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Der Bann

Ich kam am andern Morgen auf die Veranda, gerade bevor die Sonne aufging. Mein Haus war das letzte nach Osten zu; hinter ihm war ein bewaldetes felsiges Vorgebirge, das die aufgehende Sonne verhüllte. Nach Westen zu strömte ein schneller kalter Fluß, und hinter diesem war das Grün des Dorfes mit Gruppen von Kokospalmen und Brotbäumen und Häusern. Bei einigen von diesen waren die Läden geschlossen, bei anderen standen sie offen; ich sah die Moskitonetze noch ausgespannt und in deren Innern Schatten von Menschen, die eben aufgewacht waren und sich aufgerichtet hatten; und überall im Grünen gingen andere Menschen schweigend umher, in ihre bunten Schlafdecken gehüllt, wie Beduinen auf biblischen Bildern. Es war totenstill und feierlich kühl, und das Licht der Morgenfrühe auf der Lagune war wie ein Feuerschein.

Aber das, was mich beunruhigte, war näher bei mir. Ein paar Dutzend junge Männer und Kinder standen in einer Art von Halbkreis um mein Haus herum; der Fluß trennte sie, einige waren diesseits, andere am jenseitigen Ufer, und einer hockte auf einem Felsblock mitten im Wasser; und sie alle saßen stumm, in ihre Decken eingewickelt, und starrten auf mich und mein Haus unverwandt wie Vorstehhunde. Es kam mir sonderbar vor, als ich ausging. Als ich gebadet hatte und wieder zurückkam und sie alle noch dort fand und noch zwei, drei neue obendrein, da kam es mir noch sonderbarer vor. Ich dachte verwundert bei mir selber, was sie wohl an meinem Hause zu sehen haben könnten, daß sie es so anstarrten, und damit ging ich hinein.

Aber der Gedanke an dieses Anstarren kam mir nicht aus dem Sinn, und gleich darauf ging ich wieder hinaus. Die Sonne war jetzt aufgegangen, aber sie war noch hinter dem waldigen Vorgebirge. Es mochte vielleicht eine Viertelstunde vergangen sein. Die Menge hatte sich stark vermehrt; das jenseitige Flußufer war eine ganze Strecke breit dicht mit Menschen besetzt – es waren vielleicht dreißig Erwachsene und doppelt soviel Kinder; einige standen, andere hockten auf der Erde, und alle starrten mein Haus an. Ich hatte einmal ein Haus in einem Südseedorf so umringt gesehen; aber da prügelte ein Händler sein Weib, und sie schrie laut. Hier war nichts dergleichen: Das Feuer auf dem Herde brannte, und der Rauch stieg friedlich in die Höhe; alles war in guter Ordnung, wie auf einem Schiff oder in Bristol. Allerdings war ja ein Fremder angekommen, aber sie hatten gestern Gelegenheit gehabt, diesen Fremden zu sehen und hatten sich bei seinem Anblick nicht aufgeregt. Was hatten sie denn jetzt? Ich stützte meine Arme auf das Geländer und spähte hinüber. Irgendein Teufelskram ging da unter ihnen vor! Ab und zu konnte ich die Kinder schwatzen sehen, aber sie sprachen so leise, daß ich nicht einmal das Summen ihres Sprechens hörte. Die übrigen waren unbeweglich wie Bilder: Stumm und ernst starrten sie mich an mit ihren glänzenden Augen; und mir kam der Gedanke, es würde nicht viel anders sein, wenn ich unter einem Galgen stände und die guten Leutchen wären gekommen, mich hängen zu sehen.

Ich fühlte, wie mir der Mut sank, und begann zu fürchten, man könnte mir das ansehen, und das durfte um keinen Preis sein. So sprang ich auf, tat, wie wenn ich mich streckte, ging die Verandatreppe hinunter und schlenderte auf den Fluß zu.

Ein kurzes Summen ging von einem zum andern – wie man's im Theater hört, wenn der Vorhang aufgeht; und einige von denen, die am nächsten standen, traten etwas zurück, vielleicht um einen Schritt. Ich sah, wie ein Mädchen die eine Hand einem jungen Mann auf die Schulter legte und mit der andern aufwärts deutete; gleichzeitig sagte sie mit keuchender Stimme etwas auf kanakisch. Drei kleine Knaben saßen neben dem Fußsteig, auf dem ich in einer Entfernung von drei Fuß an ihnen vorbeikommen mußte. In ihre Decken eingewickelt, mit ihren rasierten Schädeln und den kleinen Kopfschleifen darauf und mit ihren komischen Gesichtern sahen sie aus wie Porzellanfiguren auf einem Kaminsims. Eine Weile blieben sie sitzen, feierlich wie Richter. Ich kam mit rüstigem Schritt, so fünf Meilen in der Stunde, wie ein Mann, der es eilig hat; und es schien mir, wie wenn ich in den drei Gesichtern ein Zucken sähe. Dann sprang einer auf – es war der, der am weitesten weg saß – und rannte zu seiner Mutti. Die beiden andern, die ihm nachlaufen wollten, stolperten, purzelten zu Boden, zappelten sich aus ihren Decken heraus, daß sie splitternackt waren, und im Nu rannten sie alle drei davon; wie wenn's ihr Leben gälte, und quiekten dabei wie Ferkel. Die Kanaken, die sich niemals einen Spaß entgehen lassen, war's auch bei einem Begräbnis, lachten laut auf – ein kurzes Lachen, wie ein Hundeblaff.

Man sagt, der Mensch kriegt Angst, weil er allein ist. Unsinn! Was ihm Angst macht im Dunkeln oder im dichten Busch, ist, daß er nicht weiß, was los ist, und daß vielleicht eine ganze Armee in seiner unmittelbaren Nähe ist. Die ärgste Angst aber hat er, wenn er mitten in einem Menschenhaufen ist und keine Ahnung hat, was alle die Leute wollen. Als das Lachen plötzlich abbrach, blieb auch ich stehen. Die Jungen waren noch nicht bei ihren Leuten und galoppierten noch davon, da hatte ich mich schon umgedreht und segelte wieder zurück. Wie ein Narr war ich hinausgerannt, im Tempo von fünf Meilen in der Stunde; wie ein Narr ging ich wieder zurück. Es muß höchst lächerlich ausgesehen haben. Was mich aber geradezu verblüffte, war, daß diesmal kein Mensch lachte. Nur ein altes Weib stieß eine Art von frommem Stöhnen aus, wie sie es wohl von Erweckten gehört haben bei der Predigt in ihren Kapellen.

»Niemals sah ich solche albernen Kanaken wie diese hier«, sagte ich zu Uma, die vom Fenster aus auf die Gaffer sah.

»Weiß nichts von«, sagte Uma und schnitt dazu ein Gesicht, wie wenn die Leute sie anekelten.

Und das war alles, was wir über die Sache miteinander sprachen; denn ich war ratlos, und Uma fand es offenbar selbstverständlich, so daß ich mich beinahe schämte.

