Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsunddreißigstes Kapitel.

Man wußte in Rom, daß der Caesar unterwegs Ostia zu sehen wünsche oder vielmehr das größte Schiff der Welt, das vor kurzem Getreide aus Alexandria gebracht hatte und von Ostia aus längs der Uferstraße Via Litoralis. nach Antium gehen sollte. Die Befehle dazu waren schon einige Tage gegeben worden, und daher versammelten sich vom frühen Morgen an Scharen des städtischen Pöbels, zu dem sich der aller Völker der Erde gesellte, an der Porta Ostiensis, um ihre Augen am Anblick des Gefolges des Caesars zu weiden, an dem sich das römische Volk nicht sattsehen konnte. Die Reise nach Antium war weder schwierig noch weit; in der Stadt selbst, die großenteils aus prächtigen Palästen und Villen bestand, war alles zu finden, was die Bequemlichkeit und selbst der ausgesuchteste Luxus jener Zeit verlangen konnte. Der Caesar pflegte jedoch auf seinen Reisen alles mitzunehmen, woran er Gefallen fand, von Musikinstrumenten und Hausgeräten angefangen bis hin zu den Bildsäulen und Mosaiken, die selbst dann ausgepackt wurden, wenn es sich nur um einen kurzen Aufenthalt unterwegs zum Zwecke der Ruhe und Erholung handelte. Aus diesem Grunde begleitete ihn auf jeder Reise ein wahres Heer von Dienern, ungerechnet die Abteilungen der Prätorianer und Augustianer, von denen überdies jeder noch sein eigenes Gefolge von Sklaven hatte.

Am frühesten Morgen dieses Tages kamen Hirten aus Campanien mit Ziegenfellen an den Füßen und sonnengebräunten Gesichtern und trieben fünfhundert Eselinnen durch das Tor, damit Poppaea am Morgen nach ihrer Ankunft in Antium in deren Milch ihr gewohntes Bad nehmen konnte. Die Menge blickte unter lustigem Lachen auf die langen Ohren, die sich in den Staubwolken der Straße hin und her bewegten, und hörte mit Vergnügen auf das Knallen der Peitschen und das wilde Geschrei der Hirten. Als die Eselinnen vorüber waren, stürzte eine zahlreiche Schar Knaben hervor, die die Straße sorgfältig reinigten und mit Blumen und Piniennadeln zu bestreuen begannen. In der Menge flüsterte man sich mit einem gewissen Gefühle des Stolzes zu, die ganze Straße bis hin nach Antium werde auf diese Weise mit Blumen bestreut, die aus den anliegenden Privatgärten stammten oder für teures Geld bei den Händlern an der Porta Mugionis erstanden worden seien. Je höher die Sonne stieg, um so stärker wurde in jedem Augenblicke das Gedränge. Viele hatten ihre ganze Familie mitgebracht, breiteten, damit ihnen die Zeit nicht allzulang würde, ihre Mundvorräte auf den steinernen Stufen aus, die zu dem neuen Cerestempel emporführten, und nahmen ihr Frühstück unter freiem Himmel ein. Hie und da standen Gruppen zusammen, in denen weitgereiste Leute das Wort führten. Man sprach von dem gegenwärtigen Ausfluge des Caesars, von seinen künftigen Reisen und vom Reisen im allgemeinen; namentlich erzählten Matrosen und ausgediente Soldaten Wunderdinge aus Ländern, von denen sie aus fernen Kriegszügen gehört hatten, die aber nie von eines Römers Fuß betreten worden waren. Die Städter, die nie in ihrem Leben über die Appische Straße hinausgelangt waren, ließen sich voller Erstaunen von den Wundern Indiens und Arabiens berichten, von den Inseln in der Nähe Britanniens, wo auf einem kleinen Eilande Briareus den schlafenden Saturn eingekerkert habe, dem Sitze böser Geister, von den hyperboreischen Ländern, von eisbedeckten Meeren, von dem Zischen und Brüllen, das sich in den Fluten des Ozeans erhebt, wenn die untergehende Sonne in den Wasserwirbeln versinkt. Märchen dieser Art, an die selbst Männer wie Plinius und Tacitus glaubten, fanden natürlich leichtes Gehör bei der Menge. Ebenso wurde von jenem Schiffe gesprochen, das der Caesar besichtigen wolle und das einen Weizenvorrat aus zwei Jahre gebracht habe, vierhundert Reisende, ebensoviele Matrosen und eine Menge wilder Tiere nicht mit eingerechnet, die bei den Spielen im Sommer Verwendung finden sollten. Die Aussicht hierauf erhöhte noch die allgemeine Zuneigung für den Caesar, der nicht nur für die Ernährung, sondern auch für die Belustigung des Volkes sorgte. Es erwartete ihn daher ein begeisterter Empfang.

