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Die Mühle am Bach

Die Schnitzbank hatte Hans beim Zurichten der Hölzer für den neuen Webstuhl gute Dienste geleistet. Er sah sich im Hause um, was er wohl noch schnitzen könnte. Jener plumpe Wassereimer, den der Vater aus einem hohlen Baumstamm gefertigt hatte, war arg rissig geworden. Für die vielen Vorräte waren die vorhandenen Körbe zu klein; Kübel und Truhen wollte die Mutter haben, und zum Geschirrwaschen breite, niedere Gefäße. Hans ging auf alle Wünsche der Mutter mit Feuereifer ein. Jeder Regentag war ihm als Basteltag hoch willkommen. Die an sich recht brauchbare Hanslbank erwies sich beim Zurichten der ungleich langen Flachhölzer für die Wände der verschieden hohen Holzgefäße als verbesserungsbedürftig. Zunächst meißelte Hans am Sitzende zwei neue Schlitze in die Bank, brachte darin ein verstellbares und verkeiltes Widerholz so an, daß das Werkholz unter der Klemmfaust nicht nach hinten abgleiten konnte; dann machte er die Klemmfaust selbst verstellbar, indem er die Achsenlöcher des Hebels vermehrte. So konnte er die Flachhölzer auch auf der Schmalseite aufstellen und die Kanten schräg schnitzen, damit sie sich zu gekrümmten Gefäßwänden zusammenfügen ließen. Weil aber das Werkholz auch in verschiedener Höhe bearbeitet werden mußte, meißelte er unterhalb der Klemmfaust einen dritten Schlitz durch die Bank, so daß er dort einen verstellbaren Lagerbock feststecken konnte. Nun ließ sich das Werkholz so weit heben, daß er sich während der Arbeit das Bücken ersparen konnte. Jetzt war die Schnitzbank so, wie er sie haben wollte! Und nun brauchte Hans noch einen Hohlmeißel, mit dem er die Innenseiten der Brettchen höhlen konnte, und zum Antrieb des Meißels einen Schlegel.

Da ihm das Kämmen der Flachsfasern zu lange dauerte, trieb Hans mehrere Reihen Eisenstäbchen in einen Holzblock; so entstand eine Kammbürste, deren Zähne in die Höhe starrten. Zog Eva das Faserbüschel kräftig durch diese Hechel, dann verfingen sich die gebrochenen Rindenstückchen mit etwas Werg an den Nägeln, während die golden glänzenden Flachsfäden in ihrer Hand blieben.

Der Winter machte den Arbeiten im Freien ein Ende, Hans konnte sich wieder ungestört dem Basteln widmen. Aber kaum hatte er den runden Boden eines Kübels fertig, den Rand schräg zugeschnitten, um ihn in die Kerben der Seitenwandhölzer einzulassen, da hatte Eva schon eine neue Aufgabe für ihn. Sie kauerte vor ihrer flachen Quetschmühle, die noch aus der Pfahlbauzeit stammte, und schrotete Weizenkörner. Hans sah, wie oft die Mutter ermüdet innehielt und nicht recht vorankam. Solange es wenig Körner zu schroten gegeben hatte, mochte die Quetschmühle genügt haben; aber jetzt war das anders. Suchend blickte Hans sich in der Stube um, ob irgendein Ding ihm Rat gäbe, sah dem Vater zu, wie dieser mit Hammer und Stahlmeißel eine Granitplatte in einen schweren Wirtelstein umzuwandeln suchte, der ihm beim Antrieb eines großen Bohrers dienen sollte. Peter wollte nämlich in die Balken des Obergeschosses Holznägel eintreiben. Nichts fiel ihm ein, dem Hans, er nahm seine Schnitzerei wieder auf. Sooft er ein Seitenbrettchen des Wasserkübels fertig hatte, legte er es so zum runden Bodenbrett, daß sie sich sternförmig aneinander reihten.

