August Strindberg
Die Inselbauern
August Strindberg

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Siebentes Kapitel

Carlsson wahrträumt; der Sekretär wird bewacht, aber der Tod kommt und macht einen Strich durch alles.

Carlssons Ehe war, obwohl sie erst kurze Zeit bestand, nicht gewesen, was man glücklich nennt. Die Alte war bei Jahren, wenn auch nicht steinalt, und Carlsson stand im Begriff, in sein gefährliches Alter einzutreten. Bis zu seinen jetzt begonnenen vierzig Jahren hatte er sich abgearbeitet, um sein Brot zu verdienen und vorwärts zu kommen; und das Mädchen, das er hatte haben wollen, hatte er nicht bekommen. Jetzt, da er am Ziel war, und ein ruhiges Alter vor sich sah, fing das Fleisch an zu pochen, vielleicht stärker als sonst, weil er im letzten Jahr nicht so streng gearbeitet hatte; vielleicht auch, weil er das Fleisch stärker gefüttert hatte, als es vertrug. Seine Gedanken begannen daher zu spielen, wenn er in der warmen Küche sass, und seine Augen gewöhnten sich daran, dem jungen Körper Claras zu folgen, wie sie aus- und einging. Die Blicke blieben allmählich haften, liessen sich nieder und ruhten, machten kleine Ausflüge hierhin und dorthin, flogen fort, kamen wieder. Schliesslich sass das Mädchen ihm im Auge: wohin er auch ging, immer sah er sie.

Aber eine andere, die sah auch; aber nicht Clara,, sondern die Augen, die ihr folgten; und je mehr sie sah, desto mehr glaubte sie zu sehen; wie ein Gerstenkorn schlug es sich auf ihr Auge, das schmerzte und floss.

Es war einige Tage vor Weihnachten. Es war dunkel geworden, aber der Mond war aufgegangen und schien klar über schneebedeckte Fichten, auf die blanke Bucht und den weissen Boden. Ein karger Nordwind fegte trockenen Schnee vor sich her.

In der Küche stand Clara und heizte den Backofen, während Lotte am Backtrog arbeitete. Carlsson sass in der Schrankecke, rauchte seine Pfeife und spann wie eine Katze in der Wärme. Seine Augen waren draussen auf Spiel und sie erwärmten sich und ergötzten sich, als sie auf Claras weissen Armen haften blieben, die aus dem Hemd herausragten.

– Willst du nicht erst melken, ehe wir auffegen? fragte Lotte.

– Ja, das muss ich, antwortete Clara und zog eine Jacke aus Schafpelz an, nachdem sie Kratze und Wedel fortgelegt hatte.

Dann steckte sie die Stallaterne an und ging hinaus.

Als sie gegangen war, stand Carlsson auf und ging nach.

Nach einer Weile kam die Alte aus der Stube und fragte nach Carlsson.

– Er ist Clara in den Stall nachgegangen, antwortete Lotte.

Ohne auf nähern Bescheid zu warten, nahm die Alte eine Laterne und ging auch hinaus.

Draussen blies ein scharfer Wind; aber sie wollte nicht umkehren, um sich etwas anzuziehen, da sie nur einen Steinwurf weit zu gehen hatte. Auf den Steinen rutschte sie aus und der Schnee wirbelte wie Mehlstaub, aber sie kam doch ziemlich schnell nach dem Stall und ging sofort zum Vieh hinein, wo es warm war. Dort stellte sie sich hin, um zu lauschen, und hörte, dass in der Schafhürde jemand flüsterte. In dem schwachen Mondschein, der durch die Spinngewebe und Heuhalme der Scheibe fiel, sah sie, wie die Kühe ihre Köpfe nach hinten drehten und sie mit grossen, im Dunkel grün leuchtenden Augen anguckten. Der Schemel stand da und der Eimer auch. Aber nicht das wollte sie sehen; etwas anderes, etwas, das sie um alles in der Welt nicht hätte sehen mögen; etwas, das sie lockte wie eine Enthauptung; etwas, das das Leben aus ihr scheuchte.

Ueber die Streuhaufen ging sie durch den Kuhstall und kam zu den Schafen. Da war es dunkel und still; die Laterne stand da, sie war gelöscht, aber das Talglicht rauchte noch. Die Schafe standen auf und raschelten mit trockenen Laubzweigen. Nein, das wollte sie nicht sehen.

Sie ging weiter und kam zu den Hühnern; die waren auf ihre Pflöcke geflogen und glucksten etwas, als seien sie eben geweckt worden.

Die Tür stand offen, und sie kam wieder in den Mondschein hinaus. Zwei Paar Schuhe, ein kleineres und ein grösseres, hatten Spuren im Schnee hinterlassen; diese Spuren waren blau in den Schatten, und sie führten nach der Hagtür, die abgehoben war. Sie ging nach, als werde sie von jemandem geschleppt; wie eine Kette lagen die Spuren am Boden; an dieser Kette war sie angemacht und wurde nun von einer unsichtbaren Stelle im Hag gezogen.