Jetzt kam eine Abteilung numidischer Reiter angesprengt, die zu der Prätorianertruppe gehörten. Sie trugen goldstrahlende Gewänder, rote Gürtel und große Ohrringe, die über ihre schwarzen Gesichter einen goldenen Schimmer verbreiteten. Die Spitzen ihrer Bambuslanzen funkelten im Sonnenscheine wie Flämmchen. Als sie vorüber waren, entstand eine prozessionsartige Bewegung. Die Menge drängte sich vorwärts, um den Zug in größerer Nähe sehen zu können; aber Prätorianerabteilungen zu Fuß rückten heran, stellten sich zu beiden Seiten des Tores auf und sperrten so die Straße ab. Zunächst kamen Wagen mit purpurnen, roten und violetten Zelten, mit Zelten aus schneeweißem, mit Goldfäden durchwebtem Byssos, mit orientalischen Teppichen und Tischen aus Citrusholz, mit Mosaiken, mit Küchengeräten, mit Käfigen voller Vögel aus dem Osten, Süden und Westen, deren Gehirn oder Zungen für die Tafel des Caesars bestimmt waren, Gefäßen mit Wein und Körben mit Früchten. Gegenstände, die auf dem Wagen verbogen oder zerbrochen wären, wurden von Sklaven zu Fuß getragen. Man sah daher Hunderte von diesen, welche Gefäße und Statuen aus korinthischem Erz trugen, man sah Gruppen mit etruskischen und griechischen Vasen, mit goldenem, silbernem Geschirr oder mit Gefäßen aus alexandrinischem Glase. Sie wurden von kleinen Abteilungen Prätorianer zu Fuß und Pferd bewacht; jeder Sklaventrupp wurde von Aufsehern begleitet, die mit Blei- und Eisenstücken beschwerte Peitschen trugen. Dieser Zug von Männern, welche mit großer Aufmerksamkeit und Sorgfalt die verschiedenartigsten Gegenstände trugen, glich einer feierlichen religiösen Prozession. Die Ähnlichkeit wurde noch größer, als die Musikinstrumente des Caesars und seines Hofes vorüberkamen. Da erblickte man Harfen, griechische, hebräische und ägyptische Lauten, Leiern, Phormingen, Zithern, Pfeifen, lange gewundene Hörner und Zimbeln. Wer diese Riesenmenge von Instrumenten von Gold, Bronze, Edelsteinen und Perlen im Sonnenschein funkeln sah, hätte glauben können, Apollon oder Bakchos sei auf einer Reise durch die Welt begriffen. Dann folgten prächtige Wagen mit Akrobaten, Tänzern und Tänzerinnen in malerischer Gruppierung, mit Thyrsosstäben in den Händen. Hinter ihnen kamen Sklaven, die keinen Dienst verrichteten, sondern aus Liebhaberei gehalten wurden: Knaben und kleine Mädchen aus ganz Griechenland und Kleinasien, mit lang herabhängendem Haar oder in goldenen Netzen steckenden Locken, gleich Amoretten, mit wunderschönen, aber ganz mit einer dicken Schicht Schminke bedeckten Gesichtern, damit der Wind der Campania ihren zarten Teint nicht bräune.

