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II.

»Man muß eingestehen, daß Ihr Sohn, der Ihre Abneigung gegen Herrn Thorpe kannte, eben keine kluge Wahl traf; aber Wordsworth sagt:

Das Kind ist des Mannes Vater,

und Sie müssen deßhalb nicht erwarten, daß aus verdorbenen Knaben gehorsame Sohne werden können.«

»Sie tadeln mich immer mit einem so stereotypen Lächeln und so sanfter Stimme, Doktor, als wenn Sie mir eher schmeicheln, als mich verdammen wollten. Doch dem sei, wie ihm wolle, nie habe ich Sarah etwas entzogen, obgleich die Leute sagen, ich habe in blinder Parteilichkeit für Georg seine Schwester vernachlässigt. Nichtsdestoweniger hat sie durch ein sonderbares Zusammentreffen, als wenn ich verdammt wäre, von meinen beiden Kindern gequält zu werden, einen nicht weniger merkwürdigen Akt von Tollheit begangen und meine Wünsche noch auf eine anstößigere und unkindlichere Weise durchkreuzt. Sie hat nicht nur einen Antrag des Frank Rashleigh zurückgewiesen, eines Mannes, auf den ich mein ganzes Vertrauen gesetzt hatte, weil er gewiß Earl of Downport wird, sondern sie hat auch eine Verbindung mit Herrn Mason, einem Geistlichen, einem armen Teufel mit elenden 100 Pfund jährlich, eingegangen.«

»Da sie einen so reichen Vater hat, denkt sie eben, daß ihr Mann nicht nöthig hat, reich zu sein.«

»Aber ich denke es; oder ich verlange wenigstens, daß er einen gewissen Rang habe, seine Armuth auszugleichen.«

»Welche Einwendungen hat sie denn gegen den Mann Ihrer Wahl?«

»Sie sagt, er sei ein Narr und ein schlechter Mensch, mit dem sie nichts zu thun haben wolle. Ich verlange nicht, daß mein Schwiegersohn ein weiser oder ein tugendhafter Mann sein soll, aber ich wünsche meine Tochter als Gräfin zu sehen. Was den Geistlichen betrifft, so hat sie versprochen, ihn nie ohne meine Beistimmung zu heirathen, die sie aber, so lange ich lebe, nie erlangen wird; nach meinem Tode aber habe ich durch mein Testament vorgesorgt, daß sie von den jährlichen 1000 Pfund, die ich ihr hinterlasse, nur 100 bekommt, wenn sie Masons Frau wird. Nun, lieber Doktor, wenn Sie nicht zugeben, daß die Stufenjahre etwas mit einem Unwohlsein zu thun haben, so werden Sie doch wohl zugeben, daß ich Plagen, Qualen und Widerwärtigkeiten genug gehabt habe, um die Gesundheit zu zerrütten?«

»Ich habe es immer gerne, wenn mir mein Kranker seine eigenen Eindrücke, die er für die Ursache der Krankheit hält, angiebt; bevor ich aber meine Meinung abgebe, müssen Sie mir zuerst die besonderen Symptome angeben. Sie haben einen unordentlichen, intermittirenden Puls, aber es fehlt Ihnen nicht an Kraft, denn Sie haben diese lange Unterredung ausgehalten ohne eine merkliche Erschöpfung.«

»Das ist rein zufällig, denn bisweilen werde ich von einem heftigen Zittern des Herzens, Schwindel im Kopfe, Geräusch in den Ohren, Funkeln vor den Augen befallen, welches Alles so lange anhält, bis ich unempfindlich werde und so bedeutend lange Zeit bleibe, ganz als wäre ich todt. Einmal blieb ich drei Stunden in diesem Zustande, und als ich mein Bewußtsein wieder erhielt, verging noch eine Stunde, ehe ich sprechen konnte. Vor ohngefähr einer Woche wurde ich, nach großer Niedergeschlagenheit des Körpers und Gemüths, plötzlich aller willkürlichen Bewegung beraubt; meine Glieder waren so steif, als wäre ich eine Statue; und während dieser Anfälle erschienen mehre Blattern auf meinem Körper, ein Uebel, dem ich nie zuvor unterworfen gewesen bin. Hier, Doktor, haben Sie alle Symptome meiner Krankheit; nun sagen Sie mir, was denken Sie von der Sache?«

