Auguste Supper
Der Mönch von Hirsau
Auguste Supper

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An des vorbeschriebnen Tages
Abend tönt die niedre Halle
In der Calwer Burg vom Lachen
Vieler Männer oftmals wieder.
Alle wußten von dem Handstreich,
Und sie alle gönnen herzlich
Diesen schweren Schlag dem Kloster.
Denn wer auf der Burg verkehret
Ist des Papstes und der Welfen
Feind und darum auch des Klosters.
Adelbert nur, der am meisten
Des Gelingens sich sollt' freuen,
Sitzet stumm vor seinem Becher.
»Calwa, he!« ruft jetzt Wolfsölden,
»Habt Ihr einen Geist gesehen,
Gar die selige Cuniza,
Die im Leben Euch schon redlich
Alles zu vergällen wußte?«
Adelbert fährt auf, er zwingt sich
Mühsam nur zu lautem Lachen:
»Was im Leben sie getrieben,
Sei vergeben ihr im Tode, –
Lasset Frau Cuniza ruhen!
Freuen wir uns, daß dem Abte
Wir so flott zur Ader ließen,
Denn auf diese Weise wird es
Ohne Zweifel uns gelingen, 64
Dem verfluchten Schuldenmacher
Alle hinterlist'gen Ränke,
Die er anspinnt wider uns und
Unsern angestammten König,
Auf die Dauer zu entleiden.
Und unblutig wird es abgehn,
Denn wo güldne Gulden mangeln,
Sind die Schlachten bald geschlagen.«
Lachend stimmen bei die andern;
Veit Wolfsölden nur ruft launig:
»Daß nicht jedesmal dies zutrifft,
Dessen zeig' ich das Exempel:
Wenig güldne Gulden hab' ich;
Aber los sitzt dennoch immer
Mir das Schwert, wie ihr wohl zugebt.
Und dann dämmert mir die Ahnung,
Daß des Seckelmeisters Geldtasch'
Nicht des Abtes letzte Hoffnung:
Allzulange hält den reichen,
Jungen Sponheim er zu Hirsau,
Und die güldnen Gulden stecken
Locker bei des Bürschleins Vater,
Wenn es gilt, der Himmelsleiter,
Dran die Sponheim aufwärts klettern,
Eine Sprosse anzufügen.
Kenn' die Sippe von den Fahrten,
Die ich that in frühern Jahren.
Weit und breit am Rheine nennt man
Jenen Meginhart »den Frommen«;
Und der Bruno, den der Papst jüngst
Auf den Stuhl von Köln befördert,
Ist sein Bruder, müßt Ihr wissen.
Und die einz'ge, schöne Tochter
Ist Aebtissin, hol's der Teufel!«
Alle lachen, doch Wolfsölden
Fähret fort: »Die ganze Sippe
Wäre wert, lebend'gen Leibes 65
Auf ins Paradies zu fahren,
Und glücksel'ge Reise wünscht' ich
Ihnen aus aufricht'gem Herzen.«
»Euer Wunsch ist nicht unchristlich,
Habe nichts daran zu rügen,«
Meinet Adelbert, »doch wenn der
Junker, der beim Abt am Thor war,
Jener Sponheim ist, so zweifl' ich,
Ob ihm eilt zum Paradiese.
Sah nicht drein, als sei die Erde
Ihm entleidet und entfremdet.
Rührt nicht auch der gute Schwerthieb,
Dessen Spur am Kopf Ihr traget,
Von des jungen Grafen Hand her?«
Ungern läßt der edle Ritter
Sich an jenen Tag erinnern.
Seinen leeren Becher hält er
Unwirsch einem Knecht entgegen,
Führt den neuen Trank zum Munde,
Seine Galle zu verschlucken:
»Ja der war es. Nimmt Euch wunder,
Wenn mich lüstet, diesem Grünspecht
Möglichst viele gute Dienste,
So es angeht, zu erweisen?
Sonderlich, wenn ich zwei Fliegen
Mag mit einer Klappe schlagen?
Als ich bei der Jagd auf Wolfger,
Den vieledlen Seckelmeister,
Die zwei Männer sah, die mit ihm
Ritten, und die Sponheims Wecken
Auf den Reitermänteln trugen,
Lachte mir das Herz im Leibe.