Den ganzen Tag über saßen die dummen Menschen am Westende meines Hauses und jenseits des Flusses; bald waren es weniger, bald mehr, aber den ganzen Tag lagen und standen sie und warteten auf irgend etwas; was das nun sein sollte, wußte ich nicht – wahrscheinlich auf Feuer, das vom Himmel fallen und mich mit Haut und Haaren und allen meinen Sachen verzehren sollte. Aber als der Abend kam, da war ihnen als richtigen Insulanern die Sache langweilig geworden, und sie gingen weg und tanzten im Gemeindehaus, und ich hörte sie singen und in die Hände klatschen bis vielleicht zehn Uhr nachts, und am nächsten Tage schienen sie rein vergessen zu haben, daß ich überhaupt vorhanden war. Wäre jetzt Feuer vom Himmel herabgefallen oder hätte die Erde sich aufgetan und mich verschlungen, so wäre kein Mensch dagewesen, den Spaß mitanzusehen oder die göttliche Lehre zu beherzigen oder wie man's nennen will. Ich sollte aber noch merken, daß sie mich nicht vergessen hatten und beständig danach ausspähten, ob mir nicht etwas zustieße.

Ich war die beiden ersten Tage hart an der Arbeit, meine Waren in Ordnung zu bringen und den von Vigours hinterlassenen Bestand aufzunehmen. Dabei wurde ich halb krank vor Ärger und konnte nicht viel an anderes denken. Ben hatte die Vorräte erst beim vorigen Anlegen des Schoners eingenommen; ich wußte, ich konnte Ben trauen, aber es war klar, daß irgend jemand in der Zwischenzeit unter den Waren aufgeräumt hatte. Ich fand, daß ein Wert fehlte, der mich mindestens sechs Monate von meinem Gehalt und Gewinnanteil kosten konnte, und ich hätte mich ohrfeigen mögen, daß ich so ein verdammter Esel gewesen war und mit diesem Case geschwätzt hatte, statt mich um meine Sachen zu kümmern und den Bestand aufzunehmen.

Na, es hat ja keinen Zweck, über verschüttete Milch zu jammern. Es war nun einmal geschehen und konnte nicht ungeschehen gemacht werden. Ich konnte nichts weiter tun, als das, was übriggeblieben war, in Ordnung zu bringen, meine neuen Waren, die ich selber ausgewählt und mitgebracht hatte, richtig aufzustapeln, das Haus von Ratten und Kellerasseln zu säubern und meinen Laden im richtigen Sydneystil zurechtzumachen. Bildschön sah er aus; und als ich am dritten Morgen meine Pfeife angezündet hatte, in der offenen Tür stand und mir meinen Laden ansah, mich dann umdrehte und nach den Bergen hinaussah, wo die Kokospalmen sich wiegten, an denen viele Tonnen Kopra hingen, dann auf die Dorfwiese blickte und die Kanakenstutzer sah und mir die Ellen Kattun berechnete, die sie für ihre Leibschürzen und Kleider brauchen würden – da hatte ich das Gefühl, ich sei am rechten Ort, um mir ein Vermögen zu machen und damit nach Hause zu gehen und eine Kneipe aufzumachen. Hier saß ich nun auf meiner Veranda, in einer Landschaft so schön, wie man sie sich nur denken kann, in der leuchtenden Sonne und mit einem schönen, gesunden Beruf, der einem Mann das Blut erfrischt wie ein Bad in der See. Und dann vergaß ich alles um mich herum und träumte von England, das eigentlich ein ekliges, kaltes, dreckiges Nest ist, wo man nicht genug Licht hat, um dabei zu lesen; und ich träumte, wie meine Kneipe aussehen würde, an der Ecke einer breiten Straße, und von meinem Wirtshausschild, das ich an einen grünen Baum angenagelt hätte.

So war's am Morgen; aber der Tag verging, und kein Mensch, der Teufel sollt' es holen, sprach bei mir vor, und nach allem, was ich von den Eingeborenen auf anderen Inseln wußte, kam mir das sonderbar vor. Die Leute draußen hatten sich schon ein bißchen lustig gemacht über unsere Firma und ihre schönen Stationshäuser und über diese Station Falesa im besonderen; die ganze Kopra im Bezirk könnte in fünfzig Jahren – so hatte ich sie sagen hören – die Kosten nicht einbringen, was mir eine Übertreibung schien. Als aber der Tag hinging und überhaupt nichts zu tun war, da begann ich niedergeschlagen zu werden; und gegen drei Uhr nachmittags ging ich aus, um einen Bummel zu machen und mich etwas aufzuheitern. Auf der Dorfwiese sah ich einen Weißen mir entgegenkommen; er trug einen Talar; daran und an seinem Gesicht sah ich, daß er ein Priester war. Er sah wie eine gutmütige alte Seele aus, schon ein bißchen grauhaarig und so dreckig, daß man mit ihm auf ein Blatt Papier hätte schreiben können.

»Guten Tag, Herr«, sagte ich.

Er antwortete mir munter auf kanakisch.

»Sprechen Sie denn gar nicht englisch?« frage ich.

»Französisch«, sagt er.

»Na«, sage ich, »tut mir leid, das kann ich nicht.«

Er versuchte noch eine Weile französisch zu sprechen und dann wieder kanakisch; er schien zu denken, damit würde es wohl noch am besten gehen. Ich merkte, daß er mehr auf dem Herzen hatte, als mir guten Tag zu sagen, und daß er mir etwas mitteilen wollte, und so spitzte ich denn meine Ohren. Ich hörte die Namens Adams und Case und Randall – Randall am häufigsten – und das Wort Gift oder so etwas Ähnliches und ein kanakisches Wort, das er sehr oft aussprach. Ich ging nach Hause und sagte fortwährend dieses Wort vor mich hin.

»Was bedeutet ›fussy-oky‹?« fragte ich Uma; denn so ungefähr schien das Wort mir zu klingen.

»Totmachen«, sagte sie.

»Den Teufel auch!« sage ich. »Hast du jemals was davon gehört, daß Case den Johnny Adams vergiftet hat?«

»Jede Mann er wissen das«, sagte Uma, ganz verächtlich, wie mir schien. »Geben ihm weißen Sand – schlimm Sand. Er noch haben Flasche. Wenn er Euch geben Gin, Ihr nicht nehmen ihn.«

Nun hatte ich dieselbe Geschichte fortwährend auf anderen Inseln gehört, und immer war dabei dieses selbe weiße Pulver die Hauptsache; deshalb gab ich nicht viel darauf. Indessen ging ich doch zu Randall hinüber, um mal zu sehen, ob ich da was aufschnappen könnte, und fand Case auf der Haustreppe; er war dabei, ein Gewehr zu putzen.

»Gute Jagd hier?« sage ich.

»Prima!« sagt er. »Der Busch ist voll von allen möglichen Vögeln. Ich wollte, Kopra wäre ebenso reichlich«, sagte er, und es kam mir vor, wie wenn er dabei eine Absicht hätte, »aber damit scheint hier gar nichts los zu sein.«

Ich konnte den Schwarzen Jack im Kaufladen sehen, wie er einen Kunden bediente, und sagte:

»Das sieht aber doch nach Geschäft aus.«

»Das ist der erste Verkauf, den wir seit drei Wochen erleben.«

»Das wollen Sie mir doch nicht erzählen?« sage ich. »Drei Wochen? Na, na!«

»Wenn Sie mir nicht glauben«, schreit er, ein bißchen hitzig, »können Sie nach dem Koprahaus gehen und nachsehen; 's ist bis zu dieser gesegneten Stunde halb leer.«

»Das würde mir nicht viel nützen, nicht wahr? Denn soviel ich davon weiß, könnte es ja gestern ganz leer gewesen sein.«

»Da haben Sie recht«, sagt er und lacht dabei ein bißchen.