Wieder folgte eine Abteilung Prätorianer, diesmal riesige Sigambrer, bärtig mit blondem oder rötlichem Haar und blauen Augen. Vor ihnen schritten die Imaginarii mit den Feldzeichen: römischen Adlern, Tafeln mit Inschriften, germanischen und römischen Götterbildern, Statuen und Büsten des Caesars. Unter den Fellen und Rüstungen der Soldaten erblickte man sonnenverbrannte, kräftige Glieder, Kriegsmaschinen gleich, imstande, die schweren Waffen zu tragen, mit denen diese Truppe ausgerüstet war. Die Erde schien unter ihrem gleichmäßigen, schweren Tritt zu beben. Wie im Bewußtsein ihrer Stärke, die sie auch gegen den Caesar selbst gebrauchen konnten, sahen sie hochmütig auf die Menschenmenge herab und hatten es augenscheinlich vergessen, daß viele von ihnen einst in Ketten die Stadt betreten hatten. Ihre Zahl war jedoch unbedeutend, denn die Hauptmacht der Prätorianergarde war in ihrem Standlager in der Stadt verblieben, um die Stadt zu überwachen und in Botmäßigkeit zu erhalten. Als sie vorbeigezogen waren, erblickte man die abgerichteten Tiger und Löwen Neros, damit er, wenn es ihm einfiele, den Dionysos nachahmen zu wollen, sie an seinen Reisewagen spannen lassen konnte. Geführt wurden sie von Hindus und Arabern an eisernen mit Ringen versehenen Ketten, die aber so dicht mit Blumen umwunden waren, daß sie Guirlanden glichen. Die durch geschickte Tierbändiger gezähmten Bestien sahen mit ihren grünen, halbverschlossenen Augen auf die Menge, bisweilen jedoch erhoben sie ihre riesigen Köpfe und zogen den Menschengeruch in ihre Nüstern ein, während sie sich mit den rauhen Zungen die Lippen leckten.

Dann kamen noch die größeren und kleineren Wagen und Sänften des Caesars, mit Gold und Purpur ausgeschlagen, mit Elfenbein und Perlen geschmückt oder im Glanze von Edelsteinen erstrahlend; dahinter marschierte wiederum eine kleine Abteilung Prätorianer in römischen Rüstungen, die nur aus italischen Freiwilligen bestand; hierauf folgte abermals eine Schar schöner Sklavinnen und Knaben, und endlich kam der Caesar selbst, dessen Nahen das Geschrei der Menschenmenge schon von weitem ankündete.

Unter den Zuschauern befand sich auch der Apostel Petrus, der den Caesar wenigstens einmal in seinem Leben zu sehen wünschte. In seiner Begleitung befanden sich Lygia, die ihr Gesicht mit einem dichten Schleier bedeckt hatte, und Ursus, dessen Kraft der beste Schutz für das Mädchen mitten in der unruhigen und aufgeregten Menge war. Der Lygier nahm einen von den zum Tempelbau bestimmten Steinblöcken auf und brachte ihn dem Apostel, damit dieser sich darauf stellen und den Zug besser als andere sehen könnte. Das Volk begann anfangs zu murren, als Ursus es zerteilte, wie ein Schiff die Wogen; als man aber sah, daß er einen Stein trug, den vier der stärksten Männer nicht aufzuheben vermochten, verwandelte sich der Unwille in Bewunderung, und ringsum erscholl der Ruf: » Macte!«