Und die Kette zog und zog, zog sie in denselben Hag, an demselben Zauntritt vorbei, unter dieselben Haselbüsche, wo sie ein anderes Mal, ein schreckliches Mal, eine Abendstunde erlebt hatte, an die sie sich nicht erinnern wollte. Jetzt standen, die Haselbüsche nackt und trugen nur ihre neuen Knospen, die kleinen Kohlraupen glichen; an den Eichen raschelte das braune harte Laub im Wind; aber so dünn war das Laub, dass man die Sterne und den grünschwarzen Himmel sehen konnte.

Und immer weiter erstreckte sich die Kette; schlängelte sich durch die Fichten, die ihr Schnee auf ihr graues, dünnes Haar warfen, wenn sie gegen die Zweige kam; auf Hals und Rücken stäubte der Schnee, fiel über ihre gestreifte Bluse, kühlte und feuchtete.

Immer weiter und weiter gings in den Wald hinein; das Auerhuhn flog von seinem Nachtzweig auf und erschreckte sie; über Moore gings, deren Schollen schwankten; über Feldzäune, die krachten, wenn sie darüber setzte.

Zu Zweien liefen die Spuren, die eine klein, die andere gross, Seite an Seite, bald in einander tretend, bald um einander, als ob sie getanzt hätten; über Stoppelfelder, von denen der Schnee abgeweht war; über Steinhaufen und Gräben, über Buschzäune und Windbruch.

Sie wusste nicht, wie lange sie ging; aber ihr fror der Kopf und ihre Hände waren klamm; sie steckte die magern, roten Hände bald unter den Rock, bald blies sie darauf. Sie wollte umkehren, aber es war zu spät; auch war der Rückweg jetzt wohl ebenso weit, als wenn sie geradeaus ging. Also vorwärts durch ein Espenwäldchen, dessen letztes Laub zitterte und raschelte, als friere es im Nordwind.

Dann kam sie zu einem Zauntritt.

Der Mondschein war klar und scharf; sie konnte deutlich sehen, dort hatten sie gesessen. Sie sah den Eindruck von Claras Rock, von der Jacke mit der Schafpelzverbrämung.

Hier war es also gewesen! Hier! Sie zitterte in den Kniekehlen, fror, als sei ihr Blut Eis geworden; brannte, als habe sie kochendes Wasser in den Adern. Erschöpft, setzte sie sich auf den Zauntritt nieder, weinte, schrie; plötzlich ward sie ruhig, stand auf und ging hinüber.

Auf der andern Seite lag die Bucht: blank, schwarz; und gerade gegenüber sah sie die Lichter in der Stuga und ein Licht oben im Stall. Der Wind wehte scharf und ging ihr durch den Rücken, zauste an den Haaren und vereiste die Nasenflügel. Halb laufend kam sie aufs Eis hinunter, hinauf auf die schwankende Fläche, hörte das trockene Schilf um ihre Ohren sausen, unter ihren Füssen knacken. Ueber eine eingefrorene Boje fiel sie nieder. Erhob sich wieder und lief weiter, als sei der Tod ihr auf den Fersen. Als sie das andere Ufer erreichte, fuhr sie mitten durchs Eis, das sich infolge des sinkenden Wasserstandes wie Fensterscheiben auf den Schlammboden gelegt hatte und unter ihrer Last klingend und krachend zerbrach. Sie fühlte, wie die Kälte die Beine hinauf stieg, aber sie wagte nicht zu schreien, damit niemand komme und frage, wo sie gewesen. Hustend, als wolle ihre Brust springen, schleppte sie sich aus der Wake, schlich sie die Höhe hinauf. Als sie ans Haus kam, ging sie unmittelbar aufs Bett zu, legte sich nieder und bat Lotte, Feuer im Herd zu machen und Fliedertee aufzusetzen.

Sie liess sich die Kleider ausziehen, Decke und Schaffelle über sich werfen; liess den Ofen mit Knüppelholz heizen, fror aber doch unaufhörlich.

Schliesslich liess sie Gustav rufen, der in der Küche sass.

– Bist du krank, Mutter? fragte er mit seiner gewöhnlichen Ruhe.

– Jetzt bin ichs, antwortete die Alte pustend, und ich komme nie wieder auf. Schliess die Tür und geh an den Sekretär. Der Schlüssel liegt hinter dem Pulverhorn auf dem Fach; du weisst doch!

Gustav gehorchte niedergeschlagen.

– Oeffne die Klappe; zieh die dritte Schublade linker Hand aus und nimm den grossen Brief ... Ja, den ... Leg den ins, Feuer.

Gustav gehorchte, und bald flammte das Papier im Ofen, rollte sich und verkohlte.

– Schliess die Tür, mein Junge, und mach den Sekretär zu! Steck den Schlüssel zu dir! Setz dich hierher und hör mich an; denn morgen kann ich nicht mehr sprechen.

Gustav setzte sich, weinte ein wenig, denn jetzt hörte er, dass es ernst war.

