Rudolf Steiner
Der Hüter der Schwelle
Rudolf Steiner

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Neuntes Bild

Eine freundlich-sonnige Morgenlandschaft, im Hintergrunde eine Stadt mit vielen Fabrikgebäuden. (Es besprechen sich, in freier Art auf und ab gehend: Benedictus, Capesius, Strader, Maria, Thomasius.)

Capesius:
Hier ist der Ort, an welchem Benedictus
In mildem Morgensonnenlicht sich oft
Den Schülern widmet, die in Weihestimmung
Den Worten seiner Weisheit lauschen dürfen.
Da drüben liegt, was Seelen mitleidlos
Von allem herrlich Schönen trennen muss,
Das Gottnatur hier segensvoll gewährt.
Im öden Häusermeere dieser Stadt
Ist Benedictus gütig stets bemüht,
Durch Liebestaten Menschenleid zu lindern.
Doch wenn er seinen Schülern weisheitvoll
Die Geisteswelt im Menschenworte kündet,
Da will er Herzen finden, sonnenhaft
Erschlossen durch die freien Schöpfermächte,
Die hier sich seelenweckend offenbaren.
Auch mir wird jetzt das Glück sich zeigen dürfen,
Das seine Worte Menschen bringen können.
Er hat die Bürde liebend übernommen,
Mich geistig in die Geisteswelt zu führen.
So bin ich denn, wenn ich in seiner Nähe
Mich fühlen darf, mir wieder selbst gegeben.

Benedictus: (hinzutretend)
Es soll im Kreise meiner Schüler sich
Durch deine und der andern freie Tat
Ein Knoten künftig lösen aus den Fäden,
Die Karma spinnt im Menschen-Erdenwerden.
Was du erlebt, muss dieser Lösung dienen.
In Menschenherzen, welche treu ergeben
Der Weisung folgen, der ich selber diene,
Kann deine Kraft die Helfer alle finden,
Mit denen du vereint das Werk vollendest,
Zu welchem du im Geiste vorbereitet.

Capesius:
Ich habe euch erkannt und will euch folgen.
Als ich in meiner Seele Einkehr hielt,
Nachdem ich eure Worte wesenhaft
In Geisteswelten habe hören können
Und ihr mich wieder zu mir selbst gebracht:
Da durfte ich im Geisteslichte schauen
Die Ziele, welchen meine spätern Leben
Im Lauf des Erdendaseins dienen sollen.
Und wissen kann ich jetzt, dass ihr erwählt,
Die rechten Wege mir zu offenbaren.

Benedictus:
Thomasius und Strader, sie vermögen,
Vereint mit dir, in Zukunft viel zu schaffen,
Was Menschenheil im rechten Sinne fördert.
Die Seelenkräfte, welche sie besitzen,
Sie haben seit dem Erdenurbeginn
In solcher Art sich wirksam vorbereitet,
Dass sie im Weltenlauf mit deinem Geiste
Sich kraftvoll jetzt zur Dreiheit schliessen können.

Capesius:
So hab' ich denn den strengen Schicksalsmächten.,
Die mir erst unverständlich bleiben mussten,
Zu danken, dass im rechten Augenblicke
Mir meine Lebensziele sich erschliessen durften.
(Er macht eine Pause, sich besinnend.)
Wie wunderbar habt ihr mich doch geführt;
Erst schien es mir, als strebte ich vergebens,
Mit meinem Geiste wirklich einzutreten
In jene Welten, welche eure Worte
Gedankenmässig vor die Seele stellen.
Ich konnte lange nur Gedanken finden,
Wenn ich in eure Schriften mich vertiefte.
Und dann, wie plötzlich, hatte ich um mich
Die Geisteswelt in ihrer Wesenheit;
Ich wusste kaum, mich noch zurechtzufinden
In meiner frühern, mir gewohnten Welt.

Benedictus:
Sie hätte dir nur Stets das Geistesleben
Durch ihre starke Wirkungskraft verborgen,
Wenn dieses nicht durch stärkres Wesen sie
Zum leichten Schattensein herabgedämpft.
Du wirst deshalb mit voller Geistesschau
An jener Schwelle dich erkennen müssen,
Die andern erst das Seelenauge öffnet.

(Es kommt Strader bei den letzten Worten des Capesius hinzu; die drei gehen hinweg, und nach kurzer Zeit kommt Benedictus mit Strader wieder zurück.)

