzeichnung der Sammlung Malcolm in London dargestellt Weißgehöhte Bisterzeichnung. Descriptive catalogue von Robinson 1876. S. 6. N. 10.. – Endlich ist ein dem Nelli verwandtes Bildchen in dem Christlichen Museum des Vatikans zu erwähnen, das die Begegnung des Franz mit den drei Frauen darstellt und weiter unten noch erwähnt wird.

Höchst interessant wird es immer bleiben, daß derselbe Giotto, der als Künstler ein so herrliches Zeugnis seines dramatischen Talentes in der Allegorie der Armut hinterlassen, als Mensch sich gegen die Verherrlichung dieser Franziskanertugend erhoben hat. Sein praktischer Verstand wehrte sich, die Anschauungen des Franziskanertums, für das er doch fast sein ganzes Leben lang tätig gewesen, als allgemein gültige anzuerkennen. In einem langen Gedichte, das beginnt: ›molti son quei che lodan povertade‹, bekämpft er den Kultus der Armut Zuerst von Rumohr: Ital. Forschungen II, S. 51 publiziert, dann von Rosini in der Storia della Pittura, I. Bd. – Prucchi: Raccolta di poesie, II. Bd. – Vasari (Milanesi) I, 426. – Übersetzung in meinem »Giotto«.. Unfreiwillige Armut führe nur zu Trug, Lug und Sittenlosigkeit, die freiwillige vertrage sich nicht mit feiner Sitte und Bildung. Wenn der Herr selbst sie empfohlen, so sei mehr auf den tiefen Sinn als auf den Wortlaut seiner Rede zu geben. Was für ihn und sein Werk notwendig und heilsam gewesen, sei es darum noch nicht für seine unvollkommenen Nachfolger. Unter dem heuchlerischen Scheine der Armut verberge sich, wie die Erfahrung lehre, nur Habsucht. Mit noch größerer Erbitterung wendet sich ein andrer Canzone, der früher irrtümlich dem Guido Cavalcanti zugeschrieben wurde, nach Demattios Vermutung aber zwei Jahrhunderte später anzusetzen wäre, wovon ich nicht überzeugt bin, gegen die mit Unrecht so genannte ›Tugend‹ Publ.: Poeti del primo secolo. Florenz 1816. II. Bd. S. 300. – Rime di Cavalcanti. Florenz 1813, S. 42. – Vgl. Arnone: Le rime di Guido C. Florenz. Sansoni 1881. – Demattio: Le lettere in Italia. – Ein anderes Gedicht über die Armut von Monte Andrea in den Poeti del primo secolo II, 35, von Pucci in den Rime di Cino, S. 465. Vgl. d'Ancona: Studii sulla letteratura Ital., S. 1 ff., der auch noch ein unediertes, in der Laurentiana befindliches anführt.. Sie sei schlimmer selbst als der Tod und raube, was höher als das Leben, den Ruhm. Der Arme, sei er so großherzig und edel wie er wolle, werde doch verächtlich behandelt. Jegliches Laster sei die Folge der Besitzlosigkeit, nur Heuchler vermöchten sie zu loben. Christus war nicht arm, sondern unermeßlich reich, da ihm alles zu Gebote stand. – Solche leidenschaftliche Lieder klingen wie die Erwiderung feingebildeter weltlicher Männer auf die jubelnden Ergüsse eines Jacopone. In einem reizenden Gesange: ›o amor di povertade‹, erzählt dieser, wie die Armut in zweierlei Gestalt, als äußere und innere, an der Wiege Christi gestanden, wie Jesus eine solche Liebe zu ihr gefaßt, daß er bis zu seinem Kreuzestode sich nimmer mehr von ihr getrennt. Wie sie dann verlassen durch die Welt gewandert sei und um Aufnahme bei den Prälaten, Mönchen, Eremiten, Nonnen gefleht habe, aber überall zurückgewiesen worden sei, bis Franziskus sich ihr verlobt III C. 9. Übersetzung: Schlüter und Storck, S. 48 f.. Derart gestaltete Jacopone nur eine ganz allgemeine Franziskaneranschauung dichterisch, die zuerst bei Bonaventura in der vita S. Francisci und in den Meditationes auftaucht, dann bei den ›tres socii‹ wiederkehrt: die allegorische Verbildlichung der Armut Christi. Die Armut dient Jesus schon, als er noch im Mutterleibe verborgen; als er geboren, nimmt sie ihn in der Krippe auf, begleitet ihn auf allen seinen Wegen und schwingt sich, als selbst Maria unten stehenbleibt, als treueste Freundin zu ihm am Kreuzesstamme auf, daß er in ihren Armen nackt und arm aus dem Leben gehe T. socii, cap. II, S. 730. – Franz Op.: Oratio pro obtinenda paupertate. – Bon. VII, S. 760. – Meditationes: Passim. – Ausführlich später bei B. Pisanus: Liber Conformitatum II B. IV fr. S. 152. – Das »Sacrum commercium beati francisci cum domina Paupertate«, welches dem Giovanni da Parma zugeschrieben wird, enthält die Wanderung des Franz und seiner ersten Schüler zur Armut auf einem Berge und bringt – nicht die volkstümliche Vermählung – sondern eine ausführliche Darlegung der Gebote der Armut für den Orden in Wechselreden zwischen Franz und der Povertà. Die alte italienische Übersetzung wurde 1848 von Enrico Bindi und Pietro Fanfani, neuerdings 1901 (Florenz) von Salvatore Minocchi publiziert: »Le mistiche nozze di S. f. e madonna Povertà.«.

