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Zur politischen Lage

Rede, gehalten im Reichstage anläßlich der ersten Etatslesung am 27. Februar 1918

 

Meine Herren! Dem bevorstehenden Friedensschluß mit Rußland kommt eine entscheidende Bedeutung für den Weltkrieg zu. Er bedeutet die Niederkämpfung des militärisch gewaltigsten Gegners, der gegen uns in diesem Weltkrieg eingetreten ist. Darauf hat mit vollem Recht auch der Herr Abgeordnete v. Heydebrand in seinen gestrigen Ausführungen hingewiesen. Wir sind uns vielleicht als Miterlebende dieser großen Weltbegebenheiten gar nicht immer dessen, was von uns in diesem Weltkrieg erreicht worden ist, so bewußt, wie es einmal die rückblickende Geschichtsforschung sein wird. Denn wenn lediglich die Zahl entschiede, dann würde es schon als eine gewaltige Tat des deutschen Volkes bezeichnet werden müssen, wenn wir gegenüber der Übermacht, gegen die wir zu ringen hatten, überhaupt nur unsere Grenzen geschützt, überhaupt nur den Feind aus dem Lande gehalten hätten.

Daß wir darüber hinaus in einem Weltkrieg, in dem die Zahl unserer Feinde von Jahr zu Jahr sich steigerte, in der in allen Kämpfen die Zahl der Kämpfer und die technischen Mittel den unsrigen überlegen waren, jetzt davor stehen, unsere Feinde im Osten zum Frieden veranlaßt zu haben, das ist das Gewaltige der Ereignisse dieser letzten Wochen, von denen ich glaube, daß sie auch in ihrer moralischen Nachwirkung uns dem Weltfrieden näherbringen werden.

Sie werden zunächst wohl dazu führen, daß die rumänische Regierung den Frieden mit uns suchen muß. Damit beginnt die Liquidierung des Krieges auch auf dem Balkan und die Neuordnung der dortigen politischen Verhältnisse. Das veranlaßt mich, insbesondere in diesen Tagen, wo sich beim Friedensschluß mit Rumänien auch die Zukunft Bulgariens mit entscheiden wird, dessen zu gedenken, daß die Einheitsbestrebungen unserer tapferen bulgarischen Verbündeten sich damit ihrer Erfüllung nähern werden. Für diese Bestrebungen einer einheitlichen Zusammenfassung aller Bulgaren ist das bulgarische Volk bewußt in diesen Krieg eingetreten. Ihm werden, wenn es ihm gelingt, dieses Friedensziel des bulgarischen Volkes seit Jahrhunderten zu erreichen, auch dann noch große Aufgaben bevorstehen, um das Großbulgarien der Zukunft wirtschaftlich und kulturell zu fundieren. Wir zweifeln nicht daran, daß es ihm unter der Leitung seiner hervorragenden Staatsmänner, unter der Leitung seines genialen Königs, dessen Geburtstag wir heute mit unseren besten Wünschen begleiten, möglich sein wird, seine Einheit politisch und kulturell zu vollenden und auszubauen. Jedenfalls begleiten unsere herzlichen Wünsche unsere tapferen Bundesgenossen und seine Führer auf diesem Wege.

Die Freude an den Mitteilungen des Herrn Reichskanzlers über den Friedensschluß im Osten wird erhöht durch die Mitteilungen, die wir in der letzten Woche erhalten haben über die Leistungen unseres Heeres. Daß wir in diesen wenigen Tagen, die seit dem Befehl zum Vormarsch im Osten vergangen sind, Dorpat und Reval im Norden, Shitomir im Süden erreichen konnten, das steht ohne gleichen da. Wir begrüßen mit besonderer Freude die von uns erstrebte Befreiung alter deutsch-baltischer Städte, jenes Dorpat, das einst Adolf Wagner die deutscheste Universität genannt hat. Wenn wir daran denken, daß von einer Truppe, an die schon große Anforderungen gestellt worden waren, und die nicht aus den jüngsten Jahrgängen allein bestand, vor der das ersehnte Bild des Friedens mit Rußland aufgestiegen war, und die vielleicht gehofft hatte, nach der Beendigung dieses Krieges zurückkehren zu können von einem Felde, das ein Kampffeld gewesen war, nun verlangt wurde, sofort wieder vorzustoßen, und daß es dieser Truppe gelang, in ihren Märschen 70 Kilometer am Tag vorwärts zu kommen, und wenn wir weiter denken an die Kühnheit und Unternehmungslust, die sich in den prächtigem Taten S. M. S. Hilfskreuzer »Wolf« und seiner Mannschaft und Führer gezeigt hat, dann können wir wohl das eine mit Genugtuung sagen: den deutschen Soldaten macht uns niemand nach. Es hat sich hier, wo wir zahlenmäßig stets unterlegen waren, das eine gezeigt, das für die Gegenwart gilt, was für die Vergangenheit gegolten hat, nämlich daß es der Geist ist, der sich den Körper baut, und daß dieser Geist des deutschen Heeres ihm wieder das ersetzt hat, was ihm zahlenmäßig fehlte.

Ich bin überzeugt, daß die Schritte unserer Soldaten bei ihrem Vormarsch beflügelt worden sind, weil dieser Vormarsch einem edelsten Menschenwerk galt. Denn wenn wir die Berichte lesen, die über die Verhältnisse in Wenden, in Dorpat, in Reval jetzt zu uns kommen, und das, was an ersten Nachrichten über die Verhältnisse in Estland und Livland an unsere militärischen Stellen gelangt ist, dann muß leider gesagt werden, daß sie alles übertreffen, was uns vorher über die dortigen Greueltaten mitgeteilt worden ist. Es ist erschütternd zu lesen, daß unsere deutschen Soldaten überall nackte Leichen vorgefunden haben von Leuten, die ohne jede Justiz hingemordet sind, daß man die Eltern, die Frauen weggeschleppt und die Kinder allein gelassen hat ohne jeden Schutz und ohne jede Nahrung, daß man versucht hat, in den wenigen Tagen, die noch blieben, ehe die Deutschen kamen, zu vernichten, was sich dort an Leben und Eigentum nur vernichten ließ. Wie tief niederdrückend muß es dann sein, wenn man im Deutschen Reichstag von einem Abgeordneten hören mußte, daß diese Hilferufe in Berlin gemacht worden seien. Wir begrüßen in dem Ultimatum an Rußland mit Genugtuung die Forderung der Auslieferung der politischen Gefangenen und möchten die Regierung bitten, insbesondere jetzt, wo die militärischen Operationen im Norden anscheinend erledigt sind und die Verhandlungen in Brest neu begonnen, vielleicht an erster Stelle der Tagesordnung zu verlangen, daß hier dem weiteren Morden dieser bolschewistischen Mordbrenner Einhalt getan wird, und daß diejenigen, die jetzt noch politisch gefangen gehalten werden, uns sofort zurückgegeben werden.

In den Friedensverhandlungen, die uns, was ich begrüße, auch wirtschaftlich in den künftigen Handelsbeziehungen zu Rußland bessere Bedingungen bringen, als die ersten Abmachungen in Brest, ist eine verschiedene Behandlung von Estland und Livland auf der einen und Kurland auf der anderen Seite vorläufig in Aussicht genommen. Ich möchte dagegen darauf hinweisen, daß nicht nur nach Auffassung deutschbaltischer, sondern auch nach Auffassung lettischer Kreise das Baltikum eine Einheit bildet, die jedenfalls nicht so zerrissen werden kann, wie das gegenwärtig beabsichtigt zu sein scheint. Man kann Kurland nicht von Estland und Livland derartig trennen, daß man durch eine einfache Grenzscheide, die nach politischen Rücksichten gezogen wird, hier Länder auseinanderreißt, die völlig zusammengehören. Der Herr Reichskanzler Graf Hertling hat davon gesprochen, daß wir mit den sich dort, also in Estland und Livland, entwickelnden »unabhängigen Staatsgebilden« demnächst in Frieden und Freundschaft zu leben hofften. Meine Herren, wir teilen diese Hoffnung, eine einheitliche Gestaltung der Dinge mehr wünschend, möchten aber hier doch auch zum Ausdruck bringen, daß völlig unabhängige Staatsgebilde hier unmöglich sind; sie müssen Anlehnung suchen, sie können nicht zwischen den Kolossen im Westen und im Osten ein Einzelleben führen, sie würden schon wirtschaftlich und finanziell nicht in der Lage sein, das durchzuführen, wenn für die Entwicklung dieser Länder, die unter russischer Herrschaft schwer gelitten haben, etwas Dauerhaftes geschehen soll. Wir hoffen, daß sie diese Anlehnung bei uns suchen und finden werden. Die deutsche Besatzung wird lange dort bleiben müssen, damit nicht die Anarchie wieder entsteht, die wir eben bekämpft haben. Die Stellung des Deutschtums werden wir wahren müssen, die seinen wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen entspricht. Sonst könnte die Epoche, in der deutsche Truppen Dorpat befreiten, das Ende einer deutschen Universität Dorpat bedeuten. Ich darf in dieser Beziehung darauf hinweisen, was über den deutschen Charakter der Stadt Reval heute selbst im »Berliner Tageblatt« gesagt worden ist, über die Art, in der das Deutschtum sich dort unter den größten Schwierigkeiten seinen Einfluß auf die gesamte Gestaltung des Landes gewahrt hat. Wir können die Entwicklung, die dort nun einsetzen wird, in Ruhe abwarten. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Bevölkerung, die unsere Truppen mit Jubel empfangen hat, auch für uns optieren wird, wenn wir uns an sie wenden, oder wenn ihre Führer sich an sie wenden. Den berechtigten russischen Wirtschaftsinteressen, von denen jetzt viel in dem Sinne die Rede ist, daß man sagt, wir schnürten Rußland vom Meere ab, kann dadurch meiner Ansicht nach Genüge geschehen, daß man Rußland die Häfen von Riga, Reval und Windau als Freihäfen für seine Ausfuhr gibt, die die Möglichkeit ergeben, daß diese Häfen mit ihrem naturgemäßen russischen wirtschaftlichen Hinterland in Verbindung bleiben, und Rußland die Möglichkeit geben, die Form seines Warenaustausches zu sichern. Wir Deutsche befinden uns ja selbst in ähnlicher Lage, da wir mit unserem hervorragendsten großen Industriegebiet auch nicht an einen deutschen Welthafen anstoßen, sondern gezwungen sind, dessen Waren über Häfen gehen zu lassen, die nicht innerhalb der deutschen Staatshoheit liegen, ohne daß deshalb Deutschland dies bisher als eine Einschnürung angesehen hätte, derentwegen wir einen Staat hätten mit Krieg überziehen müssen.