»Übrigens«, sage ich, »was für 'n Knabe ist denn der Priester? Scheint ein ganz netter Mann zu sein.«

Da lachte Case laut heraus und sagte:

»Aha! Nun sehe ich, was für Schmerzen Sie haben! Galuchet hat Ihnen einen Floh ins Ohr gesetzt.«

Vater Galoshes nannte man ihn gewöhnlich, aber Case sprach den Namen immer richtig französisch aus, und das war auch einer von den Gründen, warum wir glaubten, er sei von besserer Herkunft.

»Ja, ich habe ihn getroffen. Soviel ich ihn verstehen konnte, hat er von Ihrem Kapitän Randall keine hohe Meinung.«

»Die hat er allerdings nicht! Es war die Geschichte wegen dem armen Adams; am letzten Tag, als er im Sterben lag, da holte der junge Buncombe ihn – den Priester, mein' ich. Kennen Sie Buncombe?«

»Nein!«

»Ist 'ne putzige Kruke, der Buncombe!« lacht Case. »Na, Buncombe setzte sich in den Kopf, weil kein anderer Geistlicher zur Hand sei als die Kanakenpastoren, müßten wir Vater Galuchet rufen, damit der alte Mann die Letzte Ölung und die Wegzehrung kriegte. Mir war's wurscht, wie Sie sich denken können; aber ich sagte, nach meiner Meinung müßte Adams das bestimmen. Der quatschte fortwährend von gewässerter Kopra und allem möglichen Unsinn. ›Hör mal‹, sagte ich, ›du bist ziemlich krank. War's dir recht, wenn Galoshes käme?‹ Da richtete er sich auf und stützte sich auf den Ellbogen und sagte: ›Holt den Priester! Holt den Priester; laßt mich hier nicht verrecken wie 'nen Hund! So rief er ganz wild, aber er war doch ziemlich vernünftig. Hiergegen war nun nichts zu sagen; so schickten wir denn 'rum und fragten Galuchet, ob er kommen wollte. Na, ob der wollte! Er sprang vor Vergnügen in seinem dreckigen Hemd bei dem bloßen Gedanken daran. Aber wir hatten die Rechnung ohne Papa gemacht. Der ist ein standhafter Baptist, unser Papa! Papisten brauchen ihm nicht zu kommen. Er also auf und schließt die Tür zu. Buncombe sagte ihm, er sei bigott, und da dachte ich, er hätte einen Raptus gekriegt. ›Bigott!‹ schreit er. ›Ich bigott?! Ich alter Mann soll mir so was von einem Schnösel sagen lassen?‹ Und damit ging Papa auf Buncombe los, und ich hatte genug zu tun, die beiden auseinanderzuhalten; und mitten zwischen ihnen lag Adams und hatte wieder sein Delirium gekriegt und quatschte wie verrückt von Kopra und so weiter. Es war 'ne famose Komödie, und ich lachte mich halbkrank; plötzlich richtete Adams sich auf, schlug die Hände vor die Brust und kriegte das heulende Elend. Er starb hart, der John Adams!« sagte Case und war plötzlich ganz ernst geworden.

»Und wie wurde es mit dem Priester?« fragte ich.

»Der Priester? Oh, der ballerte draußen gegen die Tür und schrie auf kanakisch, man solle aufmachen, da sei eine Seele, die er retten wolle, und lauter solches Zeug. Er war ganz außer sich, der Pfaff. Aber was meinen Sie? Da war nichts mehr zu wollen – Johnny war abgerutscht; da war kein Johnny mehr, und mit Letzter Ölung war nichts mehr zu machen. Dauerte nicht lange, so kriegte Randall zu hören, der Priester bete auf Johnnys Grab. Papa war hübsch voll, nahm einen Knüppel und ging stracks damit nach dem Grab hinaus; und richtig, da lag Galoshes auf seinen Knien, und ein Haufen Insulaner guckten zu. Sie möchten wohl meinen, Papa machte sich aus nichts etwas, außer aus Schnaps; aber nein – er und der Priester waren zwei Stunden lang an der Arbeit und schimpften sich gegenseitig auf kanakisch aus, und jedesmal, wenn Galoshes niederzuknien versuchte, ging Papa mit dem Knüppel auf ihn los. So einen Ulk hatte man in Falesa noch nie gesehen. Das Ende davon war, daß Kapitän Randall eine Art von Schlaganfall kriegte und hinpurzelte, und so kam denn der Priester schließlich doch noch zu seinem Ziel. Aber einen Ärger hatte der Pfaff! Und er beklagte sich bei den Häuptlingen wegen der Beschimpfung, wie er's nannte. Das hatte nun weiter keine Bedeutung, denn unsere Häuptlinge hier sind Protestanten; außerdem hatte er sich unbeliebt gemacht mit Beschwerden wegen des Trommelns zur Morgenschule, und so freuten sie sich, daß sie ihn abblitzen lassen konnten. Darum schwört er nun darauf, Papa Randall habe dem Adams Gift gegeben oder so was, und wenn die beiden sich begegnen, fletschen sie die Zähne gegeneinander wie Paviane.«

Er erzählte diese Geschichte ganz natürlich und wie ein Mann, der an dem Ulk seine Freude hatte; aber jetzt, da ich sie nach so langer Zeit wiedererzähle, scheint es mir eigentlich eine recht klägliche Geschichte zu sein. Aber kurz und gut, Case tat niemals gefühlvoll, sondern gab sich immer als derber, harter Kerl. Um die Wahrheit zu sagen, er kam mir sehr sonderbar vor.

Ich ging nach Hause und fragte Uma, ob sie ›Popi‹ sei.

»E le ai!« sagte sie. Sie sprach stets kanakisch, wenn sie ein Nein besonders stark betonen wollte, und das Wort hat allerdings mehr in sich als unser Nein.

»Popi nicht gut«, setzte sie noch hinzu.

Dann befragte ich sie um Adams und den Priester, und sie erzählte mir so ziemlich dieselbe Geschichte, aber auf ihre Art und Weise. Ich war also nicht viel weiter gekommen, war aber im ganzen geneigt zu denken, die ganze Geschichte käme von der Rauferei wegen der Letzten Ölung her und das Gerede von der Vergiftung sei nur Klatsch.

Der nächste Tag war ein Sonntag; Geschäft war also nicht zu erwarten. Uma fragte mich am Morgen, ob ich ›beten‹ gehen würde. Ich sagte ihr: »Nee – ganz gewiß nicht.« Darauf sagte sie kein Wort mehr und blieb selber auch zu Hause. Dies schien mir merkwürdig für eine Eingeborene, noch dazu für eine eingeborene junge Frau, die sich mit neuen Kleidern brüsten konnte. Da es mir aber außerordentlich angenehm war, so sagte ich nichts darüber. Merkwürdigerweise wäre ich dann doch beinahe in die Kirche gekommen; daran muß ich noch heute denken. Ich war ausgegangen und hörte die Leute in der Kirche singen. Na, Sie wissen ja, wie das ist: Wenn man Leute singen hört, ist es so, wie wenn man mit Gewalt herangezogen würde, und es dauerte nicht lange, so stand ich vor der Kirche. Es war ein niedriges, schmales, aber langes Gebäude, aus Korallen erbaut, an beiden Enden abgerundet wie ein Boot; ein großes Kanakendach oben drauf, Fensterluken ohne Scheiben und Türöffnungen ohne Türen. Ich steckte meinen Kopf zu einem der Fenster hinein, und der Anblick war so neu für mich – denn hier war alles ganz anders, als auf den Inseln, die ich kannte –, daß ich stehenblieb und zuschaute. Die versammelte Gemeinde saß auf Matten auf dem Fußboden, auf der einen Seite die Weiber, auf der anderen die Männer – alle mächtig herausgeputzt, die Weiber in Kleidern und europäischen Hüten, die Männer in weißen Jacken und Hemden.