Inzwischen war jedoch der Caesar genaht. Er saß in einem Wagen, der von sechs weißen idumäischen, goldgeschmückten Hengsten gezogen wurde. Der Wagen hatte die Gestalt eines Zeltes mit absichtlich in die Höhe geschlagenen Seitenwänden, damit das Volk den Caesar sehen könnte. Er konnte mehrere Personen fassen, aber Nero, der die Aufmerksamkeit auf sich allein zu lenken wünschte, fuhr allein durch die Stadt und hatte nur zwei verwachsene Zwerge zu seinen Füßen kauern. Er trug eine weiße Tunika und eine amethystfarbige Toga, die seinem Gesichte einen bläulichen Schimmer verlieh. Auf dem Kopfe trug er einen Lorbeerkranz. Seit der Reise nach Neapel hatte er an Körperfülle bedeutend zugenommen. Sein Gesicht war aufgedunsen; unterhalb der Wangen zeigte sich ein Doppelkinn, und dadurch schien sein Mund, der immer der Nase zu nahe gestanden hatte, jetzt unmittelbar bis an die Nasenlöcher zu reichen. Um den dicken Hals hatte er wie gewöhnlich ein seidenes Tuch geschlungen, das er jeden Augenblick mit seiner weißen, fleischigen Hand ordnete, die am Gelenk mit roten Haaren gleich blutigen Flecken bedeckt war. Er ließ die Haare durch die Epilatoren nicht mehr entfernen, seit man ihm gesagt hatte, dies könne ein Zittern seiner Finger und dadurch eine Beeinträchtigung seines Lautenspiels zur Folge haben. Wie immer lagerte auf seinem Gesicht ein Gemisch von maßloser Eitelkeit, Blasiertheit und Schläfrigkeit. Im allgemeinen waren seine Züge ebenso schrecklich wie gemein. Während des Fahrens bewegte er den Kopf nach allen Seiten, blinzelte zuweilen mit den Augen und hörte genau hin, wie ihn das Volk begrüßte. Ein Sturm des Jubels und Beifalls empfing ihn: »Sei gegrüßt, du Göttlicher! Caesar! Imperator, sei gegrüßt, du Siegreicher! sei gegrüßt, Unvergleichlicher! Sohn des Apollo, Apollo!« Beim Anhören dieser Worte lächelte er; aber mitunter glitt eine Wolke über seine Züge, denn das römische Volk war spottlustig und beißend in seinem Urteil und erlaubte sich sogar gegen große Triumphatoren Sticheleien, gegen Männer, die es doch in der Tat liebte und verehrte. Es war allgemein bekannt, daß sie einst beim Einzuge Julius Caesars in Rom gerufen hatten: »Bürger, hütet eure Frauen, denn es naht der kahle Wüstling!« Dies ist ein leichtes Versehen des Verfassers. Der Spottvers: » Urbani, servate uxores, moechum calvum adducimus« wurde, wie schon der Wortlaut zeigt, Julius Caesar nicht vom Volke zugerufen, sondern nach Suetonius, Julius Caesar Kap. 51, von den Soldaten beim gallischen Triumphe gesungen.

Aber Neros ungeheure Eitelkeit konnte weder den leisesten Tadel noch den geringsten Spott ertragen, und es wurden inmitten des Jubelgeschreis auch Zurufe laut wie: »Rotbart %hellip; Rotbart! Wo hast du deinen Feuerbart gelassen? Du fürchtest wohl, er könnte Rom anzünden?« Und die das riefen, ahnten nicht, daß der Spott, der in diesem Rufe lag, schrecklich in Erfüllung gehen sollte. Diese und ähnliche Zurufe brachten den Caesar nicht allzusehr auf, besonders da er keinen Bart trug, ihn vielmehr schon längst dem kapitolinischen Jupiter in einem goldenen Kästchen zu Opfer dargebracht hatte. Andere aber riefen hinter Steinhaufen und den Ecken der Tempel hervor: »Muttermörder! Nero! Orestes! Alkmaeon!« und wieder andere: »Wo ist Octavia?« »Lege den Purpur ab!« – und Poppaea, die dicht hinter ihm folgte, rief man zu: » Flava coma« (Gelbhaar), eine Bezeichnung, die man Straßendirnen beilegte. Neros scharfes Ohr vernahm auch diese Worte, und er führte mit der Hand seinen geschliffenen Smaragd an die Augen, als wollte er sich die betrachten und seinem Gedächtnis einprägen, die sie gerufen hatten. Bei dieser Gelegenheit blieb sein Blick auf dem Apostel haften, der auf seinem Steine stand. Einen Augenblick sahen die beiden Männer einander an; niemand aber in dem glänzenden Zuge, niemand in der unzähligen Menschenmenge kam es in den Sinn, daß sich hier zwei irdische Mächte Aug' in Auge gegenüberstanden, von denen die eine in kurzer Zeit wie ein bluttriefender Traum dahinschwinden, während die andere, jener Greis im schlichten Gewande, von der Welt und der Stadt Rom dauernd Besitz ergreifen sollte.