Im übrigen sind die letzten Wochen lehrreich gewesen für die Frage, welches die beste Methode ist, um zum Frieden zu kommen. Der Herr Kollege Scheidemann hat darauf hingewiesen, daß wir durch unseren Vormarsch im Osten uns wieder neue Feinde geschaffen hätten, und er hat davon gesprochen ähnlich wie am Tage vorher einer der Herren der Unabhängigen Sozialdemokratie, daß wir vom Haß der ganzen Welt umbrandet sein würden, daß dieser Haß sich jetzt auch schon auf österreichische Kreise erstreckte, die mit unserem Vormarsch nicht einverstanden seien und dagegen protestierten. Es ist mir bekannt, daß ein Mitglied der polnischen sozialdemokratischen Partei im österreichischen Parlament, Herr Dascynski erklärt hat: »Deutschland marschiert, wir protestieren«. Das war am ersten Tage des Vormarsches. Als dann die deutschen Heeresberichte kamen und darin unter anderem auch zu lesen stand, wieviel Waggons in unsere Hände gefallen wären, wieviel Lebensmittel damit auch zur Verfügung unserer Heeresleitung kamen, da hat sich anscheinend die Stimmung sehr gewandelt. Die »Neue freie Presse« schreibt in einem Leitartikel vom 25. Februar, daß die öffentliche Meinung Österreichs sehr zwiespältig darüber dächte, ob es richtig gewesen wäre, den Deutschen allein den Vormarsch in die Ukraine zu überlassen, und betont, daß es lediglich taktische Gründe gewesen seien, weswegen beide Heere nicht miteinander marschiert sind, daß aber irgend etwas, was wie eine Lockerung des Bundesgedankens oder wie ein Haß gegen Deutschland aussähe, dabei nicht in Österreich maßgebend gewesen sei. Ich wüßte auch nicht, wie diejenigen Taten der deutschen Heere im Norden und in der Ukraine, die den Brotfrieden des Grafen Czernin überhaupt erst fundiert haben, irgendwie dazu führen könnten, Haß gegen Deutschland zu säen. Ich glaube deshalb nicht, daß diejenigen Recht haben, die uns davor warnen, daß wir durch den Abbruch der Verhandlungen in Brest-Litowsk und durch unseren Vormarsch uns Sympathien verscherzt hätten. Ängstliche Gemüter gab es auch bei uns, die von einem Zusammenbruch der Volksstimmung sprachen, wenn wir marschieren würden, von kommenden Streiks, von kommendem Aufruhr. Das war eine ganz unnötige Sorge. Das deutsche Volk hat bessere Nerven, als manche seiner Politiker und Staatsmänner glauben. Mit Herrn Trotzki säßen wir heute noch in Brest, wenn wir die Verhandlungen fortgesetzt hätten. Jetzt hat in wenigen Tagen der Vormarsch uns den Frieden gebracht, und das sollten wir, glaube ich, auch anerkennen und uns auch nicht namentlich in bezug auf die Ostverhältnisse in dem Wahne wiegen, als wenn Entschlüsse, in denen wir hier im Reichstag oder infolge der Zustimmung unserer Regierung zu der durchaus begrüßenswerten Initiative Seiner Heiligkeit des Papstes uns zu einem Frieden ohne Entschädigungen und ohne Annexionen bekannten, uns den Frieden im Osten gebracht hätten. Wäre Rußland im Besitz einer Armee, die siegreich gegen Deutschland geblieben wäre, wären wir niemals zu dem Frieden gekommen, der ernstlich erst eintrat, als die russischen Machthaber einsahen, daß die deutsche militärische Kraft noch ungebrochen war und wie immer ihren Führern gehorchte. Angesichts unserer Gesamtlage würde ich ein erneutes Friedensangebot als vom Übel ansehen. Dem Herrn Reichskanzler hat ein solches auch sicherlich ferngelegen. Trotzdem erfüllt mich seine Einladung an die belgische Regierung mit Bedenken. Nicht wegen der Formulierung, die der Herr Reichskanzler der belgischen Frage gegeben hat. Ich bin der Meinung, daß innerhalb dieser Formulierung die Wahrung der deutschen Interessen möglich ist. Allerdings muß ich hier eine Bemerkung gegenüber dem verehrten Herrn Kollegen Trimborn machen. Der Herr Kollege Trimborn, mit dem ich ganz einig zu sein glaube, bezog sich nämlich wiederholt auf die Formulierung der Papstnote, die ins Deutsche übersetzt uns so gegeben worden ist: Belgien solle wiederhergestellt werden »unabhängig gegen wen auch immer«. Herr Kollege Trimborn, eine derartige Formulierung in dem Wortsinne der völligen Unabhängigkeit gegen wen auch immer, das wäre nicht einmal der Status quo, das wäre weniger, als der theoretische Status quo vor dem Kriege gewesen ist. Denn der theoretische Status quo vor dem Kriege untersagte Belgien irgendein Offensiv- oder Defensivbündnis gegenüber Deutschland. Wenn wir wieder Belgien unabhängig gegenüber wem auch immer behandeln, dann involviert diese völlige Unabhängigkeit auch die Möglichkeit der belgischen Bevölkerung, ein Offensivbündnis, ein Bündnis irgendwelcher Art gegen Deutschland zu schließen. Das ist ja auch durch die Worte, die der Herr Reichskanzler selbst gesagt hat, korrigiert worden. Ich nehme an, daß der Herr Kollege Trimborn – ich kenne im Augenblick den Urtext der Papstnote nicht –, diese Worte: Unabhängig gegen wen auch immer, in demselben Sinne auffaßt, wie die Formulierung des Grafen Hertling. Ich ziehe deshalb unter allen Umständen für etwa zu führende Verhandlungen die Formulierung des Herrn Reichskanzlers Grafen v. Hertling der immerhin mißverständlichen Formulierung der Papstnote vor.

Meine Hauptbedenken richten sich aber gegen etwas anderes, sie richten sich gegen die Herausnahme der belgischen Frage aus dem Gesamtkomplex der Friedensfrage. Gerade, wenn eine Annexion Belgiens nicht erfolgt, dann ist Belgien das beste Faustpfand, was wir in der Hand haben, namentlich gegenüber England. Die Wiederherstellung Belgiens vor dem Friedensschluß mit England erscheint mir politisch-diplomatisch eine vollkommene Unmöglichkeit. Das würde England für den Abschluß des allgemeinen Friedens die Trümpfe der von ihm besetzten Gebiete und den besonders großen Trumpf der Absperrung der Meere gegenüber Deutschland allein in die Hand geben, ohne daß wir bei dem vitalen Interesse, das England an der belgischen Frage hat, demgegenüber etwas in der Hand hätten, wenn wir vorher mit der übrigens ziemlich ohnmächtigen Regierung in Le Havre uns über die belgische Frage geeinigt hätten. Die Spuren schrecken doch einigermaßen! Die Herausnahme auch der polnischen Frage aus dem Gesamtkomplex der Friedensfrage fordert doch nicht zur Nachahmung dessen heraus, daß man einige Bruchstücke der gesamten künftigen Verständigung von vornherein herausnimmt und dann suchen muß, der Schwierigkeiten Herr zu werden, die sich hier ergeben. Der Herr Kollege Scheidemann hat in bezug aus diese belgische Frage auch weiter davon gesprochen, daß die Flamenfrage in Belgien eine solche sei, die uns nichts angehe, die lediglich zwischen Flamen und Walonen im Rahmen des belgischen Staates auszumachen sei. Ich habe nicht die Absicht, diese Frage bei dieser Gelegenheit zu vertiefen. Ich will aber darauf hinweisen, daß den Führern der flämischen Bewegung seitens des Herrn Reichskanzlers Dr. v. Bethmann Hollweg und seitens des Reichskanzlers Dr. Michaelis ganz bestimmte Zusagen von deutscher Seite gegeben worden sind und daß, solange diese Zusagen nicht zurückgenommen werden – und der Herr Reichskanzler Graf v. Hertling hat niemals Veranlassung genommen, sie zurückzunehmen – sie auch für die gegenwärtige Regierung bestehen. Wir müssen Wert darauf legen, gerade wenn wir nicht vom Haß der Welt umflammt werden sollen, dafür zu sorgen, daß die einem verwandten Volksstamme gegebenen Zusagen nicht durch eine Handbewegung als nicht existierend hingestellt werden.