Der Choral war gesungen; der Pastor, ein stutzerhafter, großer Kanake, stand auf der Kanzel und predigte, was das Zeug halten wollte; an der Art, wie er mit den Armen herumfuchtelte und auf die Leute losschrie und ihnen seine Weisheit verzapfte, konnte ich merken, daß er ein großer Mann in seinem Geschäft war. Na, plötzlich sieht er auf und begegnet meinem Blick – und ich gebe Ihnen mein Wort: Er taumelte auf seiner Kanzel zurück; die Augen traten ihm aus dem Kopf hervor, er hob die Hand und zeigte auf mich, wie wenn er nicht anders könnte, und bums! war die Predigt aus!

Man sagt so was nicht gerne von sich selber, aber – ich lief weg! Und wenn ich morgen wieder so einen Schreck bekäme, würde ich wieder weglaufen. Wie da dieser plappernde Kanake auf einmal still war bei meinem bloßen Anblick, das gab mir ein Gefühl, wie wenn die Welt plötzlich den Boden verloren hätte.

Ich ging schnurstracks nach Hause und blieb da und sagte kein Wort. Sie könnten denken, ich hätte mit Uma sprechen sollen, aber das ging gegen mein Prinzip. Oder ich hätte zu Case hinübergehen und ihn um Rat fragen sollen; aber um die Wahrheit zu sagen: Ich schämte mich, über so was zu sprechen; ich dachte, jedermann würde laut herausplatzen und mir gerade ins Gesicht lachen. So hielt ich denn meinen Mund, dachte aber um so mehr; und je mehr ich dachte, desto weniger gefiel mir die Geschichte.

Am Montagabend war es mir ganz klar, daß ich unter Tabu sein mußte. Daß ein neuer Kaufladen in einem Dorf zwei Tage offenstand und kein Mann oder Weib kam, sich die Waren anzusehen – das war unnatürlich.

»Uma«, sagte ich, »ich denke, ich bin unter Tabu.«

»Ich denken auch«, sagte sie.

Ich bedachte mich eine Weile, ob ich sie noch weiter fragen sollte; aber es ist nicht gut, Eingeborene darauf zu bringen, daß man sie überhaupt um Rat fragen kann; so ging ich also zu Case.

Es war dunkel, und er saß ganz allein, wie er es meistens tat, auf seiner Treppe und rauchte.

»Case«, sagte ich, »hier ist was Sonderbares los. Ich bin unter Tabu.«

»Och, Quatsch! Das ist hier auf diesen Inseln nicht Mode!«

»Das kann sein oder kann auch nicht sein. Wo ich bis jetzt war, da war es Mode. Und Sie können sich darauf verlassen, ich weiß damit Bescheid; und ich sage Ihnen, es ist Tatsache: Ich bin unter Tabu.«

»Na, was haben Sie denn getan?«

»Das will ich eben grade herausbringen.«

»Ach, Sie können nicht unter Tabu sein – das ist ausgeschlossen, aber ich will Ihnen sagen, was ich tun will: Bloß damit Sie ruhig sein können, will ich mal 'rumgehen und herausbringen, wie es damit wirklich ist. Spazieren Sie 'rein und klönen Sie ein bißchen mit Papa.«

»Danke. Ich bleibe lieber hier draußen auf der Veranda; in Ihrem Hause ist es so stickig.«

»Dann will ich Papa 'rausrufen.«

»Mein lieber Junge, tun Sie das lieber nicht! Ich mache mir nämlich nicht viel aus Kapitän Randall.«

Case lachte, nahm eine Laterne vom Ladentisch und machte sich auf den Weg ins Dorf. Er blieb vielleicht eine Viertelstunde fort und sah mächtig ernst aus, als er wiederkam.

»Nu ja«, sagte er und setzte die Laterne auf die Verandatreppe, »ich hätte es niemals geglaubt, ich weiß nicht, wie weit die Unverschämtheit dieser Kanaken nächstens noch gehen wird; sie haben scheint's jede Ahnung von Respekt vor den Weißen verloren. Was wir brauchen, ist ein Kriegsschiff – ein deutsches, wenn wir's haben könnten –, die wissen mit Kanaken umzugehen.«

»Ich bin also unter Tabu?« rief ich.

»So was Ähnliches. Es ist der schlimmste Fall, der mir je in der Art vorgekommen ist. Aber ich stehe Ihnen bei, Wiltshire, als Mann zu Mann. Kommen Sie morgen früh gegen neun Uhr bei mir vorbei, und wir wollen es bei den Häuptlingen richtigstellen. Sie haben Angst vor mir, oder hatten wenigstens Angst; aber sie sind jetzt so aufgeblasen, daß ich gar nicht weiß, was ich davon denken soll. Verstehen Sie mich recht, Wiltshire; die Frage geht nicht Sie allein an!« rief er in einem sehr entschlossenen Ton. »Sie geht uns alle an, uns Weiße, und ich gehe mit Ihnen durch dick und dünn, und da haben Sie meine Hand darauf!«

»Haben Sie den Grund herausgebracht?«

»Noch nicht; aber wir werden die Kerls morgen früh festnageln.«

Im großen und ganzen war ich mit seiner Haltung ziemlich zufrieden und beinah noch mehr am nächsten Tage, als wir uns trafen, um miteinander zu den Häuptlingen zu gehen, und ich ihn ernst und entschlossen sah. Die Häuptlinge erwarteten uns in einem ihrer großen eirunden Häuser, das wir schon von ferne als das Versammlungshaus erkannten, weil eine große Menschenmenge, mindestens hundert, sich rundherum drängte – Männer, Weiber und Kinder. Viele von den Männern waren auf ihrem Wege zur Arbeit und trugen grüne Kränze, und ich dachte bei ihrem Anblick an unsern Ersten Mai daheim. Die Menge ließ uns beide durch und summte um uns herum, wie in einer plötzlichen ärgerlichen Aufregung.

Fünf Häuptlinge waren da; vier davon mächtig stattliche Männer, der fünfte alt und verschrumpelt. Sie saßen auf Matten in ihren weißen Hüftschürzen und Jacken; Fächer hatten sie in ihren Händen wie feine Damen; und zwei von den jüngeren trugen katholische Medaillen, was mir zu denken gab. Unser Platz war zurechtgemacht, und Matten lagen für uns ausgebreitet, den großen Männern gegenüber, dicht am Eingang des Hauses; die Mitte war leer. Die Menge, die sich dicht an uns herandrängte, murmelte und reckte die Hälse und schubste sich, um etwas sehen zu können, und ihre Schatten bewegten sich vor unseren Füßen auf den weißen Kieseln des Fußbodens. Die Erregung der Volksmenge machte mich ein bißchen bedenklich, aber das ruhige höfliche Benehmen der Häuptlinge beruhigte mich wieder, zumal als ihr Sprecher begann und mit ziemlich leiser Stimme eine lange Rede hielt, wobei er zuweilen mit der Hand auf Case, zuweilen auf mich deutete, zuweilen mit den Knöcheln auf die Matte klopfte. Eins war klar: An den Häuptlingen war kein Zeichen von Ärger zu bemerken.

