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Eisgang

Da braust ein Segler aus See heran.

Wenn ein Schiff mit Flaggen und Wimpel im bunten Farbenschmuck und mit wallenden Segeln aus See heimkehrt, dann führt es den Namen »Die gute Hoffnung« mit Ehren, und alle, die das Deck betreten, weht ein Hauch des glücklichen Geistes an, der in diesen Räumen waltet.

Da liegt sie, die stattliche Brigg, die diesen beglückenden Namen trägt. Noch flattern die Segel im Winde, noch ist der Lotse nicht vom Verdeck geschieden, als schon der Hafenmeister erscheint und ihr den Liegeplatz anweist. Im Binnenhafen ist bereits alles besetzt. Der Spätherbst ist da, und die Schiffe, die hier ihre Heimat haben, sind alle vor ihr zurückgekehrt.

Da kommen Schuten (Kähne) und Prahme (flache Fahrzeuge), um die Brigg zu entlasten. Die Matrosen und hilfreiche Schauermänner bringen das laufende Gut zu Deck. In drei Tagen ist die Brigg so kahl wie ein Waldbaum nach dem Dezembersturm. Die letzte Arbeit ist getan. Die Mannschaft geht ans Land, um vor dem Richter die Erklärung abzugeben; sie geht zum Wasserschout, um ihre verdienten Löhne zu empfangen, und in die Schenke, um sie wieder zu vertun. Am anderen Tage kommen sie einzeln zurück, um ihre Kiste und Hängematte zu holen; dann wird es einsam am Bord, und nur der »Ligger« bleibt allein zurück.

Der Ligger am Bord ist ein alter, wackerer Seemann, der mehrere Reisen mit demselben Schiffe gemacht und darum eine besondere Vorliebe dafür hat. Er ist über die Jahre hinaus, da Fiedel und Weiber das Morgen- und Abendgebet des Matrosen sind, und hat niemand, bei welchem er den langen Winter in Frieden verleben möchte. So bleibt er am liebsten am Bord und hat acht, daß bis zum nächsten Frühjahr alles wohl imstande bleibe und kein Schiffsdieb begehre, was ihm nicht gehört. Was er für sich bedarf, holt er sich von Zeit zu Zeit vom Lande. Er ist sein Koch und sein Bottelier (Offizier, der die Getränke unter sich hat), sein Doktor und Apotheker, sein alleiniger Gesellschafter und Helfer bei allem Tun, sein zuverlässiger Freund in der Not.

Der Herbst hat seine letzten Stürme über See gejagt, und die Fluten erstarren zu Eis. In dichten Flocken fällt der Schnee aus dunklen Wolken herab; das wogende Element ruht in dem Bann der kristallenen Hülle, die sich von Stunde zu Stunde mehr verdichtet.

Der Ligger am Bord der »guten Hoffnung« heißt Meinert Dirk und ist von einer jener Halligen gebürtig, die nebeneinander in der Westsee hingestreut, ein redendes Zeugnis sind von jenen großen Land- und Wasserrevolutionen, die in früheren Jahrhunderten ein blühendes Land in die Tiefe hinabschleuderten und die starrenden Dünen darüber hin türmten. Meinert Dirk hat eben die Bottlerei durchstöbert und gefunden, daß der letzte Vorrat dahin ist. Ihm ist das Land so gleichgültig, daß er stets nach einem Vorwande sucht, es nicht betreten zu dürfen. Aber nun ist kein Vorwand mehr möglich, und er fängt allgemach an, sich aufzutakeln.

Als er vom Bord scheidet, hat sich das Wetter wesentlich geändert. Der Wind sprang nach Süden um; die Luft ist milde, und die grauen Wolken, die sich am Himmel zeigen, drohen mit Regen. Als er den Fuß von der Schiffstreppe auf die Eisdecke setzt, seufzt er tief, als trete er in eine ihm fremde Welt; dann geht er die Straße entlang, deren Pflastersteine Eisblöcke und deren Paläste Barken und Schoner, Fregatten und Galioten sind.

Meinert Dirk tritt ins Kontor. Er empfängt sein Geld und geht mit sich zu Rate, was und wieviel er für Faß und Kelle beschaffen soll. Da kreuzt ein halbgewracktes Galion seinen Kurs und legt hart vor seinem Bugspriet mit backen Segeln bei.