– Wenn ich die Augen zumache, so nimm das Petschaft deines Vaters, du hast es selber, und versiegele alle Schlüssellöcher, bis die Gerichtsherren kommen.

– Und Carlsson? fragte der Sohn zögernd?

– Der kriegt sein Altenteil; das wird ihm wohl niemand nehmen! Aber nicht mehr; und kannst dus auslösen, so tu es! Gott sei mit dir, Gustav! Du hättest wohl auf meine Hochzeit kommen können; aber du hast wohl deine Gründe gehabt. Und jetzt, wenn ich reise, musst du verständig sein. Kein Sarg mit silbernem Schild; du nimmst solch einen gelben, gebeizten. Will der Pastor einige Worte sprechen, so mag er es; du kannst ihm dafür Vaters Meerschaumkopf geben und seiner Frau ein halbes Schaf. Und dann, Gustav, schau, dass du dich bald verheiratest. Nimm ein Mädchen, das du liebst und halte dich zu ihr; aber nimm eine aus deinem Stand; und hat sie Geld, so schadet es nichts! Aber nimm keine, die unter dir steht; die fressen dich nur auf wie Läuse; und gleich und gleich gesellt sich gern. Willst du mir jetzt etwas vorlesen, so will ich sehen, ob ich einschlafen kann.

Die Tür öffnete sich, und Carlsson schlüpfte herein, weich, aber zuversichtlich.

– Bist du krank, Anna Eva? fragte er kurz; dann wollen wir nach dem Doktor schicken.

– Das ist nicht nötig, antwortete die Alte und drehte sich nach der Wand.

Carlsson ahnte den Zusammenhang und wollte wieder gut Freund werden.

– Bist du böse auf mich, Anna Eva? Ach was, man wird doch nicht um nichts und wieder nichts böse werden! Soll ich dir aus dem Buch vorlesen ?

– Ist nicht nötig! war alles, was die Alte antwortete.

Carlsson merkte, dass hier nichts mehr zu machen war; da er unnütze Arbeit nicht liebte, nahm er die Sache, wie sie war, und setzte sich auf das Holzsofa, um zu warten. Da die geschäftliche Lage klar war und die Alte nicht Lust oder nicht Kraft hatte, sich mitzuteilen, so war nichts mehr hinzuzufügen; und was Gustav und ihn betraf, das würden sie später schon miteinander abmachen.

Einen Arzt zu holen, daran dachte niemand, denn die Leute waren es gewohnt, allein zu sterben; auch war jede Verbindung mit dem Festland unterbrochen.

 

Zwei Tage lang bewachten Gustav und Carlsson die Kammer und einander. Wenn der eine auf einem Stuhl oder dem Sofa einschlummerte, machte auch der andere mit einem Auge ein Schläfchen. Sobald sich aber jemand rührte, fuhr der andere wieder in die Höhe.

Am Morgen vor Weihnachten war Frau Carlsson tot.

Gustav hatte ein Gefühl, als sei die Nabelschnur jetzt erst durchschnitten; als sei er jetzt erst vom Mutterleib frei und ein selbständiger Mann geworden. Nachdem er seiner Mutter die Augen zugedrückt und ihr das Gesangbuch unter das Kinn gelegt hatte, damit der Mund nicht klaffe, steckte er in Carlssons Gegenwart ein Licht an, holte Petschaft und Lack und versiegelte den Sekretär.

Die unterdrückten Leidenschaften erwachten; Carlsson trat vor und stellte sich mit dem Rücken gegen den Sekretär.

– Holla, was machst du da, Junge? fragte er.

– Ich bin jetzt kein Junge mehr, antwortete Gustav; ich bin jetzt Herr auf Hemsö, und du bist Altsitzer.

– Dazu gehören wohl zwei! meinte Carlsson.

Gustav nahm die Flinte von der Wand, zog den Hahn auf, dass das Zündhütchen zu sehen war; trommelte auf den Kolben und brüllte zum erstenmal in seinem Leben:

– Hinaus! Sonst drücke ich los!

– Drohst du?

– Ja, da keine Zeugen da sind! antwortete Gustav, der in letzter Zeit mit Leuten vom Gericht gesprochen zu haben schien.

Das war Bescheid, und den verstand Carlsson. – Warte du nur, bis die Teilung stattfindet, sagte er und ging in die Küche hinaus.

Der Weihnachtsabend war dieses Jahr düster. Eine Leiche im Haus und keine Möglichkeit, nach Sarg und Leichenkleid zu schicken; denn der Schnee fiel unaufhörlich, dass Strömungen und Meeresflächen weder trugen noch brachen. Ein Boot in die See zu bringen, war unmöglich, denn das Wasser war ein einziger Eisschlamm, der weder rudern noch fahren noch gehen zuliess.

Carlsson und Flod, wie Gustav sich jetzt nennen liess, gingen um einander herum; sassen zusammen zu Tisch, ohne ein Wort mit einander zu wechseln. Das Haus war in Unordnung; niemand setzte die Arbeit in Gang; jeder verliess sich auf den andern; so blieb die meiste Arbeit ungetan.