»Was hat er gesagt?« fragte ich, als er fertig war.

»Oh, weiter nichts, als daß sie sich freuen, Sie zu sehen, und daß sie von mir vernommen haben, daß Sie irgendeine Beschwerde vorzubringen wünschen. Sie brauchen jetzt bloß Ihre Meinung zu sagen, Wiltshire, und dann werden sie die Sache in Ordnung bringen.«

»Er brauchte verdammt lange Zeit, um das zu sagen!« entgegnete ich.

»Oh, der Rest war lauter Gequatsch und Bonjour und so weiter; Sie wissen doch, wie Kanaken sind.«

»Na, von mir kriegen sie nicht viel Bonjour zu hören! Sagen Sie ihnen, wer ich bin! Ich bin ein weißer Mann und ein britischer Untertan und ein mächtig großer Häuptling bei uns; und ich bin hierher gekommen, um ihnen Gutes zu tun und ihnen Zivilisation zu bringen; und kaum habe ich meine Waren ausgepackt, so gehen sie hin und stellen mich unter Tabu, so daß keiner sich in die Nähe meines Hauses wagt! Sagen Sie ihnen: Ich habe nicht die Absicht, ihnen etwas gegen Gesetz und Recht zu tun; und wenn sich's darum handelt, daß sie ein Geschenk haben wollen, dann will ich's machen, wie es anständig ist. Sagen Sie ihnen: Ich nehme es keinem Menschen übel, wenn er für sich selber sorgt, denn das liegt in der menschlichen Natur; aber wenn sie meinen, sie können mir mit ihren Insulanerideen kommen, dann werden sie finden, daß sie sich irren. Und sagen Sie ihnen kurz und bündig: Ich verlange den Grund dieser Behandlung zu wissen, und verlange das als weißer Mann und als britischer Untertan.«

Das war meine Rede. Ich weiß mit Kanaken umzugehen: Kommen Sie ihnen mit gesunder Vernunft und mit anständiger Behandlung, und – die Gerechtigkeit will ich ihnen widerfahren lassen – sie geben jedesmal klein bei. Sie haben keine richtige Regierung und kein richtiges Gesetz und Recht, das muß man ihnen einbläuen; selbst wenn sie es hätten, so wäre es ein dummer Witz, wenn sie ihr Gesetz auf einen Weißen anwenden wollten. Es wäre ja ein merkwürdiges Ding, wenn wir alle so behandelt würden und nicht tun könnten, was uns gutdünkt. Der bloße Gedanke an so etwas hat mich immer wild gemacht, und darum redete ich ziemlich hohe Töne.

Hierauf übersetzte Case meine Worte oder tat wenigstens so – und der erste Häuptling antwortet, und dann ein zweiter, und ein dritter, alle im selben Stil, freundlich und höflich, zugleich aber auch feierlich. Einmal wurde eine Frage an Case gerichtet, und er beantwortete sie, und alle Anwesenden – die Häuptlinge sowohl wie die gewöhnlichen Leute – lachten laut und sahen mich an.

Zuletzt begannen der verschrumpelte alte Kerl und der große junge Häuptling, der zuerst gesprochen hatte, Case in eine Art Kreuzverhör zu nehmen. Einigemal entnahm ich aus ihrem Benehmen, daß Case sich zu wehren versuchte, aber sie hingen an ihm fest wie Hunde, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht hinunter, was für mich kein sehr angenehmer Anblick war, und bei einigen von seinen Antworten grunzte und murrte die Menge, was für mich noch weniger angenehm zu hören war. Es war sehr schlimm für mich, daß ich die Eingeborenensprache nicht verstand; denn – wie ich jetzt glaube – sie fragten Case wegen meiner Heirat, und es muß für ihn harte Arbeit gewesen sein, dabei seine eigenen Hände reinzuwaschen. Aber gegen Case will ich nichts sagen; er hatte den Verstand, ein Parlament zu leiten.

»Nun, ist das alles?« fragte ich, als eine Pause eintrat.

»Kommen Sie mit!« sagte er und wischte sich das Gesicht ab. »Ich will's Ihnen draußen sagen.«

»Meinen Sie, sie wollen das Tabu nicht von mir nehmen?« rief ich.

»Da ist was nicht in Ordnung!« sagte er. »Ich will es Ihnen draußen sagen; 's ist besser, Sie gehen mit hinaus.«

»Von denen laß ich mir nichts gefallen!« rief ich. »Dazu bin ich nicht der Mann. Sie werden nicht erleben, daß ich vor einem Pack Kanaken ausreiße!«

»Besser, Sie kommen mit«, sagte Case.

Er sah mich dabei mit einem bedeutungsvollen Blick an; und die fünf Häuptlinge sahen mich ebenfalls an – höflich genug, aber auch etwas feindselig; die Leute sahen mich auch an und reckten die Hälse und drängten sich heran. Ich dachte daran, wie die Menge um mein Haus herumgelungert hatte und wie der Pastor auf seiner Kanzel herumgesprungen war, als er mich bloß gesehen hatte; und die ganze Geschichte schien mir so ungewöhnlich zu sein, daß ich aufstand und Case nachging. Die Menge machte uns wieder Platz, und zwar noch mehr als zuvor bei unserm Kommen, und die Kinder liefen davon und schrien, und als wir beiden Weißen fortgingen, standen alle da und sahen uns nach.

»Und nun?« sagte ich. »Was hat dies alles zu bedeuten?«

»Um die Wahrheit zu sagen, ich kann selber nicht recht klug daraus werden. Sie haben was gegen Sie«, sagte Case.

»Einen Menschen unter Tabu stellen, weil sie was gegen ihn haben!« rief ich. »So was hab' ich nie gehört!«

»Es ist noch schlimmer als das, wissen Sie«, sagte Case. Unter Tabu sind Sie nicht – ich sagte Ihnen ja, das sei unmöglich. Aber die Leute wollen nichts mit Ihnen zu tun haben, Wiltshire, und so steht die Sache.«

»Sie wollen nichts mit mir zu tun haben? Was meinen Sie damit? Warum wollen sie nichts mit mir zu tun haben?« rief ich.