»Holla! Wen haben wir hier? Meinert Dirk vermutlich?«

»Ligger am Bord der ›guten Hoffnung‹. Und Ihr da?«

»Andres Roder oder, wie sie mich immer heißen, der grüne Andres, weil ich in der Jugend ein solcher Grünschnabel war. Heiße noch so, trotz der weißen Haare an meinem Schädel. He, alter Maat, weißt noch, wie wir mitsammen Kojegasten Gasten sind Seeleute, die zu einem bestimmten Dienst angestellt sind. am Bord des ›Nordsterns‹ waren? Knappe Kost und harte Arbeit, denn der Kapitän war ein Jüte. Uns aber kümmerte es nicht, wir blieben guter Dinge und lachten über Kajüte und Halbdeck. Habe in späteren Jahren manches lustige Gespinst abgewickelt, das wir in jener Zeit spannen, da wir das Seewerk lernten. Aber, das ist ein schlechtes Kreuzen hier in Wind und Regen. Habe eine schmucke Kajüte nahebei und eine Bottlerei dazu; darin wollen wir uns für eine Stunde zu Anker bringen.«

Sie taten's. In einem jener Keller, die in der Hafenstraße sich unter den Magazinen und Speichern in die Erde hinein verlieren, und durch das Wasser, das von den Wänden träufelt, den Seemann stets an sein eigentliches Element erinnern, hatte der grüne Andres seine Hängematte aufgeschlagen. Die Kleiderkiste war beides, Arbeits- und Speisetisch, und der Ofen mußte zugleich als Kombüse dienen.

Die Pfeifen dampften. Der Grog in dem Glase war so steif wie der Südwest, der draußen wehte, und das Gespinst, welches sie sich einander abwickelten, lief nicht immer glatt von der Spule; es hatte mitunter Kinken und Knoten. Da langte Meinert Dirk bedächtig nach dem Glase und tat den letzten Zug.

»Lens pumpen!« sagte der grüne Andres fröhlich.

»Habe es getan, alter Maat. Nur der Geruch gibt es noch, was für Stoff darin war. Und nun wirf die Leine los, die mein Fahrzeug hält, und laß mich bei mir an Bord steuern.«

»In dem Sturm? Und bei dem Regen?«

»Für den Sturm habe ich das Segelreffen gelernt, und der Regen kann mich von außen nicht nasser machen, als ich von innen geworden bin. Sprich mir nicht darein, Mann. Werde krank, wenn ich eine Nacht am Lande schlafe, und muß obenein vor jeden Schaden aufkommen.«

»Du willst nicht am Lande schlafen, und ich möchte mal wieder sehen, wie man sich am Bord zur Koje lotst. Ich kreuze mit dir zur ›guten Hoffnung‹ hinaus. Wo ist dein Packen?«

»Sind ihrer zwei. Jeder von uns nimmt einen. Sollst deinen Platz finden am Bord, wie ihn ein Deckoffizier nicht besser wünschen kann. Die Bootsmannskammer am Kabelgat ist blank und rein. Anker auf und vollbrassen.«

Die beiden Männer schwankten fort. Unter strömendem Regen, bis an die Knöchel im Wasser watend, gelangten sie an Bord.

Es war ein trüber Morgen. Feucht wehte der Südwind über die Eisdecke, die aus dem darüber hinflutenden Wasser stellenweise hervorragte. Die großen Brücken, welche von dem Ufer auf den Strom führten, wurden abgebrochen. Diese Brücken sind die polizeilichen Wegweiser, die amtlichen Vermittler zwischen Land und Wasser; solange sie liegen, ist die volle Sicherheit verbürgt. Aber wenn sie aufgenommen werden, ist die Bürgschaft erloschen, und das Betreten der Eisdecke geschieht für eigene Gefahr und Rechnung. Es gibt Platz. Wo sich vor kurzem noch eine zahlreiche Versammlung fand; wo geschäftiger Müßiggang, ruheloses Tagewerk und ausgelassene Lust nebeneinander hinwanderten; wo Schlittschuhläufer, Lastwagen und schlanke Renner mit prachtvollem Schellengeläut die Straße sich kreuzten, ist es leer. Die Zelte mit den wehenden bunten Flaggen und den lustigen Inschriften fallen zusammen. Die Schenken und Garküchen packen auf, die Karusselle und ihre Kreisschlitten bauen ab. Die Feuer erlöschen. Die Musik verstummt. Nur der kleine Erwerbsverkehr zwischen beiden Ufern, auf Handschlitten und zu Fuß will nicht sterben. Die bittere Notwendigkeit fristet noch sein Leben. Um den Gewinn einiger Groschen wagt der verwegene Mensch sein höchstes Gut und kämpft mit dem treulosen Elemente jede Stunde einen neuen Kampf um das nackte Leben.

Im Zwischendeck der vereinsamten Brigg spürte nur einer diese Veränderungen. Als Meinert Dirk mit seinem Freunde vor dreien Abenden an Bord ging, dachten beide nicht daran, daß Andres am nächsten Morgen nicht wieder ans Land zurückgehen könne. Ihn schüttelte das Fieber, und er lag einen Tag ohne Besinnung in der düsteren Koje.

