Auguste Supper
Der Mönch von Hirsau
Auguste Supper

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So zu folgen ihr gewillt seid,
Soll mein Sang euch dahin führen,
Wo des alten, düstern Schwarzwalds
Stolzer Tann zum Himmel aufragt.
Kommet mit, ich zeig' euch Bächlein,
Deren kalte, klare Wellen
Schillernde Forellen bergen,
Farrn, die ihre stolzen Wedel
Hier im stillen Schatten heben,
Starre Felsen, die wie Trümmer
Einer eingestürzten Urwelt
Nun im Moos gebettet liegen.
Rückwärts über manch Jahrhundert
Schreiten wir und sieh, nun hebt sich
Stolz der Weih dort überm Thalgrund;
Lautlos schleicht die wilde Katze
Durch den Forst, der Wolf streift nächtlich
Hin am Waldsaum und das scheue
Reh äst still auf Waldeswiesen.
Königlich am finstern Abhang
Steht der Hirsch, sein Ruf bricht dröhnend
Durch die Tannen, weckt ein Echo,
Das wie ferner Donner aushallt.
Und dort, wo das Thal sich weitet,
Wo der Nagold grüne Wellen
Breiter durch den Forst uns grüßen,
Dort liegt hinter seinen Mauern, 2
Deren frisch behau'ne Steine
Rötlich schimmern, Kloster Hirsau.
Still im letzten Schein des Abends
Liegt es da, und um die Türme
Seiner Peterskirche huschen
Fledermäuse scheu und lautlos.
Da und dort flammt jetzt ein Licht auf,
Und mein Sang, er schwirret näher,
Wie der Falter, den die Flamme
Lockt mit ihren Strahlenarmen.
Südlich von der langgestreckten
Kirche, außerhalb der Mauer,
Die des Klosters welterstorbne
Räume gegen außen abschließt,
Steht ein Bau mit breitem Giebel.
Seine gelben Mauern leuchten
Freundlich aus der halben Dämmrung,
Seine offnen Läden grüßen
Gastlich und in langer Reihe
Auf die Straße, deren weißer
Staub sich seit dem Nachmittage
Hat in tiefen Kot gewandelt,
Denn ein Wetter zog nach langen
Trocknen Tagen übers Thal hin.
Köstlich mild und rein gebadet
Ist die Luft, der späte Sommer
Gießet seinen vollen Zauber
Auf die abendliche Stätte.
Aus dem gelben Hause treten
Jetzt zwei Männer in das Zwielicht.
Ihrer einer trägt den Froccus,
Dessen Gurt ein stattlich Bäuchlein
Eng umschließt. Das runde Antlitz
Spricht nicht eben von Kasteiung
Noch von finsterer Askese.
Eifrig nickt der Mönch und freundlich
Zu des andern leiser Rede. 3
Dieser andre ist ein hoher
Greis mit ungebeugtem Nacken,
Lang wallt ihm ein silberweißer
Bart bis nieder fast zum Gürtel,
Und sein Antlitz, dessen Augen
Helle durch die Dämmrung blitzen,
Zeugt von einem starken Geiste,
Der der Jahre Last bemeistert.
Pergamenten spannt die Haut sich
Um des Alten edle Züge,
Die vom eifrig leisen Reden
Jetzt fast jugendlich belebt sind.
Dort am Südthor an der Mauer
Bleiben nun die beiden stehen.
»Geht mit Gott denn, Bruder Simon!«
Sagt der Mönch und hebt den Klopfer,
»Könnt getrost zur Klause steigen
Auf dem Bruderberge oben,
Euer Schützling ist geborgen,
Glaubt mir, in des Klosters Herberg'.