Ich wende mich nunmehr zur rumänischen Frage und ich darf hier, ohne Widerspruch zu begegnen, das eine feststellen, daß dieser Staat und dieses Volk eine Rücksichtnahme unsererseits nicht verdient haben. Hier hat eine verrottete Gesellschaft korrupter Politiker ihr Land ins Verderben gestürzt, und das Volk hat leider, wie so oft, erfahren, daß die Achiver das zu dulden haben, was seine Führer verbrachen. (Auf Zwischenrufe:) König Karol, der damals an der Spitze stand, hat uns die Treue bewahrt. Er hat verlangt, daß das rumänische Heer an der deutschen Seite mobilisiert werde, ist aber mit Peter Carp ganz allein geblieben und hat in völligem seelischen Zusammenbruch die bittersten Worte dafür gefunden, daß etwas derartiges möglich sei. Wenn ich vorhin an das Wort erinnert habe: Quiquid delirant reges, plectunctur Achivi, – habe ich absichtlich von den Führern, nicht von dem Könige gesprochen, denn dem König, der damals auf dem Throne Rumäniens saß, haben wir dafür zu danken, daß er uns die Treue bewahrt hat, bis sein Auge brach. Aber sein Nachfolger hat sein Erbe vertan, er wird sich mit seinem Volke darüber auseinanderzusetzen haben, ob ihm noch diejenige Autorität innewohnt, um den Thron wieder besteigen zu können. Wir denken dankbar derjenigen rumänischen Politiker, wie Peter Carp, Marghiloman, als Führer einer großen Partei, des Gesandten Beldiman, der jedem sagte, daß er an dem Tage seinen Abschied nehmen werde, wo Rumänien seinem Bündnis untreu würde. Wir danken ihnen für diese Gesinnung uns gegenüber, können aber an der Tatsache nicht vorbei, daß sie ihre Politik nicht durchzusetzen vermochten und daß nur eine Minderheit des Volkes ihnen gefolgt ist. Wir können nicht die Augen davor verschließen, daß dasselbe Rumänien in dem Augenblick uns den Dolch in den Rücken zu stoßen versuchte, als es glaubte, daß wir von unseren Gegnern matt gekämpft seien, daß es sich hat Greuel in den Gefangenenlagern zuschulden kommen lassen, wie sie bisher bei keinem unserer Feinde vorgekommen sind. Ich frage, ob wir das hinnehmen wollen, ob nicht zunächst die rumänische Regierung verpflichtet ist, für diejenigen, die sie widerrechtlich hat hinmorden und verhungern lassen, eine Entschädigung zu leisten.

Das bringt mich dazu, daß ich die Frage aufwerfe, ob nicht bei den künftigen Friedensverhandlungen auch die Frage der Sicherstellung unserer Auslandsforderungen, der Entschädigung für unsere deutschen Kaufleute für erlittene völkerrechtswidrige Maßnahmen anders gelöst werden müsse, als lediglich dadurch, daß wir die Rechtsbehelfe wieder herstellen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir wissen, daß jeder Ausländer bei uns sein Recht findet, daß aber schon im Frieden nicht jeder Deutsche sein objektives Recht im Ausland gefunden hat, und je mehr England sich bemühen wird, auch nach Friedensschluß noch Haß gegen Deutschland zu säen, um so mehr ist es unsere Verpflichtung, Garantien zu schaffen, damit nicht große Werte verloren gehen.

Ich komme dabei zu der Frage im allgemeinen: liegt denn nun hier irgendein Grund vor, uns gegenüber Rumänien gebunden zu fühlen, ihm gegenüber von einer Kriegsentschädigung überhaupt abzusehen? Meiner Auffassung besteht ein solcher Grund nicht. Heute vor einem Jahre berieten wir auch über den Etat, am 27. Februar 1917, und da nahm der damalige Führer des Zentrums, Herr Dr. Spahn, der jetzige preußische Justizminister, das Wort und sagte, indem er sich zum Reichshaushaltsetat wandte, folgendes:

 

Es ist ein irreführendes Wort, daß wir auf eine Kriegsentschädigung nach dem Grundsatze, daß jeder seine Last tragen solle, verzichten könnten. Die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers haben dargetan, daß er selbst auf diesem Standpunkt nicht steht.

Wir sind in diesem Kriege von unseren Gegnern überfallen worden; sie haben uns durch ihre Schuld geschädigt. Was der Tod uns geraubt hat, kann uns nicht zurückgegeben werden; aber was an Beschädigungen der Lebenden zurückbleibt, was wir an Vermögensverlust sowohl der Toten wie der Lebenden zu tragen haben, das muß uns von den Urhebern dieses Krieges ersetzt werden, rücksichtslos und von jedem von ihnen in solidarischer Haftung.

 

Weiter fügt Herr Dr. Spahn hinzu:

 

Gerade in der Kriegsentschädigung liegt eine reale Garantie für die Erreichung eines dauernden Friedens. Denn es wird nicht möglich sein, die Besetzung der fremden Gebiete sofort aufhören zu lassen, sie wird bleiben müssen bis zu dem Momente, wo die Kriegsentschädigung zurückgezahlt ist.

 

Wiederholte Zustimmung im Zentrum verzeichnet der stenographische Bericht. Was hat sich denn nun seit dem 27. Februar 1917 geändert, daß wir heute das nicht mehr für richtig erachten könnten, was damals Herr Dr. Spahn unter Zustimmung und im Auftrag seiner Freunde gesagt hat?

Ich gehe noch weiter. Herr Kollege Scheidemann hat sich früher mit großer Entschiedenheit gegen das Wort gewandt, daß er gesagt hätte, jeder trage seine eigene Last. Er hat mich einmal hier im Plenum gestellt und mir in einer freundschaftlich energischen Weise angedroht, er würde nächstens handgreiflich werden, wenn ihm noch einmal diese Äußerung unterschoben würde. Solchen Unsinn habe er niemals gesagt, sondern das habe in einer Resolution gestanden, die ihm vorher nicht vorgelegt worden sei. Und im Hauptausschuß hat Herr Scheidemann wiederholt sich so geäußert, wie ich überhaupt den Standpunkt der Sozialdemokratie zu dieser Frage auffasse: »Wir wünschen nicht, daß einer zu erringenden Kriegsentschädigung halber der Krieg noch länger fortgesetzt wird, so daß unter Umständen die Kriegskosten das weit übersteigen, was an Entschädigung gezahlt wird; wenn wir aber eine Entschädigung erlangen können und den Frieden dazu, so sind wir nicht so dumm, dies abzulehnen.« Ich glaube, damit richtig wiedergegeben zu haben, was Herr Kollege Scheidemann gesagt hat. Wenn wir jetzt mit Rumänien verhandeln, müssen wir bei den künftigen Wirtschaftsbeziehungen uns doch einmal fragen, ob wir all das, was wir von deutscher Seite einmal im Wirtschaftsverkehr mit Rumänien ausgegeben haben, bei dem Rumänien damals seine neutrale Situation unter Zurückweisung aller moralischen Skrupeln bis zum letzten ausgenutzt hat, auch tragen müssen als diejenigen, die Blutopfer haben bringen müssen, weil uns ein über 30 Jahre mit uns verbündetes Land und Volk in den Rücken fiel, und weiter noch all das, was wir durch Besetzung des Landes usw. aufwenden mußten und noch weiter aufwenden müssen, bis Ruhe kommen wird? Sollen diese Milliardenschulden, die uns dadurch zugewachsen sind, vom deutschen Volke getragen werden? Sollen wir bis zum letzten Bürger – denn mit direkten Steuern allein ist das nicht abzubürden – ersticken in Teuerung und Steuern nur des Grundsatzes wegen, weil wir auch einem ruchlosen Feinde gegenüber keine Kriegsentschädigung fordern? Meine Herren, ich bin überzeugt, daß es in keiner Weise verstanden werden würde, wenn wir bei dieser Gelegenheit darauf verzichteten, den Versuch zu machen, neben unserer eigenen Last, die schwer genug sein wird – dafür gibt Ihnen der Etat einen Beweis und werden ihnen die Steuervorlagen wahrscheinlich in wenigen Wochen einen weiteren Beweis geben –, wenigstens einen Teil dessen, was der Krieg uns aufgenötigt hat, von unseren Feinden zahlen zu lassen, zuerst von den Feinden, die in Treulosigkeit, entgegen ihrem mit uns geschlossenen Bündnis, in der Weise gegen uns gehandelt haben, wie Rumänien es getan hat. Ich würde mich freuen, wenn auch die nachfolgenden Redner der anderen Parteien, insbesondere Herr Kollege Erzberger, in dem Sinne Stellung nehmen würden. Meine Auffassung steht auch in keiner Weise im Gegensatz zu der Entschließung vom 19. Juli, die wir, meine Herren, doch auch nicht zum Fetisch werden lassen wollen. Mit vollem Recht hat gestern – ich glaube unter lebhafter Zustimmung – Herr Staatssekretär Wallraf davon gesprochen: Hören wir doch auf mit gegenseitigen Beschuldigungen auf der einen und auf der anderen Seite, wobei der eine immer dem anderen vorwirft, er wolle sein Land einem Zustand zuführen, der schließlich den Hunger der Bevölkerung verewigte, oder wobei der eine dem andern vorwirft, daß er um eigener selbstsüchtiger Interessen willen den Kampf fortsetze! Halten wir uns doch an das, was Herr Kollege Fehrenbach im Namen des Zentrums gesagt hat: Hören wir auf, zu theoretisieren über Kriegsziele, und sehen wir uns bei jedem Friedensschluß an, was wir bei jedem Friedensschluß herausholen können! Das ist die Frage, vor der wir stehen.