»Dachte wohl, daß ein Unglück geschehen würde,« sagte Meinert Dirk zu sich selbst. »Wenn ein Schiff so liegt, daß sein Volk an die faste Wall gelangen kann, ohne ein Ruder ins Wasser zu tauchen, darf keiner vom Bord gehen, bevor er ein Kreuz auf den Fallreep gemalt hat und dazu spricht:

Gott Vater zur Nacht
Nimm Du die Wacht!

sonst kommt allerlei Teufelei an Bord. Habe das fromme Werk vergessen, und nun haben wir das Fieber hier, und der arme Junge kann vielleicht ohne des Doktors Hilfe daran glauben müssen. Wie er sich schüttelt! Will'n meine Jacke noch überdecken. He! He! Arme unter die Decke! Kommt's nun mit der Hitze? Wirf nicht alles weg, grüner Andres, als wäre es unnützer Ballast. Willst 'nen Trunk tun?«

Der Fieberkranke richtete sich auf und sah den Freund mit großen Augen an. Er rieb sich die Stirn, als besänne er sich auf etwas. Dann fragte er:

»Sind gestern spät an Bord gekommen. Ist es schon Tag?«

Meinert Dirk lachte: »Hast endlich ein Wort für mich? Sind drei Tage, seit du bei mir am Bord bist. Hatten beide schwer geladen in deiner Zwischendeckskajüte und kamen erst nach einem schlimmen Kreuzzuge an Bord. Havarie vollauf. Den Proviantbeutel, den ich dir aufgeladen, hast du verloren und dafür das Fieber aufgesackt, das dich hier festhielt. Aber dein Auge sieht klar, und ich denke, die Gefahr ist vorüber.«

»Mich durstet, Maat.«

»Hier ist Wasser, mit etwas Kräftigem versetzt. Nun nimm aber die Decken wieder zusammen und schlafe weiter. Will auch eine Steuertour lang einnicken.«

»Ich bin nicht mehr müde. Muß lange geschlafen haben. Drei Tage bin ich bei dir am Bord, sagst du? Mir scheint's, es sind noch nicht drei Stunden. Und doch kommt mir der Gedanke an alle Arten Traum. War auch 'ne Geschichte darunter von 'ner Nonne und vom goldenen Tajo ...«

