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III.

3. Medschlis.

Und sprich zu den gläubigen Frauen,
daß sie ihre Blicke niederschlagen und
ihre Scham hüten, und daß sie nicht ihre
Reize zur Schau tragen, es sei denn,
was außen ist, und daß sie ihren Schleier
über ihren Busen schlagen und ihre
Reize nur ihrem Ehegatten zeigen oder
ihren Vätern oder den Vätern ihrer
Ehegatten oder ihren Söhnen oder den
Söhnen ihrer Ehegatten oder ihren
Brüdern oder den Söhnen ihrer Brüder
oder den Söhnen ihrer Schwestern oder
ihren Frauen oder denen, die ihre
Rechte Sklavinnen. besitzt oder ihren Dienern, die
keinen Trieb haben, oder Kindern, welche
die Blöße der Frauen nicht beachten.
Und sie sollen nicht ihre Füße zusammenschlagen,
damit nicht ihre verborgene
Zierrart bekannt wird. Und bekehret
euch zu Allah allzumal, o ihr Gläubigen;
vielleicht ergeht es euch wohl.

(24. Sure, Vers 31.)

Und verwehrt sind euch verheiratete
Frauen, außer denen, die eure Rechte Sklavinnen.
besitzt. Dies ist Allahs Vorschrift für
euch. Und erlaubt ist euch außer diesem,
daß ihr mit eurem Geld Frauen begehrt,
zur Ehe und nicht in Hurerei. Und
gebet denen, die ihr genossen habt, ihre
Morgengabe. Dies ist eine Vorschrift;
doch soll es keine Sünde sein, wenn
ihr über die Vorschrift hinaus miteinander
Uebereinkunft trifft. Siehe, Allah
ist wissend und weise.

(4. Sure, Vers 28.)

Heute morgen, in aller Frühe, kam der Inder zu mir auf mein Zimmer, als mein Schlafgenosse gerade die Türe hinter sich geschlossen hatte, um sich ins Wirtshaus hinunter zu begeben. Ich saß am Fenster und färbte meine Fingernägel.

Der Inder nahm auf einem iskémle Kleiner Stuhl. neben mir Platz, grüßte kurz und betrachtete mich dann schweigend eine ganze Weile.

Diese Zeit benutzte ich, um mich über die Veränderung, die mit dem schönen Manne vorgegangen war, ganz maßlos zu wundern. Oder war dieses Aussehen nur die Folge einer wüsten Nacht?!

Die Gesichtsmuskeln des Inders waren schlaff und hängend, die Hautfarbe aschfahl, und die Augen, die sonst so glänzend zu leuchten pflegten, blickten matt und trübe. Es schien, als ob eine wilde Leidenschaft das Gesicht dieses Mannes zerknetet und alles Blut aus den Muskeln herausgespritzt hätte und als ob das Feuer seiner Augen von einem stärkeren Element, von einem alles vernichtenden Brande verbraucht, verzehrt worden sei. Am den Kopf hingen die schwarzen Haare wirr herum, und der kunstlos angelegte Turban war nur noch mehr geeignet, den merkwürdigen Eindruck zu erwecken, daß diese Haare vor nicht langer Zeit von krallenartigen zuckenden Händen im Sinnesrausch zerzaust worden seien. – –

Langsam öffnete der Inder den Mund, und es kam zu folgendem Zwiegespräch zwischen uns:

»Hat Fathima mit dir gesprochen?«

»Ja, Herr!«

»Was hat sie dir gesagt?«

»Sie bestelle mich zu ihrem persönlichen Diener.«

»Wie hast du diesen Auftrag ausgeführt?«

»Nach den Befehlen, die ich erhielt.«

»Welche Befehle waren das?«

»Ich tat ihr manchen Dienst, was soll ich da sagen, Herr, Dienste, die ein Aga zu verrichten pflegt. Ich besorgte Einkäufe, begleitete die Hannum, wenn sie ausging, und machte den Boten für Briefe und Geschenke.«

Der Inder schwieg und dachte nach. Dann begann er wieder:

»Kannst du mir sagen, wohin du Fathima begleitetest, wenn du Briefe und Geschenke brachtest?«

Diese Frage machte mich stutzig. Wie kam der Haushofmeister dazu, die Gattin seines Herrn zu überwachen und sich ein Amt anzumaßen, das nur dem Aga gebührt. Und ein Verschnittener war der Inder sicher nicht. Also antwortete ich:

»Vernehmt, o Herr, die Rede eines rechtgläubigen Aga, den Allah zum Wächter und Hüter des weiblichen Tugend- und Freudenborns geschaffen, zum Siegelbewahrer der Lebenspforte, in die das Leben hineinströmt und, so Allah will, wieder zum Lichte gelangt. Von Fathima zum Diener und Wächter bestimmt, von meinem Herrn – lange lebe er auf Erden – besoldet, darf mein Mund sich ihm allein nur öffnen, denn das heilige Gesetz schreibt den Moslems vor, alles, was die Frauen angeht, nur deren Ehegatten und vielleicht Verwandten zu enthüllen. Da Fathima nicht Eurem Harem angehört, habt Ihr keine Befugnis, einen Aga über den Wandel der fremden Hannum zum Sprechen zu bringen. Allahs gütige Weisheit bewahre mich vor der Verletzung meiner Pflicht!«

Der Inder biß die Lippen zusammen, und sein Gesicht wurde noch bleicher und schlaffer.

»Du weißt,« sagte er dann kurz und mit gezwungener Gleichgültigkeit, »daß ich meinen leidenden Herrn vertrete und berechtigt bin, nach den Wünschen seiner Frauen zu fragen. Natürlich nur unter Beobachtung der vom Gesetze vorgeschriebenen Förmlichkeiten und Gebräuche.« Die letzten Worte kamen etwas zögernd, aber scharf betont heraus.

»Was du mir also sagst,« fuhr der Inder fort, »sagst du dem Stellvertreter deines Herrn, und wenn du irgend etwas zu offenbaren hast, so kannst du es mir gegenüber getrost tun, ohne deine religiöse Pflicht, die ich sehr schätze, irgendwie zu verletzen. Du bist der bravste Aga unseres Haremlik, und zur Belohnung für deine treuen Dienste habe ich dir von unserem Herrn diese kleine Kostbarkeit als besonderes Geschenk erwirkt.« Hiermit zog der Inder ein kleines Kästchen aus den Falten seines Rockes und überreichte es mir. Ein goldener Ring mit einem Brillanten und sechs Türkisen war darin.

Ich strahlte vor Freude und verneigte mich tief.

Der Inder winkte mir zu und verschwand. – –


Die Edelsteine blendeten meine Augen so, daß ich einige Minuten nur in ihren Anblick versunken war. Bald aber kehrte die Erinnerung an das Gespräch mit dem Inder wieder in mein Gedächtnis zurück, und ich begann über die Eigentümlichkeit der Lage ziemlich laut zu lachen.

Wenn uns von Allah Gesegneten auch der Liebestrieb verborgen bleibt, so sind doch andere Triebe und Sinne dafür stärker in uns entwickelt, denn Allah ist gerecht und verteilt die Gaben seiner Weisheit und Güte. Glaubt der Inder also, daß ich nichts sehe und schmecke?! Gewiß, mit dem lebendigen Licht meiner Augen habe ich nichts erblickt, was den Verdacht der Sünde aufkommen ließe, und dennoch sind der Gründe so viele, daß ich nicht mehr daran zweifle, in der Gestalt des schönen, schon halb verbrauchten Inders den pflichtgetreuen Stellvertreter seines Herrn zu erblicken. Wird Allah, der im siebenten Himmel neben dem Lotosbaum thront, diese Sünden vergeben und über die Macht des Liebestriebes milde richten am Tage des Gerichts?

Fathima ezzahra ist schlank wie eine Gazelle, ihr Antlitz strahlt glänzender als der gespaltene Mond, ihre straffen Brüste sind verlangend und suchend vorgestreckt, und ihr wiegender Schoß heischt nach Befruchtung. Wo ist der Gatte, der nach Allahs Willen das Werk vollbringe?! Liegt er nicht krank auf seinem Lager, ist seine Hüfte nicht siech und das Bächlein seiner Manneskraft nicht vertrocknet?! Ein welkender Baum treibt keine Schößlinge mehr. Und noch ehe der Baum umstürzt, kommt der Gärtner und verpflanzt den Samen.

Arme Fathima! Oder ist meine Hannum vielleicht die glücklichste in diesem Haremlik, die einzige, die sich zu ihrem Recht verhilft, nachdem das Schicksal es ihr vorenthalten?!

Der prächtige Ring – ein Geschenk des Herrn! Ich verstehe diese Blumensprache –, es ist der Ring des Schweigens, und er spricht zu mir: behüte Fathima ezzahra wie mein eheliches Weib, und wenn deine Augen sehen, was sie nicht schauen sollen, dann verhülle dein Gesicht und geh und schweige! –

Hab' ich nicht zwei Augen und nur – einen Ring?! – – – – – – – – – –

Doch Fathima ist meine Herrin, sie will, und ich gehorche, jetzt wird es Zeit, daß ich zu ihr gehe.