Es war am 9. Oktober 1917, als Herr Kollege Fehrenbach zu der Entschließung vom 19. Juli in diesem Hause Stellung nahm. Er sagte damals:

 

Die Friedensresolution geht von Erwägungen aus, die bei jedem Friedensschluß Berücksichtigung erheischen können, sie übersieht aber auch nicht aktuelle Gesichtspunkte. Ihre Grundlage ist die Rücksicht auf die militärische und weltwirtschaftliche Situation, ihr Ziel ist ein ehrenvoller Frieden noch im Verlaufe des Jahres 1917. Wollen dies unsere Feinde nicht, so sind sie es, die uns die Freiheit der Entschließung, diktiert von unserer Überzeugung, wiedergegeben haben.

 

Meine Herren, es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, daß mindestens gegenüber Rumänien – meiner Auffassung gegenüber all denen, die unser Friedensangebot wiederholt mit Hohn zurückgewiesen haben – wir die Freiheit der Entschließung wiederhaben, und ich würde Sie bitten, daß wir gegenüber Rumänien von dieser Freiheit der Entschließung in dem Sinne Gebrauch machen, daß wir an unsere Reichsleitung das dringende Ersuchen richten, ihrerseits Rumänien die Rechnung für dasjenige aufzumachen, womit es uns in diesem Feldzuge belastet hat, und es Rumänien zu überlassen, sich mit dieser Tatsache abzufinden.

Ich darf übrigens darauf hinweisen, daß die Regelung der Kriegsentschädigung, – bei der vielleicht irgendwoher der Einwand kommt, seltsamerweise immer, wenn es sich um unsere Feinde handelt, ob sie das zahlen könnten, während die Sache vielleicht anders läge, wenn der Feind bei uns im Lande stünde, – daß sich das nicht etwa in der Form zu vollziehen braucht, daß nun 20-Lei-Stücke auf den Tisch gelegt werden, sondern daß das in Form von Wirtschaftsverträgen auf längere Zeit viel weitergehend geschehen kann als in irgendeiner Form brutaler Zahlung. In welcher Form Rumänien uns die Entschädigung zahlt, ist Sache der Verhandlung; aber ich verlange die Wiederherstellung dessen, was uns dieses Abenteuer, in das sich die Rumänier hineingestürzt haben, nicht an Blut – denn das können sie uns nicht wiedergeben –, aber doch mindestens an Gut gekostet hat.

Bei der Erörterung der zukünftigen Gestaltung der deutschen Verhältnisse sind unsere deutschen Kolonien vielfach in den Hintergrund getreten – sehr mit Unrecht, denn es ist ein Lebensziel unserer Fortentwicklung, unsere Kolonien wiederzuerhalten, unser altes Leben als Kolonialmacht wieder führen zu können. Was unsere Kolonien für unsere Weltsituation bedeuten, das ersehen Sie gerade aus Äußerungen, die in den letzten Tagen aus England zu uns herübergedrungen sind. General Smuts, Mitglied des Kriegskabinetts, hat in den letzten Tagen des Januar über unsere und die englische koloniale Zukunft in Afrika gesprochen. Es ist zunächst einmal nicht ohne ein gewisses psychologisches Interesse, zu sehen, was man sich in England als Minister alles in einzelnen Reden an Täuschungen und Unwahrheiten erlauben kann. Wenn ein englischer Minister in der jetzigen Situation dieses Weltkrieges von seinem Vaterlande sagt, es – nämlich England – hat niemals die Eingeborenen militarisiert, ist vielmehr immer einer solchen Politik entgegengetreten, so steht man staunend vor der Stirn, die derartiges zu sagen wagt, nachdem gerade England es war, das die internationalen Abmachungen brach und ein ganzes Heer von Schwarzen Deutschland gegenüber mobilisierte. Wenn der Kriegsminister Smuts davon spricht, daß außer England eigentlich kein Land der Welt Interessen an Afrika hätte, überrascht das weiter nicht. Es ist wirklich die englische Auffassung, die sich nicht nur auf Afrika, sondern auf sämtliche Weltteile erstreckt. Was er im einzelnen meint, geht klar hervor, wenn er ins Detail gehend von England sagt, es muß auf der Erhaltung einer Lage bestehen, die durch das ganze Land von Afrika für seine Gebiete Verbindungen von dem einen Ende des Kontinents zum andern garantiert. Das ist der alte Gedanke von Cecil Rhodes, der Beherrschung der Bahn von Kairo nach Kapstadt. Da lag als Pfahl im Fleische dieses Ostafrika dazwischen und die Gedanken des Kriegsministers Smuts gehen dahin, daß Deutschland verlangen könnte, hier diese so heldenmütig bis zuletzt verteidigte Kolonie zu behalten. Diese heldenmütige Verteidigung unserer Truppen und ihrer Führer, die auch den Gegnern Achtung abgenötigt hat, veranlaßt uns, denjenigen, die, auf portugiesischem Gebiete weiterkämpfend, die deutsche Fahne hochhalten, einen Gruß des deutschen Volkes zu senden. Ich sage, wie von englischer Seite die Bedeutung Ostafrikas in den Vordergrund gestellt wird, sollte uns gerade veranlassen, auch einmal unsere kolonialen Ziele ins Auge zu fassen und darüber keinen Zweifel zu lassen, daß so wenig wie für uns von einer elsaß-lothringischen Frage die Rede sein kann, von einem Verzicht auf unsere Weltstellung als Kolonialmacht gesprochen werden darf. Mr. Smuts sagt, mit Rücksicht auf die Dominien, die englischen Kolonien, die das Mutterland in diesem Kriege unterstützt haben, sei die Vernichtung des deutschen Kolonialreichs notwendig. Er sagt, daß nicht geduldet werden könnte, daß wir irgendwie dort wieder in unserer militaristischen Art, – die England so fern liegt in seiner marinistischen Art! – uns festsetzen dürften. Diese Meinung werde von der großen Masse der jungen Nationen geteilt, welche die Dominien des britischen Reiches bilden. Freiwillig seien sie in den Krieg eingetreten, und ihr Ziel sei vor allem die Vernichtung des deutschen Kolonialreichs. Das sind die ethischen Ziele, für die England für seine Kolonien in den Krieg eingetreten ist! Es war wohl gut, einmal zu sagen, welches wirklich die Beweggründe waren gegenüber den uns oft vorgehaltenen, und ich darf darauf hinweisen, daß in dem Zusammenhang mit den Ausführungen des Herrn Ministers Smuts jetzt die »Daily Chronicle« in den letzten Tagen darauf hingewiesen hat, Deutschland habe Ostafrika so lange verteidigt, weil es sich bewußt gewesen sei, welche überragende Bedeutung diesem Besitze beizumessen wäre, namentlich wenn das Land wirtschaftlich noch weiter entwickelt würde, als es bisher getan war; »Daily Chronicle« fügt hinzu – es klang mir das wie eine Anklage gegen uns in der Vergangenheit:

 

Mit 2000 weißen Truppen ist es den Deutschen möglich gewesen, uns zu zwingen, Hunderttausende auszusenden und drei Jahre lang zu kämpfen, ehe wir sie von diesem Stück kolonialen Bodens vertreiben konnten.

 

Wenn wir weniger engherzig, philisterhaft, wenn wir etwas großzügiger gewesen wären und überall in unseren Kolonien für die richtige Verteidigung gesorgt hätten, wären wir nicht in die Lage gekommen, daß unser ganzes Kolonialreich verloren gegangen wäre. Ich hoffe, daß man daraus auch für die Zukunft lernen wird, daß, wenn wir den Mut haben, uns auf die See und auf das Meer zu wagen, Kolonialpolitik zu treiben, daß wir auch die Folgerungen daraus ziehen müssen, daß wir diejenigen Gebiete schützen müssen, die wir besitzen. Sonst stellen wir starke Anforderungen an den Unternehmungsgeist, wenn wir verlangen, daß diejenigen Leute hinausgehen sollen, die sich dem nächsten Weltkriege vielleicht so schutzlos gegenüber sehen würden, wie unsere Deutschen in Afrika sich diesem Weltkrieg gegenüber schutzlos gesehen haben. Ich würde großen Wert darauf legen, daß uns auch eine Beruhigung darüber gegeben würde, daß irgendwie an einer Aufgabe unserer Stellung als Kolonialreich gar nicht gedacht werden kann, und ich bitte auch die Loslösung der belgischen Frage aus dem Gesamtkomplex der Weltfriedensfrage im Westen aus diesem Gesichtspunkte anders zu würdigen.

Wie weit unsere Feinde doch noch davon entfernt sind, denjenigen Gedanken sich anzunähern, von denen viele von uns glauben, daß sie sie beherrschten – weil man gern glaubt, was man wünscht –, das zeigen die kürzlich veröffentlichten Londoner Beschlüsse, die die sozialistische und Arbeiterkonferenz der Alliierten in London angenommen hat. Darin finden wir die Forderung eines unabhängigen Polens bis zur See, also die Forderung der Abtrennung deutschen Gebiets, wir finden darin die Forderung der Loslösung Arabiens, Armeniens und Mesopotamiens vom türkischen Reich, wir finden darin die Forderung des Zusammenschlusses der Tschechen und Südslaven zu einem freien Bund der Donaustaaten an Stelle der österreichisch-ungarischen Monarchie, wir finden darin die Forderung eines Referendums der Elsaß-Lothringer in die zukünftige Angehörigkeit Elsaß-Lothringens. Wenn vorläufig die Sozialdemokraten unserer Gegner noch bei diesen Kriegszielen stehen, wo stehen dann eigentlich die Imperialisten? Wie kann man angesichts solcher Beschlüsse glauben, lediglich durch Resignation auf unserer Seite einen maßgebenden Einfluß erzielen zu können? Das eine wissen unsere Gegner, in wundervoller Weise ihre eigenen Eroberungsgedanken verzuckert der Öffentlichkeit darzubieten, daß sie immer noch wie Völkerbefreiungs-, wie demokratische Gedanken klingen, während sie in Wirklichkeit im vollsten Gegensatz zu ihnen stehen.