Mehr noch aber als dieses Lied des Jacopone mag ein anderes jene Florentiner zum Widerspruche gereizt haben, das ich nach Schlüters Übersetzung hier ganz hersetzen möchte, um einen deutlicheren Begriff von jener Stimmung, aus der die Allegorie der Armut hervorgegangen, zu geben II B. 4. Schlüter und Storck, S. 209..

Inn'ge Sehnsucht nach der Armut,
Dir sei unser Herz geweiht.

Armut stille geht und leise,
Schwester Demut, deine Gleise;
Dir genügt zu Trank und Speise
Nur ein Näpfchen alle Zeit.

Armut wünscht sich dies, nichts weiter,
Wasser nur und Brot und Kräuter;
Kommt ein Gast ihr, hält sie heiter
Noch ein Körnchen Salz bereit.

Armut geht auf sichern Steigen,
Weil nicht Haß und Groll ihr eigen,
Bangt nicht, wenn sich Räuber zeigen,
Da sie nichts zu rauben beut.

Armut klopfet an die Türen,
Ohne Korb und Sack zu führen,
Denn sie will als Gab' erküren
Speise nur und Trank für heut.

Armut hat nicht Dach noch Hütte,
Wo sie sich ein Lager schütte,
Keinen Tisch in Hauses Mitte
Hat sie, noch ein Oberkleid.

Armut darf in Frieden sterben
Ohne Testament und Erben,
Sieht Verwandte nicht entfärben
Beim Vermächtnis sich im Streit.

Armut, wonnigliches Trachten,
Darf die ganze Welt verachten;
Nicht nach ihrem Gute schmachten
Wird ein Erb' in Lüsternheit.

Armut, liebe, holde Kleine,
Bist der Himmelssassen eine,
Von den ird'schen Sachen keine
Senkt ins Herz dir Wunsch und Neid.

Armut, die mit trüben Sinnen
Geht, um Güter zu gewinnen,
Kann der Trübsal nie entrinnen,
Nimmer finden Trost im Leid.

Armut hebt zu höchsten Siegen,
Führt ein Leben voll Vergnügen,
Ihr zu Füßen sieht sie liegen,
Was sie der Verachtung weiht.

Armut trägt nicht Müh' und Sorgen
Um Gewinnen und um Borgen,
Spendet mild, und nie auf morgen
Denkt sie, noch auf Abendzeit.

Armut wallt mit leichtem Gange,
Lebt vergnügt in niederm Range,
Um die Heimat nimmer bange,
Geht sie von Gepäck befreit.

Armut, die der Falschheit ferne,
Tut das Gut' und tut es gerne
Und erhofft jenseits der Sterne
Einen Platz der Seligkeit.

Armut, Königin an Stande,
Hältst in Herrschaft du die Lande,
Alles legst du dir in Bande,
Dem Verachtung du geweiht.

Armut, hoher Weisheit Kunde,
Dir wird stets Verlust zum Funde,
Bannst den Willen du zugrunde,
Steigt er frei in Herrlichkeit.

Armut, wer dir ganz ergeben,
Dem gehört das ew'ge Leben,
Ihn will Christus einst erheben,
Der jedwede Täuschung scheut.

Armut, du bist so vollkommen
Und zu solcher Höh' gekommen,
Daß du schon Besitz genommen
Von der ew'gen Seligkeit.

Armut mit der Anmut Zügen,
Immer reich und voll Vergnügen,
Wer darf als unwürdig rügen
Liebe, die sich dir geweiht.

Armut, innig dein begehret,
Wessen Herz dich liebt und ehret,
Quelle du, die nie geleeret,
Reichlich fließt für alle Zeit.

Armut gehet und befehdigt
Eitlen Reichtum stets und predigt,
Daß man seiner sich entledigt,
Da ja nichts ihm Dauer leiht.

