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7

Zu Haus aber raste Fairfax wie ein Urwaldbüffel. Das schlug dem Faß den Boden aus. Affront! Skandal! Und noch einmal Skandal! Und er kam Daisys Antlitz mit geballter Faust so nah, daß der das spöttische Lächeln für Sekunden aus den Zügen schwand.

Als er aber Atem holte, fragte sie kühl: »Wozu der Lärm? Außer dir bist du, weil du spürst, wie recht ich hatte und dich schämst, nicht mitgelacht zu haben. Das war Hypokrisie, die dir nicht steht.«

Fairfax ächzte: »Und meine riesigen Pläne mit Frankreich?«

Daisy antwortete: »Mir scheint vielmehr, es hat Pläne mit dir. Sollst du ihnen, oder wollen sie dir pumpen?«

Fairfax schrie: »Aber irrsinnige Verzinsung! Auf lange Leben in die europäische Bude!«

Daisy: »Ich glaube einfach nicht daran. In nichts bin ich hier noch auf meine Kosten gekommen, und was ich wollte, war deinem Ehrgeiz gegenüber Kleinigkeit. Nur sparsam ist dies Volk in allen Trieben, und auch der Haß, auf den du baust, quillt nicht von innen, ist nur Fassade. Sind wir Amerikaner nicht mehr hinter ihnen, machen auch sie den Laden zu und gehen für immer schlafen. Deine Darlehen aber kannst du in den Schornstein schreiben, und ich werde dir für mein vieles verschwendetes Geld die größten Grobheiten machen.«

Fairfax: »Ihr fanatischer Elan?«

Daisy: »Ornament!«

In diesem Augenblick rief am Telephon die Polizeidirektion dringend, ein Indianer sei letzte Nacht auf einem Gaskandelaber in Montmartre verhaftet worden, der sich beriefe, er stände bei Mr. Fairfax in Dienst. »Was los sei, was er verbrochen habe?« – »Üble Sache. Attentat auf betagte französische Bürgerin. Öffentlichkeit und Presse tobe!«

Fairfax kreischte in den Apparat, französische Öffentlichkeit scheine überall auf falscher Fährte. Mißverstanden habe sie den Indianer! Nichts als seinem metaphysischen Bedürfnis der Liebe für den großen französischen Bundesgenossen und Bruder habe der so zärtlichen Ausdruck geben wollen. Das sei doch selbstverständlich! Man solle schleunigst die öffentliche Meinung aufklären, den Indianer heimschicken und ihn, Fairfax, nicht nervös machen. Schluß!

Daisy aber sagte: »Du siehst, sie sind nicht im Bild, kauen alte Begriffe wieder, treten bei Fuß und haben keine hinreichende Spannung.«

Dann aber sah sie ihn dämonisch bei den Worten an: »Verschwenden willst du dich, Papa. Ich will es auch, und wir haben es dazu. Diese hier aber sind kleine Sparer, die nicht einmal sich selbst verbrauchen, und an denen nichts zu verdienen ist.«

»Auf keine Art?« fragte Fairfax.

»Auf keine!«

»Auf deine nicht. Wohl aber auf meine!« raste Fairfax. »Dich darfst du, und ich kann mich verschwenden. Aber mit außerunsstehenden Kräften müssen wir Maß halten. Auf dem ganzen Erdball gibt es noch immer keine so totsichere Sache wie den im übrigen unverständlichen Erbhaß zwischen diesen beiden Völkern. Wir haben keine Wahl, und also steht uns Kritik nicht an. Vermiese mir die Sache nicht!« Hier glühte er Tatenlust und helle Wut. »Haben Franzosen von sich aus nicht mehr die Kraft, tätlich zu werden, haben sie doch schlüssig bewiesen, wie stark sie sich defensiv verhalten und alle Welt für sich in Bewegung bringen können. Das genügt!«

Daisy zuckte Achseln und ging hinaus. Sah sie doch, das war vorläufig noch des Vaters fixe Idee.

Der verriet aber bald, daß auch er von Frankreichs rein passiver Kraft nicht bis ins Letzte überzeugt schien, um so mehr, als er ihm gegebene Beweise davon, daß ein großer und vernünftigerer Teil des siegreichen Volks unter keinen Umständen mehr an diesen Sieg glaubte, nicht unterdrücken konnte und wollte.