Dem Herrn Abt will ich vermelden,
Daß der wundgeschlagne Jüngling
Euer Landsmann sei vom Rheine;
Einer jener edlen Sponheim,
Deren Frömmigkeit und Reichtum
Ihr mir nicht genug könnt schildern!«
»Friede sei mit Euch!« erwidert
Da der Klausner, und er lächelt
Fein, fast spöttisch, »ja vergesset
Nur den Reichtum nicht, denn davon
Ziemt dem Dominus zu wissen.«
Hart dröhnt jetzt ans Thor der Klopfer,
Und der Mönch, er schlüpft mit einem
Halb verlegnen Gruß ins Innre,
Während sich der alte Klausner
Heimwärts wendet durch den Wald. 4

Leise senkt die warme Nacht sich
Völlig nieder auf das Waldthal,
In der Herberg' sieht man Lichter
An den offnen Luken eilig
Dann und wann vorübertragen,
Als sei ungewohntes Leben
Heute plötzlich eingekehrt.
Auch als jetzt von der Kapelle
Der Maria leise bimmelnd
Ave Marie wird geläutet
Scheint die Unrast nicht zu weichen.
Nur im Kloster selbst erblickt man
Bald kein Licht mehr, und der blasse
Schein der ew'gen Ampel, der sich
Aus der Kirche schmalen Fenstern
Scheu hervorstiehlt, geht allmählich
Unter in dem Mondenlicht.
Längst verklang das Completorium
Und der ries'ge Laienbruder,
Der im Thorhaus nächtlich Wacht hält,
Denkt an eine Zeit, da er noch
Statt des Wächterhorns das Schwert trug
Als ein Graf und Herr in Franken;
Denkt auch wohl an solche Nächte,
Da der Mondenschein ihm andres
Als ein öd Gemach beleuchtet,
Darin nur des Pater Sigbert
Astronomische Geräte
Eine finstre Ecke füllen.
Auf den Schemel hingekauert
Sitzt der Mann; der Nagold Rauschen
Tönt herauf und dann auf einmal
Auch der Klang von müden Tritten,
Die in seltsam schwerem Schreiten
Keine Rast noch Ruhe finden.
Fester faßt der Mann sein Horn jetzt
Und er schlägt sich an die Stirne:5

Möchtest büßen und vermagst nicht
Die rebellischen Gedanken
Von der sünd'gen Welt zu ziehen!
Hör', dort unten in der Kammer
Schreitet Einer, der ein heilig
Leben ohne Blutvergießen
Allezeit geführt, und dennoch
Trifft den hagern Leib die Geißel,
Frickingen, du mußt dich schämen
Vor dem Mönchlein, vor dem Ignaz!
Und der Mann er tritt zur Luke
Und sein Tuten schallt wie dereinst
Der Trompetenklang zu Jericho
Ueber Hirsaus Mauern hin.

Eben als die gellen Töne
Jäh die tiefe Stille brechen,
Oeffnet sich die schwere Thüre
Der Abtei, nicht fern vom Thorhaus.
Auf den Hof, der wohlgepflastert
Hell im blauen Mondlicht daliegt
Tritt ein Mann in dunkler Cappa.
Hoch von Wuchs, mit mächt'gen Schultern
Ist er, also daß der zweite,
Der jetzt aus der Thür hervortritt,
Neben ihm als Zwerg erscheinet.
Währenddem des Großen Züge
Stolz und herrisch, aber offen
Sich zum vollen Monde kehren,
Blickt der Kleine mit dem Ausdruck
Feigen Grimms und stiller Tücke
Auf die riesenhaften Schatten,
Die sich auf dem Pflaster malen.
Wie im Aerger zieht die Cappa
Er um seinen feisten Körper
Und dann paßt er seine Schritte 6
Denen des Begleiters an.
Nach dem Südthor gehen beide,
Und schon eh' sie es erreichen,
Tritt aus dem Gelaß des Pförtners
Bruder Ignaz, um dem Abte
Eilends schweigend aufzuschließen.
Seltsam lange hängt des Großen
Auge an dem stummen Mönche,
Dessen scharfgeschnittne Züge
Totenblaß im Mondlicht scheinen,
Und »Gelobt sei Jesus Christus!«
Sagt er leis und sanft, so wie man
Nimmermehr von dieser breiten,
Mächt'gen Brust es hätt' erwartet.
Schnell erhebt der Mönch sein Antlitz,
Wie ein Blitz zieht es darüber
Da dem Abte er den Gruß dankt,
Doch der kleine, feiste Prior
Blickt geärgert auf die Seite.
