Rudolf Steiner
Der Hüter der Schwelle
Rudolf Steiner

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Viertes Bild

Ein Zimmer in rosenrotem Grundton. Es gehört zum Heim Straders und Theodoras, die Straders Gattin ist. Man sieht der Einrichtung an, dass Theodora und Strader hier im gemeinsamen Raume verschiedenartige Arbeiten verrichten. Auf seinem Tische finden sich Modelle von Mechanismen, auf dem ihren mancherlei auf Mystik Bezügliches. Die beiden sind in einem Gespräch, das eine Art gemeinsame Versenkung am siebenten Jahrestage ihrer Ehe darstellt.

Strader:
An diesem Tage sind es sieben Jahre,
Seit du Gefährtin meines Lebens mir
Und auch der Quell geworden bist des Lichtes,
Das auf ein Dasein leuchtet, dem sich früher
Nur Finsternis bedrohlich nähern wollte.
Ich war ein geistig armer Mann, als du
An meine Seite tratest und mir gabst,
Was mir vorher die Welt stets vorenthielt.
Ich hatte viele Jahre ernst gestrebt,
Im Sinne strenger Wissenschaft zu forschen
Nach Lebenswerten und nach Daseinszielen.
Ich musste eines Tages klar erkennen,
Dass dieses Streben ganz vergeblich war.
Durch dich ward mir gezeigt, wie sich der Geist
In einem Menschen über solche Dinge
Zu offenbaren sucht, die meinem Wissen
Und meinem Denkerstreben sich entzogen.
Ich sah dich damals in dem Kreis von Menschen,
In welchem Benedictus Führer war;
Ich durfte deiner Offenbarung lauschen.
Ich konnte an Thomasius dann später
Erkennen, wie die Geistesschülerschaft
In einer Menschenseele machtvoll wirkt.
Was ich dadurch erlebte, raubte mir
Den Glauben an Vernunft und Wissenschaft
Und zeigte doch in jener Zeit mir nichts,
Das mir verständlich hätte scheinen können.
Ich wandte mich von allem Denken ab
Und wollte dumpf das Leben weiterführen,
Das mir nun nicht mehr lebenswert erschien.
Die Technik, der ich mich ergab, sie sollte
Vergessen und Betäubung mir verschaffen.
Und ich erlebte ein zerquältes Dasein,
Bis ich zum zweiten Male dir begegnete
Und wir dann bald auch gute Freunde wurden.

Theodora:
Begreiflich ist's, dass dir an diesem Tage
Erinnerung die alten Zeiten wieder
So lebhaft vor die Seele stellen kann.
Auch meinem Herzen ist's Bedürfnis heute,
Den Blick zurück zu jener Zeit zu wenden,
In welcher wir zum Lebensbund uns fanden.
Ich fühlte damals stetig sich verstärken
Die Kraft, die meine Seele fähig machte,
Aus Geisteswelten Wissen zu empfangen.
Und unter Felix Baldes edler Führung
Erwuchs dann diese Kraft zu jener Höhe,
Auf welcher sie vor sieben Jahren war.
Ich traf in dieser Zeit Capesius
Einmal in Felix' Waldeseinsamkeit.
Er hatte sich nach langem Forscherleben
Zur Geistesschülerschaft hindurchgekämpft.
Er fand es wichtig, sich bekannt zu machen
Mit meiner Art, die Geisteswelt zu schauen.
Ich war dann später oft mit ihm zusammen.
In seinem Hause durft' ich dir begegnen
Und deinen Wissensschmerzen Heilung bringen.

Strader:
Und wahres Licht empfing so meine Seele,
Die lange nur in Finsternis geblickt.
Ich sah nun, was der Geist in Wahrheit ist.
Du liessest mich in solcher Art erkennen,
Was dir aus höhern Welten sich erschloss,
Dass alle Zweifel schnell verschwinden konnten.
Dies alles wirkte damals so auf mich,
Dass ich fürwahr zuerst in dir nichts andres
Als nur den Mittler für den Geist erblickte.
Es brauchte lange Zeit, bis ich erkannte,
Dass nicht allein mein Geist den Worten lauschte,
Die seine wahre Heimat ihm enthüllten;
Dass auch mein Herz dem Sprecher sich ergab
Und seine Nähe nicht entbehren konnte.

Theodora:
Und dann vertrautest du mir, was du fühltest.
So sonderbar war, wie du alles sagtest.
Es war, als ob nicht Ein Gedanke dir
Sich hätte bilden können an Erfüllung
Der Sehnsucht, die in deinem Herzen lebte.
So waren deine Worte, die nur Rat
Sich suchen wollten bei der Seelenfreundin.
Du sprachst von Hilfe, die dir nötig sei,
Und auch von Stärkung deiner Seelenkräfte,
Die dich in schwerer Lage halten müssten.

Strader:
Dass mir der Geistesbote als Gefährtin
Vom Schicksal wirklich vorbestimmt sein könnte,
Dies lag recht ferne allem, was ich dachte,
Als ich mich hilfesuchend dir eröffnet.

Theodora:
Und wie ergaben doch die Worte dann,
Die Herz vom Herzen loszulösen wusste,
Gar bald, dass dies nicht anders könnte sein.
Die Herzen müssen oft das Schicksal deuten.