Schon sah ich des biedern Marquard
Frommen Zorn, des Junkers Flennen,
So mir dieser Streich gelänge;
Da gab wohl der Satan selber
Jenen Zwei den Rat, den klugen, 66
Vor der Zeit vom Roß zu springen
Und die wildgewordnen Mähren
In der Unsern Reih' zu jagen.
Bis der Lupold sie am Zaum nahm
Und mein eignes, scheugewordnes
Vieh den Schrecken überwunden,
Waren schon im Bau die Füchse.
Wäre nicht des Klosters Marstall
Fromm und ruppig, steif und kreuzlahm,
Und die windgeblähte Kutte
So bequem nicht zu erfassen, –
Möcht' der Teufel wissen, ob nicht
Auch der Wolfger noch entkommen;
Denn, kaum ging es an das Treffen,
Kaum erblickte man am Thore
Ein halb Dutzend von den Kutten,
Die mit blöden Fratzen starrten,
Wo es brenne, nahm mein Vetter
Reißaus, ließ mich schnöd' im Stiche.
Drum gebührt des Stückleins Ehre
Mir allein, der Veit soll leben!«
Johlend, lachend stimmen alle
In den Ruf des Halbbezechten;
Alle heben ihre Humpen
Ihm entgegen, trinken, schreien;
Und es wächst der wüste Lärm noch,
Als sie merken, daß Graf Calwa
Heimlich sich davongeschlichen.
Rot erstrahlt der Abendhimmel
In den Saal durch breite, offne
Lucken, die gen Westen gehen.
Fledermäuse flattern lautlos
Dran vorbei, des Lärms erschrocken,
Dann erlischt die Glut und langsam
Senkt sich graue Dämmrung nieder.
Knechte bringen jetzt den Kienspan,
Und der qualmumwobne Schein fällt 67
Trüb auf die erhitzten Männer.
Erst, als von dem Turm der Hornruf
Kündet neuen Tages Anbruch,
Kommt als letzter Veit Wolfsölden
Schwanken Schrittes aus dem Saal.

Weit hinüber, durch der Gänge
Wirrnis, über dunkle Stiegen
Hat sich Adelbert geschlichen,
Heimlich, scheu im eignen Haus.
Wo am Nordturm schmal das Gärtchen
Vorspringt bis zum jähen Abhang,
Steht er still, blickt spähend um sich,
Ob er endlich hier allein sei.
Aechzend lehnt der Graf sein graues
Haupt an düstern Turms Gemäuer.
In der jungen Linde Aesten
Spielt der kalte Wind des Herbstes
Mit den dürren, welken Blättern,
Trägt sie vor des Grafen Füße,
Sonst herrscht Totenstille ringsum.
Adelbert starrt in die Ferne,
Wo der Tannenspitze Kronen
Sich vom Abendhimmel heben,
Als hab' Meisterhand sie kunstvoll
Auf den hellen Grund gezeichnet;
Doch er sieht es nicht: nach innen
Schaut sein glanzlos, düstres Auge.
Und die Bilder quellen, wachsen,
Treten her und werden greifbar.
Jeder Hauch des Abendwindes
Trägt ein neues auf den Flügeln.
Frau Cunizas strenges Antlitz
Tauchet auf, ihr herber Mund spricht
Wie vor Zeiten böse Worte.
Ihre harte Hand führt wieder 68
Herrisch in der Burg die Zügel,
Und die Mägde schleichen wieder
Scheu umher, die Knechte flüstern
Leis vom »bösen Blick« der Herrin.
Und das Söhnlein wird geboren,
Doch die Mutter bleibet unhold,
Keine Saite klinget wieder
In ihr bei des Kindes Lallen.
Wo die junge Linde grünet,
Steht die Obermagd Mechthildis.
Hochauf in den starken Armen
Wirft sie lachend immer wieder
Den dreijähr'gen Grafen Gottfried,
Der in helles Jauchzen ausbricht
Und nicht satt wird solchen Spiels.
Wie sie dasteht, von dem vollen,
Runden Arm die rauhe Jacke
Abgestreift, den schlanken, üpp'gen,
Jugendstarken Leib nach rückwärts
Biegend, um die Last zu heben,
Mit den dunklen, schweren Flechten,
Die ihr um die Hüften schlagen
In des Spieles frohem Eifer,
Mit dem rosigfrischen Antlitz
Und den schimmernd weißen Zähnen,
Die ein kinderfröhlich Lachen
Sehen läßt bei jedem Aufschwung, –
Bietet sie ein herzerquickend
Bildnis minniglichen Weibes,
Das gesund an Seel und Leib.