Der Weihnachtstag begann, grau, neblig; wieder schneite es. Nach der Kirche zu kommen, war ebenso unmöglich, wie irgend wohin zu kommen; darum las Carlsson die Predigt in der Küche. Man wusste, dass man eine Leiche im Hause hatte, und keine Weihnachtsfreude kam auf. Das Essen war nachlässig zubereitet; nicht zur rechten Zeit fertig, und alle waren missvergnügt. Es lag etwas Dumpfes in der Luft, sowohl draussen, wie drinnen; und da die Leiche der Alten in der Stube stand, weilten alle in der Küche. Es war wie eine Einquartierung. Wenn man nicht ass oder trank, schlief man, einer auf dem Sofa, einer auf dem Bett, zum Kartenspiel zu greifen oder die Handharmonika vorzunehmen, fiel niemandem ein.

Der zweite Weihnachtstag kam und verging, ebenso schwer, ebenso langweilig. Jetzt aber verlor Flod die Geduld. Einsehend, dass eine Zögerung schlimme Folgen haben könne, da die Leiche sich zu verwandeln begann, nahm er Rundqvist mit in den Arbeitsschuppen. Dort tischlerten die beiden einen Sarg, der dann gelb gestrichen wurde. Was man im Hause auftreiben konnte, in das wurde die Tote gehüllt.

So war der fünfte Tag gekommen.

Da das Wetter keine Zeichen gab, dass es sich bessern werde, und man die Aussicht hatte, vierzehn Tage warten zu müssen, musste man um jeden Preis versuchen, die Leiche nach der Kirche zu schaffen, um sie in die Erde zu bringen. Man schob also das grosse Netzboot in die See, und alle Mannsleute rüsteten sich zu einer Eisbootsfahrt mit Schlittenkufen, Eispickeln, Beilen und Stricken.

Früh am sechsten Tage begaben sie sich auf die lebensgefährliche Fahrt.

Bald war eine Strömung offen; dann ruderte man. Dann kam man an eine Fläche, die unterm Eis lag; da musste man das Boot auf die Schlittenkufen schieben; wenn das gelungen war, musste man sich vorspannen und ziehen. Am schlimmsten war es im Eisschlamm; da platschten die Ruder nur auf und nieder, ohne dass das Boot mehr als einige Zoll weiter kam. Oft musste man vorausgehen und eine Rinne mit Eispickeln und Beilen aufhauen; aber wehe dem, der sich verhieb und aus der Rinne herauskam, wo eine Strömung die dünne Kruste zerfressen hatte.

Es war Nachmittag geworden, und noch hatten sie sich nicht die Zeit zum Essen und Trinken genommen. Noch war die letzte freie Meeresfläche zurückzulegen. So weit sie sehen konnten, öffnete sich ein einziges grosses Schneefeld, hier und dort mit kleinen runden Erhöhungen; das waren eingeschneite Kobben. Die Krähen kamen von draussen angeflattert und zogen ins Land hinein, um ihren Nachtzweig zu suchen. Zuweilen dröhnte das Eis, als sei Tauwetter im Anzug, und draussen auf dem offnen Meer brüllten die Seehunde. Die Eisfläche lag östlich nach dem Meer zu offen, aber es war keine Meerwake zu sehen. Verdächtig war aber, dass sie die Eisente »alla« rufen zu hören glaubten. Da sie vierzehn Tage lang keine Zeitung bekommen hatten, wussten sie nicht, ob die Leuchttürme brannten; aber zwischen Weihnachten und Neujahr brannten sie sicher nicht.

– So gehts nicht weiter! äusserte Carlsson, der bisher still gewesen war.

– Es muss gehen, sagte Flod und stemmte die Schulter gegen den Schlitten; aber wir müssen auf der Möwenklippe landen, um etwas Essen zu uns zu nehmen.

Und damit steuerte man auf die Klippe zu, die mitten in der freien Meeresfläche lag.

Sie war indessen entfernter, als man geglaubt hatte; und sie änderte ihr Aussehen, je näher man ihr kam; schliesslich aber hatte man sie auf Kabellänge vor sich.

– Wuhne voraus! schrie Norman, der Ausguck hatte; nach links halten!

Die Schlittenkufen machten eine Schwenkung nach links. Immer weiter nach links; schliesslich hatte man die Klippe umgangen. Infolge der letzten Sonnenwärme oder der warmen Grundströmungen hatte die Klippe sich selber abgeschnitten und schien von keiner Seite zu erreichen zu sein, wenigstens nicht auf Schlittenkufen.

Die Dämmerung fiel, guter Rat war teuer; Flod, der den Befehl über alle Manöver übernommen hatte, entwarf sofort einen Angriffsplan: das Boot sollte in die Wuhne geschoben werden, und im selben Augenblick sollten sich alle Mann hineinwerfen und an die Riemen setzen.