Nun, meine Herren, ich darf das eine sagen: der Friedensschluß mit Rußland sollte für unsere Feinde im Westen ein Beispiel sein, daß es auch in diesem Weltkriege heißen kann: Was du von der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück. Es ist ein großer Unterschied zwischen den ersten Bedingungen von Brest-Litowsk und dem Ultimatum, das Deutschland jetzt gestellt hat, und die Schuld an dieser Änderung liegt auf Seiten derjenigen, die es ablehnten, sich mit Deutschland zu verständigen, und die infolgedessen auch die Macht fühlen müssen. Wir haben dieselbe Freiheit gegenüber dem Westen zwischen Verständigung und Ausnutzung des Sieges, wenn man uns bis zum Weißbluten zwingt, und ich hoffe, daß diese acht oder vierzehn Tage, die zwischen den ersten Friedensbedingungen in Brest-Litowsk und den zweiten gelegen haben, vielleicht auch nach dieser Richtung hin erzieherisch wirken werden.

Ich wende mich nun den Fragen der inneren Politik zu, möchte aber vorher auf eine Frage zu sprechen kommen, die etwas abseits von den jetzigen Erörterungen liegen mag, die ich aber im Namen meiner politischen Freunde hier vorzubringen habe.

Das tragische Ableben des Großherzogs Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz wirft die Frage der Thronfolge in Mecklenburg-Strelitz auf. Der nächste Agnat ist seit dem Juli 1914 russischer Staatsangehöriger, früher in russischen Diensten gegen Deutschland kämpfend: Herzog Karl Michael von Mecklenburg. Man glaubt in Mecklenburg, daß es nicht möglich sein könnte, daß der Schweriner Großherzog lediglich als Regent für jenen Herzog Michael gewählt werden könnte. Für uns ist es ein ganz unerträglicher Zustand, daß es überhaupt möglich ist, daß in einem deutschen Bundesstaate ein Thronfolger in Frage kommen könnte, der die Waffen gegen Deutschland getragen hat und auf die deutsche Staatsangehörigkeit keinen Wert legt. Wer sich selber nicht als Deutscher fühlt und das deutsche Staatsgewand abwirft als wertlosen Plunder, der hat bei uns nichts zu suchen, in welcher Stellung er auch stehen mag. Wir wünschen deshalb, daß durch Reichsgesetz dafür Sorge getragen werde, daß die Thronfolge in den deutschen Bundesstaaten nur aus in Deutschland staatsangehörige Anwärter übergehen darf. Wir benutzen den Anlaß der jetzigen Thronfolge in Mecklenburg-Strelitz, um das hier mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck zu bringen.

Auf dem Gebiet der inneren Politik hat der Herr Vizekanzler ein Programm entwickelt, dem wir grundsätzlich zustimmen. Zu den Einzelheiten Stellung zu nehmen, wird sich Gelegenheit finden, sobald die Gesetzentwürfe uns selber vorliegen. Ich will heute nur zwei Fragen aus dem Gesamtkomplex anschneiden.

Bei der Frage des Arbeitskammergesetzes, das uns zugehen wird, legen meine politischen Freunde Gewicht darauf, daß neben den Arbeitskammern auch Angestelltenkammern geschaffen werden. Wir sind der Auffassung, daß die Besonderheit der Verhältnisse der kaufmännischen Angestellten eine besondere Berücksichtigung verdient. Wir billigen den Standpunkt der führenden Angestelltenverbände in dieser Beziehung. Wir wünschen, daß, wenn uns ein Gesetz über Angestelltenkammern nicht sofort mitzugehen kann – das wird zweifelhaft sein –, bereits im Arbeitskammergesetz die künftige Schaffung von Angestelltenkammern festgelegt wird, um die für letzteres Gesetz in Betracht kommenden Kategorien von Angestellten in weitestem Sinne aus dem Gesetz aussondern zu können. Das ist das eine.

Das zweite betrifft die Wohnungsfrage. Wir haben die Ankündigung des Herrn Vizekanzlers über die Wohnungsfürsorge mit außerordentlicher Freude begrüßt, insbesondere auch die Ankündigung, daß Reichsmittel hier zur Verfügung gestellt werden sollen, daß man sich nicht über die Formalien erregen will, ob Bundesstaaten oder Reich dazu verpflichtet seien zu zahlen. Sonst könnten wir leicht in die Situation kommen:

Und da keiner wollte leiden.
Daß der andere für ihn zahlte,
Zahlte keiner von den beiden.

Wir werden die Regierung dabei unterstützen, in weitgehendem Maße Mittel des Reichs zur Verfügung zu stellen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit anfragen, wie denn die Regierung überhaupt zu der großen Kriegerheimstättenbewegung steht, die weite Kreise des deutschen Volkes in allen seinen Schichten erfaßt hat. Sie ist aus einer guten Idee heraus geboren. Sie ist von einem Manne wie Adolf Damaschke mit Einsatz seiner ganzen Kraft, seines großen Wissens, seiner Arbeitsfähigkeit gefordert worden. Diejenigen, die an ihrer Spitze stehen, weisen darauf hin, daß eines nicht sein darf, daß wir nicht die Zustände wieder erleben dürfen, wie nach dem Kriege von 1871, die uns doch eigentlich beim Rückblick vielfach sehr wenig des deutschen Volkes würdig erscheinen. Damals stiegen in dem Zeitraum von 1869 bis 1875 in Berlin in den Arbeiterquartieren die Wohnungsmieten um 114 v. H. Damals hatten wir Zehntausende von Arbeitslosen, die in Asylen untergebracht werden mußten. Wir haben einen Ausschuß für Bevölkerungspolitik, wir sind uns alle der tiefen ethischen Bedeutung dieser Frage bewußt. Wohnungsfürsorge und Bevölkerungspolitik stehen in allerengstem Zusammenhange miteinander. Ich kann mir keine bessere Bevölkerungspolitik denken als die Sicherstellung von Wohnungen für unsere Arbeiterschaft und für unsere vom Kriege heimgesuchten Krieger. Wir haben im Reichstage einen einstimmigen Beschluß gefaßt, worin wir eine gesetzliche Regelung der Bestrebungen für die Kriegerheimstätten wünschten, mit dem Ziele, Rechtsgrundlagen festzustellen, welche solchen Heimstätten ihren Zweck dauernd erhielten. Im Gegensatz zu der Idee mancher Terraingesellschaften, die sich auch für Kriegerheimstätten einsetzen, aber ihre freie Beweglichkeit aufrechterhalten wollen, was ich nicht für diese Heimstätten wünsche, wurden hier ausdrücklich Grundlagen verlangt, welche die Unveräußerlichkeit dieser Heimstätten sicherstellten. Ich wäre dankbar, wenn uns nach der Ankündigung des Herrn Vizekanzlers über die Bereitstellung von Reichsmitteln auch gesagt werden könnte, ob wir darauf rechnen könnten, daß uns in dieser Beziehung Gesetzentwürfe zugehen.

Den großen Komplex der Wirtschaftsfragen will ich hier nicht berühren. Mein Fraktionskollege und Freund Herr Dr. Rießer wird Veranlassung nehmen, das zu tun. Er wird dabei auch wohl vor allen Dingen Gelegenheit nehmen, zu den Ausführungen über Staatssozialismus und freie Wirtschaftsordnung Stellung zu nehmen, die der Herr Vizekanzler gestern erwähnt hat.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eine Anfrage an den Herrn Reichskanzler oder seinen Herrn Stellvertreter stellen. Am 27. März 1917 ist hier im Reichstag ein Antrag verabschiedet worden, der eine Denkschrift verlangte über die Wirkungen einer Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens unter Einbeziehung der Binnenwasserstraßen, der fernerhin die Einsetzung einer Fachkommission verlangte unter Hinzuziehung von Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens, Parlamentariern, Beamten und Vertretern des Generalstabes. Ich frage die Reichsregierung, was eigentlich in den elf Monaten, die seitdem vergangen sind, geschehen ist, um diesen Gedanken irgendwie weiterzufördern? Wenn irgend etwas in diesem Weltkrieg uns klar vor Augen getreten ist, ist es doch das eine, daß eine Vereinheitlichung unserer gesamten Verkehrspolitik ein dringendes Lebensbedürfnis ist, nicht nur für die noch kommende Dauer des Krieges, sondern für unsere ganzen künftigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Ich weise Sie darauf hin, meine Herren, daß unter dem gewaltigen Eindruck der wirtschaftlichen Verhältnisse des Krieges in England und Amerika jetzt diese Vereinheitlichung erfolgt ist, weil der Staat erkannte, daß ein individuelles Leben einzelner Eisenbahnhoheiten, oder was wir leider in Deutschland bis zur Gegenwart erleben, ein Gegeneinanderdisponieren bei diesen Eisenbahnangelegenheiten eine Unmöglichkeit ist. Ich würde doch bitten, daß in dieser Beziehung uns eine Auskunft darüber gegeben wird, ob diesem vom Reichstag mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß seitens der Regierung Folge gegeben wird. Ich beschränke mich auf diese Frage und verweise darauf, daß das ganze Gebiet der Wirtschaftsfragen – ich darf das wohl sagen – die Würdigung der Bedeutung dessen, was die deutsche Landwirtschaft in diesem Kriege geleistet hat, von uns besonders behandelt wird.