Adelbert, der dreißigjähr'ge
Mann, den minnelose Ehe
An ein unhold Weib gekettet,
Sieht sein Kind in Mechthilds Armen,
Und sein Fuß stockt, und er blicket
Hin auf beide, die nicht ahnen,
Wessen Auge ihnen zuschaut. 69
Plötzlich drückt ihm eine kalte
Hand das Herz, das froh sich weitet,
Jäh zusammen: Um die Ecke
Kommt mit leisem Schritt Cuniza,
Zornig blickt ihr böses Auge
Auf die Magd und auf den Knaben.
Eh' die beiden sie erspähen,
Faßt sie Mechthilds lange Flechten,
Und ein derber Ruck erpreßt der
Armen einen wehen Aufschrei.
Wie die Taube vor dem Sperber
Duckt das Kind sich vor der Strengen,
Die es an der kleinen Hand nimmt.
»Heißt dies Kohl und Rüben pflanzen?«
Zürnt sie, »muß ich dich es lehren?«
Wortlos greift da die Gescholtne
Nach den Pflänzchen, knieet nieder,
Und auf manche Wurzeln fallen
Thränen, als sie sich allein sieht.
Häßlich, wie ein scharfer Mißklang,
Schnitt dies Bild ins Herz des Lauschers.
Noch am selben Abend trug der
Graf ein silbern Kettlein heimlich
Zu der Mechthild, die erschrocken
Auf den Herrn starrt. »Nimm,« so flüstert
Er erregt, »für deine Liebe
Zu dem kleinen Grafen Gottfried,
Und für deine Thränen nimm es!«
Tief seufzt und gequält der Mann jetzt,
Den Erinnerung umspannt hält.
Spricht der Epheu an der Mauer
Nicht von sündig süßen Küssen?
Raunt der Nachtwind nicht von leisen,
Lang verwehten Liebesworten?
Steht im Zwielicht nicht die hohe,
Schlanke Maid dort an der Linde?
Fleht sie nicht mit gramerfülltem 70
Aug' und aufgehobnen Armen,
Drauf das blasse Mondlicht zittert:
»Schonet, Herr, doch meiner Jugend,
Meiner Schwäche, denn ich lieb' Euch?«
Adalbert stiert bleich ins Leere.
Vieler Schuld zeiht, wie er wohl weiß,
Seiner Feinde reiche Zahl ihn,
Vieler Schuld allein die Mönche,
Denen er den Kampf geschworen;
Aber ob auch Aebte, Pfaffen,
Ob der ganze röm'sche Klerus
Wirft die Klagen in die Wagschal' –
Aus fliegt sie, wie Flaum im Sturmwind,
Wenn die eine Schuld sich leget
In der Wage andre Schale.
Wieder grünt der Mai, wie damals,
Als im Garten stand die Mechthild
Und des Grafen Söhnlein jauchzte.
Wieder steht die Magd im Garten,
Ihre fleiß'gen Hände feiern,
Ihre einst so strahlend frohen
Augen blicken starr und düster.
Dann nimmt sie die jungen Pflanzen,
Sorglich setzt sie Kraut und Rüben.
Heute fallen keine Thränen
Auf die Wurzeln, ach, wie war das
Herz noch leicht bei jenen Thränen!
Endlich, lang schon sank die Sonne,
Ist das letzte eingepflanzet.
Mechthild läßt die trüben Blicke
Durch den Garten träumend schweifen;
Und sie sieht des Sommers Gluten,
Sturm und Regen drüber ziehen,
Sieht im Herbst die Früchte reifen,
Und noch etwas sieht im Herbst sie.
Trostlos schlägt sie ihre Hände
Vor das bleiche, starre Antlitz, 71
Qualvoll ringt ein leises Aechzen
Aus der Brust sich los, der wehen.
Von der heil'gen Jungfrau Kirchlein
Klingt herauf Ave Maria,
Und da sinkt das Weib zur Erde,
Legt den Kopf an das Gemäuer,
Und sie weinet lange, lange. –

Jener Herbst, er kam. Mechthildis
Steht am Burgthor. Auf den Armen
Trägt sie ihren kleinen Knaben,
Trägt sie ein gar mager Bündel, –
All ihr Hab und Gut hienieden.