Auf dem Pfade, der zur Herberg'
Führt, den niedre Mauern grenzen,
Schreiten beide Männer weiter.
Leise lachend sagt der Prior:
»Wie Ihr, Domine, die Stimme
Dämpft, sobald Ihr Ignaz grüßet!
Vorhin, da Ihr Eurem Prior,
Herrn zu Forchheim, sein Verschwenden
Und Vergeuden vorgeworfen,
Da erscholl wie Löwenbrüllen,
Was soeben als des Lämmleins
Sanftes Blöcken sich ließ hören!« –
Höhnisch und geärgert klinget
Wiederum das kurze Lachen;
Doch Abt Marquard schreitet ruhig
Weiter, ohne zu entgegnen.
Plötzlich bleibt der Prior stehen,
Zornig stampft er auf den Boden: 7
»Domine, ich hab' es satt nun,
Daß Ihr über mich hinwegseht!
Meint Ihr, daß ich Dorf und Mühle
Und die sechzig Huben Aecker
Hirsau zugebracht, daß Marquard
Mich dafür, sobald ihn lüstet
Einfach auf die Seite setze?
Herr, Ihr scheint mich schlecht zu kennen,
Und ich frag' zum letzten Male:
Wollt Ihr thun, was heute Abend
Ich von Euch verlangt? Gebt Antwort!
Marquard steht nun auch, er blicket
Kalt verächtlich auf den Prior:
»Daß am wenigsten Entrüstung
Ob des bösen Calwer Grafen
Anmaßung, den frechen Isaak,
Den betrunknen Laienbruder,
In den Kesselturm zu sperren,
Rachepläne Euch diktieret.
Das wißt Ihr so gut und sicher
Als auch ich es weiß, gesteht es!
Kürzlich hat Euch bei der Hirschjagd
Gräfin Agnes schnöd behandelt
Und der Oheim soll nun büßen,
Was die schöne Nichte sündigt.«
Hohnvoll lacht der Abt: »Es mag wohl
Bitter sein für Euch, Herr Prior,
Daß Euch also ward begegnet,
Aber daß des Klosters Ansehn
Dadurch leide, und daß ich nun
Rache soll an Calwa nehmen,
Dies, verzeiht, dies scheint mir seltsam.«
Wütend fährt der dicke Prior
Auf beim Hohn des Abts; er zischet:
»Sagt mir, Herr, was muß geschehen,
Daß für Euer dumpfes Phlegma
Einmal Anlaß wär' zum Handeln? 8
Sagt, was darf man Hirsau bieten,
Eh' Ihr es als Kränkung achtet?
All die weggeschossnen Hirsche
Und das ganze wüste Treiben
Dieses wilden Veit Wolfsölden,
Den der Calwa bei sich duldet, –
All dies habt Ihr wohl bedecket
Mit dem Mantel heil'ger Liebe?
Ha, wo diese Sorte Hiebe
Nicht gefühlt wird, da muß wahrlich
Dick das Fell sein, will mir dünken.«
Marquard schaut mit wildem Zornblick
Auf den kleinen Prior nieder:
Heiser lacht er: »Sicher, Prior,
Hirsau darf man vieles bieten,
Eh' der Abt zum Schlage ausholt:
Trinkgelage, Jagden, Reisen
Darf sein Prior sich erlauben,
Jeder Regel Benedikti
Darf ins Angesicht er schlagen,
Von der einen, die ihm Keuschheit
Macht zur Pflicht, bis zu der andern,
Die Gehorsam, Liebe, Ehrfurcht
Vor dem Abte ihm gebietet – –
All dies läßt sich Marquard bieten
Heute noch, ob wohl auch morgen?
Prior, Prior, überlegt's Euch!«
Fahl im Antlitz steht der Prior
Und er fährt sich nach der Kehle,
Als gebrech' ihm Luft; er müht sich
Um ein Zornwort; doch ein Gurgeln
Nur wird hörbar, und jetzt zerrt er
An der Cappa, gehet seitwärts,
Setzt sich auf die niedre Mauer,
Als versagten ihm die Füße.
Ruhig steht der Abt und blicket
Nach dem Mond, um den jetzt leichte 9
Wolken ihre Schleier weben.