Strader:
Es war ein tiefer Schmerz, im Innern mir
Sich wie zum schweren Seelendrucke bildend,
Was ich empfand, als ich zu mir erwachte
Und wieder in dem Leibe mich erkannte,
Aus welchem eure Worte mich geführt.
Vom dumpfen Seelenleben blieb die Qual
Mir erst zurück, doch war sie nicht nur Leid;
Denn sie gebar Erinnrung mir an alles,
Was ich erlebt, bevor ich furchtbar sah,
Wie ich vor Ahriman erfahren korsnte,
Dass alles Denken dort zum Stillstand kommt.
Und fragen musst' ich mich, warum versetzte
Mich Benedictus Wort in dieses Reich,
Wo mit den Seelen nur gerechnet wird
Und jede nur gewertet, wie sie sich
Den Zielen fügen soll, welche jene Macht
Aus meiner Leistung sich gestalten wilL
Sie wollte aus der Menschen Zahl sich zwölf
Zu ihrem Werke weisheitvoll erwählen.

Benedictus:
Bekannt ist dir doch wohl, warum die Seelen,
Die Ahriman dir zeigte, sich dir nahten,
Als er in ihr Geschick sich drängen wollte.

Strader:
Auch dieses offenbarte mir der Schmerz.
Er zeigte mir, was mich der Brüderschaft,
Die jetzt sich in dem Mystenbund gefunden,
Im langvergangnen Erdensein verband,
Und wie die Menschen sich zu mir gestellt,
Die sich in ihrem Wesen offenbarten.
Und fühlen konnte ich, dass Ahriman
Das Band benutzen will, das sie an mich
Für weitre Leben sicher binden muss.

Benedictus:
Die Weltenmächte lenken ihre Taten,
Dass sie, nach Mass und Zahl gerecht, sich stets
Dem Weltenwerden weisheitvoll vereinen.
Das Zeichen, wie die Ordnung sich vollzieht,
Es weist den äussern Sinnen sich mit Klarheit,
Wenn sie der Sonne folgen in dem Lauf,
Den sie durch zwölf Gestirngestalten nimmt.
Wie sie zu diesen Formen sich verhält,
Das zeigt, wie auf der Erde sich die Dinge
In langer Zeiten Folgelauf ereignen.
So wollte Ahriman die Menschenseelen,
Die dir verbunden, zu den Kräften formen,
Aus welchen deine Arbeit leuchten kann.
Er wollte nach dem Masse und der Zahl
An ihre Seelenart die deine binden.

Strader:
Da ich den Sinn von Zahl und Mass erkannt,
So wird mir auch gelingen, meine Leistung
Aus Ahrimans Bereich herauszuführen
Und Erdengöttern wirksam darzubringen,

Benedictus:
Du hast der Zahlen Sinn im Weltenall
Durch Ahrimans Gewalt erkennen müssen;
So war es deiner Seelenrichtung nötig
Die Geistesschülerschaft, sie führte dich
In dieses Reich, das du erkennen musstest,
Soll deine Schaffenskraft dir recht erblühn.

(Die beiden gehen hinweg; es kommen von der andern Seite Maria und Thomasius.)

Maria:
Johannes, deine Seele hat Erkenntnis
Aus kalten Wahrheitsreichen sich errungen.
Und weben wirst du weiter bildhaft nicht,
Was Seelen nur im Leibe traumhaft leben.
Denn fern vom Weltenwerden sind Gedanken,
Die aus sich selber nur sich zeugen wollen.

Thomasius:
Und dass sie's tun, geschieht aus Eigentiebe,
Die sich als Wissensdurst gebärden will.

Maria:
Wer sich dem Menschenwerden wirksam widmen
Und Werke leisten will, die wesenhaft
Als Kräfte sich im Zeitverlauf verhalten,
Der muss den Mächten sich erst anvertrauen,
Die tief in Wirklichkeiten Mass und Zahl
[n Ordnung und in Wirrnis kämpfend bringen.
In Wahrheit ist Erkenntnis Leben nur,
Das in den Seelen offenbar kann werden,
Wenn sie Erlebtes aus den Geistbereichen
In Erdenleibern zur Erinnerung bringen.

Thomasius:
So ist mein Lebenslauf mir vorgezeichnet.
Als Zweiheit muss ich fühlen, was ich bin.
Durch Benedictus und durch deine Hilfe
Bin ich ein Wesen, das für sich besteht
Und dessen Kräfte meinem eignen Menschen,
Der noch in mir sich regt, nicht angehören.
Was ihr mir gabet, ist ein Mensch für sich,
Der andern Menschen willig reichen muss,
Was ihm gewährt durch Geistesschülerschaft.
Er soll der Welt sich widmen, wie er kann;
Doch darf in diesem Menschen nichts vom andern
Sich störend mischen, der am Anfang erst
Der wahren Selbsterkenntnis sich erahnt.
Der wird als Welt für sich sich weiter führen,
Wenn ihm die eigne Kraft und eure Hilfe
In Zukunft schicksalformend sich erzeugen.

Maria:
Ob du in Wahrheit oder Irrtum wandelst,
Du kannst die Aussicht dir stets offen halten,
Die deine Seele weiter dringen lässt,
Wenn du Notwendigkeiten mutig trägst,
Die aus des Geistesreiches Wesen stammen.

(Vorhang fällt.)


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