»Weiß, was du meinst, und will das Gespinst vor dir abwickeln. Hatte eine gute Heuer auf einer dänischen Schonerbrigg. Der Kapitän war ein lustiger junger Herr, der viele tolle Streiche machte, wenn er außerhalb Landes war. So lagen wir unterhalb Lissabon vor Anker, und der Kapitän, der große Stücke auf mich hielt, sagte eines Abends zu mir: »Meinert Dirk, will mich für ein paar Tage im Grünen umsehen, und du sollst mit. Es darf aber niemand das geringste erfahren, weder vorher noch nachher. Darauf gib mir die Hand als ein ehrlicher Matrose.« Das tat ich, und noch in derselben Stunde gingen wir ins Grüne. Als es eine Zeitlang gedauert, sagte der Kapitän zu mir: ›Siehst die Mauer hinter den Weinranken hervorgucken? Ist ein Gefängnis so schlimm, daß die Gewölbe bei uns daheim in Kronenborg luftige Kajüten dagegen sind. Darin sitzt eine schmucke Portugiesin mit heißem Blute und schwarzen Augen, die wollen sie zur Nonne machen. Sie aber will nicht, sondern will mich zum Manne haben, und sie soll mein Weib sein, so wahr ich sie mehr als mein Leben liebe. Gutwillig bekomme ich sie nicht, darum will ich sie stehlen bei Nacht.‹ Mich wunderte, daß der Kapitän es so lange verschob. Ich hätte es lieber gleich getan, denn ich war ein junges, unruhiges Blut, das nicht lange auf einer Stelle blieb, und strebte schon wieder anderswo hin. Nun floß ein schmales Wasser unweit der Mauer, das lief zwischen Buschwerk und Steinen bald steuerbord, bald backbord, bald rück-, bald vorwärts, bis es in den Tajo lief. War tief genug, um ein leichtes Boot zu tragen, aber wegen des schnellen Stromes und der vielen Klippen und Strudel nicht leicht zu befahren, zumal in der Nacht. Fand nahebei einen Kahn, wie sie dort zu finden sind, plump und unbeholfen. Darin legte ich mich an der bestimmten Stelle platt nieder. Hatte meine Order, daß ich mir nicht eher etwas merken lassen sollte, bis ein blaues Licht auf dem oberen Rande der Mauer erschiene. Dann werde eine Strickleiter herabrollen, die solle ich unten festhalten und, wenn alles am Bord, die Ruder brauchen, wozu sie gut wären. Als ich alles klar gemacht hatte und mit Ungeduld auf das Licht warte, höre ich, daß etwas nahebei im Laube rasselt, und zwei Kerle einander zurufen: ›Hier wird's sein. Das sind die zwei starken Kastanienbäume, und in ihrer Nähe muß der Kahn liegen, worin wir uns verstecken sollen, um zur Hand zu sein, wenn sie ja über die Mauer kommen.‹ – Das hörte ich. Leise steckte ich die Hand über Bord. Ein Seemann hat immer ein gutes Messer bei Wege, zumal wenn er mit seinem feurigen jungen Kapitän ins Grüne geht. Mit einem Ruck schnitt ich die Fangleine durch und ließ mich treiben. Kaum war ich fort, als einer von den beiden sagte: ›Die Bäume sind wohl da, aber kein Kahn, und weitere Bäume auch nicht. Wollen eine Strecke weiter stromauf gehen; dort sind mehr Bäume, und vielleicht liegt dort der Kahn.‹ Mich überlief es kalt. Fanden sie mich, bekam ich ein paar Zoll portugiesisches Eisen in den Leib, und mein Kapitän war gefangen. Da schüttelte es mich, wie neulich abends dich, und ich dachte wohl, daß es das Fieber sei, ließ mir aber nichts merken, denn der eine von den Kerlen sagte: ›Geh du allein; ich bleibe hier, damit nichts geschieht, ohne daß wir etwas davon wissen.‹ Der Kerl stolzierte unter den Bäumen auf und ab, und ich zitterte, daß jeden Augenblick das blaue Licht erscheinen werde. Darum schob ich die Spitze des Kahnes leise auf den Sand, schnitt die Fangleine in zwei Stücke und stieg an das Ufer. Schritt um Schritt suchte ich dem Kerl näherzukommen, und als ich dicht hinter ihm stand, warf ich mich auf ihn und riß ihn zu Boden. Wir rangen tüchtig, doch war er von dem Fall betäubt, und es gelang mir, seine Arme und seine Füße zu binden. Darauf riß ich mein Halstuch ab und quetschte es ihm in den Mund, damit er nicht schreien sollte. Kaum war das geschehen, als das blaue Licht erschien und die Strickleiter herabrollte. Mein Kapitän kam mit seiner verschleierten Dame zu mir in den Kahn. Als wir kurz vor Tagesanbruch an Bord kamen, lichteten wir die Anker, segelten über die Barre und waren auf hoher See. Habe niemals recht erfahren können, wie es mit der Geschichte jener Nacht zusammenhing, denn von der Anstrengung und der Furcht verlor ich die Besinnung und ward in des Doktors Kammer getragen. Als ich wieder gesund wurde, befanden wir uns in dem Hafen von Rouen. Der Kapitän rief mich zu sich in seine Kammer und sagte: ›Meinert Dirk, ich habe deinen Handschlag, daß kein Mensch von dir erfährt, was in jener Nacht am Tajo vorgefallen ist. Damit wir aber nicht in Versuchung kommen, mehr von der Sache zu sprechen als dienlich, so danke ich dich ab und schicke dich an Bord des ›Paradiesvogels‹, wo du auf meine Verwendung an des verstorbenen Bootsmanns Stelle trittst. In diesem Beutel ist deine verdiente Gage, alter Maat. Ich werde deinen Beistand nie vergessen, und somit behaltene Reise auf Nimmerwiedersehen.‹ So kam ich halb im Traume zur Meisterschaft des Kabelgats (Raum des Schiffes, wo die Ankertaue liegen), und als ich am anderen Morgen nach der Schonerbrigg ausluge, um den Kapitän zu preien (auszufragen), wie das alles so eigentlich zusammenhänge, war diese bereits wieder in See, und ich habe seitdem nie mehr etwas von ihr gehört. Das ist mein Gespinst von der Portugiesin, und du hast gehört, wie man durch 'ne gute Portion Fieber zum Deckoffizier werden kann, wonach dir nun wohl nicht der Sinn mehr steht.«

Da schütterte es mächtig in der Luft. Es war, als ob durch die Stille der Nacht ein tosender Donner raste und lange nachhallend wiedertönte; es war, als ob ein glühender Blitz niederführe und bis in den Mittelpunkt der Erde dränge, denn es zitterte und bebte meilenlang stromauf und stromab.

»Was ist das?« rief der grüne Andres entsetzt, indem er jach auffuhr.

»Habe es mir lange gedacht und wollte es nur nicht sagen, um dich nicht vor der Zeit zu erschrecken. Die Eisdecke bricht.«

»Christus! Und wir liegen mit dem Schiffe außerhalb des Bollwerkes.«

»Das tun wir, alter Maat. Gott besser's. Ist eine schlechte Lagerstatt.«

»Laß uns an Land, Meinert Dirk. Laß uns fort, ehe das Eis uns mit sich reißt.«

»Hat nicht not. Das Schiff liegt vor tüchtigen Kabeln hinten und vorn fest.«

»Wenn sie nicht reißen, schneidet das Eis den Boden des Schiffes durch, und wir sinken, oder es türmt sich vor dem Buge und am Stern zusammen, und wir werden gequetscht. Darum fort ans Land.«

»Bist drei Tage unter Deck und im Fieber,« sagte Meinert Dirk mit trübem Ernst. »Du weißt nicht, daß wir nicht mehr fliehen können. Das Eis bröckelt, und jeder Fußtritt außenbords ist gewisser Tod. Wir müssen hier ausharren.«