Case zögerte einen Augenblick und sagte dann leise:

»Es scheint, als ob sie Angst hätten.«

Ich blieb stehen und rief: »Angst hätten? Sind Sie verrückt geworden, Case? Wovor haben sie Angst?«

»Ich wollte, ich könnte daraus klug werden«, antwortete Case kopfschüttelnd. »Sieht aus, wie wenn da so ein alberner Aberglaube der Leute im Spiel wäre. Und das gefällt mir nicht; 's ist ganz ähnlich wie damals die Geschichte mit Vigours.«

»Ich möchte wissen, was Sie damit sagen wollen, und ich ersuche Sie dringend, mir das zu erklären!«

»Na, Sie wissen ja: Vigours rückte aus und ließ alles liegen und stehen, wie es war. Es war irgend so ein Aberglaube im Spiel; was es eigentlich war, habe ich nie begriffen; aber es begann schon schlimm auszusehen, bevor es zum Ende kam.«

»Darüber habe ich eine andere Geschichte erzählen hören, und es ist besser, wenn ich Ihnen das sage. Ich habe gehört, er lief Ihretwegen weg!«

»Ach so! Na, ich denke mir, er schämte sich wohl, die Wahrheit zu sagen; er hätte wohl eine alberne Rolle dabei gespielt. Allerdings ist es Tatsache, daß ich ihm davongeholfen habe. ›Was würden Sie tun, alter Freund?‹ fragte er. – ›Raus!‹ sage ich. ›Machen Sie, daß Sie fortkommen, und besinnen Sie sich nicht lange!‹ Ich war heilfroh, als ich ihn absegeln sah. Es ist nicht meine Art, einen Kameraden im Stich zu lassen, wenn er in Nöten ist; aber es war eine solche Unruhe im Dorf, daß ich nicht wußte, wozu es schließlich noch führen könnte. Ich war ein Dummkopf, daß ich so viel mit Vigours verkehrte. Sie werfen es mir bis auf den heutigen Tag noch vor. Hörten Sie nicht, wie Maea – das ist der junge Häuptling, der Große –fortwährend von ›Vika‹ redete? Das betraf Vigours und meinen Verkehr mit ihm. Sie scheinen mir das immer noch nachzutragen, warum, weiß ich nicht.«

»Das ist alles recht schön und gut; aber das alles sagt mir nicht, was denn eigentlich los ist; es sagt mir nicht, wovor sie Angst haben – was sie sich dabei denken.«

»Ja, das möchte ich auch wohl wissen. Mehr können Sie von mir nicht verlangen.«

»Mich dünkt, Sie hätten danach fragen können!«

»Hab' ich auch getan! Aber Sie müssen ja selber gesehen haben, wenn Sie nicht blind sind: Das Fragen kam von der anderen Seite! Ich will für einen anderen Weißen so weit gehen, wie ich es wagen darf; aber wenn ich finde, daß ich selber in der Klemme sitze, dann denke ich zuerst an meine eigene Haut. Mein Fehler ist, daß ich zu gutmütig bin. Und ich gestatte mir, Ihnen zu sagen, Sie zeigen eine sonderbare Dankbarkeit einem Mann gegenüber, der sich wegen Ihrer Angelegenheiten in diese unangenehme Lage gebracht hat.«

»Ich will Ihnen mal was sagen: Sie waren ein Dummkopf, sagen Sie, daß Sie so viel mit Vigours verkehrten. Ein Trost, daß Sie mit mir nicht viel verkehrt haben! Es fällt mir jetzt auf, daß Sie niemals mein Haus betreten haben. Sagen Sie es grade heraus: Sie wußten schon vorher von dieser Geschichte?«

»Nein! Es war nur eine Unachtsamkeit, daß ich nicht kam, und die tut mir leid, Wiltshire, was aber von jetzt an einen Besuch bei Ihnen betrifft, da will ich ganz offen sein.«

»Sie meinen: Sie werden nicht kommen?«

»Tut mir riesig leid, mein Alter, aber so ist es.«

»Kurz gesagt, Sie haben Furcht?«

»Kurz gesagt, ich habe Furcht.«

»Und es bleibt also dabei, ich bin um nichts und wieder nichts unter Tabu?«

»Ich sage Ihnen: Sie stehen nicht unter Tabu! Die Kanaken werden nicht mit Ihnen verkehren, das ist alles. Und wer kann sie dazu zwingen? Und ich muß sagen: Wir Händler machen viele Ansprüche; wir zwingen diese armen Kanaken, ihre eigenen Gesetze umzustoßen, ihre Tabus aufzuheben und dergleichen, wenn es uns gerade so paßt. Aber Sie können doch nicht im Ernst sagen, daß Sie ein Gesetz erwarten, das die Leute zwingt, in Ihrem Laden Geschäfte zu machen, ob sie's wollen oder nicht. Sie wollen mir nicht im Ernst sagen, daß Sie Ihre Ansprüche so weit treiben? Und wenn Sie das täten, so wäre es etwas schnurrig, grade mir mit so etwas zu kommen. Ich möchte mir erlauben, Sie darauf aufmerksam zu machen, Wiltshire, daß ich selber ein Geschäft habe.«

»Ich glaube, an Ihrer Stelle würde ich nicht von Ansprüchen reden. So gut ich die Sachlage verstehe, läuft es auf folgendes hinaus: Kein Mensch darf mit mir Geschäfte machen, und so müssen alle mit Ihnen Geschäfte machen. Sie kriegen alle Kopra, und ich kann zum Teufel gehen und mit mir selber Geschäfte machen. Und ich verstehe kein Wort von der Eingeborenensprache, und Sie sind der einzige in Betracht kommende Mensch hier, der englisch spricht. Und Sie haben die Dreistigkeit, mir zu verstehen zu geben, daß ich in Lebensgefahr bin, und alles, was Sie mir darüber zu sagen haben, ist: Sie wissen nicht, warum!«

»Nun ja – es ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Ich weiß es nicht; ich wollte, ich wüßte es.«

»Sie drehen mir also den Rücken zu und überlassen mich mir selber! Steht die Sache so?«

»Wenn es Ihnen beliebt, es auf so schroffe Art auszudrücken. Ich fasse es nicht so auf. Ich sage bloß: Ich werde mich von Ihnen fernhalten; oder, wenn ich das nicht tue, komme ich selber in Gefahr.«

»Na«, sage ich, »Sie sind mir ein schöner weißer Mann!«

»Ach so, ich verstehe: Sie sind ärgerlich! Wäre ich an Ihrer Stelle auch; wenn Sie wollen, bitte ich Sie um Entschuldigung.«

»Ach was, machen Sie Ihre Entschuldigungen anderswo! Hier ist mein Weg, da ist Ihrer!«

Damit trennten wir uns, und ich ging schnurstracks nach Hause, in voller Wut, und da fand ich Uma, die wie ein kleines Kind einen Haufen Waren anprobierte.

»So! Laß mal den Unsinn sein! Was machst du mir hier für einen Kuddelmuddel? Wie wenn ich nicht schon sonst Sorgen genug hätte! Und hatte ich dir nicht gesagt, du solltest das Essen kochen?«

Und dann werde ich ihr wohl ein paar harte Worte gegeben haben, wie sie's verdient hatte. Sie stand sofort stramm wie ein Soldat vor seinem Offizier; denn ich muß sagen: Sie war stets wohlerzogen und hatte einen großen Respekt vor Weißen.

»Und nun hör mal!« sagte ich. »Du bist hieraus der Gegend, du mußt mit der Geschichte Bescheid wissen; warum in aller Welt bin ich unter Tabu? Oder wenn ich nicht unter Tabu bin, was macht den Leuten Angst vor mir?«

Sie stand da und sah mich an mit Augen so groß wie Teetassen.

»Ihr nicht wissen?« stieß sie zuletzt hervor.

»Nein, wie kannst du denn glauben, daß ich das weiß? Solchen Blödsinn haben wir nicht bei mir zu Hause.«

»Ese nicht sagen Euch?« fragte sie wieder.