Unterdessen war der Caesar vorbeigezogen, und dicht hinter ihm trugen acht Afrikaner eine prächtige Sänfte, in welcher die vom Volke verachtete Poppaea saß. Wie Nero in ein amethystfarbenes Gewand gekleidet, mit einer dicken Lage Schminke auf dem Gesicht, unbeweglich, nachdenklich, gleichgültig, machte sie den Eindruck einer schönen, aber bösen Göttin, die man in einer Prozession einherträgt. Auch ihr folgte ein ganzer Hofstaat männlicher und weiblicher Dienerschaft und endlich eine Reihe Wagen mit Reisebedürfnissen und Kleidern. Die Sonne hatte schon ihre Mittagshöhe überschritten, als der Vorbeizug der Augustianer begann – strahlend, blitzend, schillernd wie eine Schlange, endlos. Der bequeme, von der Menge lebhaft begrüßte Petronius ließ sich samt seiner göttergleichen Sklavin in einer Sänfte tragen; Tigellinus fuhr in einem Wagen, den mit weißen und purpurnen Federn geschmückte Ponies zogen. Man konnte bemerken, wie er sich im Wagen erhob und mit vorgestrecktem Halse ausschaute, ob ihm der Caesar nicht einen Wink geben würde, neben ihm Platz zu nehmen. An anderer Stelle wurde Licinius Piso mit Beifallsrufen, Vitellius mit Gelächter, Vatinius mit Pfeifen begrüßt. Gegenüber den Konsuln Licinius und Lecanius verhielt sich das Volk kühl, wogegen Tullius Senecio, der – man wußte nicht, weshalb – beliebt war, ebenso wie Vestinus den Beifall der Menge erregte. Der Hofstaat war unzählbar. Es hatte den Anschein, als wandere alles, was Rom an Reichtum, Glanz, Berühmtheit aufzuweisen habe, nach Antium aus. Nero reiste nie anders, als mit tausend Wagen; das ihn begleitende Gefolge überstieg aber fast regelmäßig die Zahl der Soldaten einer Legion. Zur Kaiserzeit zählte die Legion über 12 000 Mann. Man bemerkte Domitius Afer und den grämlichen Lucius Saturninus, man sah Vespasian, der noch nicht seinen Feldzug nach Judäa angetreten hatte, von dem er erst zurückkehren sollte, um sich die Caesarenkrone aufs Haupt zu setzen, nebst seinen Söhnen, ebenso den jungen Nerva und Lucanus, Annius Gallo, Quintianus und eine Menge durch Reichtum, Schönheit, Ausschweifung und Laster bekannter Frauen. Die Augen der Menge schweifte von den bekannten Gesichtern auf die Rüstungen, Wagen, Pferde, die fremdartige Kleidung der Dienerschaft, die sich aus allen Völkern der Erde zusammensetzte. Kaum wußte man, was man an diesem Schauspiel von Prunk und Macht am meisten bewundern sollte, und nicht nur die Augen, sondern auch die Gedanken wurden von diesem Glanze des Goldes, dieser purpurnen und violetten Farbenpracht, diesem Funkeln der Edelsteine, dem Glanze des Byssos, der Perlen, des Elfenbeins geblendet. Es hatte den Anschein, als würden selbst die Strahlen der Sonne in diesem Glanzmeere verdunkelt. Und obgleich es in dem Gedränge nicht an armen Leuten mit leerem Magen und ausgehungertem Gesichte fehlte, so erregte dieses Schauspiel in ihnen nicht Begehrlichkeit und Neid, sondern erfüllte sie auch mit Genugtuung und Stolz, da es ihnen einen Begriff von der Macht und Unüberwindlichkeit Roms gab, in die sich die Welt widerspruchslos fügte. Es gab in der Tat auf der ganzen Welt niemand, der zu denken gewagt hätte, daß diese Macht nicht in alle Ewigkeit fortbestehen, alle Völker überleben werde, daß ihr irgend etwas auf der Erde Widerstand leisten könne.