Dann, nach langer Pause, klingt es
Scharf und leise von der Mauer
»Euer Drohen, Abt, es deucht mir
Seltsam, wenn ich überlege,
Wie Ihr, dem Konvent zum Trotze,
Mich zu Eurem Prior machtet.
Jener goldgefüllte Beutel,
Der das rasche Wunder wirkte,
Und den Euer heillos Bauen
Allsobald verschlang, er macht mich
Lachen, Herr, zu Euern Worten.«
Keine Miene zuckt dem Abte
Und der Prior tritt jetzt näher:
»Domine, mir scheint das beste,
Wenn in Eintracht Abt und Prior
Ihres heil'gen Amtes walten!
Heißt's nicht ›manus manum lavat
Und, ›seid klug als wie die Schlangen!‹
Marquard tritt zurück, als hab' ihn
Jäher Ekel überkommen.
Fahler werden seine Züge
Und er streicht die feuchten Haare
Aus der hohen Stirn, dann richtet
Er den mächtig breiten Körper
Auf und schreitet wortlos weiter.
Schweigend und mit bösem Lächeln
Folgt der Prior und bald sind sie
Vor der Herberg' Eichenthür.
Laut erschallt der schwere Klopfer,
Und nach wen'gen Augenblicken
Stehn die beiden in dem Flure,
Den die Ampeln an der Decke
Matt erhellen, und der steinern,
Hochgewölbt sich durch das Haus zieht.
Schnell um ihre hohen Gäste
Scharen sich die Laienbrüder 10
Und es neigen sich die Rücken
Vor dem Abt, um ihm zu danken,
Daß er heute noch erschienen.
Ohne Aufenthalt läßt Marquard
Sich jetzt zu dem Wunden führen,
Den man spät am Nachmittage
Hergebracht mit seinem Knecht.

In der Herberg' Gastgemache
Liegt auf niederm, weichem Lager
Ein gar bleicher Mann gebettet.
Blondes Haar umrahmt die Stirne
Reich und lang, unschwer es kündend,
Daß der Kranke frei geboren.
Selbst der trübe Schein der Ampel
Auf dem Steintisch läßt erkennen,
Wie in diesem blassen Antlitz
Jugend sich und Schönheit paaren.
Marquard tritt herzu und beugt sich
Lange nieder auf den Kranken,
Prüfend fühlt er am Verbande,
Der die linke Schulter decket,
Die ein scharfer Hieb verletzt hat.
Bei des Abtes Eintritt standen
Rasch drei Männer auf, die schweigend
Auf der Truhe dort gesessen.
Einer tritt zurück ins Dunkel,
Doch die andern beiden harren,
Bis der hohe Herr sie anspricht.
Marquard schaut sich um, und alsbald
Kommt mit leisem Gruß er näher.
»Ei, von Calwa Rust und Trautwein?
Was hält euch zu dieser Stunde
Hier zurück, ihr wackern Männer?«
»Herr, es ist ein böses Stücklein,«
Spricht der Größre von den beiden, 11
»Das uns heut fast vor den Thoren
Unsrer Stadt noch zugestoßen.
So es Euch genehm, so möcht' ich
Wohl das Nähere Euch künden.«
Marquard nickt und blickt aufs neue
Prüfend auf den blassen Jüngling:
»Wisset, Herr,« beginnet Trautwein,
»Daß von unserm Zug nach Flandern,
Den mit seinen Wollentuchen
Wir im Sommer unternommen,
Fährnisvoll uns schien die Rückfahrt.
Bis gen Mainz am Rheine aufwärts
Zogen wir mit Mainzer Kaufherrn,
Die zu sicherer Bedeckung
Kölner Reiter sich gedungen.
Doch von dort an ward die Reise
Schwer für uns, dieweil wir Krämer
Nicht, wie jene, teure Söldner
Zur Begleitung mieten konnten.
Da, es war vor Mainz, und unser
Ganzer Zug noch bei einander,
Stießen wir an einem Morgen
Auf den Junker dort, und mit ihm
War sein Reitknecht und ein Jagdhund.