Nur das Silberkettlein fehlet:
Wo die Linde steht im Garten,
Hat sie heimlich es begraben.
Niemand sagt: Lebwohl, und niemand
Fragt: Wo führt dich hin die Straße?
Und der Wächter, der am Thor steht,
Spuckt zur Seite, nickt und lächelt.
Mechthild drückt den Knaben an sich,
Doch kein Wort entschlüpft den Lippen.
Aufwärts führt ihr Weg, ein schmaler
Pfad geht durch die stillen Tannen,
Die nicht kichern und nicht lachen,
Die ein altes Lied nur rauschen,
Das ihr tief ins wunde Herz dringt;
Und sie sinnt, ob es das Lied sei
Von der Liebe Lust und Schmerzen.
Da tritt hinter Felsentrümmern
Adelbert dem Weib entgegen:
»Mechthild,« ruft er, »geh nicht von mir!
Laß zum letztenmal dich bitten!
Bleib um unsres Knaben willen
Dort, wo ich verschwiegne Hütte
Dir bereite, bis es einstmals 72
Tagen wird auch unsrer Liebe,
Die sich jetzt in Nacht muß hüllen!«
Bleich starrt Mechthild auf den Grafen:
»Einmal bat ich Euch, zu schonen
Meiner Schwäche, meiner Liebe,
Und es war umsonst, vergebens.
Heut' bitt' ich zum andern Male:
Herr, o schonet, schonet meiner!
Noch kann ich die Schande tragen,
Bis Gott selber sie mir abnimmt;
Aber so noch mehr dazu kommt,
Brech' ich unter meiner Bürde.
Einmal konnte Mechthild fehlen;
Aber leben in der Sünde
Kann sie nicht. Herr, Euer Drängen
Ist mein Tod, drum laßt mich gehen!«
Ihre Stimme stirbt in Schluchzen,
Wortlos reicht sie ihren Knaben
Seinem Vater hin, der nimmt ihn
Auf die Arme, küßt den kleinen
Mund, die dunklen, offnen
Augen. Dann sinkt er ins Knie, er küsset
Mechthilds Kleid, als wie von Sinnen.
Halb bewußtlos lehnt am Felsen
Er noch lang, als schon des Weibes
Dunkles Kleid im Tann verschwunden.

Weniger als je vom Jagen
Kommt der Graf zur Burg, man sieht ihn
Wochenlang nicht, und der Herrin
Antlitz wird stets spitzer, schärfer.
Sie nur weiß sein schlimm Geheimnis
Und benützt es, Gift und Galle
In sein wundes Herz zu träufeln.
Nicht der Schmerz betrognen Weibes,
Nicht der Stolz der Gattin ist es, 73
Was sie fühlt; nur Haß und Rachsucht
Hegt sie und ein kalt Verachten.
Wenn der Graf jetzt heimkommt, sitzt er
Stumm im Turmgemach. Das einz'ge,
Was sein finstres Antlitz aufhellt,
Ist sein junger Sohn, sein Gottfried.
Doch auch, wenn er den liebkoset,
Denkt er jenes blassen Weibes,
Jenes andern kleinen Knaben,
Die nun in der Fremde irren,
Die in Armut und in Schande
Allzugroße Liebe büßen.
Wieder wird es Mai, da ziehet
Adalbert von Burg und Heimat;
Länger trägt er nicht die Qualen.
An des Kaisers Hof, im Kreise
Lauter, lärmender Genossen
Weicht der alte Schmerz allmählich,
Und im unruhvollen Treiben
Dämmert linderndes Vergessen.
In dem Strom der Jahre schwimmen
Liebe, Leid und Reue meerwärts,
Wo sie stille untergehn.
Zwölfmal zog der Lenz vorüber
An der finstern Burg von Calwa,
Als zum erstenmale wieder
Durch das Thor der Burgherr einritt,
Von der Gräfin selbst gerufen,
Denn es geht mit ihr zum Sterben.
Doch auch auf dem letzten Siechbett
Bleibt ihr böser Sinn der alte:
Nicht die Sehnsucht macht sie rufen,
Nicht der Wunsch, versöhnt zu scheiden:
Einen letzten, schlimmen Anschlag
Will sie noch zu Ende führen
Vor den Augen des Gehaßten.
Kaum ist Adelbert im Schloßhof, 74
Sprengt ein Reiter schon gen Hirsau,
Einen Priester zu verlangen
Für der Gräfin letzte Oelung.
