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Am Waldesausgang.

Was schimmert durch die Zweige,
Ist das ein rotes Band?
Wer singt im Waldessteige
Das Lied, so wohlbekannt:

»Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,
Ich acht' nit wie es geh,
Ich hab' einen Buhlen erworben
In Veiel und grünem Klee.«

Was krächzt der Eichelhäher?
Kreuzt jemand seine Bahn?
Und näher, immer näher
Hör' einen Schritt ich nahn.

Und näher, immer näher;
Plötzlich am Holzesrand,
Weg fliegt der Eichelhäher,
Ein weißbraun Mädel stand.

Du darfst nicht vorwärts ziehen,
Du feine Maienblüt,
Du darfst nicht vor mir fliehen,
Ich ruf' dir: Gott behüt.

Da dreht sie keck das Köpfchen
Und sieht mich trutzig an,
Und schwenkt die blonden Zöpfchen:
Was willtu, fremder Mann?

Nur im Vorüberwandeln,
Und weil ich fürder muß,
Möcht' rasch ich mit dir handeln
Um einen frischen Kuß.

Da lacht sie und will gehen;
Daß sie um einen Kuß,
Das ist ihr nie geschehen,
Im Ernste feilschen muß.

Ich tät nicht länger fragen
Und schloß ihr bald den Mund,
Möcht' vieles ihr noch sagen,
Wie sie so vor mir stund.

Möcht' ihr die Hände drücken,
Da setzt sie schon den Schuh,
Und winkt mir übern Rücken
Noch einmal lustig zu.

Und lange schaut' ich, lange
Ihr rotes Nackenband,
Bis sie am Wiesenhange
Im engen Weg verschwand.

Liliencron


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