Der kaum Genesene stierte den Freund mit steigender Angst ins Gesicht. Dieser sagte:

»Halte dich hart, Andres. Habe Holz vollauf, und du sollst nicht frieren.«

»Aber du ... Ach Gott, mir fällt alles ein. Ich habe den Sack von mir geworfen, worin deine beste Provision war; ich habe dich darum gebracht, und du leidest Hunger.«

»Fürchte dich nicht, Andres. Noch ist etwas da. Habe früher manchen Tag gefastet und du auch. Wird ja nicht ewig dauern.«

Andres warf sich schluchzend auf sein Lager und konnte sich nicht zufrieden geben. Meinert Dirk suchte ihn zu trösten und hörte zugleich mit Wachsender Furcht den fliegenden Sturm, der an die Brigg rührte, daß die Masten bebten. Da knackte es plötzlich unter ihnen, und ein donnerähnliches Geräusch hallte außenbords herum.

»Ein Kabel ist gerissen!« rief der Ligger unwillkürlich aus und wollte auf das Verdeck. Der Kranke, der seine Hand hielt, ließ ihn nicht.

»Nimm mich mit. Ich kann nicht allein hier bleiben. So oder so! Wir sind hin.«

»Die Brigg war ohne Halt, und der Strom riß sie mit. Leichten Schwunges flog sie zur Seite. Es geschah mit so gewaltigem Stoße, daß auch das zweite Kabel vor der mächtigen Anstrengung riß, und die Brigg nun willenlos in den dichten Eisschollen umhertrieb.

Es war ein wüstes Tosen; ein endloses Krachen und Bersten. Dazwischen donnerten die Kanonen aus den Hafenbatterien, die den begonnenen Eisgang verkündeten und die Uferbewohner zur Wachsamkeit ermunterten. Schuß auf Schuß verhallte. Feuersignale flackerten auf. Die Menschen versammelten sich am Strande. Sie sahen nichts als eine ungefügige, regellose Masse, die stets schwankend, an einigen Stellen hoch emporragend, an anderen plötzlich zusammenbrechend, langsam vorübertrieb.

Da wird es Tag. Sein erster trüber Schimmer fliegt über den Strom und entrollt das grauenerregende Bild vor aller Augen. Hundert Gruppen bilden sich; jede für sich gewährt ein lebendiges Bild.

»Wie Anno achtzig,« sagte ein alter Everführerbaas, der über ein halbes Jahrhundert zwischen Schiff und Speicher mit seiner Schute umherschwimmt. »Damals sah es auch aus, als ob ein hohes Gebirg sich mitten in den Strom hineinschob und dort festwachsen wollte. Mein Vater, der seiner Zeit ein tüchtiger Robbenschläger gewesen ist, meinte, es wäre wie in Grönland.«

»Kann nicht sagen, daß ich mir etwas Sonderliches bei den Bergen denke,« sagte ein aufgeschossener Bursche, der aus den weiten Marschstrecken des Hadeler Landes gebürtig war. Man sieht nicht einen Schritt weiter, als sie es haben wollen. So ist's nicht bei uns daheim, wo wir die Deiche auch gern abschafften, wenn es nur jenseits derselben keine Nordsee gäbe. Aber einen Eisgang wird es weiter unten setzen, woran man seine Freude hat. Es treibt in einer Breite von zwei Meilen abwärts.«

»Bis der Strom kentert. He? Daran dachtest wohl nicht, Jungkerl? Gib nur acht. Bald wird es so weit sein.«

Alle sehen auf den wandelnden Strom. Eine lange Reihe von zerbröckelten Eisschollen, eine neben, eine nach der anderen. Dazwischen schmale Rinnen mit klarem Wasser. Keine Scholle für sich stark genug, nur die geringste Last zu tragen; und so dicht gedrängt, daß auch nicht das schmalste Boot dazwischen Raum findet. Langsam zieht sie vorüber, diese kahle, auf- und abtauchende Fläche.

Ein Haufen wilder Buben, die überall obenauf und nirgends an sind, tobte zwischen den einzelnen Gruppen hin und her und trieb seine ausgelassenen Spiele. Da stand einer von ihnen plötzlich still und rief, stromaufwärts zeigend, laut aus:

»Schiff nach See!«

»Was sagst du, Unband?« fragte der Everführerbaas, ihn bei den Ohren fassend. »Willst ehrbare Leute zum Narren halten?«

»Sage, daß ein Schiff in See geht,« antwortete der Junge trotzig, indem er sich losriß. »Könnt es selbst sehen, wenn Ihr die Augen dazu habt.«

»Ein Schiff! Ein Schiff!« rief es überall, und alle Blicke wandten sich auf die Brigg zur »guten Hoffnung«, welche mitten im Strom trieb, ein dichtes Bollwerk von aufeinander geschobenen Eisplatten um sich her.