Ich wende mich nunmehr der Frage des Wahlrechts in Preußen zu, die der Herr Vizekanzler v. Payer als eine deutsche Frage bezeichnet und im Reichstag erörtert hat. Es ist lebhaft darüber gestritten worden, ob man von dem preußischen Wahlrecht als einer deutschen Frage sprechen könnte, und es ist manchmal in diesem hohen Hause und in der Öffentlichkeit so dargestellt worden, als läge in der Erörterung einer derartigen Frage im Reichstag etwas für Preußen Herabsetzendes. Ich kann mich dieser Auffassung in keiner Weise anschließen. Im Gegenteil. Die Erörterung dieser Frage unterstreicht die führende Stellung, die Preußen innerhalb des Deutschen Reichs einnimmt, von der wir wollen, daß sie ihm unbedingt erhalten bleibe. Das politische Leben Preußens wirkt zurück auf das Reich. Das ist eine Tatsache, über die man eigentlich gar nicht streiten kann. Die deutsche und die preußische Politik sind niemals in ihren großen Zügen zu trennen. Daher ist auch der Vergleich mit den süddeutschen Bundesstaaten, der vom Herrn v. Heydebrand gezogen wurde, ein irriger. Unstimmigkeiten mit kleineren Bundesstaaten sind erträglich und rühren nicht an den Lebensnerv des Deutschen Reichs und des deutschen Volks; aber ein klaffender Widerspruch zwischen Reichspolitik und preußischer Politik ist auf die Dauer nicht zu tragen. Unsere ganze deutsche Reichsverfassung ist auf die Führung und auf die Vertretung des Reichs durch Preußen zugeschnitten. Als der König von Preußen die deutsche Kaiserkrone annahm, mußte er die spezifisch preußische Eigenart seines Staatsgebildes opfern. Das ist auch ganz klar zum Ausdruck gekommen in der Zeit, in der zum erstenmal diese Kämpfe zwischen deutscher Einheit und Preußens Einzelstellung bei uns nach Gestaltung rangen. Ich erinnere Sie daran, daß 1866, als sich zum erstenmal die Konturen des kommenden einigen Deutschen Reichs nach der Auseinandersetzung mit Österreich abzeichneten, es damals Dingelstedt war, der dem König von Preußen in einem Gedichte zurief:

Wag's, um den höchsten Preis zu werben
Und mit der Zeit, dem Volk zu gehn.
König von Preußen, Du mußt sterben.
Als deutscher Kaiser auferstehn.

Deshalb war ja damals dieser Kampf Altpreußens mit dem Reichsgedanken ein Kampf, den niemand in seiner Seele mehr durchgekämpft hat als der alte König Wilhelm I., der sich darüber ganz klar war, daß von dem Augenblicke an, wo er die deutsche Kaiserkrone trug, ein ganz gesondertes preußisches Eigenleben neben dem Reichsleben nicht mehr möglich wäre. Es ist gegeben, daß in dieser Frage Differenzen der Auffassung zwischen den konservativen und anderen Kreisen bestehen; denn der Konservativismus war in diesen Kämpfen, in der Geburtsstunde des Deutschen Reichs, bewußt altpreußisch, engpreußisch, der Liberalismus war bewußt reichsdeutsch, und diese alten Gegensätze ringen auch heute noch vielfach miteinander. Aber wir haben heute nicht mehr über diese Grundsätze zu debattieren. Die Geschichte hat für ein Deutsches Reich unter Preußens Führung entschieden. Wir freuen uns dessen, wir hoffen auch, daß der Reichsgedanke gestärkt aus diesem Weltkriege hervorgehen möge. Dann darf man es auch nicht kritisieren, wenn die Frage des preußischen Wahlrechts bei ihrer großen Bedeutung als Reichsfrage hier erörtert wird. Das ist deshalb auch von unserer Seite schon früher geschehen. Ich habe im Namen meiner Freunde am 27. März 1917 dem Wunsche nach einer Wahlreform in Preußen Ausdruck gegeben. Ich habe mir damals gestattet, dem Reichskanzler v. Bethmann zuzurufen, er möge sich die Initiative nicht aus der Hand nehmen lassen, es möge die preußische Regierung in dieser Beziehung führend auftreten. Mein Herr Vorredner hat auf die Vorwürfe hingewiesen, die der Abgeordnete v. Bonin dem Herrn v. Bethmann und dem Fürsten Bülow daraus gemacht haben soll, daß sie seinerzeit diese Frage als Erisapfel in das deutsche Volk hineingeworfen hätten. Meine Herren, das ist eine Erinnerung, die man, glaube ich, gerade von konservativer Seite nicht heraufbeschwören sollte. Wäre man konservativerseits damals den staatsmännischen Ideen Bülows gefolgt, dann hätte es manche Erschütterungen nie gegeben, die besser vermieden worden wären. Das preußische Wahlrecht widerstreitet derartig dem immanenten Gefühl der Gerechtigkeit, daß es schon lange hätte fallen müssen. Die herrschenden Parteien in allen Parlamenten und bei allen Völkern retten sich ihren berechtigten Einfluß – denn jede der Stimmungen und Strömungen in Deutschland hat ihre Berechtigung innerhalb des deutschen Volkes, mag sie konservativ oder sozialistisch sein – für die Zukunft, wenn sie einen unberechtigten Machteinfluß nicht zu lange aufrechterhalten, sondern sich freiwillig bescheiden lernen. Gerade am preußischen Wahlrecht zeigt sich doch die Wahrheit des Wortes, das der Staatsminister Dr. Friedberg früher in seiner Eigenschaft als Abgeordneter ausgesprochen hat: je länger man notwendige Reformen verzögert, um so radikaler werden sie. Ich streite nicht darüber, ob das gleiche Wahlrecht gerecht ist. Damit steht es wie mit der Pilatusfrage: Was ist Wahrheit? Was ist gerecht bei Abwägung der Kräfte eines Staats? Aber als Reichsfrage erörtern wir hier diese Frage, weil wir diese Gleichheit des Wahlrechts im führenden Bundesstaat als eine Staatsnotwendigkeit empfinden.

Man wirft uns vor, daß wir damit einer Demokratisierung den Weg ebneten. Man fürchtet eine zu weitgehende Demokratisierung, die von Preußen ausstrahlend auf das Reich übergriffe und es vielleicht noch weiter führte, als man das heute schon von jener Seite beklage. Meine Herren, ich fürchte, daß wir eine sehr viel weitergehende Demokratisierung – weitergehend, als meinen eigenen Freunden erwünscht ist – dann erhalten, wenn das gleiche Wahlrecht jetzt scheiterte. Denn wir wollen uns darüber gar keinem Zweifel hingeben, daß dieses gleiche Wahlrecht, wenn es jetzt im negativen Sinne entschieden wird, den Kernpunkt künftiger Kämpfe auch für den Deutschen Reichstag bildet. Wer ein Interesse daran hat und wünscht, daß in diesem deutschen Parlament, das in Zukunft so viele und große Fragen des finanziellen und wirtschaftlichen Wiederaufbaues Deutschlands zu lösen hat, auch die Parteien der Rechten und des maßvollen Fortschritts nicht zerrieben werden gegenüber der Demokratisierung, der möge es nicht dahin kommen lassen, daß die nächsten Reichstagswahlen unter diesem Gesichtspunkt geführt werden. Man irrt sich auch, wenn man annimmt, daß der führende Bundesstaat überhaupt an dem gleichen Wahlrecht dann vorbeikäme, wenn es jetzt nicht Gestaltung gewinnt. Sollte die Kriegszeit nicht die Entscheidung bringen, so wird sie im Frieden erzwungen werden. Die Millionen der Kriegsteilnehmer, die in die Heimat zurückkehren, werden die Bestrebungen auf diese Gleichheit unterstützen. Dann aber, wenn ein nach einem Mehrstimmenwahlrecht gewähltes preußisches Parlament erneut über diese Frage im Frieden entscheidet, dann werden auch diejenigen Kautelen gegen eine völlige Demokratisierung fallen, die gegenwärtig noch zu haben sind, und dann wird auch das starke Pluralstimmrecht, das – und zwar mit voller Berechtigung – für das platte Land in der Wahlkreiseinteilung liegt, fallen, dann wird auch die ganze Frage des Herrenhauses schwerer von der Regierung zu verteidigen sein als heute. Wir verstehen vollkommen den Einfluß auf die Reichspolitik, den eine Änderung in der Zusammensetzung des preußischen Abgeordnetenhauses mit sich bringt. Wir verkennen keineswegs, daß es schwierig sein wird, mit hundert Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus zu regieren. Aber mit 149 Konservativen unter der Führung des Herrn v. Heydebrand war es auch nicht immer leicht für die preußische Regierung, diejenige Politik zu führen, die ihr zweckmäßig erschien. Wenn man daran denkt, daß in diesem Weltkriege manche Schwierigkeiten mit durch das Fehlen des Mittellandkanals herbeigeführt sind, dann werden wir daran erinnert, wie schwer es der preußischen Regierung einmal war, eine wirtschaftliche Staatsnotwendigkeit einzulösen, als einflußreiche Parteien dagegen auftraten. Im übrigen ist das Leben des einzelnen Menschen und der Führer und Staatsmänner nicht zum Genießen da, sondern um Schwierigkeiten zu überwinden. Eine führende Regierung mit führenden Köpfen wird auch mit einem schwierigen Parlament fertig; eine willenlose Regierung versagt aber unter Umständen selbst da, wo sie das ganze Volk hinter sich scharen könnte.