Gesagt, getan;

– Eins, zwei, drei! befahl Flod.

Das Boot schoss vor, liess die Schlittenkufen zurück, kippte – und der Sarg rutschte in die See.

Aus Schreck vergassen Flod und Carlsson, die hinten waren, ins Boot zu springen und blieben auf dem Rand des Eises stehen, während Rundquist und Normann sich retteten.

Der Sarg war schlecht gefügt, füllte sich mit. Wasser und sank, ehe jemand soweit zur Besinnung kam, um an etwas anderes als sich selber zu denken. – Jetzt gehen wir sogleich nach der Pfarre! befahl Flod, der heute mehr handelte als überlegte.

Carlsson machte Einwendungen; aber auf Gustavs Frage, ob er lieber die ganze Nacht hier stehen wolle, konnte er nichts erwidern, zumal er sah, dass keine Aussicht war, den Sarg zu heben.

Rundquist und Norman arbeiteten sich inzwischen ans Land und schrien den Kameraden zu, nachzukommen. Flod aber antwortete nur, indem er mit der Hand adieu winkte und nach Süden zeigte, wo die Pfarre lag.

Eine lange Weile wanderten Carlsson und Flod still dahin; Gustav voran mit dem Eispickel, um zu prüfen, ob das Eis hielt; Carlsson hinterdrein, den Rockkragen in die Höhe geschlagen. Ihm war schauerlich zu Mut, da seine Frau ein so schnelles und klägliches Ende gefunden, und die Schuld dafür würde man sicher auf ihn schieben.

Als sie eine halbe Stunde gegangen waren, blieb Gustav stehen, um zu verschnaufen. Dann sah er sich nach Riffen und Ufern um, um zu bestimmen, wo er sich befand.

– Zum Teufel, wir sind verkehrt gegangen! brummte er; das war ja gar nicht die Möwenklippe; die liegt ja dort! Und er zeigte nach Osten. Und dort haben wir die Kiefer von Gillöga.

Auf einer langgestreckten Insel nach der Landseite zu stand eine einsame Kiefer, die von einer abgeholzten Waldhöhe übrig geblieben war und mit ihren beiden einzigen Aesten einem optischen Telegraphen glich; sie war als Seezeichen oder Landmarke bekannt.

– Und dort haben wir die Trälschäre.

Er sprach zu sich selbst und schüttelte den Kopf.

Carlsson wurde bange, denn er war in diesem Inselmeer nicht zu Hause und hatte zu Gustavs Wissen unbegrenztes Vertrauen gehabt.

Flod hatte inzwischen Besteck genommen, änderte den Kurs und setzte sich mehr nach Süden in Bewegung.

Die Dämmerung war gekommen, aber der Schnee leuchtete etwas, dass sie Landmarke halten konnten. Sie sprachen kein Wort, aber Carlsson hielt sich dicht hinter seinem Führer.

Plötzlich blieb dieser stehen und lauschte. Carlssons ungewohntes Ohr hörte nichts, aber Gustav vernahm ein schwaches Rauschen von der Ostseite, wo eine Wolkenwand, dichter und schwärzer als der Nebelschleier, der den Gesichtskreis verhüllte, aufgestiegen war.

Sie standen eine Weile still, bis Carlsson ein schwaches Brausen und Rauschen hören konnte, das sich näherte.

– Was ist das? fragte er und trat dichter an Gustav heran.

– Das ist die See! antwortete der. In einer halben Stunde ist der Ostwind hier mit einem Schneesturm, und wenn's schlimm kommt, bricht das Eis auf. Dann weiss der Teufel, was aus uns wird. Nur schleunigst weiter!

Er fing an zu laufen; Carlsson hinter ihm drein; der Schnee wirbelte ihnen um die Füsse und das Brausen schien ihnen zu folgen.

– Jetzt ist es aus mit uns! schrie Gustav und blieb stehen, auf ein Licht zeigend, das in Südost hinter einer Kobbe blitzte. Der Leuchtturm brennt! Die See geht offen!

Carlsson verstand die Gefahr nicht, aber er sah ein, dass es schlimm stand, wenn Gustav zitterte.

Jetzt hatte der Ostwind sie gefasst; aus der Entfernung eines Steinwurfs konnten sie die Schneewand kommen sehen, wie einen dunkeln Schirm; und gleich darauf waren sie von Schnee umgeben, der dicht, dicht fiel, und schwarz wie Russ war. Es wurde ganz dunkel um sie und das Licht des Leuchtturms, das noch einen Augenblick bleich und undeutlich wie eine Nebensonne ihnen den Weg gezeigt hatte, erlosch schliesslich.

Gustav lief in starkem Trab weiter. Carlsson folgte, so gut er konnte; aber er war ziemlich fett und konnte nicht gleichen Schritt halten, kam ausser Atem; bat Gustav, langsamer zu laufen; der aber hatte keine Lust, sich zu opfern, sondern lief, lief ums Leben. Carlsson packte ihn am Rockschoss, bettelte und flehte, er möge ihm nicht fortlaufen; versprach Gold und grüne Wälder, beschwor ihn bei seiner Seligkeit und Pein, aber nichts half.

