William Shakespeare
Die Lustigen Weiber von Windsor
William Shakespeare

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Vierter Aufzug

Erste Szene

Strasse: Frau Page, Frau Hurtig und Wilhelm

Frau Pa. Ist er schon in Fluths Hause, was meinst du?

Hurt. Ganz gewiss ist er jetzt dort, oder er kommt gleich hin . . . aber wahrhaftig, er ist ganz separat toll, dass man ihn ins Wasser geschmissen hat. Frau Fluth lässt euch bitten gleich zu ihr zu kommen.

Frau Pa. Gleich will ich bei ihr sein, ich will nur meinen kleinen Mann hier in die Schule bringen . . . Sieh, da kommt sein Schulmeister, 's ist ein Spieltag, wie ich sehe.
    Sir Hugh Evans tritt auf
Nun, Sir Hugh? Kein Schultag heut?

Evans. Nein . . . Herr Schmächtig hat Kintern zum Spiel Permissionen kekepen.

Hurt. Ach, das rechtschaffne Herz!

Frau Pa. Sir Hugh, mein Mann sagt, mein Sohn lernt nicht das Geringste aus seinem Buch. Tut ihm doch ein paar Fragen aus seinem Donat.

Evans. Komm her, Wilhelmine. Halt Kopf krate. Komm her!

Frau Pa. Lustig, Junge! Halt den Kopf grade. Antworte deinem Lehrer . . . fürchte dich nicht.

Evans. Wilhelme! Wieviel kann man Numeri im Nomen hape?

Wil. Zwei.

Hurt. Dummheit! Zwei Kannen im Ohm? Achtzig wenigstens.

Evans. Still ta euer Keplapper! . . . Was heisst Tukend, Wilhelme?

Wil. Virtus.

Hurt. Wirtshaus? Da pflegts doch nicht immer sehr tugendhaft herzugehn.

Evans. Ihr seit kanze Einfältigkeiten, ich pitt euch, still! . . . Was ischt Lapis, Wilhelme?

Wil. Ein Stein.

Evans. Und was ischt also ein Stein, Wilhelme?

Wil. Ein Kiesel.

Evans. Nein, 's ischt Lapis. Erinnere tas in teinem Hirnkasten, Wilhelme, ich pitte dich.

Wil. Lapis.

Evans. Tas ischt kuter, Wilhelme. Was ischt tas, Wilhelme, wovon man Articulos porkt?

Wil. Articuli werden geborgt vom Pronomen, und folgender massen dekliniert: Singulariter, nominativo, hic, haec, hoc.

Evans. Nominativus hic, haec, hoc. Pitt tich, kip acht: Kenitivo, hujus. Nun, wie ischt nun Casus accusativus?

Wil. Accusativo, hinc.

Evans. Ich pitt tich, hap teine Pewussthaftigkeiten peieinanter, Kint! Accusativo: hunc, hanc, hoc.

Hurt. Hing, häng, hang? I das ist ja eine Sprache für Spitzbuben und Galgen.

Evans. Ihr seit wahrhaftike Plautertaschen, Frau . . . Was ischt Casus Focatifus, Wilhelme?

Wil. O! Vocativus, o.

Evans. Pesinne tich, Wilhelme, Focatifus caret.

Hurt. Natürlich, wenn er nicht am Galgen hängt, karrt so'n Vocativus.

Evans. Frau, hepe tich wek!

Frau Pa. Still!

Evans. Was ischt tann Teklination des Kenetivus im Plurali, Wilhelme?

Wil. Des zweiten Falls?

Evans. Ja.

Wil. Genitiv: horum, harum, horum.

Hurt. Schlimm genug mit der Geschichte vom ersten Fall. Muss der Junge auch noch von einem zweiten hören? Und was heisst das, wenn ihr sprecht, so'n Fall geh nit tief? Und erzählt ihm da von Huren und von ihren Haaren und Ohren?

Evans. Schäm tir toch, Frau!

Hurt. Ihr tut übel dass ihr dem Kinde solche Sachen beibringt. Lehrt ihn da zu hocken und zu hecken, als wenn er das nicht zeitig genug von selbst tun würde. Und nach Huren zu schrein! Schämt euch!

Evans. Weib, pischt tu nicht Mondsuchten? Hast tu wirklich kein Mitwissen von der Tekkelnation und ihren Fellen? Tu pischt so aberwitziges Keschöpf unter alle Chrischtenmensche als man nur wünsche kann.