In der düstern Kemenate,
Da Cuniza liegt, des Todes
Zeichen auf der feuchten Stirne,
Steht Graf Adelbert erschüttert.
War ihm Qual auch diese Ehe,
War auch unhold stets Cuniza,
Doch ergreift es den Erregten,
Nun es geht ans letzte Scheiden.
Schon will er die Lippen öffnen,
Ein versöhnend Wort zu sagen,
Da tritt leis ein Mönch von Hirsau
In die dumpfe Sterbekammer.
Lautlos breitet die Geräte,
Die die heil'ge Handlung fordert,
Er am Tische auseinander,
Da tönt scharf Cunizas Stimme,
Schneidend wie nur je vor Zeiten:
»Wartet noch, ehrwürd'ger Vater,
Noch hab' ich mein Haus nicht völlig
Wohl bestellt, wie es mich dränget.
Tretet näher, nehmt und leset!«
Damit reicht mit letzten Kräften
Eine Rolle sie dem Mönch.
»Leset laut, ehrwürd'ger Vater,
Daß Graf Adelbert es höre!«
Und der Mönch entrollt den Streifen,
Tritt zum Laden, denn schon sinket
Dämm'rung in die Kemenate,
Und er lieset laut und langsam:
»Ich, Cuniza, Gräfin Calwa,
Stifte, da mein Leib zu sterben
Kommt, zum Heile meiner Seele
Wie zum bleibenden Gedächtnis
Urkundlich dem Kloster Hirsau 75
Nachbenanntes Erbteil, das ich
Ueberkam von Vaterseiten:
Alle Güter, so zu Weinsberg,
Zu Heilbronn und zu Holshofen
Ich besitze, samt der Mühle
Und der großen Silberschüssel,
Draus mein Sohn Gottfried getauft ist.
Unveräußerlich und gänzlich
Sei dem Kloster dies zu eigen!
Also ist mein fester Wille.«
Fast erschrocken schweigt der Mönch jetzt,
Denn selbst ihn, den Kuttenträger,
Ueberrascht die reiche Schenkung,
Sonderlich, da längst die Calwa
Galten als des Klosters Feinde.
Hastig schiebt er dann die Rolle
In den Froccus, glättet sorglich,
Ernsten Blickes seine Stola,
Doch ein Seitenblick zum Grafen
Hält die salbungsvollen Worte
Frommen Danks, die er will sagen,
Schnell zurück auf seinen Lippen.
Adelbert, der seither lehnte
An des großen Bettes Pfosten,
Ist erblaßt zurückgetreten.
Auf das Weib starrt er, das mühsam
Noch ein höhnisch Lächeln festhält,
Als der Tod sie schon berühret.
Was er je an ihr gefehlt hat,
Scheint ihm länger nicht als Sünde:
Ihren Sohn hat sie enterbet,
Ihrem Gatten bietet Trotz sie
Noch in banger Todesstunde.
Wortlos steht der Graf, es schnüret
Wilder Haß ihm zu die Kehle,
Und der Mönch beginnt mit frommer
Würde nun die heil'ge Handlung. 76
Doch, kaum trifft sein murmelnd Beten
Jetzt des Grafen Ohr, faßt dieser
Wie aus bösem Traum erwachend
An die Stirn, dann stürzt er hastig
Aus der Thür, die schmetternd zufällt.
Dies sein Abschied von Cuniza.

Das Papier in seinem Froccus
Giebt dem Mönche fromme Langmut.
Und von neuem fängt er leise
An sein murmelnd dumpfes Beten.
Aber ehe noch das heil'ge
Oel der Kranken Stirn berühret,
Strecken sich die hagern Glieder,
Und das Auge bricht im Tod.
Hastig schlägt der Mönch ein Kreuz noch,
Geht dann aus dem Sterbezimmer,
Drückt die wohlverwahrte Rolle
An die Brust und malt des Abtes
Froh erstaunt Gesicht sich aus.
Gottfried, der Verblichnen Sohn, tritt
Leise an das Totenlager.
Unbewegt bleibt ihm das Antlitz,
Denn die keine Liebe säen,
Werden keine Liebe ernten.
Eine Hand, die schlaff herabhängt
An des niedern Lagers Seite,
Hebet sacht er auf die Decke;
Doch durchschüttert ihn ein Grauen
Bei der Kälte, die sie ausströmt.