Armut lacht der Erdenschätze
Und der hohen Ehrenplätze,
Wo sind, spricht sie, eure Schätze,
Mächt'ge der Vergangenheit?

Armut, wer dich hält umschlossen,
Läßt die Welt und ihre Possen
Und bestrebt sich unverdrossen,
Daß Verachtung ihm sich beut.

Armut ist es, gar nichts haben,
Erdengüter nicht, noch Gaben,
Nicht an eignem Wert sich laben,
Teilen Christi Herrlichkeit.

2. Die Keuschheit

Die Mitte auf Giottos Fresko (Abb. S. 443) nimmt ein von Mauern mit Ecktürmen umschlossener hoher, zinnengekrönter Turm ein, auf dem über einem Glockengestell eine weiße Fahne weht. In einem Fenster gewahrt man die betend nach links gewandte, nur als Brustbild sichtbare Frau Keuschheit (S. Castitas), deren Kopf mit einem weißen Tuche bedeckt ist. Zwei Engel, der eine eine Krone, der andere eine Palme bringend, schweben zu ihr heran. Außerhalb der Festung sieht man im ganzen sieben geflügelte graubärtige Krieger, die, gewappnet, in der einen Hand den Schild, in der andern eine Geißel, als trutzige Wächter dastehen. In der Mitte vorn hält ein Engel einen nackten Jüngling in einem Marmorbassin. Ein zweiter Engel gießt Wasser über sein Haupt, und zwei andere warten mehr rechts, eine Mönchskutte bereithaltend. Aus dem Innern der Festung aber reichen zwei Frauen dem Jüngling, die eine, die Reinheit (S. Munditia), eine weiße Fahne, die andere mit einem Helm auf dem Kopf, die Tapferkeit (S. Fortitudo), einen Schild. Links in der Ecke gibt Franziskus einem zwischen einem alten Laien und einer Frau heraufschreitenden Mönche die Hand. Von zwei hinter ihm stehenden Engeln hält der eine den Ankommenden ein Kreuz entgegen. In der rechten Ecke kämpfen drei Engel mit den Waffen Christi: einem Speer, Gefäß, Kreuz und Nägeln gegen Dämonen, die den Berg hinabflüchten. Eine geflügelte Person in Mönchskutte, die Buße (penitentia), unterstützt sie und richtet den Dreizack gegen die Sinnenliebe (amor). Diese ist als Jüngling mit Flügeln und Krallenfüßen dargestellt, hat eine Binde um die Augen, einen Rosenkranz im Haar und eine Schnur, an der Herzen hängen, sowie einen Köcher um den Leib gebunden. Eine teuflische Figur hinter ihr wird von dem als Gerippe dargestellten Tod mit der Sichel in der Hand verjagt, eine dritte, die ›immunditia‹ mit Schweinskopf, ist hingestürzt. Der Sinn des Ganzen ist klar, das Gleichnis aber im einzelnen logisch zu erklären, fällt schwer. Auch die teilweise sehr verstümmelte Inschrift gibt keinen wesentlichen Anhalt. Von den fünf Strophen des Hymnus sind die ersten beiden unklar:

– – – – –
et castitati oranti
victoria coron(aque)
datur caritatem.

hanc querens se astringere
honestatem secreto
loco datur pertinere
si fortitudo protegit So (offenbar sehr falsch) nach der alten Manuskriptbeschreibung. – Die drei folgenden Strophen konnte ich nach der Inschrift selbst korrigieren..

dum castitas protegitur
per virtuosa munera
nam contra hostes tegitur
per passi Christi vulnera

defendit penitentia
castigando se crebrius
mortis reminiscentia
dum mentem pulsat sepius

fratres sorores advocat
incontinentes conjuges
cunctos ad eam provocat
Franciscus.