›Ese‹ war der Name, den die Eingeborenen Case gaben; er soll ›ausländisch‹ oder ›außergewöhnlich‹ bedeuten, oder auch ›Paradiesapfel‹; höchstwahrscheinlich war es aber nur sein richtiger Name, den die Kanaken falsch gehört und auf ihre Weise wiedergegeben hatten.

»Keine Ahnung«, sagte ich.

»Verdammt Ese!« rief sie.

Es mag Ihnen schnurrig vorkommen, daß so ein Kanakenmädchen einen solchen dicken Fluch ausstieß. Aber sie fluchte gar nicht! Sie dachte gar nicht an fluchen, sie war auch nicht ärgerlich; sie war über jeden Ärger hinaus und meinte das Wort ganz einfach und mit allem Ernst. Hoch aufgerichtet stand sie da, als sie es sagte. Ich muß sagen, ich habe niemals ein Weib so dastehen sehen, weder vorher noch später, und ich war sprachlos. Dann machte sie eine Art von Verbeugung, aber ganz, ganz stolz, reckte ihre offenen Hände vor und sagte:

»Ich mich schämen! Ich denken, Ihr wissen. Ese er sagen mir Ihr wissen; er sagen mir, Ihr nicht kümmern; sagen mir, Ihr lieben mich zu viel. Tabu mich angehen«, sagte sie, und dabei berührte sie ihre Brust, wie sie's an unserm Hochzeitsabend gemacht hatte. »Nun ich weggehen, Tabu auch weggehen. Dann Ihr kriegen zu viel Kopra. Ihr dann Euch freuen, ich denken. Tofa, alii«, sagte sie in ihrer Sprache; das bedeutet: »Lebe wohl, Häuptling!«

»Halt! Nur nicht so eilig!«

Sie sah mich von der Seite mit einem Lächeln an: »Ihr sehen, Ihr kriegen Kopra!« – wie man einem Kind Zuckerplätzchen anbieten möchte.

»Uma«, sagte ich, »hör mal ein vernünftiges Wort! Ich wußte nichts davon, und das ist Tatsache; und Case scheint mit uns beiden ein recht schäbiges Spiel getrieben zu haben. Aber jetzt weiß ich's und – ich mache mir nichts daraus! Ich liebe dich zu sehr. Du nicht weggehen, du nicht verlassen mich, ich zuviel traurig.«

»Ihr nicht lieben mich!« schrie sie. »Ihr mir sagen schlimme Worte!«

Damit warf sie sich in eine Ecke auf den Fußboden und begann zu heulen.

Na, ich bin ja kein Gelehrter, aber ich bin auch nicht von gestern, und ich dachte, das Schlimmste an der Geschichte sei jetzt vorüber. Indessen, da lag sie nun, drehte mir den Rücken zu, das Gesicht nach der Wand, und schluchzte wie ein Kind, daß ihr ganzer Körper erschüttert wurde und ihre Füße zuckten. Es ist merkwürdig, wie es einen Mann packt, wenn er verliebt ist; denn es hat keinen Zweck, sich selber was vorzumachen – Kanakin oder nicht, ich war in sie verliebt bis über die Ohren. Ich versuchte ihre Hand zu ergreifen, aber sie wollte sie mir nicht geben.

»Uma«, sagte ich, »solches Betragen hat keinen Sinn. Ich will, daß du hier bleibst, ich will meine kleine Frau haben. Ich dir sagen wahr.«

»Ihr nicht mir sagen wahr!« schluchzte sie.

»Na, schön! Ich will warten, bis du fertig bist.«

Damit setzte ich mich neben sie auf den Fußboden und begann mit meiner Hand ihr Haar zu streicheln. Zuerst rutschte sie von mir weg, als ich sie berührte; dann schien sie nicht mehr auf mich zu achten; dann allmählich wurde ihr Schluchzen immer leiser und hörte plötzlich ganz auf; und dann wandte sie ihr Gesicht zu mir und fragte:

»Ihr mir sagen wahr? Ihr haben gern ich bleiben?«

»Uma!« sagte ich. »Ich wollte lieber dich haben als alle Kopra in der ganzen Südsee!« Das war ein großes Wort, und das Merkwürdigste dabei war: Ich meinte es im Ernst.

Sie schlang ihre Arme um mich, schmiegte sich an mich und drückte ihr Gesicht gegen das meinige, wie es die Insulanerinnen tun anstatt zu küssen; und so wurde ich ganz naß von ihren Tränen, und ich gab ihr mein Herz ganz und gar. Niemals war an meinem Herzen jemand so nahe gelegen wie dieses kleine braune Mädel. So manche Dinge kamen zusammen, und alle trugen dazu bei, mir den Kopf zu verdrehen. Hübsch war sie zum Anbeißen; es schien, daß sie mein einziger Freund an diesem sonderbaren Ort war; ich schämte mich, daß ich sie angeschnauzt hatte; und sie war ein Weib und meine Frau, und außerdem eine Art Kind, das mir leid tat; und das Salz ihrer Tränen war in meinem Mund. Und ich vergaß Case und die Eingeborenen; und ich vergaß, daß ich nichts von Umas Geschichte wußte, oder wenn ich daran dachte, wies ich schnell den Gedanken von mir; und ich vergaß, daß ich keine Kopra kriegen sollte und mir also nicht mein Brot verdienen konnte; und ich vergaß mein Firma, in deren Dienst ich stand, und was für einen merkwürdigen Dienst ich ihr leistete, indem ich meiner Laune nachging und nicht ihrem Geschäft; und ich vergaß sogar, daß Uma nicht meine rechte Frau war, sondern nur ein Mädchen, das ich angeführt hatte, und zwar noch dazu auf recht schäbige Weise. Aber davon später.

Es war schon spät, als wir daran dachten, etwas zu essen zu kriegen. Das Feuer im Kochofen war ausgegangen, und es war eiskalt geworden; aber wir machten ein neues Feuer und kochten jedes ein Gericht und halfen uns dabei und standen uns gegenseitig im Wege und hatten unsere Lust daran wie Kinder. Ich mußte sie ganz nahe bei mir haben, und darum nahm ich mein Mädel auf den Schoß, als wir uns beim Essen niedersetzten, und hielt sie mit der einen Hand fest und aß mit der anderen. Ich glaube, sie war die schlechteste Köchin, die Gott je gemacht hat; vor dem Essen, das sie zusammenmanschte, hätte einem anständigen Pferd gegraust. Und trotzdem aß ich an diesem Tage nur von Umas Gericht, und ich kann mich nicht erinnern, daß es mir jemals besser geschmeckt hat.

Ich machte mir selber nichts vor und machte ihr nichts vor. Ich sah, daß ich in sie verschossen war; und wenn sie einen Narren aus mir machen mochte, dann war daran nichts zu machen. Und ich glaube, daß sie das merkte und daß sie deshalb zu erzählen anfing; denn jetzt war sie sicher, daß wir Freunde waren. Sie erzählte mir einen ganzen Haufen Geschichten, wie sie so auf meinem Schoß saß und von meinem Essen aß und ich von ihrem und wir unseren Spaß daran hatten – erzählte mir einen Haufen von sich selber und von ihrer Mutter und von Case. Es war eine lange Geschichte, und wenn man das niederschreiben wollte, wie sie es in ihrem Kauderwelsch erzählte, würde man ganze Bogen damit füllen; ich will Ihnen aber den Inhalt auf gut Englisch sagen und dazu etwas, was mich selber betrifft und was für mich große Folgen hatte, wie Sie gleich hören werden.