– Jeder für sich und Gott für uns alle! antwortete Gustav und bat Carlsson, sich einige Schritte von ihm entfernt zu halten, sonst könne das Eis brechen.

Das schien es auch zu tun, denn hinter ihnen krachte es immer mehr und mehr. Was schlimmer war, das Brausen näherte sich jetzt so deutlich, dass man hörte, wie die Wellen gegen Riffe und Eisrand schlugen; auch waren die Möwen erwacht und schrien nach unerwarteter Beute.

Carlsson keuchte und schnaubte; der Abstand zwischen ihm und Gustav vergrösserte sich; schliesslich befand er sich allein in der Finsternis. Da blieb er stehen, suchte nach den Spuren, fand keine; rief, aber bekam keine Antwort. Das war die Einsamkeit, die Finsternis, die Kälte, das Wasser, das den Tod brachte.

Von Furcht aufgejagt, setzte er sich noch einmal in Bewegung; lief so, dass die Schneeflocken zurückblieben, obwohl sie dieselbe Richtung wie er hatten; dann rief er wieder.

– Dem Wind folgen, dann kommt er westlich ans Land! hörte er eine fliehende Stimme aus der Finsternis; dann ward es wieder still.

Bald hatte Carlsson keine Kräfte mehr, um laufen zu können. Mutlos verlangsamte er seinen Lauf, ging Schritt vor Schritt, ohne Widerstand leisten zu können, während er die See hinter sich kommen hörte, brausend, prustend, ächzend, als sei sie eigens auf nächtlichen Raubzug ausgezogen.

 

Pastor Nordström hatte sich um acht Uhr ins Bett gelegt, um seine Zeitung zu lesen; dann war er in einen schweren Schlaf gesunken. Aber gegen elf Uhr fühlte er den Ellbogen seiner Alten in der Seite und hörte sie rufen.

– Erich! Erich! hörte er im Schlaf.

– Was ist denn? Kannst du nicht ruhig sein! knurrte er halbwach.

– Ruhig? Bin ich etwa nicht ruhig! Langatmige Erklärungen fürchtend, beeilte sich der Pastor zu beteuern, er sei von ihrer Ruhe überzeugt, machte mit einem Streichhölzchen Feuer und fragte, was los sei.

– Es ruft jemand im Garten! Hörst du nicht? Der Pastor lauschte und setzte die Brille auf, um besser hören zu können.

– Ja, wahrhaftig! Wer kann das sein?

– Geh doch und sieh nach! antwortete seine Frau und gab dem Alten einen neuen Stoss.

Der Pastor zog Unterhosen und Pelz an, schob die Füsse in seine Überschuhe, nahm die Flinte von der Wand und setzte ein Zündhütchen darauf, schüttelte das Zündpulver hinein und ging hinaus.

– Wer da? rief er.

– Flod! antwortete eine dumpfe Stimme hinter der Fliederhecke.

– Was ist denn los, dass du so spät kommst? Liegt die Alte in den letzten Zügen?

– Noch schlimmer! klang Gustavs mitgenommene Stimme. Wir haben sie verloren.

– Verloren?

– Ja, auf der See haben wir sie verloren.

– Aber komm doch in aller Welt herein und steh nicht da in der Kälte.

Gustav sah beim Lichtschein wie ein ausgeblasenes Ei aus, da er den ganzen Tag weder gegessen noch getrunken, und ausserdem wie ein Hund mit dem Ostwind hatte um die Wette laufen müssen.

Nachdem er dem Pastor in einem Atem den ganzen Verlauf erzählt hatte, ging er zu seiner Alten hinein; nach einem kleinen Sturm von einigen Minuten erhielt er den Schlüssel zu einem gewissen Schrank in der Küche, in die er den Schiffbrüchigen führte.

Bald sass Gustav an dem grossen Küchentisch, während der Pastor Branntwein, Pressülze, Brot hervorholte und dem Ausgehungerten vorsetzte.

Darauf beriet man, was man für die Gestrandeten tun könne. Jetzt in der Nacht Leute aufzubieten und hinaus zu fahren, war verlorene Mühe; Feuer am Strand anzuzünden, war gefährlich, weil das Fahrzeuge irreführen konnte, wenn der Schein überhaupt durch den Schneesturm drang.

Um Rundqvist und Norman auf der Kobbe stand es nicht so gefährlich, aber schlimmer war es um Carlsson bestellt. Gustav glaubte nämlich zu wissen, das Meer sei aufgebrochen und Carlsson verloren.

– Es sieht gerade so aus, als müsse er für seine Taten büssen, meinte er.