Vinicius, der am Ende des Zuges fuhr, sprang beim Anblick des Apostels und Lygias, die er nicht zu sehen erwartet hatte, aus dem Wagen, trat mit freudestrahlendem Gesicht zu ihnen und sprach hastig, als habe er keine Zeit zu verlieren: »Du bist hergekommen? Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, Lygia! %hellip; Gott hätte mir keine bessere Vorbedeutung senden können. Ich begrüße dich und nehme zugleich Abschied von dir, aber nicht auf lange Zeit. Ich werde mir unterwegs Pferde zum Wechseln einstellen, damit ich dich jeden freien Tag besuchen kann, bis ich zurückkehren darf. Gehab dich wohl!«

»Lebe wohl, Marcus!« erwiderte Lygia und fügte dann leiser hinzu: »Möge Christus dich leiten und deine Seele Paulus' Worten öffnen!«

Es rührte ihn tief, daß ihr sein baldiger Übertritt zum Christentum so sehr am Herzen lag und entgegnete: »Ocelle mi! Möge dein Wunsch in Erfüllung gehen. Paulus zieht es vor, den Weg inmitten meiner Leute zurückzulegen, aber er begleitet mich und wird mein Lehrer und Freund werden. Lüfte deinen Schleier, meine Wonne, damit ich dich vor unserer Trennung noch einmal sehe. Warum hast du dich so tief verhüllt?«

Sie hob ihren Schleier mit der einen Hand empor, wandte ihm ihr klares Antlitz und ihre schönen, lächelnden Augen zu und fragte: »Ist dies denn so schlimm?«

Ihr Lächeln hatte etwas von mädchenhafter Scheu an sich; Vinicius aber, der sie entzückt betrachtete, antwortete: »Schlimm für meine Augen, die bis zum Tode dich ganz allein anblicken möchten.«

Dann wandte er sich an Ursus und sagte: »Ursus, behüte sie wie deinen Augapfel, denn sie ist nicht nur deine, sondern auch meine Herrin!«

Nach diesen Worten ergriff er ihre Hand und führte sie an seine Lippen zum großen Erstaunen der Menge, die es nicht begreifen konnte, daß ein so glänzender Augustianer einem so einfach, fast wie eine Sklavin gekleideten Mädchen auf diese ehrfurchtsvolle Weise seine Huldigung darbrachte.

»Lebe wohl!«

Er entfernte sich rasch, weil der ganze kaiserliche Zug schon einen bedeutenden Vorsprung gewonnen hatte. Der Apostel Petrus segnete ihn, indem er unmerklich das Zeichen des Kreuzes über ihm machte; der gutmütige Ursus aber fing gleichzeitig an, ihn zu rühmen, erfreut, daß seine junge Herrin aufmerksam zuhörte und ihn dankbar ansah.

Der Zug entfernte sich und verschwand in goldig schimmernden Staubwolken; sie sahen ihm aber noch lange nach, bis der Bäcker Demas, derselbe, bei dem Ursus des Nachts arbeitete, zu ihnen herantrat.

Er küßte dem Apostel die Hand und bat ihn, zu ihm zu kommen und eine Erfrischung zu sich zu nehmen; er fügte hinzu, sein Haus liege dicht beim Emporium, und sie müßten doch hungrig und müde sein, da sie den größten Teil des Tages beim Tore zugebracht hätten.