Scheu und hastig eilt er alsbald
Aus der stillen, dumpfen Kammer.
Nochmals öffnet sich die Thüre,
Und im weißen Chorhemd tritt ein
Bleicher Knabe auf die Schwelle.
Die Geräte will er holen, 77
Die der Priester dagelassen.
Auch er tritt zum Totenlager,
Sieht die blassen, harten Züge,
Sieht die offnen, starren Augen.
Fromm schlägt er ein Kreuz und kniet
Hin am Lager, murmelt leise
Die Gebete für die Tote.
Drauf fügt er die kalten Hände
Ohne Grauen ineinander,
Sanft drückt er die starren Augen
Zu mit seinen linden Fingern.
Von dem Epheu, der am Laden
Sich emporspinnt, bricht er eine
Grüne Ranke ab und legt sie
Auf die Brust der stillen Frau.
Alsdann nimmt er sein Geräte,
Rückwärts geht er aus der Kammer,
Wie in tiefer, scheuer Ehrfurcht.
Unbeweglich liegt die Ranke
Auf Cunizas Brust: der Epheu
Weiß so wenig als die Tote,
Wessen Hand ihn abgebrochen,
Und der bleiche Knabe ahnt nicht,
Wem er letzte Lieb erwiesen.

Eh Cuniza fand die letzte
Ruhestatt in Hirsaus Kirche,
Welchen Platz ihr nicht ihr Leben,
Doch ihr selig End' erwirket,
Ist der Graf mit seinem Sohne
Auf der Fahrt zu Kaiser Heinrich.
Dort soll sich der junge Gottfried
Ritterschlag und -sitte holen.
Gut wird an dem Kaiserhofe
Gottfried Calwa aufgenommen,
Denn des Vaters Mut und Treue 78
Hat der Kaiser Friedrich oftmals
Schon erprobt, und Heinrich hoffet
Drum das gleiche von dem Sohn.
Adelbert vermag sein Sehnen
Nach der Heimat nicht zu zügeln,
Die ihn lockt, seit er das Schreckbild
Jenes Weibs daraus verbannt weiß.
Bald denn zieht vom Hof er heimwärts.
Einsam haust er lang; sein ganzes
Denken ist darauf gerichtet,
Wie ein Leid er möchte anthun
Denen drunten in dem Kloster.
Jagd und Reiten ist sein einzig
Wildes, tägliches Ergötzen.
Nach den Spuren der Verschollnen
Sucht er nicht mehr, denn vergebens
Suchte er vor langen Jahren.
Finster wird er und verschlossen,
Und sein trostlos, trübes Leben
Steht ihm im Gesicht geschrieben.
Letzten Winter, da der Graf gar
Uebel von der Gicht geplagt war,
Wurde es ihm allzu einsam.
Seine Nichte ließ er kommen,
Seines Bruders Gottfried Waise,
Der zu Vaihingen verstorben.
Auch den Neffen Konrad lud er
Dringend ein; doch der nahm Abschied
Von der Schwester und zog freudig
An den Hof, wie einst sein Vetter.
Und statt Konrad kam ein andrer
Vetter auf die Burg nach Calwa:
Jener wilde Veit Wolfsölden.
Neues Leben schallt jetzt wieder
In dem düsteren Gemäuer.
Und Graf Adelbert, er rafft sich
Auf und treibt es wie die andern. 79
Ist auch alles ihm nicht immer
Nach dem Herzen, was Wolfsölden
Treibt und ausheckt, sind in Einem
Doch die beiden völlig einig:
In dem Haß für Hirsaus Mönche,
Und zu allen Zeiten ist noch
Solch gemeinschaftliches Hassen
Ein gar guter Kitt gewesen.
Diesem Haß entsprang der Anschlag,
Der heut glücklich ward vollendet.
Glücklich? – Adelbert erschauert
Bis ins Mark: vor ihm taucht wieder
Jener bleiche, hohe Mönch auf,
Dem ins Antlitz er gesehen.
Uebers Thal streicht kalt der Nachtwind,
Hoch im Turme schreit das Käuzchen.
Adelbert legt sich die Hände
Vor die Augen, ein unnennbar
Grauen faßt ihn: Stehn die Toten
Auf, die bösen Thaten, treten
Sie nach langen, langen Jahren
Wieder her aus Nacht und Schatten? 80

 

 


 


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