Walpod, einer jener Mainzer
Handelsherren, fragte sogleich
Um das Reiseziel den Jüngling,
Und der lachte hell: ›Ich suche
Nur das Glück, Herr, in der Weite!‹
Lächelnd sprach der alte Walpod:
›So Ihr's findet, Junker, packt es
Fest und zeigt es mir, dem Greise!
Es von Angesicht zu sehen,
Wollte mir noch nie gelingen.‹
Doch der Fremde rief: ›Ihr führet
Reiche Lasten, edle Güter
Aus der Fremde in die Heimat; 12
Scheint Euch dies kein Glück? was wollt Ihr?‹
Walpod lächelte: ›Die Wagen,
Die wir vollgepackt hier führen,
Mögen immerhin ein Stückchen
Vom Gewand des Glückes tragen;
Doch man soll den Tag nicht loben,
Junker, eh' der Abend anbrach;
Seht Ihr rechts und links die Burgen,
Drin die edlen Räuber hausen,
Die uns unsrer sauren Arbeit
Lohn viel hundertmal gestohlen!
Nicht zum Spaße seht Ihr jene
Kölner Reiter an der Spitze,
Nicht umsonst sind hier die Männer
So verzagt, wenn sie bedenken,
Daß ein weiter Weg noch führet
Bis gen Calwa, fern im Schwarzwald;
Dorthin, wo im fränk'schen Würmgau
Hirsau liegt, das reiche Kloster.‹
Nicht so bald vernahm der Junker
Hirsaus Namen, gab dem Rößlein
Er den Sporn und ließ es steigen,
Fröhlich rief er: ›Höret Alter,
Scheltet mir das Glück mit nichten!
Glück war's, daß ich meinem Reitknecht
Folgte, als ein Bad er vorschlug
In des Rheines kühlen Fluten.
Längst schon wär' ich sonst am Hofe
Siegfrieds, Eures frommen Bischofs
Dort zu Mainz, deß' hohe Türme
Jetzt von ferne sichtbar werden;
Und wer hätt' mir dann gemeldet,
Daß mein Schwert ich könnte leihen
Wackern Männern, die sonst schutzlos
Durch die Lande ziehn gen Hirsau,
Wohin mich des Kölner Bischofs,
Meines Oheims Briefe weisen!‹ 13
Walpod lachte laut: ›Wenn Siegfried,
Unsern Bischof, fromm Ihr nennet,
Müßt Ihr fremd sein hier am Rheine!
Sagt mir, Junker, wo Ihr herstammt?‹
Zornrot ward des Junkers Antlitz;
›Ei, ich denk', ein Graf von Sponheim
Ist am Rhein zu Haus, wie scheint Euch?‹
Tief verneigte sich der Alte:
›Ja, ein Sponheim weiß gewißlich
Nichts vom Treiben dort am Hofe;
Weiß auch nichts von jenen Räubern,
Die den ungewohnten Schwertgriff
Uns in unsre Hände zwingen.
Herr, so ich zum Rat Euch gut bin:
Laßt den frommen Bischof Siegfried,
Ziehet hin mit diesen Männern,
Denn mir deucht, für einen Sponheim,
Der sein Glück sucht, ist am Hofe
Dort zu Mainz nicht viel zu holen!‹ –
Und so kam's. Die Fahrt ging fröhlich
Ohne Unfall durch die Wälder.
Immer lieber ward uns Männern
Der Genosse, dessen Reitknecht
Uns die Fahrt durch Lieder kürzte.
Nie schien mir der Reise Mühsal
So gering, als diesmal, da wir
Mit dem jungen Sponheim zogen.
Gestern nun, wir waren alle
Durch der lieben Heimat Nähe
Fröhlicher als sonst, fiel plötzlich
Veit Wolfsölden, Calwas Vetter,
Ueber unsern kleinen Zug her.
Wenig mehr denn fünfzehn Leute
Waren mit ihm, denn das weiß ich:
Unser Graf hat seine Leute
Nicht bei diesem Schurkenstreich.
Doch das grimme Ungewitter, 14
Das zur selben Stunde tobte,
Und der Schrecken unsrer Leute,
Die so nahe an der Heimat
Sich des Unfalls nicht versahen.
Machte, daß der wilde Frechling
Böse Hiebe auf uns führte.