»Die ist hin!« sagte der Everführerbaas. »Und gebe nur Gott, daß keine Menschen am Bord sind.«

»Das gibt Gott nicht!« sagte ein Jollenführer, der neben ihm stand, »denn dort steht einer auf der Galerie und handschlagt zum Gotterbarmen. Mag ihm nicht besonders wohl zumute sein. Was willst, Friedel?«

»Vater! Nimm deine Jolle und fahre hin. Ich helfe dir, und wir bringen den Mann hierher.«

»Hat sich was. Auf Eisschollen rudern habe ich nicht gelernt, und die kleinste davon sägte meine Jolle durch. Was macht er nur?«

»Er zieht die Notflagge auf, Nachbar. Ist nicht nötig, Mann; deine Not ist ohnedies sichtbar. Da kommt der Herr Hafenmeister. Platz da für den Herrn Hafenmeister! Was steht zu Eueren Diensten, Herr?«

»Ein Schiff hat sich losgerissen im Oberhafen und treibt nach See zu. Sind Menschen am Bord, die müssen wir retten. Frisch, Leute! Seht zu, was ihr vermögt. Wer an Bord der Brigg gelangt, sei es, auf welche Weise es wolle, und die Notleidenden bergen hilft, erhält hundert Taler, des Gotteslohns nicht zu gedenken, der noch viel schwerer in die Wage fällt.«

»Hundert Taler! Habt ihr's gehört? Der Herr Hafenmeister gelobt hundert Taler, wenn wir den Mann vom Bord holen!« summt es durcheinander. »Frisch, Kinder! laßt es uns versuchen. Wie fangen wir es am besten an? Ich denke, ich nehme einen Bootshaken und entere damit von Scholle zu Scholle. Hierher!«

Und in wenigen Augenblicken ist der Strand des Stromes mit wagehalsigen Gesellen bedeckt. Mit Haken, leichten Tauen und anderem Gerät belastet beginnt die Wanderung. Der eine hat kaum den Fuß auf ein Stück Eis gesetzt, das unter ihm fortgleitet, als er auch schon auf den sicheren Boden zurückspringt. Ein anderer fliegt mit einem Satze weit über sein Ziel hinaus und klammert sich mühsam an die bröckelnde Scholle – ein dritter springt zu kurz und stürzt kopfüber ins Wasser, »Holla! Holla! Hierhin! Dorthin!« Überall Helfer, aber keine Hilfe. Nach hundert fruchtlosen Anstrengungen kehren sie vom Strande zurück. Die Brigg ist bereits eine Strecke über das Weichbild der Stadt hinaus. Die Notflagge hängt wie ein dunkles Trauertuch von der einsamen Gaffel herab.

Langsam segeln die krachenden Eisberge ihr vor dem Winde nach. Kaum noch, daß sie von der Stelle rücken. Endlich stehen sie vollends still.

»Der Strom kentert!« sagt der Everführerbaas zu seiner Umgebung. »Noch einige Augenblicke und die Flut setzt ein. Was soll aus dem Schiffe werden und aus den armen Leuten am Bord?«

Wüßten sie es nur. Meinert Dirk steht, in sich versunken, auf dem Deck und sieht auf das grauenvolle Schauspiel vor sich, hinter sich:

»Wird immer dichter das Treiben. Sehe keinen Fußbreit Wasser, soweit mein Auge reicht. Da! Die Krähe! Sie setzt sich kaum auf die Eisdecke und fliegt schon wieder auf. Fürchtet sich, das Tier. Und ich sollte mit dem kranken Mann ... Herr Gott, der Andres! Wie kannst du deine Koje verlassen? Zitterst über und über.«

Andres blickte wild um sich: »Wo ist die Stadt?«

»Weit hinter uns, mein Junge. Das Ufer tritt zurück. Werden bald ... Hörst, wie es sägt am Spiegel? Jedes Stück Eis, das daran entlang schrammt, reißt seinen Splitter mit sich fort.«

»Es ist kalt unten, Meinert Dirk. Mich friert und hungert.«

»Mich hungert auch, Maat. Ist nichts mehr am Bord als eine Handvoll trockner Erbsen. Die Zunderbüchse ist aufs nasse Deck gerollt, und kein Funken will fangen. Ho! Ho! Wir stehen still.«

»Entsetzlich. Und wie es rauscht unter dem Kiel. Was nun wieder?«

»Das ist die Flut!« rief Meinert Dirk erregt. »Sie trägt uns nach der Stadt zurück. Sie geht! Sie geht! Mitten zwischen den Sanden durch! – Nun, glaube ich, können sie uns wiedersehen.«

Sie tun's. Noch dasselbe Gedränge am Ufer. Weiber laufen zwischendurch und bitten die Männer wehklagend um Hilfe für das unglückliche Schiff. Wohlhabende Bürger bieten Gold jedem, dem der glückliche Wurf gelingt. Von allen Seiten schleppen sie Lebensmittel herbei, als könne man diese dampfenden Kessel mit leichter Hand über den Strom schleudern, den hungernden entgegen.