Als Eva beim Aufräumen die sorgfältig zueinandergepaßten Brettchen durcheinanderbrachte, mußte Hans sie am nächsten Tag mühsam wieder in die wohlbedachte Reihenfolge bringen. Diesmal bezeichnete er sie, damit sie nicht noch einmal durcheinandergerieten. Da er an den Fingern seiner Hand das nächstliegende Mittel zum Zählen hatte, ahmte er durch Striche erst die Finger, dann die Hand nach: auf das erste Brettchen ein Strich, auf das zweite zwei und so weiter, alles mit dem Meißel. Das fünfte Brettchen versah er mit einem groben Abzeichen einer Hand; vier Striche nebeneinander stellten die Finger vor, ein schräg abstehender den Daumen. Das zehnte Brettchen wurde mit zwei aneinandergefügten Handbildern gezeichnet. So hatte Hans ganz nebenbei einfache Zahlenbilder erfunden, die ihm von nun an bei allen seinen Arbeiten als Ordnungsmittel dienten.

Peter, der an der Hanslbank ebensoviel Freude hatte wie ihr Erfinder, versah dessen Schnitzmesser, den Flach- und den Hohlmeißel mit schrägen Schnittkanten, damit »der Bub« sich leichter täte; bald aber verdrängte er Hans von der Schnitzbank. Ihm war nämlich gelungen, die Granitscheibe kreisrund zu meißeln, und nun ging er daran, aus starken weißbuchenen Astgabeln das Gestell des Bohrers zu schnitzen. Hans hob den Wirtelstein auf. Prüfend führte er seine Hand über die grobkörnige Oberfläche und zuckte zurück: Die war ja brauchbar zum Zerkleinern der Getreidekörner!

Wochenlang mühte er sich, aus sehr hartem Sandstein einen in der Mitte durchlochten Mahlstein herzustellen, der sich als Läufer auf einem kegeligen Bodenstein drehen und so das Korn zerreiben sollte. Nach einem mißglückten Versuch gelang es ihm, den Bodenstein mit einer Randrinne zu versehen, die das Mehl aufnehmen sollte, das über eine Schnabelrinne in eine Schüssel abfallen konnte. Aber das schwerfällige Gerät erforderte Kräfte, die Mutter Eva nicht hatte. Als Hans das Korn auf der Handmühle mahlte, wurde er bald müde. Da dachte er an sein vom Wasser getriebenes Schlagwerk im Ziegengarten. Wäre es nicht möglich, auch das Mühlwerk vom Wasser treiben zu lassen, am unteren Moorbachfall zum Beispiel, wo die Strömung so stark war?

Er machte sich an die Arbeit. Sie war alles andere als leicht. Wie konnte die drehende Kraft der liegenden Achse des Wasserrades auf die stehende Achse des Mahlsteins übertragen werden? Wieder halfen Astquirle weiter: Der steile Quirl des Wasserrades sollte mit seinen Zähnen die Zähne des liegenden Quirls an der steilen Achse des Steins schieben. Da die Quirläste die Trägheit des schweren Steines nicht überwinden konnten, mußten sie durch eiserne Zähne ersetzt werden, die wiederum nur an eisernen Achsen sitzen konnten. Um das Mahlgut einzuschütten, mußte das Loch im Läufer trichterförmig erweitert werden.

Über diesen schwierigen, genauen Arbeiten verging der Sommer. Die Getreideernte war so üppig, daß es Hans unmöglich dünkte, die Ähren wie in früheren Jahren mit der Hand auszuklauben. Das mußte anders gehen! Mit Lederriemen band er einen kurzen Knüttel an einen langen Stock, breitete auf dem reingefegten Lehmboden des Hofes die Getreidegarben aus und schlug mit seinem Flegel die Körner aus den Ähren. Peter machte für sich und Eva auch je einen Dreschflegel, und nun schallte es im Dreischlag durch den Heimlichen Grund: »Tipp-tapp-tapp, tipp-tapp-tapp...«

Aber noch schöner hörte sich das Schlagen der Zapfen an, als die Mühle am Moorbach, vom fallenden Wasser getrieben, für die Menschen die Arbeit tat. An dieser ersten Bachmühle, die noch mancherlei Mängel hatte, besserte Hans so lange herum, bis sie zuverlässig arbeitete.

Alle Eisenteile wurden mit Fett vor Rost geschützt. Und dann baute sein Vater einen Schuppen darüber, denn weder Regen noch Sonne sollten das kostbare Mahlgut verderben.


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