Strader:
Und als dein Herz das Schicksalswort gesprochen,
Durchzogen meine Seele Lebenswellen,
Die ich nicht fühlen konnte, als sie waren,
Die erst viel später als Erinnerung
Aus Seelen-Untergründen sich erhoben
Und dann wie Licht-Erstrahlen sich erfühlten.
Und wissen konnte ich, an was ich mich
Erinnern, doch es nicht erleben konnte,
Weil vieles mich noch trennt' vom Geist-Erleben.
Es war das erste Mal, dass ich den Geist
Unmittelbar in meiner Seele wusste.
Es hat sich mir nicht wiederholt; und doch,
Es konnte wahrlich mir Gewissheit geben,
Die auf ein ganzes Leben lichtvoll strahlt.
Und dann verflossen sieben schöne Jahre.
Ich durfte fühlen, wie Mechanik selbst,
Der ich jetzt diene, sich befruchten lässt
Von Seelen, die zur Geisteswelt sich recht
Zu stellen wissen. Nur die Geistgewalt,
Die lebenfördernd du mir geben konntest,
Liess mich das Kräftestreben so durchschauen,
Dass mir, wie eingegeben, jene Schöpfung
Ganz plötzlich vor den Geist sich stellen konnte,
Von welcher man wohl vieles hoffen darf.
In deinem Lichte fühlte meine Seele
Die Kräfte voll erwachsen, die in ihr
Verfallen wären, wenn sie nur allein gelebt.
Die Lebenssicherheit, die mir geworden,
Sie liess mich aufrecht stehen damals selbst,
Als vor den Rosenkreuzern so erschütternd
Thomasius die eigne Wissenstat
Verdammte und mit hartem Urteil sich
Verwarf in jener Stunde, welche ihn
Zu seiner Lebenshöhe bringen wollte.
Es konnte innre Sicherheit mich halten,
Als mir die Aussenwelt ein Übermass
An Widerspruch zu offenbaren schien
Und alles dies hast du allein gegeben.
Erst brachte mir die Geistesoffenbarung,
Die ich durch dich empfing, erstrebtes Wissen.
Und als die Offenbarung nicht mehr kam,
Verbliebst du doch als stärkend Seelenlicht.

Theodora: (wie tiefsinnend als abgebrochener Satz)
Als dann die Offenbarung nicht mehr kam ...

Strader:
Das ist's, was mir oft schwere Sorgen machte.
Ich fragte mich, ob dir nicht tiefer Schmerz
Erwachse durch Verlust des Sehertums
Und du, um mich zu schonen, schweigend leidest;
Doch deines Wesens Gleichmass zeigte mir,
Dass du die Schicksalsfügung ruhig trägst.
Nur in den letzten Zeiten bist du anders;
Der Frohsinn strahlt um dich nicht mehr wie früher,
Und deines Auges glimmend Licht verfällt.

Theodora:
Dass mir die Geistesoffenbarung schwand,
Es konnte mir fürwahr nicht schmerzlich sein.
Es hat das Schicksal meinen Weg geändert;
Das musste ich gelassen auf mich nehrnen.
Doch ist sie mir recht schmerzvoll neu geworden.

Strader
Zum erstenmal in diesen sieben Jahren
Ist Theodora unverständlich mir.
Es war dir jedes Geisterlebnis doch
Zugleich ein Quell der innern Seligkeit.

Theodora:
Ganz anders ist die Offenbarung jetzt.
Zuerst empfinde ich, wie früher, mich
Genötigt, eignes Denken auszuschalten;
Doch während ehemals nach kurzer Zeit,
Wenn Leerheit meines Innern mir gelungen,
Ein sanftes Licht die Seele mir umwob
Und sich der Geist zu Bildern formen wollte,
Erzeugt sich jetzt unsichtbar widrig Fühlen;
Doch so, dass ich genau erkennen kann,
Die Kraft, die ich empfinde, kommt von aussen.
Und Furcht ergiesst sich dann in mein Erleben,
Die ich nicht bannen kann, die mich beherrscht.
Und fliehen möchte ich vor jenem Wesen,
Das mir unsichtbar, doch abscheulich ist.
Es will zu mir sich wunscherfüllt bewegen;
Und hassen muss ich, was sich offenbart.

Strader:
Unmöglich scheint doch dies bei Theodora.
Man hält, was so erlebt wird, sonst für Wirkung
Der eignen Seelenkräfte, die sich spiegeln.
Doch deine Seele kann sich so nicht zeigen.

Theodora: (schmerzvoll, langsam, nachdenklich)
Es ist mir diese Meinung wohl bekannt.
Deshalb versenkt' ich mich mit aller Kraft
Die meiner Seele jetzt noch übrig ist,
Inbrünstig in die Geisterwelt und bat,
Es möchten mir die Wesen, die vorher
Sich oft mir neigten, gnädig offenbaren,
Wie ich die Gründe meines Leides finde.
(Nun folgen abgerissene Worte.)
Und da.. erschien der... Lichtesschein... wie früher
Er... formte... sich zum Bilde eines... Menschen ...
Es war... Thomasius.

Strader: (schmerzlich, von rasch sich einstellenden Empfindungen beherrscht)
... Thomasius...
Der Mensch, an den ich immer glauben möchte.
(Pause, dann schmerzlich nachdenkend.)
Wenn ich mir vor die Seele rufen wollte,
Wie er dem Mystenbunde gegenüber ...
Wie er von Ahriman und sich gesprochen
(Theodora versinkt in Nachdenken
und starrt wie geistabwesend in das Leere.)

Strader:
O Theodora... was erblickst du... jetzt

(Vorhang fällt.)


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