Die Unklarheit dieser Allegorie entspringt offenbar aus dem Mangel an Logik, den schon das Programm, dem Giotto zu folgen hatte, aufwies. Selbst eine einheitliche Handlung würde vermutlich aus den oben angegebenen Gründen einen befriedigenden künstlerischen Eindruck nicht hervorgebracht haben. So aber, da eine doppelte Handlung, nämlich der Kampf gegen die Laster und die Aufnahme in den Orden nebeneinander gestellt sind, gerät der denkende Betrachter in völlige Verwirrung. Immerhin, wenn auch nicht logisch, läßt sich der Gedankengang des Gleichnisses leidlich klar verfolgen. Der Verfasser desselben denkt sich eine Festung der Keuschheit. Diese Festung, und darin liegt schon eine große Unbestimmtheit, ist nicht symbolisch für den Leib des einzelnen keuschen Menschen oder etwa für den Franziskanerorden genommen, sondern scheint ganz allgemein der Aufenthaltsort der Keuschen zu sein. Seine Herrin, man könnte auch denken, seine Wächterin, ist die Keuschheit; die unreinen Begierden suchen sich der Festung zu bemächtigen, werden aber von der Buße, dem Gedanken an den Tod und dem durch die Waffen Christi angedeuteten Glauben vertrieben. Die Keuschheit als Siegerin erhält den Palmzweig und die Krone. Da nahen neue Scharen, die unter ihrem Zeichen kämpfen wollen. Es sind die drei Orden des Franz, repräsentiert durch die drei den Berg ersteigenden Leute. Franz selbst, gleichsam der Gesandte und Torhüter der Keuschheit, empfängt sie. Wer aber in ihre Heerscharen aufgenommen sein will, muß eine strenge Disziplin der Buße durchmachen. Schon erwartet ihn einer der ergrauten Krieger, die züchtigende Geißel in der Hand. Dann muß er sich dem Bade der Reinigung unterziehen, einer zweiten Taufe, und erhält von der Reinheit und der Tapferkeit die Fahne der Keuschheit und den Schild, an Stelle der Rüstung die Kutte. So wird er ein Streiter gegen die feindlichen Mächte der Sinnenlust, aber auch als solcher muß er erneuten Prüfungen sich unterziehen, denn jener andere Krieger verbirgt im Rücken die Geißel. Dies ungefähr der Inhalt der Allegorie, die man nur im allgemeinen bestimmen darf, will man nicht seine Zeit mit unnützem Grübeln vergeuden. Denn schon in den Kriegern die Personifikationen bestimmter Begriffe zu sehen, scheint mir unmöglich Cristofani hält sie für Symbole der ernsten und schweren Gedanken, mit denen sich der Mensch schützen muß, um in Keuschheit zu leben..

Von besonderem Interesse ist in diesem Bilde nur die Idee des Kampfes der Keuschheit mit dem abenteuerlichen, halb antik gedachten, halb dämonischen Amor, der, in der Folgezeit von Petrarca besungen, später mit Hilfe antik-mythologischer Vorstellungen reich und phantastisch geschildert, auch in andern Kunstwerken, wie namentlich Peruginos Bild im Louvre, wiederkehrt Vgl. hierzu meine Ausführungen über Francesco da Barberino in meiner Monographie über Giotto.. Die Allegorie Giottos aber als Ganzes steht vereinzelt da. An der Decke der Kapelle in S. Croce stellte er die Keuschheit im Turme allein dar. Schon Taddeo Gaddi läßt diese Charakterisierung fallen und gibt ihr in S. Francesco zu Pisa eine Lilie und Veilchen in die Hand.

3. Der Gehorsam

In einer gotischen Halle, an deren Hinterwand in der Mitte das Bild des gekreuzigten Christus zu sehen ist, sitzt, in eine Mönchskutte und dunklen Mantel gehüllt, ein Joch auf den Schultern und geflügelt, in der Gestalt einer alten Frau, der Gehorsam (S. Obedientia). (Abb. S. 344.) Mit der Rechten legt sie einem vor ihr knienden Mönche das Joch auf, das dieser mit beiden Händen erfaßt, und berührt, Schweigen gebietend, mit dem Zeigefinger der Linken den Mund. Links neben ihr sitzt die Klugheit (S. Prudentia), eine gekrönte Frau mit doppeltem, einem alten und einem jugendlichen Gesichte. In der Rechten hält sie einen Zirkel, mit der Linken wendet sie dem Mönche einen Spiegel zu. Vor ihr steht eine globusartige Scheibe, wohl ein Astrolabium, unter einem Gehäuse. Ihr entspricht auf der andern Seite die kniende Demut (S. Humilitas), eine mädchenhafte Erscheinung, welche die Augen senkt und in der Rechten eine Kerze trägt. Im Vordergrund der Halle kniet links ein Engel, der einen von zwei knienden Novizen an der Hand hält und auf den Gehorsam hinweist, während rechts ein Engel vergeblich einen Kentauren zu beschwichtigen und zum Gehorsam zu führen sucht. Letzterer, ein Mischgebilde mit menschlichem Oberkörper, den Vorderbeinen eines Pferdes und dem Leibe und Hinterbeinen eines Panthers, bäumt sich mit einer Gebärde des Abscheus zurück. Je eine Schar von knienden Engeln, deren vorderster ein Füllhorn hält, schließt die Komposition links und rechts ab. Über der Halle aber wird der heilige Franziskus, der einen Kreuzesstab hält, von zwei Händen an dem Joche, das mit Stricken an seinen Schultern befestigt ist, in die Höhe gezogen. Neben ihm knien zwei auf ihn weisende Engel, die Schriftrollen halten Auf der einen steht: tollite jugum ........ auf der andern: ... jam ... stum crucem penitentie.. Die Inschrift unter dem Fresko lautet:

virtus obedientie
jugo Christi perficitur
cujus jugo decentie
obediens efficitur
aspectum non mortificat
sed viventis sunt opera
linguam silens clarificat
cordi scrutatur opera
comitatur prudentia
futura quae prospicere
scit simul et presentia
in retro jam deficere
quasi per sexti circulum
agenda cuncta regulat
et per virtutis speculum
obedientie trepidat
se deflectit humilitas
presumptionis nescia
cujus in manu clari(tas)
virtute – – con – –