Aber er bewies auch, wie er mit allen Kräften weiter bemüht war, vorhandene Flammen zu schüren, weil er, wie gesagt, keine andere Wahl zu haben glaubte und Daisys immer häufigeren Einwurf, das kultivierte Europa zu lassen und sich ernstlich um den Bolschewismus zu kümmern, geflissentlich überhörte.

Einen ukrainischen, mit allen Wassern gewaschenen Juden hatte er gefunden, der mit unbeschreiblichen Temperamentsausbrüchen ihm dennoch Frankreichs Chauvinismus als grobe Klasse wieder einblies. Dieser – Plexin mit Namen – hatte einen schlichten Gelehrten mitgebracht, der sich verpflichten wollte, in seiner Kleinstadt des Périgord täglich ein Büchlein von dreißig Seiten gegen Deutschland zu schreiben. Fünfzehn Hefte in Oktav lägen vor, so daß, fange man gleich mit dem Massendruck an, er einen Vorsprung von vierzehn Tagen und jeder Franzose bald sein täglich Haßgesänglein auf dem Frühstückstisch habe.

Der ersten Lieferungen Titel seien glänzend: »Berlichingen und Hohenzollern«, »Wagner und der Wotanismus«, »Der Bochismus«, »U-Boot und Expressionismus«, »Kolossal!« usw.

Plexin kreischte vor Glück und schrie einmal über das andere auf englisch zu Fairfax, so etwas sei doch noch nicht dagewesen! Statt im Périgord vom Morgen zum Abend Trüffeln zu fressen, schufte das Schwein, bis ihm Schaum am Mund stehe. Ein Mensch, der, wie ein Bäcker Brot, Bücher backe! Hinten stopfe er Stoff hinein, und vorn fielen wie Semmeln fertige Bücher heraus. Beweise solcher Elan nicht die Güte einer Sache, zehntausend Druckseiten Haß von einem Mann in einem Jahr geliefert, kenne er sich in der Welt überhaupt nicht mehr aus!

Übrigens stände so ein Kerl in der Welt nicht allein, belehrte, als der Professor mit Vertrag für das erste Hundert Bücher hinaus war, Plexin Fairfax. Auch für Deutschland habe er später eine entsprechende Kraft in Bereitschaft, jenen Barden, der neunzehnhundertvierzehn die berühmte Ballade von den masurischen Seen gedichtet hatte, die der Kaiser habe zuschütten lassen wollen, aber auf Hindenburgs Bitten tels quels gelassen hatte; deren letzter Vers lautete:

»Er reibt sich die Hände: Gerettet mein Sumpf!
Der Sumpf ist Trumpf, der Sumpf ist Trumpf,
Er schluckt die Russen mit Rumpf und Stumpf.
Und hunderttausend verschwanden im Sumpf.
Der Sumpf ist Trumpf, der Sumpf ist Trumpf.

Verschluckt sind die Russen mit Rumpf und Stumpf!« Er hoffe, diese Potenz lebe noch. Sonst gäbe es dort bestimmt andere.

Auch niedagewesene Propaganda, Frankreichs zerstörte Gebiete betreffend, halte er bereit. Von einem Prachtalbum mit tausend Ansichten des zerkartätschten Reims verspräche er sich noch andern Absatz als selbst von dortigen Champagnermarken, und alle Bahnhöfe, Züge, Trambahnen des Erdballs wolle er mit wüster Darstellung zerfetzter französischer Ortschaften pflastern.

Ausschlag für Fairfax aber gab die schließlich bewiesene Haltung der französischen Regierung bei schnell sich folgenden Konferenzen in Genf, Brüssel und anderswo. Da fand er sie, durch seinen Rat gestützt, störrisch und schneidig genug, die schon überall drohende wirkliche Friedenslust der Völker energisch zu bremsen. Noch immer sah er in Frankreich die einzige Kraft, jene lähmende und tötliche Friedensstille in Europa verhindern zu können, von der er drüben ersten Begriff bekommen, und die ihn auf und davon gejagt hatte.

Plexins Vorschlag gefiel ihm; jetzt sei der Augenblick gekommen, Deutschland auf sich wirken zu lassen, zu gutem Gelingen der Pläne die Gegenspieler zu kennen. Doch nicht jäh! Frisch für wichtigen Eindruck zu sein, möge er in der Schweiz erst einen Schluck neutraler Luft nehmen, vielleicht auch kurz noch die Nase nach Österreich hineinstecken.

Große Vollmachten für Plexin ließ Fairfax zurück und landete tags darauf mit Gefolge in Bern, Hotel Bellevue.


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