»Die Flut kommt!« Eine ganze Reihe schwimmender Gletscher wird von ihnen getragen, und aus ihnen heraus ragen die beiden Masten der Brigg. Nichts sonst von ihr zu sehen als die Spitze der Gaffel mit der Notflagge daran.

»Da ist die Stadt, Andres. Sehe zwar nichts von dem Strand, aber ich weiß, daß er mit Menschen bedeckt ist, die ihre Hände nach uns ausstrecken. Wenn ich nur in jener Unglücksnacht das Kreuz nicht vergessen hätte. Gott besser's. Ich bin alt und stumpf.«

»Ich sehe die Dächer von drüben her und auf jedem ein Schornstein, woraus dicker Rauch aufsteigt. Möchte wohl einen Augenblick meine Hand daran halten.«

»Habe es nochmals versucht, Andres. Aber das Holz brennt nicht. Im Raum sägt es immerfort. Weiß wohl, es ist das Eis, das gegen die Bugplanken schlägt, aber in der Angst bilde ich mir ein, daß es der Totenwurm ist, der die Schraubenlöcher in unseren Sargdeckel bohrt.«

»Laß'n bald fertig sein, Meinert Dirk, sonst muß ich ohne Sarg fort. Ist alles schwarz ... Halte mich, Bruder.«

Er fiel dem Freunde in die Arme und schloß die Augen: »Sehe nicht mehr. Aber ich höre. Ist's nicht Donner? Gute Nacht.«

Der Donner rollte fort, von den Wällen hatten sie die Geschütze geholt und jagten damit den Strand entlang. Wo das Eis sich zusammengeschoben, feuerten sie mitten in die aufgetürmten Massen hinein. Die wohlgeschulten Pontoniere wagten sich hinaus, wo nur irgendeine freie Stelle war, und rüstige Feuerwerker schoben ihre Minen unter die schwankenden Schollen. Tausend Hände waren beschäftigt, hierhin, dorthin in schwindelnder Hast folgte einer willig dem Rufe des anderen. Sie winkten sich zu; sie rieben sich fast auf, und die Tausende reichten nicht hin, zwei der Ihrigen zu retten.

Vorüber der Tag. Vorüber die Nacht. Der Strom kentert zum dritten und vierten Male, und mit dem neuen Morgen beginnt es zu ebben.

»Sagte es vorher,« rief einer, dem es nicht sonderlich um ein Stück Arbeit zu tun war. »Es hilft nicht, mit dem Kopfe durch die Wand rennen. Ehe wir an das Schiff kommen, sind die Leute darauf längst verhungert.«

»Sprich nicht so unchristlich, Mann. Wenn wir in alle Wege unsere Schuldigkeit tun, haben wir uns nichts vorzuwerfen. Die Hoffnung ist immer lebendig.«

»Warum mir den Finger blutig ritzen um nichts? Aus dem Eise arbeitet man sich nicht heraus, wenn man einmal darin sitzt. Das haben wir in Grönland und am Nordkap oft erlebt. Warum sollte es hier anders sein? Wollte den sehen, der die da frei macht. Wollte ihn sehen.«

Und er sollte es. Mit dem aufsteigenden Morgen setzte der Wind sich aus dem lauen Süd in einen scharfen Nordwest um. Schnell wie ein Pfeil flog er daher und warf sich mit wilder Hast auf die schwankende Last. Treulich hielt die Ebbe zu ihm und riß ein mächtiges Stück nach dem anderen fort. Eine breite Furche entstand in dem Strome. Aber zu beiden Seiten starrte es empor wie eine Gletscherwand. Eine leise Änderung in der Richtung des Windes, eine geringe Abweichung in der Flutströmung, und sie schloß sich wieder.

»Mit Gott!« sagte ein rüstiger Mann, der an diesen Küsten groß geworden, und in dem Kampfe mit den Elementen erstarkt war. Er sprang in ein festes, eichengeplanktes Boot, das mit allen Hilfsmitteln sowie mit Speise und Trank vollauf versehen war. »Mit Gott!« sprachen seine drei Gefährten ihm nach und, begleitet von dem Segensrufe der am Ufer harrenden, stießen sie ab. Eine Strecke weit schoben sie sich längs den Eisbergen hin, dann fand sich hier ein Hindernis, dann dort. Die breite Fahrstraße hörte auf. Um einen Schritt weiter zu kommen, mußten sie erst das Eis vor dem Buge mit Kolben zerstampfen.

»Hier geht's nicht weiter!« sagte der Steuermann. »Wenn sie uns nur vom Lande aus sehen und ein Zeichen geben könnten. Winke 'mal einer mit der Flagge.«

»Hilft nichts, Hanjochen. Steht'n Eisblock zwischen. Sieht wer die Mastspitzen?«

»Sah sie eben noch. Da kommt wieder so eine Bestie gerade auf uns zu. Stemmt euch mit den Haken dagegen alle Mann. Bleiben selbst stecken am Ende statt andere loszumachen.«

Die Leute am Ufer hatten das Boot aus dem Gesichte verloren. Die breite Furche schloß sich, und der Arbeitsscheue von vorhin rief:

»Habe es gleich gesagt, daß es unnütz sei, Hand anzulegen. Wollte den sehen, der jemals bei der Brigg mit gesunden Beinen an Bord kommt.«

Und er kam!