Sie gingen mit ihm und kehrten, nachdem sie sich in seinem Hause erfrischt und ausgeruht hatten, erst gegen Abend in ihre Wohnung jenseit des Tiber zurück. Sie beabsichtigten, den Strom auf der Aemilianischen Brücke zu überschreiten, und gingen daher über den Clivus Publicus und den Aventin zwischen den Tempeln der Diana und des Merkur hindurch. Der Apostel Petrus betrachtete von oben die ihn umgebenden und die in weiter Ferne verschwimmenden Gebäude, und in Schweigen versunken dachte er über die riesige Ausdehnung und Macht dieser Stadt nach, der er das Wort Gottes predigen sollte. Bisher hatte er die Herrschaft Roms und die Legionen wohl in den verschiedenen Ländern, durch die er gekommen war, kennen gelernt; aber dies waren gleichsam nur einzelne Glieder jener Macht gewesen, die er heut zum erstenmal in der Person des Caesars verkörpert gesehen hatte. Diese unermeßliche Stadt, räuberisch, zügellos, bis ins Mark faul und doch dabei unangreifbar in ihrer jedes Angriffs spottenden Macht, dieser Caesar, der Brudermörder, Muttermörder, Gattinnenmörder, den ein Heer blutiger Schatten verfolgte, das seinem Hofstaate an Zahl nicht nachstand; dieser Wüstling, dieser Possenreißer, der aber zugleich Herr über dreißig Legionen und durch sie Herr der Welt war; diese mit Gold und Scharlach bedeckten Höflinge, die nicht wußten, ob sie den morgenden Tag erleben würden, und die doch mächtiger waren als Könige – all dies zusammengenommen erschien ihm als ein höllisches Reich der Bosheit und Ungerechtigkeit. Und in seinem einfältigen Herzen wunderte er sich, daß Gott dem Satan eine so unbegreifliche Macht gegeben und ihm die Erde überantwortet habe, daß er sie bedrücke, zerstöre, zertrete, ihr Blut und Tränen entpresse, über sie hinstürme wie die Windsbraut, auf ihr herumtobe wie ein Orkan, sie verzehre wie eine Feuersbrunst. Und bei diesem Gedanken entsetzte sich sein Apostelherz, und er sprach im Geiste zu seinem Meister: »Herr, was soll ich in dieser Stadt anfangen, in die du mich gesandt hast? Ihr gehören Meere und Länder, die Tiere des Feldes und die Geschöpfe des Wassers, Königreiche, Städte und dreißig Legionen, die sie bewachen, und ich, Herr, bin ein Fischersmann von einem kleinen See! Was soll ich anfangen? und auf welche Weise kann ich ihre Bosheit besiegen?«

Bei diesen Worten erhob er sein graues, zitterndes Haupt zum Himmel und betete und flehte voller Trauer und Sorge aus der Tiefe seines Herzens zu seinem himmlischen Meister.

In diesem Gebete unterbrach ihn Lygia, welche sagte: »Die ganze Stadt scheint in Flammen zu stehen.«

In der Tat ging die Sonne dieses Tages in wunderbarer Pracht unter. Ihre riesige Scheibe war schon zur Hälfte hinter dem Mons Janiculus verschwunden, und der ganze Umkreis des Himmels erstrahlte in rötlichem Glanze. Von dem Punkte, auf dem die drei standen, reichte ihr Blick weithin. Etwas zur Rechten sahen sie die langgestreckten Mauern des Circus Maximus; darüber die Paläste des Palatins und gerade vor sich, jenseit des Forum Boarium und des Forum Velabrum den Gipfel des Kapitols mit dem Jupitertempel. Die Mauern, die Säulen, die Giebel der Tempel waren wie eingetaucht in jenen Gold- und Purpurglanz. Die fernen Fluten des Stromes schimmerten wie Blut, und je tiefer die Sonne sank, desto flammender wurde die Röte; sie machte immer mehr den Eindruck einer Feuersbrunst, die sich weiter und weiter ausdehnte, bis sie endlich die sieben Hügel umfaßte und von ihnen aus auf die ganze Umgegend überzugreifen schien.

»Die ganze Stadt scheint in Flammen zu stehen,« wiederholte Lygia.

Petrus hielt die Hand vor die Augen und sagte: »Der Zorn Gottes ruht auf ihr.«


 << zurück weiter >>