Auf dem Hofe kam mir bereits eine Sklavin entgegen, um mich zu rufen. – – – – – –

Als ich ins Zimmer trat, lag Fathima auf ihrem Bette. Das Gesicht war glühendrot, wie der Sonnenball am westlichen Himmel, die langen braunen Strähnen hatten sich aufgelöst und hingen wie ein seidener zerknitterter Mantel herunter, die Augen strahlten in fieberhaftem Glanze, aber dennoch war der Blick wie gebrochen, nach innen gekehrt, als ob er die Erinnerung an einen schönen Traum festhalten wollte. Kisten und Decken lagen wirr durcheinander, und es sah aus, als ob eine Schlacht geschlagen worden und Fathima die Besiegte war. So überwältigt hingeworfen lag sie da, mehr die Verkörperung eines Sinnenrausches, denn ein lebender Mensch.

Ein süßlich scharfer Duft durchzog das Zimmer, ein Gemisch von Schweiß, Ambra und Rosenöl. Der Geruch verwirrte mich, und ich trat hinaus.

»Wohin gehst du,« rief Fathima jetzt, »habe ich dich nicht rufen lassen?!«

Ihre Stimme war so schwach wie ein Hauch, und es schien, als ob die Luft aus ihren Lungen herausgepreßt worden wäre und sich mit den Schweiß-, Ambra- und Rosenöldüften verflüchtet hätte.

»Hier bin ich, Herrin,« sagte ich demütig und berührte mit dem Munde den Saum ihres Nachtgewandes, das fast vom Schweiße noch dampfte. Das zarte Gewebe mit den fein gestickten Blümchen war mit brutaler Gewalt vielfach zerrissen, und jetzt bemerkte ich auch, wie rote Blutmale, Bißwunden gleich, den schneeigen Hals meiner Herrin bedeckten. Es waren Wunden, die ein schöner Kampf geschlagen.

»Aga,« hauchte Fathima wieder und ihr Mund verzog sich zu einem seligen Lächeln, »ich bin nicht krank, wie es dir vielleicht scheinen mag, sei unbesorgt um mich, die Nacht war heiß, und ein leidenschaftlicher Traum hielt meine Sinne umfangen, so daß ich mich viele Stunden der Nacht auf meinem Lager wälzte und kein Auge schloß. Es war ein paradiesischer Traum, den eine Haura nicht beglückender träumen könnte, und ich bin nicht unzufrieden, daß ich so wenig geschlafen habe. Nun will ich noch ruhen, aber bevor ich jetzt einschlummere, möchte ich dir noch folgendes sagen: Laß niemand in mein Zimmer, auch keine meiner Sklavinnen, nur dem Haushofmeister darfst du den Zutritt nicht verwehren, denn er ist der Stellvertreter meines Herrn. Was er sagt, mußt du tun, und wenn er dich fragt, mußt du antworten. Sollte der Haushofmeister mich sprechen wollen, mußt du die spanische Wand, die dort in der Ecke steht, an mein Bett rücken, damit seine Augen mich nicht sehen und ich seinen Atem nicht an meinem Munde fühle. Noch eins: Unser Herr – Allah gebe ihm noch hundert Jahre – ist schwer krank, und wer weiß, wie lange es noch dauert, bis man die dreißigste Sure Die Sure für die Sterbenden. liest. Du wirst mir alle Tage Bericht erstatten über das Befinden unseres Herrn, und wenn man zum Ulema Ulema = Priester. schickt, eilst du sofort zu mir. Sollte ich mich zur Zeit des Mahles noch nicht erhoben haben, wecke mich nicht, denn ich bin gesättigt. Man lebt nicht allein von Speise und Trank. Nun geh und verrichte deinen Dienst, wie ich dir geheißen.«

Ich verneigte mich tief und ging hinaus. Der dicke Vorhang fiel hinter mir herunter und versperrte den Zugang zu dem Zimmer, aus dem sehr bald tiefe und regelmäßige Atemzüge der schlafenden Fathima ezzahra vernehmbar waren.

Als Wächter der weiblichen Tugend schritt ich wie ein Soldat vor der zu schützenden Festung auf und ab und fragte mich, ob es nicht zwecklos sei, da der Feind doch offenbar die Festung schon erstürmt und nach heißem Kampfe erobert hatte.



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