Frau Pa. Schweigt doch still, Frau Hurtig.

Evans. Sake mir nun noch etwas, Wilhelme, von ter Piekunk ter Pronominum.

Wil. Ach Gott, die habe ich vergessen.

Evans. Es ischt ki, kae, kot. Wann tu verkessen hascht teine kis, teine kaes und teine kotts, so sollst tu kottsjämmerliche Rute pekomme. Jetzt keh nur hin und spiele, keh.

Frau Pa. Er hat doch mehr gelernt als ich gedacht habe.

Evans. 's ischt kuter, anschlakhaftiker Kopf. Kott befohlen, Frau Page.

Frau Pa. Lebt wohl, lieber Sir Hugh . . . Junge, geh nach Hause. Kommt, wir warten zu lange. Ab.

 

Zweite Szene

Zimmer in Fluths Hause: Falstaff und Frau Fluth

Fal. Frau Fluth, euer Kummer hat mein Leid aufgezehrt. Ich sehe, ihr seid voll frommer Rücksicht in eurer Liebe, und ich verspreche euch Erwidrung bis auf die Breite eines Haars. Nicht allein, Frau Fluth, in der gemeinen Pflicht der Liebe, sondern in allen ihren Ornamenten, Ausstaffierungen und Zeremonien. Aber seid ihr jetzt vor eurem Mann recht sicher?

Frau Fl. Er ist auf der Vogelbeize, lieber Sir John.

Frau Pa. draussen: Heda! ho! Gevatterin Fluth! He, holla!

Frau Fl. Tretet in die Kammer, Sir John.

Falstaff ab – Frau Page tritt auf

Frau Pa. Nun, wie stehts, mein Kind, wer ist ausser euch im Hause?

Frau Fl. Ei, niemand als meine Leute.

Frau Pa. Wirklich?

Frau Fl. Nein, im vollen Ernst! – leise: Sprich lauter!

Frau Pa. Nun, das freut mich ja dass ihr niemand hier habt.

Frau Fl. Wieso?

Frau Pa. Ei, Frau Fluth, euer Mann hat wieder seine alten Schrullen. Er macht da solchen Lärm mit meinem Mann, schimpft so auf alle Ehemänner, flucht so auf alle Evastöchter, von welcher Farbe sie auch sein mögen, und gibt sich solche Püffe vor die Stirn und schreit dabei »Wachst heraus! Wachst heraus!« dass alle Tollheit die ich noch je erlebt habe nur Sanftmut, Zahmheit und Geduld gegen diese seine jetzige Raserei ist. Ich bin froh dass ihr den fetten Ritter nicht hier habt.

Frau Fl. Wie, spricht er von ihm?

Frau Pa. Von niemand als von ihm: und schwört, er sei das letztemal, als er ihn gesucht, in einem Korbe herausgeschafft, versichert meinem Mann, jetzt sei er hier, und hat ihn und seine übrige Gesellschaft von ihrer Jagd abgerufen, um einen zweiten Versuch seiner Eifersucht anzustellen. Aber ich bin froh dass der Ritter nicht hier ist. Nun soll er seiner Torheit inne werden.

Frau Fl. Wie nah ist er, Frau Page?

Frau Pa. Ganz dicht, am Ende der Strasse. Er muss gleich da sein.

Frau Fl. Ich bin verloren! der Ritter ist hier.

Frau Pa. Nun, so wirst du aufs äusserste beschimpft, und er ist ein Kind des Todes. Was das für eine Frau ist! Fort mit ihm! Fort mit ihm! Lieber Schimpf als Mord!

Frau Fl. Wo soll er hin? Wie soll ich ihn fortschaffen? Soll ich ihn wieder in den Korb stecken?

Falstaff kommt herein

Fal. Nein, ich will nicht wieder in den Korb. Kann ich nicht hinaus, eh er kommt?

Frau Pa. Ach, drei von Herrn Fluths Brüdern halten mit Pistolen Wache an der Haustür, dass keiner entwischen möge: sonst könntet ihr wegschleichen, eh er käme. Aber was macht ihr denn hier?

Fal. Was soll ich anfangen? Ich will in den Schornstein hinaufkriechen.

Frau Fl. Da schiessen sie immer ihre Vogelflinten ab.