Fernab von dem Schauplatz dieses wirren Treibens stand eine Frau am Herde. Sie hatte einen Kessel trefflichen Würzbiers für ihren Mann und dessen Gehilfen, die bei dem Eissprengen beschäftigt waren, gebraut. Ein munterer Knabe, ihr einziger Lohn, stand dabei und hörte, wie die Mutter, indem sie nach ihrem Mantel ging, vor sich hin sagte:

»Weiß Gott, ich trage es ihnen gern hin; aber ich wollte es doch lieber den armen Leuten auf dem Schiffe bringen.«

»Das kann ich ja tun, Mutter.«

»Ja, wenn es nur ginge, mein Sohn,« antwortete sie und trat in die anstoßende Kammer.

»Warum soll es denn nicht gehen?« sagte er zu sich und lief mit dem Kessel davon. Wie alle Jungen da herum, wußte er ein leichtes Ruder zu handhaben und eine Jolle von der Stelle zu bringen. Dicht vor ihm schaukelte sich eine der kleinen Nußschalen, die man stets für irgendeinen Notfall im offenen Wasser hält. Er trat mit samt seinem Kessel über und schob mit dem Ruder blind in die schwimmenden Eisstücke hinein. Am Ufer gewahrte man es und rief ihm barsch zu: Er solle umkehren. Er tat es nicht, und ihn zurückzuholen fehlte es den Schreiern an Mut.

»Da kommt'n Block, der wird'n quetschen!« rief einer.

»Geschieht dem Naseweis recht!« lautete die Antwort.

»Um den muß ich herum!« sagte der Knabe und lenkte seitwärts. Und als ob das Element ihm gehorchte, wichen die schwimmenden Schollen zurück oder schoben sich leise unter den Kiel weg. Durch alle Gefahren, von denen er keine Ahnung hatte, schwamm er die vielfach gekrümmten Bahnen entlang, bis ihm plötzlich das Schiff aus den umgebenden Eismassen entgegentrat. Ein schmaler Kanal, kaum breit genug, die Jolle durchzulassen, führte zum Fallreep, und darin glitt sie hinein, als ob sie von einer unsichtbaren Hand gesteuert werde.

»Der Kessel ist noch warm!« sagte der Knabe, indem er zu Deck stieg. Dort saßen die beiden Leidensgefährten beisammen auf der großen Luke. Sie lehnten mit der Schulter aneinander, aber sie regten sich nicht. Hunger und Kälte hatten sie erstarrt.

»Wollt ihr nicht mal trinken?« fragte eine helle Stimme. »Die Mutter schickt's, und ich habe es gebracht.«

Er goß den Deckel seines Kessels voll und brachte ihn an die Lippen der Halbtoten. Sie schlürften unter krampfhaftem Zittern den lange entbehrten Labetrunk, und der Knabe rief lustig:

»Und eine große Semmel habe ich auch in der Tasche. Das soll mal schmecken.«

Und während das Kind wie ein Barmherzigkeitsengel sich um die fast verlorenen bemühte, hörte man es außenbords lärmen und scharwerken. Nach vielen vergeblichen Anstrengungen war es endlich den Männern gelungen, mit ihrem schweren Boote dem Seitenbord der Brigg nahe zu kommen. Sie enterten über die eisige Umwallung zu Deck, der Führer voran. Aber kaum hatte dieser die Gruppe auf der Luke erblickt, als er erschreckt rief:

»Allbarmherziger Gott, wo kommt der Junge her?«

»Ich habe das Würzbier gebracht, Vater!« rief dieser fröhlich. »5ie sind schon wieder ganz frisch.«

»Junge! Junge!« rief der Vater und schloß ihn an sein Herz, so fest, als fürchtete er, ihn zu verlieren. »Wie bist du nur daher gekommen?«

»Mit Peter Jürgensens Jolle. Die Nummer fünfzehn, weißt du. Das Würzbier war noch warm, als ich an Bord kam.«

Der Vater antwortete nichts. Aber mit Tränen der Rührung hielt er das Kind umschlossen und dachte kaum daran, daß er gekommen sei, zu helfen und zu retten.

Am Strande rührte sich muntere Tätigkeit. Dem ersten Boote folgte ein zweites. Im Triumph brachte man die Geretteten an das Ufer, begrüßt vom tausendfachen Hurra, überschüttet mit Gaben aller Art. Und zwischen den freudig Erregten ging der Knabe, den der Herr gesandt hatte, damit es offenbar werde, woher der Retter komme, wenn Menschenhilfe verzweifelt.


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