Der Sinn der Darstellung ergibt sich unschwer. Nur Selbsterkenntnis und Selbsterniedrigung schaffen den wahren Gehorsam, der schweigend sich fügt im Hinblick auf das Vorbild Christi. Dem Gehorsamen wird die Fülle der himmlischen Gnade aus der Hand der Engel zuteil, ja er wird, wie Franz selbst, durch eben den Gehorsam gen Himmel gezogen. Willig, wie die beiden Novizen, wird er dem Engel folgen, nicht übermütig und fleischlich gesinnt, wie der Kentaur, sich sträuben.

Das Bild des Joches, der Bibel selbst entnommen, war, wie aus Stellen von Bonaventuras vita und Aussprüchen des Frater Aegidius hervorgeht, ein zur Charakteristik des Gehorsams allgemein angewandtes Kap. VI, S. 757. – B. Pisanus fr. VIII. – Vergleiche auch das Relief des Gehorsams an der Fassade von S. Bernardino in Perugia.. Auch die Attribute der Tugenden sind die gebräuchlichen, wie denn Giotto selbst die ›Prudentia‹ in Padua in gleicher Weise dargestellt hatte Das Doppelgesicht, der Spiegel bleiben bis auf Raphael die beliebtesten Symbole. Daneben die Schlange.. Eine nähere Erklärung verlangt nur die Figur des Kentauren, die nach Crowe Stolz, Neid und Habsucht, nach Schnaase die rohe Willkür, nach Lübke und Dobbert ungebändigten Trotz, nach Woltmann die Hoffahrt, nach Piper Mythologie der christl. Kunst I, S. 400. den Eigenwillen bezeichnet. Aus einigen Stellen der Reden des Antonius von Padua scheint mir hervorzugehen, daß man den Kentauren in jener Zeit symbolisch für den ›Superbus‹, den Hochmütigen, setzte. Auch den Panther nennt er ein Bild des Superbus, so daß die Verbindung des Kentaurenkörpers mit dem Pantherleibe nicht auffallen kann Opera. Sermones Dominicales. Dom. I. in Quadr. S. 137. Per Centaurum superbus designatur. – Ebendas. dom. XVII, p. Tr. S. 290: pardus huius mundi superbum variis peccatorum maculis respersum significat..

In S. Croce stellt Giotto den Gehorsam als einzelne Figur eines Mönches, der auf den Schultern das Joch trägt, mit der Linken ein Buch hält, mit der Rechten Schweigen gebietet, ganz ähnlich dar, ebenso Taddeo Gaddi in S. Francesco zu Pisa, der daneben gleichfalls als Einzelgestalten die Demut und die Klugheit mit Büchern als Attributen malte. Auf dem erwähnten Bilde in München aber ist als Seitenstück zur ›Verlobung der Armut‹ eine Szene gegeben, in der ein alter Franziskaner einem Neophyten das Joch auflegt.