Aber am wesentlichsten erscheint mir für die Bedeutung dieser Frage und für die ganze Erörterung hier ihre Einwirkung auf den Weltkrieg und seine Beendigung in einer Weise, wie wir sie wünschen. Was außenpolitisch auf dem Spiele steht, darüber sind wir uns alle klar nach den Debatten dieser Tage. Wenn wir außenpolitisch das erreichen wollen, was für die Sicherung unserer Zukunft notwendig erscheint, dann müssen wir innerlich zusammenhalten bis zum letzten Tage der Kriegsentscheidung. Daß eine Verweigerung des gleichen Wahlrechtes ohne die schwersten Krisen nicht möglich sein wird, das scheint mir festzustehen. Die Verantwortung für solche Krisen inmitten der Spannung des Weltkrieges wird nicht zu tragen sein. Ich halte aber fest an der bestimmten, durch Tatsachen unterstützten Hoffnung, daß eine wenn auch kleine Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhaus die Regierungsvorlage, die in ihrem Rahmen die Möglichkeit mancher Sicherungen umschließt, nicht scheitern lassen wird. Die nationalliberale Reichstagsfraktion steht jedenfalls beinahe einmütig auf dem Standpunkt, daß im Reichsinteresse die Einführung des gleichen Wahlrechts in unserem führenden Bundesstaat geboten ist. Sie ist überzeugt, sich damit mit der überwiegenden Mehrheit ihrer Wähler im Reich und in Preußen in vollständiger Übereinstimmung zu befinden.

Ich komme dann auf die Ausführungen, die der Herr Vizekanzler über die Streikvorgänge der letzten Zeit gemacht hat. Es war vielleicht nicht ganz glücklich, daß er bei diesem Streik die Wahlrechtsfrage insofern mit erwähnte, daß man annehmen könnte, als wenn die Erregung über die Wahlrechtsverhandlungen irgendwie, ich will nicht sagen, eine Berechtigung, sondern auch nur Entschuldigung oder einen mildernden Umstand für diesen Streik gegeben hätte. Aber er hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß wenn man geglaubt hat, durch diesen Streik etwa dem Wahlrechte zu nutzen, man sich in einem großen Irrtum befunden hat. Man hat lediglich den Gegnern des Wahlrechtes Waffen in die Hand gegeben. Aber ich teile mit dem Herrn Vizekanzler die Auffassung, daß es völlig unrichtig ist, die letzten Streikvorgänge nun so zu werten, als hätten sie die Stimmung des deutschen Volkes dokumentiert. Davon ist nicht die Rede. Wer hat denn gestreikt? Zunächst einmal, wenn in Berlin ein großer Teil der Arbeiter, eine größere Zahl, als es der Fall gewesen ist, gestreikt hätte, so gilt von der Arbeiterschaft Berlin, wie für Berlin überhaupt, daß Berlin nicht Deutschland ist, daß diese hauptstädtischen Strömungen nicht bewertet werden können als Stimmungen des ganzen deutschen Volkes. Wir würden überhaupt gut tun, und auch das Ausland würde gut tun, wenn wir vom deutschen Volk und seinen Strömungen nicht lediglich nach den Berliner Verhältnissen urteilen wollten. Für uns ist die Stimmung in den kleinen Provinzstädten und auf dem Lande vielleicht noch wichtiger, weil sie dort nicht unter dem Einflüsse der Massensuggestion steht, wie es hier in Berlin der Fall ist. Wir haben gestern von dem Herrn Staatssekretär Dr. Wallraf gehört, daß nach Anschauung der Regierung insgesamt in Berlin an dem Tage, an welchem der Streikthermometer den höchsten Grad zeigte, 180 000 Arbeiter gestreikt hätten. Was bedeutet das? und was würde es bedeuten, wenn es selbst mehr gewesen wären, als daß doch immerhin ein ganz geringer Bruchteil der deutschen Arbeiterschaft sich an dem Streik beteiligt hat. Die deutsche Arbeiterschaft hat, von ganz wenigen Städten abgesehen, sich dem Streik vollkommen versagt; versagt haben sich auch, was ich im Gegensatz zum Herrn Kollegen Scheidemann entschieden unterstreichen muß, die nicht auf sozialdemokratischem Boden stehenden Arbeiter. Wenn Herr Kollege Scheidemann Wert legte auf die Tatsache, daß auch die christlichen Gewerkschaften und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine am Streik teilgenommen hätten, so wundere ich mich über diese Behauptung, denn in einer Besprechung mit Vertretern der anderen Fraktionen hat Herr Kollege Scheidemann ausdrücklich erklärt, an die sozialdemokratische Fraktion sei die Anregung zum Streik gekommen von sozialdemokratischen Arbeitern, die erklärt hätten, daß sie terrorisiert seien. Die Niederschrift des Protokolls vom 7. Februar der interfraktionellen Besprechung beweist dies. Wenn Sie also von einem Terrorismus von unabhängiger Seite sprechen, wie können Sie dann, wenn auch christliche Arbeiter mitgerissen und terrorisiert werden, daraus irgendeine Gemeinschaftlichkeit mit der großen christlich-nationalen Arbeiterbewegung herauslesen wollen! Die Erklärung der christlich-nationalen Arbeiterschaft und der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine lehnt eindeutig den Streik ab. Wenn ich mir nun vergegenwärtige, daß der Appell, der hier ausgehen sollte von der Reichshauptstadt und zu dem zunächst das Signal in Budapest und Wien gegeben war, lediglich kleine Sprengteilchen der großen deutschen Arbeiterschaft, darunter auch Leute gegen ihren Willen für wenige Tage hineingerissen hat in diese Bewegung, dann lehne ich es ab, daraus Folgerungen zu ziehen für die großen politischen Fragen, um die es sich bei dem Wahlrecht in dem führenden Bundesstaate handelte. Die Verurteilung gilt überhaupt den Verführern und nicht den Verführten. Die idealisierte Darstellung, die der Herr Kollege Scheidemann von dieser Sache gab, weicht doch wesentlich von den Tatsachen ab. Wie kann man sagen, daß es kindisch wäre, von ausländischer Beeinflussung zu sprechen? Ich weiß nicht, ob sich der Herr Kollege Scheidemann nicht dessen entsinnt, daß uns Herr v. Kühlmann wiederholt in Besprechungen erklärt hat, daß er die Verzögerungen der Verhandlungen in Brest damit in Zusammenhang brächte, daß Herr Trotzki auf den Erfolg seiner Agitation in Deutschland hoffe, daß er wiederholt erklärt hat, daß der Einfluß von Radek-Sobelssohn Trotzki zu der Meinung gebracht hätte, daß es ihm gelingen werde, durch einen Appell an das internationale Proletariat eine Bewegung hervorzurufen, die alsdann von der Straße aus die äußere und innere Politik in außerordentlicher Weise beeinträchtigen sollte, die es ihm möglich machen würde, einen Frieden der Bolschewiki gegen Deutschland zu schließen. Es ist uns ja erst vor kurzem mitgeteilt worden, daß Herr Trotzki in den letzten Tagen, als er sah, daß Deutschland seine Bedingungen nicht annahm, sich im Privatgespräch darüber beklagt hätte, er wäre über die wirkliche Stimmung in Deutschland irregeführt worden, er habe geglaubt, daß das deutsche Proletariat sich erheben würde, um ihm Beistand zu leisten. Wenn Sie sich vor Augen führen, daß diese Agitation bis in die besetzten Gebiete ging, wie will man es dann mit einer leichten Handbewegung als kindisch abweisen. Wir werden nachher die Rede des Herrn Abgeordneten Haase hören. Ich glaube, meine Herren, Herr Haase und seine Freunde sehen es gar nicht als Beleidigung an, wenn man davon spricht, daß sie internationale Beziehungen haben, da sie das ihrerseits gewissermaßen als einen Programmpunkt verfolgen, durch internationales Zusammenwirken über die Regierung der Völker hinweg eine Bewegung zu entfachen. Wie kann man da sagen, angesichts einer starken Partei, die sich leider Gottes zu einem solchen Standpunkt bekennt, daß keine Rede davon sein könne, daß bei der Streikbewegung ausländischer Einfluß mitgesprochen hätte. Nein, diesen ausländischen Einfluß haben wir kennen gelernt, haben wir gespürt. Wenn auch die Arbeiter als solche diese Flugblätter nicht gelesen haben, ich glaube es gern, wie gestern dazwischengerufen wurde, das haben nicht hundert deutsche Arbeiter gelesen, das ist möglich. Entscheidend ist aber, wie sich die Führer der Bewegung gestellt haben, unter welchen Gesichtspunkten sie versucht haben, auf Grund dieser internationalen Beeinflussung die Arbeiter in den Streik hineinzubringen. Wie kann man davon sprechen, es hätte den Arbeitern vor Augen gestanden, daß sie die Munitionserzeugung wirklich nicht geschädigt hätten, weil ein Kohlenmangel vorhanden gewesen wäre, daß also nach dieser Richtung hin eine Beeinträchtigung nicht erfolgt wäre. So gering schätze ich die deutschen Arbeiter nicht ein, daß diejenigen, die hier verführt worden sind, sich nicht vollkommen der internationalen Bedeutung bewußt gewesen sind, die von diesem Berliner Streik ausging. Wir haben gehört, wie man in London Extrablätter verteilt hat, wir haben die Überschriften gesehen, die gerade in den ausländischen Zeitungen, in Frankreich, Italien und England dem Volke zum Ausdruck gebracht haben: der Stern Deutschlands ist im Niedergehen, die deutsche Seele am Verzweifeln! Eine derartige Agitation des Streiks muß kriegsverlängernd wirken, darüber ist kein Zweifel möglich. An die Spannkraft der Nerven unserer Feinde sind durch die letzten deutschen Friedensschlüsse manche Anforderungen gestellt worden: wenn jetzt hintereinander der Friedensschluß mit der Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Folgen, der Friedensschluß mit Rußland in seiner politischen Bedeutung und der in Aussicht stehende Friede mit Rumänien in seiner Bedeutung für die Liquidierung des Balkanproblems kommt, dann kann die Möglichkeit eintreten, daß einer nach dem andern vom Bunde unserer Feinde abbröckelt, dann kann der psychologische Moment kommen, wo das Volk die Gewalthaber in den fremden Ländern wegjagt, die die Verständigung und den Frieden nicht wollen. Nichts wirkt diesen Völkern gegenüber so ungünstig als solche frivolen Streiks, wie wir sie in Deutschland haben. Sie waren frivol, denn die Gründe, die der Herr Kollege Scheidemann für die Berechtigung des Streiks angeführt hat, waren keine Gründe. – Die Frage der Ernährung! – Wir alle wissen, daß wir im vierten Kriegsjahre mit großen Schwierigkeiten der Ernährung zu rechnen haben. Aber eins steht als Tatsache fest, daß bei den Verhältnissen in allen Kreisen in Deutschland und bei den rationierten Beträgen für die Munitionsarbeiter am besten gesorgt worden ist. Und soweit die bedenkliche Erscheinung des Schleichhandels, mit der wir uns ja noch zu beschäftigen haben werden, ein Auswuchs ist, hat dieser Auswuchs eine einzige Berechtigung, nämlich die, daß er größtenteils das umfaßt, was auf dem Wege des Schleichhandels als Extrabeilage zugeführt wird, von den großen Werken aufgekauft ist, um ihre Arbeiter bei guter Laune zu erhalten. Dort in den großen Werken und Betrieben sind vor allem diese gewaltigen Zusatzmengen zur Verteilung gekommen, die andere Leute entbehrt haben. Teuerung! Gewiß, ganz tolle Verhältnisse der Teuerung erleben wir, und wenn unsere Beamten und Angestellten eines Tages arbeitsunwillig würden, weil sie mit ihrem Gehalt nicht mehr auskommen können, dann könnte man ihnen die Schwierigkeit der Teuerung und Ernährung als mildernde Umstände anrechnen. Aber bei dem Streik der Höchstbezahlten und Besternährten, die es heute in Deutschland gibt, kann man nicht als Grund auf die Ernährungsverhältnisse und Teuerungsverhältnisse hinweisen. Nein, es waren politische Gründe, die zu diesem Streik geführt haben, die einen Einfluß ausüben wollten auf unsere Innen- und Außenpolitik, die international wirken wollten und die mittelbar Herrn Trotzki gegen die deutsche Reichsregierung unterstützt haben. Wir billigen ausdrücklich die Haltung, die die Reichsregierung in dieser Frage des Streiks eingenommen hat und billigen die gestrigen Erklärungen des Herrn Staatssekretärs Wallraf. Wir billigen sie vor allen Dingen als deutsche Parlamentarier, die sich dagegen verwahren, daß uns grundlegende Fragen der deutschen Außen- und Innenpolitik der Volksvertretung entzogen und mit der Straße verhandelt werden. Es ist ganz unmöglich, daß der Herr Staatssekretär Wallraf eine andere Haltung hätte einnehmen können von großen politischen Gesichtspunkten aus, als er sie eingenommen hat. Wenn erst das Parlament durch die Straße ersetzt wird, wenn einem streikenden Bruchteil der Arbeiterschaft einer Stadt in Deutschland Garantien für die künftige Politik der Regierung gegeben werden sollen, meine Herren, auf dieser schiefen Ebene kommen wir zur Herrschaft der Bolschewiki auch in Deutschland, und davor möge uns Gott in Gnaden bewahren.