»Da sind Zeichen von Synkope, von Lähmung und Katalepsie, aber Alles so komplicirt und in ungewöhnlicher Form, daß ich die eigentliche Natur Ihrer Krankheit nicht bestimmen kann. Aber zweierlei muß ich Ihnen frei bekennen – mir gefallen diese Paroxysmen, die einen sehr schlimmen Typus haben, nicht; ebenso wenig glaube ich, daß sie durch gemüthliche, wenn auch heftige Gemüthsbewegungen herbeigeführt worden sind. Ehe wir ein Heilmittel für Ihren zerrütteten Zustand angeben können, müssen wir erst versuchen die Ursache aufzufinden, die vielleicht einer kürzlichen Unmäßigkeit zugeschrieben werden muß – einem Exceß im Essen oder Trinken, oder irgend einer Abweichung von Ihrer gewohnten Diät.«

»Das ist falsch, lieber Doktor, denn ich habe meine gewohnte Lebensweise in keiner einzigen Rücksicht geändert, ausgenommen daß ich täglich zwei- oder dreimal von Raby's Restaurativ nehme.«

»Was zum Teufel ist denn das?«

»Wie ich Ihnen schon gesagt habe, glaubt mein Sohn Georg fest an die großen Gefahren der Stufenjahre, und da er gehört hat, daß diese Arznei die Lebenskräfte alter Männer sicher und auf eine wundervolle Weise wiederherstellt, so war er so freundlich, mir davon einen hinreichenden Vorrath von Newmarket zu senden, wo der, welcher ein Patent darüber hat, wohnt; und wenn ich mich schlimmer darauf befinde, so dringt er darauf, die doppelte Dosis als das einzige Hülfsmittel zu nehmen.«

»Und dabei hat er Ihnen gesagt, es sei nicht nöthig nach einem Arzt zu schicken! Sonderbar! Ich werde so oft zu Kranken gerufen, die sich bei dem Versuch sich selbst zu kuriren halb ums Leben gebracht haben, daß ich die Namen von Quacksalbermitteln recht wohl kenne, aber von Raby's Restaurativ habe ich noch nichts gehört. Haben Sie etwas von diesem kostbaren Mittel zur Hand?«

»Ja, da steht noch eine uneröffnete Flasche beim Spiegel.«

»Es ist aber keine Aufschrift an der Flasche, die doch bei patentirten Arzneien selten fehlt; auch ist der Name des Verkäufers oder Chemikers nicht angegeben, was ebenso ungewöhnlich ist.«

Nachdem der Doktor einige Zeit daran gerochen und mit der Spitze der Zunge vorsichtig davon gekostet hatte, fuhr er fort:

»Ich denke, ich kann einen von den Bestandtheilen errathen; wenn Sie mir aber erlauben wollen, die Mischung zu Hause zu analysiren, so werde ich besser darüber entscheiden können. Zugleich aber versprechen Sie mir, keinen Tropfen mehr davon zu nehmen, bis ich morgen wiederkomme.«

»Ganz recht; aber ich werde es vermissen, denn es ist eine sehr angenehme und gute Herzstärkung. Georg versichert mich, daß, wenn es in hinreichender Quantität genommen wird, es immer seinem Zwecke entspricht.«

»Sehr wohl; aber was war der Zweck? ich fürchte alle Quacksalbereien, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, und noch mehr die Verordnungen von Amateurs.«