Eine eigenartige Darstellung der Begegnung des Franz mit den drei Franziskanertugenden, deren hier zum Schlusse Erwähnung geschehen mag, geht auf eine zuerst von Thomas von Celano in der II. Legende, danach von Bonaventura mitgeteilte Erzählung zurück. (Abb. Anhang III, Tafel 7.) Als Franz in seinem letzten Lebensjahre von Reate nach Siena ging, erschienen ihm plötzlich am Wege drei arme Frauen. »Sie waren aber im Wuchs, Alter und Antlitz so ähnlich, daß man hätte glauben können, die drei Gestalten wären aus einer Form gemacht worden. Als der h. Franz herankommt, neigen sie ehrerbietig das Haupt und begrüßen ihn in solch neuer, herrlicher Weise: ›Willkommen, Herrin Armut.‹ Sogleich ward der Heilige von unaussprechlicher Freude erfüllt, wie einer, der keinen Gruß von den Menschen lieber empfing, als den, welchen jene ihm zuerkannt.« Da bittet er den ihn begleitenden Arzt, den Frauen ein Almosen zu reichen. Als sie, ein Stück weitergegangen, sich umdrehen, ist nichts mehr von den Frauen auf der ganzen Ebene zu sehen Th. v. C. II. III, Kap. 37. S. 140.. Bonaventura fügt hinzu, die Frauen seien wohl zu deuten als Armut, Keuschheit und Gehorsam Kap. VII, S. 761.. Als solche symbolisiert erscheinen sie auch auf zwei Bildern, deren eines, wenn nicht von Ottaviano Nelli selbst, doch ihm sehr nahe stehend, im Christlichen Museum des Vatikans (M, 2.) bewahrt wird, das andere in der Sammlung Demidoff sich befand Abb. bei Rosini, Atlas Taf. XXV.. Auf beiden ist dargestellt, wie Franz, hinter dem ein Begleiter steht, der mittelsten der drei Frauen, der Armut, den Ring an den Finger steckt. Die Keuschheit hält eine Lilie oder einen Zweig, der Gehorsam trägt das Joch. Auf dem Bilde im Vatikan kommt oben aus den Wolken eine segnende Hand, auf dem andern sieht man die drei Frauen gen Himmel schweben. Eine spätere Darstellung, wohl von der Hand Andrea Brescianinos, sah ich auf einer Auktion bei Lepke in Berlin am 13. April 1886.

Alle drei Allegorien umgeben fliegend den Heiligen auf dem Robbiarelief in S. Girolamo bei Volterra, vielleicht auch auf einem Bilde Cenninis in Castel Fiorentino, das ich nicht gesehen habe Crowe u. Cav. II, S. 54.. Auch auf einem der von Giotto gemalten Fresken, welche im Kloster gegenüber San Francesco in Rimini die Geschichte der h. Michelina erzählten, waren sie nach Vasari zu sehen, wie sie die Kutte des Franz in der Luft schwebend trugen.

4. Der Triumph des Heiligen Franz

Auf dem vierten Gewölbefresko der Unterkirche in Assisi sieht man auf einem reichen Throne von einer Strahlenglorie umgeben den Ordensstifter im Diakonengewand sitzend, in der Rechten einen Kreuzesstab, in der Linken ein Buch. Über ihm steht ein rotes Banner, auf dem ein Kreuz und sieben Sterne zu sehen sind. Rings um den Sitz ergehen sich in seligem Reigen Engel, andere blasen Posaunen, vier eilen nach vorn heraus mit Lilien in der Hand. (Abb. S. 361.) Die Inschrift lautet:

– – – – – renovat
jam normam Evangelicam
Franciscus cunctis praeparat
viam salutis celicam
paupertatem dum reparat
castitatem angelicam
obediendo comparat
trinitatem deificam
coronatus virtutibus
ascendit regnaturus
his cumulatus fructibus
procedit jam securus
cum angelorum cetibus
et Christi profecturus
formam quam tradit fratribus
sit quisque sequuturus.

.

65. Südportal und Vestibül der Unterkirche S. Francesco in Assisi.

.

66. Die Kirche S. Francesco in Assisi. Westansicht.

Waren schon auf den alten Porträts des Franz von Berlinghieri, denen in S. Maria degli Angeli, S. Croce und Siena Engel über ihm erschienen, so versetzt ihn doch erst Giotto auf den Himmelsthron, der ja nach der Vision eines Bruders ehemals dem Lucifer angehört hatte und ihm aufbewahrt ward I, 393.. Erst jetzt wird er nach Bonaventuras Vorgang als »Fahnenträger Christi« aufgefaßt, der in die Schar der Ewigen aufgenommen ist. Das Kreuz und die sieben Sterne scheinen auf die sieben Kreuzerscheinungen hinzudeuten, die ihm nach Bonaventura und Jacopone zuteil geworden S. oben S. 134. Vgl. B. Pis. lib. conf. III fr. IX, S. 221 v.. »O Franziskus, du Armer, du neuer Patriarch, du trägst ein neues Banner, das mit dem Kreuz bezeichnet.« Einem triumphierenden Feldherrn gleich, gehen ihm Engel mit Lilien voran, Posaunen, Zymbeln und Schalmeien erschallen zu seinem Ruhme. Daneben aber gewahrt man den Engelreigen, der, hier vielleicht mit zum ersten Male dargestellt, der anmutvolle Ausdruck ewiger Seligkeit und ewiger Lust ist. Unwillkürlich erinnert man sich dabei an die reizenden Lieder Jacopones, welche die gläubigen Seelen zum Tanze auffordern Bon. cap. XIII, S. 779. – Jac. III, 23: ›O Francesco poverello‹. Vgl. auch III, 25: ›O Francesco da Dio amato', in dem er als Feldherr im Kampfe gegen den alten Erbfeind gefeiert wird. – Auch Rodulphus nennt dieses Bild den »Triumph« des Franz.:

Ciascuno amante, che ama il Signore
Vegna a la danza, cantando d'Amore.