Meine Herren, der Herr Kollege Trimborn hat mit vollem Rechte und mit großem Ernste darauf hingewiesen, daß die alte Sozialdemokratie der Auseinandersetzung mit den Unabhängigen doch nicht entgehen würde, und ich bedauere, daß diese Auseinandersetzung so wenig Erfreuliches gezeitigt hat, daß sie im wesentlichen versucht hat, eine Mohrenwäsche an den Streikenden vorzunehmen, und um den Kern der Sache herumgegangen ist. Man kann nicht den Generalstreik verurteilen und sich gleichzeitig an seine Spitze stellen. Wer als Führer der Arbeiterbewegung in einer Zeit, wo die Front kämpft, in der Heimat die Munitionserzeugung hemmt, der versündigt sich an der kämpfenden Truppe und an dem Vaterland. An diesem Urteil ist auch nach der Erklärung des Herrn Kollegen Scheidemann nichts zu ändern. Wir sprechen, wie gesagt, der Regierung unsere volle Zustimmung zu ihrer Haltung aus. Wir hoffen, daß sie nicht ein zweites Mal in die Lage kommen möge, Maßregeln gegen einen Streik ergreifen zu müssen.

Im übrigen, meine Herren, bin ich erfreut über die Ausführungen gewesen, mit denen der Herr Reichskanzler gestern unsere Verhandlungen geschlossen hat. Ist es wirklich an der Zeit, daß wir bei diesem großen weltgeschichtlichen Erleben, das wir alle durchmachen, nun, wie es in der Diskussion geschehen ist, die alten Streitigkeiten der Parteien und Fraktionen wieder in der alten Schärfe hervorbringen? Denken wir doch daran, daß auf allen Seiten gesündigt wird, innerhalb und außerhalb der einzelnen Parteien. Möge auch der Herr Kollege Dr. Wiemer daran denken, daß die von ihm so heiß befehdete Vaterlandspartei gerade in der Nordwestecke Deutschlands, wo er und ich gewählt sind, fortschrittliche Führer, alte erprobte Kämpen des entschiedenen Liberalismus zu Führern hat, die ganz frei davon sind, irgendwelche reaktionäre Pläne verfolgen zu wollen, die auch davon frei sind, utopischen Idealen nachzujagen. Möge man sich andererseits doch auch vergegenwärtigen – ich bin wenigstens der Überzeugung, daß ich das sagen kann –, daß es doch sicherlich Hunderttausende Menschen von konservativer Grundanschauung gibt, die die Ausführungen des Herrn von Oldenburg-Januschau genau so verantwortungslos und verdammenswert finden, als sie von der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes empfunden werden, und gefreut hätte es mich, wenn das seitens des Herrn v. Heydebrand zum Ausdruck gekommen wäre. Meine Herren, jede von unseren Parteien muß für sich in Anspruch nehmen, nicht verantwortlich gemacht zu werden für irgendwelche Äußerungen von Exaltados. Man muß aber dann auch den Mut haben, von diesen Ausführungen abzurücken, und ich würde an dem gesunden Sinne unserer Konservativen im Reiche verzweifeln müssen, wenn ich annehmen müßte, daß sie sich mit diesen Ausführungen irgendwie identifizieren wollten. Andererseits wollen wir doch diesen Oldenburgschen Gaul bei der Etatsberatung nicht zu Tode reiten. Schließlich kennen wir alle Herrn v. Oldenburg-Januschau aus seiner früheren Tätigkeit her und wissen, daß es ihm selten gegeben war, zurückzuhalten, was sich im Moment verantwortungslos auf seine Lippen drängte. Der Führer eines großen Teiles des deutschen Volkes ist er dabei nicht.

Meine Herren, ich habe vorhin ausgeführt, daß wir jetzt vor der Endphase des Krieges stehen, wo es darauf ankommt, die Nerven zu behalten. Der Burgfriede ist leider nur noch ein Traum aus einer schönen vergangenen Zeit. Aber in großen Momenten, wie wir sie hoffentlich nicht zum letzten Male erlebt haben, müssen wir uns zur Einigkeit durchringen. Deshalb lehnen wir auch irgendwelchen Boykott einer politischen Partei, die auf dem Boden der Landesverteidigung steht, ab. Wir stimmen dem Regierungsprogramm unsererseits zu, wünschen uns aber darüber hinaus sachlich und taktisch jede Selbständigkeit zu bewahren. Wir werden in Bälde vor dem großen Aufbau der deutschen Finanzen und des deutschen Wirtschaftslebens stehen. Alle diese Fragen sind nur zu lösen, wenn wenigstens im Notwendigen Einigkeit besteht. Sie zu bewahren, ist das Gebot der Stunde, die die Parteileidenschaft erst wieder zuläßt, wenn des Reiches Zukunft gesichert ist.


Der Aufsatz »Napoleon und wir«, der an der Spitze dieses Buches steht, ist als Sonderveröffentlichung zuerst im Verlage der »Täglichen Rundschau« erschienen. Für die freundliche Genehmigung der Übernahme des Aufsatzes in die vorliegende Veröffentlichung sind wir dem Verlag der »Täglichen Rundschau« zu besonderem Danke verpflichtet.

Die beiden Aufsätze »Gedanken zur Krisis« und »Die Herbstkrisis« sind den »Deutschen Stimmen«, der Wochenschrift für Natonalliberale Politik (Herausgeber Dr. Gustav Stresemann, M. d. R., Verlagsbuchhandlung Hermann Kalkoff, Berlin-Zehlendorf) entnommen.


Emil Wolff & Söhne, Halle (S.), Töpferplan.

 


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