Wie es scheint, war sie auf einer von den Inseln unter dem Äquator geboren; da hatte sie aber nur zwei oder drei Jahre gelebt und war dann mit einem Weißen zusammengekommen, der mit ihrer Mutter verheiratet war und dann starb; und in Falesa waren sie erst seit einem einzigen Jahr. Vorher waren sie fast immer auf der Wanderschaft gewesen; sie waren mit diesem Weißen herumgezogen, einem von jenen rollenden Steinen, die kein Moos ansetzen. Er war immer auf der Suche nach einem guten, angenehmen Geschäft. Man redet von Leuten, die immer nach dem Gold suchen, das am Ende des Regenbogens sein werde; aber wenn einer ein Geschäft haben will, das ihn bis ans Ende seiner Tage ernährt, dann braucht er bloß in dieser Gegend der Welt ewig nach einer Stelle zu suchen. So einer hat sein Essen und Trinken, hat sein Bier und sein Kegelspiel, denn niemals hört man, daß so einer hungert, und selten sieht man sie nüchtern; und ihren Spaß haben sie auch immer. Kurz und gut, dieser Landstörzer schleppte die Frau und ihre Tochter überall mit sich herum; meistens aber waren sie auf Inseln, die abseits von der großen Straße lagen, wo nicht viel von Polizei die Rede war. Ich habe jetzt meine eigene Meinung über diesen alten Knaben; aber eigentlich war ich froh, daß er Uma nicht mit nach Apia und Papiti genommen hatte und nach den anderen Städten, wo's lustig hergeht. Schließlich blieb er auf dieser Insel, in Fale-alii hängen, kam – der Herrgott wird wissen, wie – zu einem Kramladen, brachte auf die übliche Weise alles durch und starb endlich beinah bettelarm; er hinterließ nur ein Stückchen Land in Falesa, das er für eine faule Schuld übernommen hatte; und so kamen Mutter und Tochter auf den Gedanken, nach Falesa zu ziehen und hier zu wohnen. Case hatte ihnen scheint's gut zugeredet, das zu tun, und half ihnen, ihr Haus zu bauen. Er war damals sehr freundlich zu ihnen und gab Uma Waren, und ohne Zweifel hatte er von Anfang an sein Auge auf sie geworfen. Sie hatten sich aber kaum niedergelassen, so erschien ein junger Mann auf der Bildfläche, ein Eingeborener, und wollte Uma heiraten. Er war ein kleiner Häuptling und hatte ein paar schöne Matten und alte Erbgesänge in seiner Familie und war ›viel hübsch‹, wie Uma sagte. Jedenfalls war es ein außerordentlicher Glücksfall für ein Mädchen, das keinen Heller hatte und von einer fremden Insel war.

Als ich hiervon das erste Wort hörte, wurde ich ganz krank vor Eifersucht und schrie:

»Und du sagst in allem Ernst, du hättest ihn geheiratet?«

»Djo«, sagte sie; das ist das kanakische Wort für Ja. »Er gefallen mir zu viel!«

»Schön! Und wenn ich nun später hierhergekommen wäre?«

»Ihr gefallen mir viel besser jetzt. Aber wenn heiraten Joane, ich eine gute Weib. Ich nicht gewöhnlicher Kanaka. Gut Mädchen.«

Na, damit mußte ich mich zufriedengeben; aber ich sage Ihnen: Die Geschichte gefiel mir ganz und gar nicht. Und das Ende von Umas Erzählung gefiel mir nicht viel besser als der Anfang. Denn von diesem Heiratsantrag kam scheint's der ganze Wirrwarr her. Uma und ihre Mutter waren natürlich im Anfang sehr geringgeachtet worden, als Leute ohne Sippe und als Fremdlinge, aber man hatte ihnen nichts zuleide getan; und sogar als Joane um sie freite, gab es im Anfang weniger Aufregung, als man hätte erwarten können.

Plötzlich aber, ungefähr sechs Monate vor meiner Ankunft, zog Joane sich zurück und verließ diesen Teil der Insel, und von diesem Tage bis zum heutigen sahen Uma und ihre Mutter sich von allen Leuten gemieden. Niemand besuchte sie in ihrem Hause; niemand sprach sie auf den Wegen an. Wenn sie zur Kirche gingen, zogen die anderen Weiber ihre Matten weg und rückten von ihnen ab. Sie waren ganz richtig in Acht und Bann, wie man es in den Geschichten aus dem Mittelalter liest; und warum das war, davon hatten sie selber keine Ahnung. Es war irgendein ›tala pepelo‹: irgendeine Lüge oder Verleumdung; sie wußte weiter nichts davon, als daß die Mädchen, die auf sie wegen ihres Glückes mit Joane eifersüchtig gewesen waren, sie wegen seiner Abtrünnigkeit verhöhnten und ihr, wenn sie sie allein im Walde trafen, nachriefen, sie würde sich niemals verheiraten. »Sie mir sagen, kein Mann er heiraten mich. Er zuviel Angst!« sagte sie.

Die einzige Menschenseele, die nach diesem Bruch mit ihnen verkehrte, war Meister Case. Auch er nahm sich in acht, daß ihn niemand sehe, und kam meist nur bei Nacht; und sehr bald legte er seine Karten offen auf den Tisch und freite Uma. Ich ärgerte mich noch wegen des Joane, und als nun Case auf dieselbe Weise auf der Bildfläche erschien, da wurde ich richtig wild und sagte höhnisch:

»Aha! Und wahrscheinlich dachtest du auch von Case: ›viel hübsch‹ und ›mir gefallen zu viel‹?«

»Nun, Ihr reden dumm!« rief sie. »Weißer Mann er kommen hier, ich ihn heiraten wie Kanaka. Schön. Er mich heiraten wie weiße Weib. Wenn er nicht heiraten, er weggehen, Frau sie bleiben. Er Dieb, leere Hand, Tongaherz – nicht können lieben! Nun Ihr kommen, heiraten mich. Ihr groß Herz – Ihr nicht schämen wegen Inselmädchen. Darum ich lieben Euch zu viel. Ich stolz.«

Ich glaube, jämmerlicher habe ich mich nie in meinem Leben gefühlt. Ich legte meine Gabel hin und schob das ›Inselmädchen‹ von mir. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, und ging im Hause herum, und Uma folgte mir mit ihren Blicken, denn sie war in Sorgen – und das war auch kein Wunder. Aber ich war mehr als in Sorgen. Ich hatte solche Sehnsucht danach und zugleich eine solche Angst davor, ihr frei und offen zu sagen, was für ein Schuft ich gegen sie gewesen sei.

Und gerade in dem Augenblick hörte ich von der See her einen Sang; hell und laut kam er von einem Boot, das um das Vorgebirge einbog, und Uma rannte an das Fenster und rief, es sei ›Misi‹ auf seiner Rundfahrt.

Ich dachte bei mir, es sei sonderbar, daß ich mich freute, einen Missionar zu sehen; aber wenn es sonderbar war, so war es auch wahr.

»Uma«, sagte ich, »du bleibst hier in diesem Zimmer und setzest keinen Fuß aus dem Hause, bis ich wieder da bin.«


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