Nicht um unsre vollen Wagen
War es ihm zu thun, nur rächen
Wollt' er sich dafür, daß Trude,
Meine Schwester, die Verlobte
Rusts, ihn oft schon abgewiesen.
Diesem Ueberfall nun danket
Graf von Sponheim seine Wunde,
Denn, Herr Abt, der edle Jüngling
War der Vorderste im Streit.«
Also kündete der Krämer.
Marquard aber stand und schaute
Mit den kalten, hellen Augen
In die Ecke, da der dritte
Von den Männern sich geborgen:
»Tretet her, Ihr seid der Knecht wohl
Dieses edlen jungen Grafen?«
Langsam in des Lämpchens Lichtkreis
Tritt der Scheue jetzt herüber.
Ein Gewand von hellem Leder
Decket jugendschlanke Glieder,
An dem Leibgurt bei dem Messer
Hänget eine kleine Laute,
Und das Antlitz, das nun offen
Auf den Abt sieht, spricht von Ehrfurcht
Halb und halb von heller Neugier,
Spricht von Uebermut und Frohsinn,
Den wohl seines Herren Unfall
Mühsam nur zurückgedämmt hat.
Marquard schauet lange prüfend
An dem jungen Knecht hinunter,
Eh' er fragt: »Sag an, wie heißt du? 15
Und kannst du, bis sich dein Junker
Wohler fühlt, uns Kunde geben,
Die zu wissen vielleicht not thut?«
Stolz und wichtig sagt der Reitknecht:
»Herr, erfahrt, ich heiße Konrad,
Bin von Meginhard, dem alten
Grafen Sponheim, auserkoren,
Seinem edlen Sohn als Reitknecht
In die weite Welt zu folgen.
Weil mein Herr der Nachgeborne,
Wird er Abt einst oder Bischof,
Wie Ohm Bruno, der uns treulich
Half, dem alten Herrn zu Hause
Die Erlaubnis abzuringen
Für die Reise in die Weite.
Viele Worte waren nötig,
Und so nicht der fromme Oheim
Uns an lauter Bischofshöfe,
Stifter, Klöster und Abteien
Briefe hätte mitgegeben,
Wär' der alte Herr wohl heut noch
Gegen unsre Fahrt, die schmählich
Gestern nun ward unterbrochen.«
Marquard lächelt sein, dann fragt er:
»Wisset Ihr, wo Euer Junker
Seine Briefe hat gelassen?«
Konrad zieht aus seinem Wamse
Rasch ein bös zerknittert Päckchen,
Reicht's dem Abt, der steckt es eilig
Unter seine weite Cappa,
Und dabei zum ersten Male
Streift sein Blick den kleinen Prior,
Der bei einem Laienbruder
Unbeweglich an der Thür steht.
Marquard neigt noch einmal tief sich
Auf den Kranken, lauscht und kehret
Sich nun zu den beiden Krämern: 16
»Bald ist Mitternacht vorüber,
Und dann stehet anzunehmen,
Daß dem bösen Blutverluste
Fieber schwerlich noch wird folgen.
Ruhet euch nun aus, ihr Männer,
Konrad soll mit einem Bruder
Wache halten bei dem Kranken;
Morgen, sofern dann sein Zustand
Es erlaubt, wird ihm im Kloster
Nah' bei mir Quartier bereitet,
Und der edle Gast soll sicher
Gute Pflege bei uns finden.«
Dankend neigen sich die Männer,
Und der Abt geht mit dem Prior
Leise aus der Krankenstube.

Kaum hat sich der Herberg' Thüre
Hinter beiden zugeschlossen,
Räuspert hörbar sich der Prior:
»Domine, nehmt meinen Glückwunsch!
Und bedenkt: nicht alle Tage
Kommt ein Sponheim Euch zu Gaste.
Und dazu ein kranker, schwacher,
Dem so recht die Christenliebe
Ohne Eigennutz mag dienen!«
Marquard schweigt und schreitet weiter,
Und der Mond allein, er sieht es,
Wie die scharfgeschnittnen Züge
Seltsam zucken bei dem Hohn. 17

 

 


 


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