– Hör mal, Gustav, wandte Pastor Nordström ein, ich finde, du bist ungerecht gegen Carlsson, und ich weiss nicht, was du mit bösen Taten meinst. Wie sah der Hof aus, als er kam? Hat er ihn dir nicht in die Höhe gebracht? Hat er dir nicht Sommergäste verschafft und dir eine neue Stuga gebaut? Und dass er sich mit der Witwe verheiratet hat? Sie wollte ihn ja haben. Dass er sie bat, das Testament zu machen, war noch kein Unrecht von ihm; dass sie es aber tat, war von ihr nicht wohl überlegt. Carlsson war ein flinker Kerl und hat alles getan, was du tun wolltest, aber nicht konntest! Was? Willst du vielleicht nicht, dass ich für dich um die Witwe von Ovassa mit ihren achtzigtausend Reichstalern freien soll? Nein, hör mal, Gustav, du musst nicht so streng sein! Man kann die Menschen von verschiedenen Gesichtspunkten betrachten!

– Mag sein; aber der Mutter hat er jedenfalls das Leben genommen; und das vergesse ich ihm nie.

– Ach was, das hast du vergessen, wenn du zu deiner Frau ins Bett kriechst! Und es ist noch gar nicht einmal sicher, ob Carlsson ihr wirklich das Leben genommen hat. Hätte die Alte sich zum Beispiel etwas angezogen, als sie an jenem Abend hinauslief, so hätte sie sich nicht erkältet. Dass er, der junge Kerl, mit dem Mädchen schäkerte, wäre allein ihr wohl nicht so nahe gegangen. So, damit wären wir jetzt im Reinen; nun wollen wir morgen früh sehen, was zu machen ist. Wir haben Sonntag und die Leute kommen in die Kirche, dann brauchen wir sie nicht erst aufzubieten! Geh jetzt schlafen und denk daran: des einen Tod ist des andern Brot.

Am folgenden Morgen, als die Leute vor der Kirche erschienen, kam Pastor Nordström in Begleitung Flods. Statt in die Kirche hineinzugehen, blieb er in der Menge stehen, die bereits zu wissen schien, was geschehen war. Nachdem er mitgeteilt hatte, dass der Gottesdienst ausfalle, forderte er alle Mannsleute auf, sich mit ihren Booten, so schnell sie könnten, an der Pfarrbrücke zu versammeln, um die Schiffbrüchigen zu bergen.

In der Menge musste der Fremdling Carlsson Feinde haben, wohl infolge von Gemeindesachen, denn im Hintergrunde murrte man und behauptete, das Gotteswort nicht entbehren zu können.

– Ach was, wandte der Pastor ein; so viel liegt euch nicht daran, meine Schelte anzuhören, wenn ich euch recht kenne. Was? Was sagst du, Ovassaer, du bist ja solch ein Schriftgelehrter, dass du gleich hörst, wenn ich mit meinen Predigten wieder von vorne anfange.

Ein leises Lächeln ging durch den Haufen, und die Bedenken waren zur Hälfte gehoben.

– Wir haben übrigens in acht Tagen wieder Sonntag; dann kommt und bringt eure Weiber mit; ich verspreche, dann euch die Köpfe zu waschen, dass es für ein Vierteljahr vorhält. Seid ihr nun einverstanden, dass wir den Esel aus dem Brunnen ziehen?

– Ja, murmelte die Menge, als habe sie Absolution für Entweihung des Sabbaths erhalten.

Dann trennte man sich, um nach Haus zu gehen und sich umzuziehen.

Das Schneegestöber hatte aufgehört, der Wind war nach Norden herum gegangen, und es herrschte kaltes, klares Wetter. Das Meer ging offen, wallte blauschwarz um die blendendweissen Kobben.

Zehn Netzboote stiessen von der Pfarrbrücke ab. Die Männer hatten Pelzröcke an und Seehundsmützen auf, brachten Beile und Dregganker mit. An Segeln war nicht zu denken; man hatte die Riemen bemannt. Der Pastor sass mit Gustav im ersten Boot, das von vier der steifsten Kerle gerudert wurde, und hatte den Bootsmann Rapp als Ausguck und vordersten Ruderer mitgenommen.

Man war ernst gestimmt, aber nicht übermässig traurig; ein Menschenleben mehr oder weniger zählte auf See nicht.

Die See ging ziemlich hoch; das Wasser, das ins Boot kam, fror sofort, musste aufgehauen und hinaus geworfen werden. Zuweilen kam eine Eisscholle angeschwommen, schrapte gegen den Bootsbord, tauchte unter und kam wieder in die Höhe; oft mit eingefrorenem Schilf, Laub, Holz, das von den Ufern losgerissen war.

Der Pastor spähte mit seinem Fernglas nach der Trälschäre, auf der Rundqvist und Norman gefangen sassen. Bald warf er einen hoffnungslosen Blick aufs Meer hinaus, in dem Carlsson wahrscheinlich ertrunken war; bald forschte er nach einer Spur auf den treibenden Eisschollen, nach einem Fuss, einem Kleidungsstück öder der Leiche selber. Aber vergebens.

