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Bild: Franz Stassen

Die Laterne.

Als ich heut im Hufnerhaus
Lebewohl genommen
Und ins Freie trat hinaus,
War die Nacht gekommen.

Sehen konnt' ich keinen Schritt,
Nirgends Mond noch Sterne.
Spricht mein Gastfreund: Hans soll mit
Und die Stall-Laterne.

Hans, der greise, taube Knecht,
Krippen, Spinneweben,
Tenne, Licht und Drahtgeflecht:
Könnt' ein Bildchen geben.

Trudchen steht dabei und lacht,
An der Mutter Seite.
Trudchen, bitt' ich, abgemacht,
Gibt mir das Geleite!

Und des Bauern frisches Kind
Ist zurückgesprungen,
Hat sich leicht ein Tuch geschwind
Um den Kopf geschlungen.

Reizend sah das Mädel aus
Im Geblink der Leuchte.
Kaum noch scheint das Elternhaus
Aus der Nebelfeuchte.

Trabt der Alte uns voran,
Treu, wie zwei Verirrten,
Folgen wir wie Lämmer dann,
Lämmer ihrem Hirten.

Wo sich durch den Buchenstand
Eng der Weg gewunden,
Hat sich schleunig Hand in Hand,
Mund zu Mund gefunden.

Finsternis und Waldesruh,
Himmel ohne Sterne.
Unverdrossen, immerzu
Wandert die Laterne.

Trifft ihr Schimmer Ast und Baum,
Blinzeln tausend Augen,
Muß sich blindlings, wie im Traum,
Lipp' an Lippe saugen.

Bis zuletzt erschrocken hält
Hans am Holzesrande.
Lichtscheu unterm Laubgezelt
Schleicht die Kontrebande.

Doch nun endlich sind wir da,
Schrein ihm in die Ohren:
»Alterchen, Halleluja,
Niemand ging verloren!«

Scheidegruß am Meilenstein,
Dichtverhüllte Ferne.
Letzter Blink und letzter Schein,
Weg ist die Laterne.

Liliencron


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