An jenes andere:

bene morrò d'amore,

und das dritte:

nol mi pensi giamai
di danzar alla danza
ma la tua inamoranza
Jesu lo mi fe fare VI, 43. Übers. Schlüter u. Storck, S. 335. – VI, 37. – VII, 8. Übers. von Schlüter u. Storck, S. 280..

An Giottos Fresko erinnert das Bild im ehemaligen Refektorium von S. Francesco in Pistoja, das irrtümlich dem Capanna zugeschrieben wird. Auch hier thront Franz als Diakon, von Engelscharen umgeben, welche aber hier deutlich in die drei Hierarchien geschieden sind. In der Höhe schweben links und rechts blaue und rote Seraphim, darunter bewegen sich gekränzte Engel im Reigen, auf dem blumigen Boden unten aber knien musizierende Engel.

Eine andere Art der Verherrlichung zeigt Taddeo Gaddis Fresko in Pisa. Hier sitzt Franz zwischen den Allegorien des Glaubens und der Hoffnung, ein Buch auf den Knien, in dem zu lesen: ›tres ordines hic ordinat‹. – Taddeo Bartoli auf einem Bilde der Pinakothek zu Perugia zeigt ihn von Seraphim umgeben mit erhobenen Händen auf drei zu Boden gestürzten Personen stehend. Die eine, ein Mann, läßt den Dolch fallen; die andere ist ein Jüngling in reichem Gewande, eine Kette im Haar, die dritte eine Nonne, neben der ein Geldbeutel liegt Sala di T. Bartoli. N. 5.. Offenbar sollte damit Franz als Sieger über den Unfrieden, die Hoffart und die Habsucht gefeiert werden. – Ähnlich allegorisch ist eine Darstellung des Sassetta Abb. Rosini, Atlas. Jameson: Legends of the monastic orders S. 250., die den Heiligen vor einer Seraphimglorie, von den Allegorien der Ordensgelübde umschwebt, zeigt. Er steht auf einem am Boden liegenden Krieger, vor dem ein Löwe ruht. Daneben sitzt links eine Frau, die den rechten Arm auf ein Schwein stützt, in der Linken einen Spiegel hält, rechts eine andere Frau mit einer Art Druckerpresse und einem Tiere. Mrs. Jameson faßt die so besiegten Feinde als Hochmut, Wollust und Häresie auf.

Eine andere Symbolik verraten das erwähnte Robbiarelief in Volterra und das Fresko aus Domenico Ghirlandajos Schule im Noviziat zu S. Croce. Gleich Christus steht hier Franz auf der Weltkugel, auf dem letzteren überdies von vier Heiligen umgeben und von knienden Novizen verehrt.

Sonstige Kunstwerke zeigen ihn schwebend, wie er die Stigmata weist, oder von Engeln umgeben in den Anblick des Kruzifixus vertieft, wie das Filippino Lippi in London zugeschriebene Gemälde Nat. Gall. 598., oder auch in der Mitte von Heiligen, wie Catenas Gemälde in S. Giovanni e Paolo zu Venedig und Fogolinos Bild im Dom zu Pordenone Auf ersterem zwischen Ludwig und Bonaventura, auf letzterem zwischen Johannes d. T. und Daniel..

Anzureihen wären hier noch die Darstellungen des

 

Franz als Ordensstifter

Die älteste dürfte die vom Padre Angeli erwähnte sein, die sich ehemals über der Tür des Refektoriums in Assisi befand. Hier stand Franz inmitten seiner zwölf Jünger. Wohl im Hintergrunde sah man, wie der Teufel den Judas unter ihnen, den frater Johannes de Capella, erwürgt Collis Paradisi. Tit. XXVIII, S. 38.. Erhalten sind uns nur spätere Werke, so ein Bild in der Art des Filippo Lippi in Berlin, das Franz auf einem Throne zeigt, wie er der h. Chiara und ihren Nonnen in Gegenwart des Bischofs Ludwig und des Stephanus die Regel reicht Gallerie 1131.. Auf dem Robbiarelief in Volterra übergibt er sie dem h. Lucchese und seiner Gattin, auf einem Gemälde des Zingaro in S. Lorenzo zu Neapel den Repräsentanten der beiden Hauptorden. Alle drei Orden sind auf dem Fresko aus der Schule Mantegnas im Chiostro von S. Antonio zu Padua Inschrift aus dem bekannten Hymnus

Tres ordines hic ordinat
primumque fratrum nominat
minorum pauperumque
Fit dominarum medius
sed penitentium tertius
sexum capit utrumque.
und auf einem von Bartsch und Passavant nicht erwähnten Stiche des G. A. da Brescia im British Museum vertreten.