Nachdem man einige Stunden gerudert hatte, näherte man sich der Schäre. Rundqvist und Norman hatten schon von weitem die Entsatzflotte entdeckt und Freudenfeuer am Ufer angezündet. Als die Boote anlegten, zeigten sie mehr Neugier als Erregung, denn in eigentlicher Lebensgefahr waren sie nicht gewesen.

– Nicht, solange man Land unter sich hat! meinte Rundqvist.

Da der Tag kurz war, begann man sofort das Boot zu heben und nach dem Sarg zu dreggen. Rundqvist konnte genau auf den Fleck zeigen, wo der Sarg lag, denn er hatte Meerleuchten im Wasser gesehen. Man zog Mal auf Mal, aber ohne etwas anderes in die Höhe zu bringen, als lange Tangranken mit Muscheln und anderm Getier; man dreggte den ganzen Vormittag, aber ohne Erfolg.

Die Leute fingen an, müde und verdriesslich zu werden. Einige waren an Land gegangen, um einen Schnaps zu trinken, ein Butterbrot zu essen, Kaffee zu kochen.

Schliesslich erklärte Gustav, er glaube, es sei nichts weiter zu machen, da die Strömung den Sarg wahrscheinlich in die Tiefe gezogen habe.

Da niemandem viel daran lag, die Leiche zu heben, und die Sache, streng genommen, keinen persönlich anging, empfand man eine gewisse Erleichterung, dass man sich nicht gefühllos gegen fremden Kummer zu zeigen brauchte.

Um indessen dieses klägliche Ende einigermassen abzurunden, trat Pastor Nordström an Flod heran und fragte, ob er eine Andacht für die Alte halten solle. Das Buch habe er mit, und ein Kirchenlied könnten die Leute wohl auswendig. Gustav nahm den Vorschlag mit Dankbarkeit an und teilte ihn den andern mit.

Die Sonne war dabei, ihre kurze Bahn zu beenden, und die Kobben lagen in rosenroter Beleuchtung da, als sich die Leute am Strand versammelten, um der den Umständen angepassten Beerdigung beizuwohnen. Der Pastor stieg, von Gustav begleitet, in ein Boot, ging in den Achtersteven, nahm sein Buch, steckte sein Taschentuch zwischen die Finger der linken Hand und entblösste seinen Kopf, während alle Männer am Strand die Mützen abnahmen.

– Wollen wir »Ich bin ein Gast auf Erden« nehmen? Könnt ihr das auswendig? fragte der Pastor.

– Ja! wurde vom Strand geantwortet.

Und dann stieg der Gesang empor, zuerst vor Kälte zitternd, dann vor Bewegung über das Ungewöhnliche in der Feier und über die ergreifenden Töne in dem alten Lied, das so viele zur letzten Ruhe begleitet hatte.

Die letzten Worte waren verklungen und hallten wider über das Wasser, gegen die Schären, durch die klare Luft. Eine Pause entstand, während der man nur hörte, wie der Wind in den Nadeln der Meerkiefern säuselte, wie die Wogen an den Steinen plätscherten, die Möwen schrien, die Boote gegen den Boden stiessen. Der Pastor wandte sein greises, gefurchtes Gesicht nach dem Meer hinaus; die Sonne beleuchtete seinen kahlen Kopf, dessen graue Haarlöckchen vom Wind wie die Hängeflechten einer alten Fichte gezaust wurden.

– Von Erde bist du gekommen, zu Erde sollst du wieder werden! Jesus Christus unser Erlöser wird dich auferwecken am jüngsten Tag! Lasst uns beten! begann er mit seiner tiefen Stimme, die gegen Wind und Welle kämpfte, um gehört zu werden.

In ein Vaterunser klang die Beerdigung aus. Nach dem Segen streckte der Pastor die Hand über das Wasser zu einem letzten Lebewohl.

Man setzte die Mützen wieder auf. Gustav drückte dem Pastor die Hand und dankte ihm, schien aber noch etwas auf dem Herzen zu haben.

– Herr Pastor, ich finde doch ... Carlsson müsste auch einige Worte haben!

– Es war für beide, mein Junge! Es ist jedenfalls schön von dir, an ihn zu denken, antwortete der Alte, der gerührter zu sein schien, als er wahr haben wollte.

Die Sonne ging unter; man musste sich trennen, um nach Haus zu fahren, so schnell man konnte.

Aber man wollte dem Flod noch eine letzte Aufmerksamkeit erweisen; nachdem man Abschied genommen hatte und alle in ihren Booten waren, folgte man ihm ein Stück Weges, formierte dann die Boote in einer Linie, wie beim Netzlegen, grüsste mit den Rudern und rief:

– Lebwohl!

Es war eine Huldigung für die Trauer, aber auch für den jungen Mann, der jetzt in die Reihe der reifen Männer aufgenommen war.

Und sein eigenes Boot steuernd, liess sich der neue Herr des Hofes von seinen Knechten nach Haus rudern, um von nun an sein eignes Fahrzeug über die windigen Flächen und grünen Sunde des launenhaften Lebens zu lenken.


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