»Ach, Sie sind so mißtrauisch wie Sarah, die mich himmelhoch gebeten hat, das Restaurativ nicht zu nehmen. Das arme Mädchen! sie ist mir eine vorzügliche Wärterin gewesen, hat früh und spät für mich gesorgt, und war immer bei guter Laune, außer wenn ich darauf beharrte, Georgs Vorschrift zu folgen und mit der Herzstärkung zu steigen.«

»Ihre Blicke zeigen, daß sie zu viel gethan hat. Das darf nicht sein. Ich werde Ihnen bis morgen eine ordentliche Wärterin senden.«

»Was die Blicke des Mädchens betrifft, so kümmere ich mich nicht viel darum. Vielleicht kümmert sie sich um ihren armen Geliebten; übrigens müssen meine Kinder etwas für mich thun, denn gewiß ich habe viel für sie gethan, und nie angestanden, ihretwegen in meinen Verträgen einige Unregelmäßigkeiten zu begehen, wo ich dachte, daß es irgend geschehen könne; – immer dachte ich an sie.«

»Und vergaßen, wie es scheint, zuweilen sich selbst darüber.«

»Ich sollte diese kleinen Fehler Niemand mittheilen, und auch jetzt thue ich es in Vertrauen: mein Bekenntniß bleibt ganz entre nous

»Doch nicht ganz; ein Dritter hat Sie die ganze Zeit belauscht.«

»Gott sei mir gnädig! sprechen Sie nicht so. Wer? – Wo?«

»Der Doktor wies mit seinem Finger nach dem Himmel und schwieg.« Sonderbar! daß eine so einfache Bewegung mir ins Herz dringen und mich meine Augen mit einem Gefühl von Erniedrigung und Vorwürfen niederschlagen machen konnte. Erst nach einer bis zwei Minuten fand ich Muth zusagen: »Nein, lieber Doktor, Sie müssen nicht so strenge und zu catonisch sein, Jedermann betrügt das Gouvernement.«

»Aber Niemand betrügt Gott«, war die Antwort; und ich wünschte, mein Gegner möge weit weg sein, als er plötzlich ausrief: »Wie kommt es, daß Ihr Sohn Sarah zum Dispensator Ihres Quacksalbermittels, wenn es dieß ist, und zur Wächterin an Ihrem Krankenbette macht, da ihm doch selbst diese Pflichten zukommen?«

»Oh! Georg kann nie bei der großen Versammlung zu Newmarket fehlen, und er hat eines der ersten Rennpferde. Er ist immer glücklich, wenn er mit seinem jungen Freunde, Sir Freeman Dashwood, zusammen sein kann; ich habe ihm immer in seinen Launen und Phantasien nachgegeben.«

»Ja sogar in den zweifachen Dosen von Raby's Restaurativ, obgleich es bis jetzt seinem Namen durchaus nicht entsprochen hat. Ich will nach Hause eilen und Ihnen ein Alexipharmacum senden, das ich Sie sobald als möglich einzunehmen bitte.«

»Wie eingenommen ihr Alle von langen Worten seid! Was der Teufel sind denn Alexipharmaca?«

»Sie werden gewöhnlich angewendet, wenn wir die Gegenwart eines Giftes in dem Körper vermuthen.«

»Gift! welch schrecklicher Gedanke! Gewiß, Sie vermuthen nicht, daß ich vergiftet bin?«

»Es ist nicht mein Geschäft Verdacht zu hegen, sondern Symptomen zu begegnen; die Ihrigen aber gleichen sehr denen eines vergifteten Menschen. Vielleicht haben Sie, ohne es zu wissen, einen giftigen Stoff in Ihren Körper bekommen, welchen wir so schnell als möglich herauszuschaffen suchen müssen. Manche Menschen werden so hingerichtet, ohne daß sie es merken. Ihr Fall erfordert schnelle Hülfe, deßhalb muß ich eilen nach Hause zu kommen. Ich werde Sarah Anweisung geben, im Falle Sie des Nachts wieder Anfälle bekommen sollten, und werde morgen zeitig wieder hier sein.«


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