Anhang: Die apokalyptischen Darstellungen. An zwei Stellen bereits ist von der Deutung des Franz auf Michael und den siebenten Engel der Apokalypse die Rede gewesen und auf sie kann hier hingewiesen werden, betrachten wir kurz die Darstellungen der Medaillons an den Diagonalgurten der Gewölbe über dem Hochaltar der Unterkirche zu Assisi. Solche Medaillons befinden sich je 8 an jedem Gurte. Am Schlußsteine ist Gottvater mit Buch und Schlüssel dargestellt (Apok. cap. I, 14. 18). Es folgen, immer die vier sich entsprechenden Medaillons zusammen betrachtet:

I.
1. ödes Erdreich unter goldnem Himmel. Symbolisch bezüglich auf das Erdbeben? Ap. cap. VI, 12. 2. Nicht mehr kenntlich. 3. Ein Sarkophag oder Altar. 4,Das Lamm.

II.
1-4. Die vier Evangelistensymbole. cap. IV.

III.
Die vier Reiter. cap. VI. 1. Auf rotem Pferde, ein Schwert schwingend. 2. Auf weißem Pferde, eine Krone auf dem Haupte mit dem Bogen. 3. Auf schwarzem Pferde, mit einer Waage. 4. Der Tod als Skelett auf grauem Pferde, in der Rechten einen Gegenstand schwingend.

IV.
Vier Engel. Ap. VII, 1. Nicht recht erkennbar. 2. Ein Tuch schwingend. 3. Rufend. 4. Mit offenem Buch (cap. X, v. 8.?).

V.
Vier Engel. Die Bewegung derselben undeutlich. Nur der eine hat ein Szepter und eine Kugel, ein anderer einen Schlüssel.

VI.
Drei posaunenblasende Engel. cap. VIII, 2. Der vierte herausweisend.

VII.
Vier Engel, deren jeder einen zottigen Tierkopf in der Hand hält. Auf cap. XIII bezüglich?

VIII.
Drei posaunenblasende Engel. Der vierte erhebt die Hände.

An den Schmalseiten der Gurte befinden sich gleichfalls je 8 Medaillons, im ganzen also 64. Die acht sich entsprechenden haben immer die gleiche Darstellung.

I.
Geflügelte Leuchter. cap. I, 12. 13.

II.
7 geflügelte lampenartige Scheiben. Sollen es die cap. IV, 5 erwähnten Fackeln sein? Oder die Schalen V, 8? Im achten Felde ein Engel.

III.
Acht Greise, Älteste. cap. 5.

IV.
Ebenso.

V.
Ebenso.

VI.
Acht betende Engel, cap. 8.

VII.
Ebenso.

VIII.
Ebenso.

In den die Fresken einrahmenden ornamentalen Streifen sind je 23 Medaillons mit Brustbildern von Engeln, und zwar sind darin die 9 Hierarchien zweimal dargestellt und außerdem 5 Engel. Von oben angefangen folgen sich (die beiden Hälften entsprechen sich):

  1. Seraphim, geflügelter Kopf.
  2. Cherubim. Doppelkopf: bärtig und jugendlich.
  3. Thron. Als wirklicher Thron symbolisiert.
  4. Dominatio. Mit Zettel?
  5. Principatus mit Schwert und Schild.
  6. Potestas mit Stab.
  7. Eckmedaillon: Engel ohne Attribut.
  8. Virtus? mit Kugel und Stab.
  9. Ebenso.
  10. Engel, der einen undeutlichen Gegenstand anschaut (eine Figur?).
  11. Engel mit Keule.
  12. Mittelmedaillon unten: mit Schwert und Schild.

Wir finden hier, abweichend von der Anordnung bei Dante, der an Stelle der throni die potestates setzt, die alte Einteilung des Dionysios Areopagita, der auch Bonaventura in seinen Schriften folgt. Lassen sich leider auch nicht mit Sicherheit alle Hierarchien in den Fresken unterscheiden, so ist es doch von Interesse, wenigstens die symbolische Darstellung der Cherubim, die gleich der Prudentia, weil sie an Wissen alle anderen übertreffen, einen Doppelkopf haben, und der ›throni‹ kennenzulernen Vgl. Bonaventura, Bd. XII. Itinerarium mentis in Deum cap. IV. – Ebenso Soliloquium S. 91. – Bd. I. liber I. sententiarum. II. B. de creatione. – Bd. VIII. Compendium Theologicae veritatis. Wo überall von der Tätigkeit der Engel, aber nichts von ihrer symbolischen Darstellung gesagt wird. – Dante: convito II, 4-6. Paradiso 28, 16-78, 97-126..


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