Frau Pa. Kriecht ins Ofenloch.

Fal. Wo ist es?

Frau Fl. Er wird auch da suchen, glaubt mir! Da ist weder Schrank, Koffer, Kiste, Lade, Brunnen noch Keller von denen er nicht das Verzeichnis im Kopfe führt und sie nach der Liste durchgehn wird. Hier im Hause könnt ihr euch nicht verstecken.

Fal. So will ich hinaus.

Frau Pa. Wenn ihr in eurer eignen Gestalt hinausgeht, so seid ihr des Todes, Sir John. Ihr müsst verkleidet hinausgehn.

Frau Fl. Wie könnten wir ihn wohl verkleiden?

Frau Pa. Ach, liebe Zeit, das weiss ich nicht. Kein Weiberrock wird weit genug für ihn sein: sonst könnte er einen Hut aufsetzen, ein Backentuch umtun, einen Kragen überhängen und so entkommen.

Fal. Liebste Engel, denkt euch etwas aus. Lieber alles versucht, als ein Unglück!

Frau Fl. Die Muhme meiner Magd, die dicke Frau aus Brentford, hat einen Rock oben.

Frau Pa. Auf mein Wort, der wird ihm passen. Sie ist so dick als er . . . und da ist auch ihr Schlapphut und Backentuch. Rennt hinauf, Sir John.

Frau Fl. Eilt, eilt, liebster Sir John! Frau Page und ich wollen nach Leintüchern für euren Kopf suchen.

Frau Pa. Geschwind, geschwind, wir wollen gleich kommen und euch ankleiden. Zieht derweil den Rock an. Falstaff geht hinauf

Frau Fl. Ich hoffe, mein Mann begegnet ihm in diesem Aufzuge: er kann das alte Weib von Brentford nicht ausstehn. Er schwört, sie sei eine Hexe, hat ihr das Haus verboten und gedroht sie durchzuklopfen.

Frau Pa. Der Himmel führe ihn zu deines Mannes Prügel, und der Teufel führe hernach den Prügel!

Frau Fl. Kommt denn mein Mann wirklich?

Frau Pa. Ja, in allem Ernst. Und spricht noch dazu vom Korbe, wie ers nun auch erfahren haben mag.

Frau Fl. Das müssen wir herausbringen: denn ich will meine Leute bestellen dass sie den Korb wieder hinaustragen und ihm an der Tür begegnen, wie das letztemal.

Frau Pa. Recht! aber er wird den Augenblick da sein. Komm mit, wir wollen ihn ankleiden wie die Hexe von Brentford.

Frau Fl. Ich will erst meinen Leuten Bescheid sagen was sie mit dem Korbe anfangen sollen. Geht hinauf, ich will ihm gleich die Leinentücher bringen. Ab.

Frau Pa. An den Galgen mit dem unverschämten Knecht! Wir können ihm nicht übel genug mitspielen.
Durch unser Beispiel leucht es allen ein:
Ein Weib kann lustig und doch ehrlich sein.
Spass ist nicht Ernst. Wohl sprach ein weiser Mund:
Das stillste Wasser hat den tiefsten Grund. Ab.

Frau Fluth tritt auf mit den Knechten

Frau Fl. Geht, Leute, nehmt den Korb wieder auf die Schultern. Der Herr ist nicht weit vom Hause. Wenn er euch heisst ihn niedersetzen, so tuts. Geschwind, macht fort! Ab.

1. Kn. Komm, nimm ihn auf.

2. Kn. Der Himmel gebe dass nicht wieder ein Ritter drin stecke!

1.Kn. Das hoff ich nicht. Ich wollte lieber ebensoviel Blei tragen.

Es treten auf Fluth, Schaal, Page, Evans und Cajus

Fluth. Gut! Wenns aber wahr ist, Herr Page, wie wollt ihrs dann rechtfertigen dass ihr mich als Narren behandelt? . . . Setzt den Korb nieder, Schurken! Ruf mir einer meine Frau . . . Prinz im Korbe! . . . O ihr kupplerischen Schurken – es ist ein Komplott, eine Bande, eine Partei, eine Verschwörung wider mich. Nun soll der Teufel beschämt werden! . . . Heda, Frau, sag ich! komm, komm heraus. Sieh nur was für artige Wäsche du auf die Bleiche schickst!

Page. Nun, das geht zu weit, Herr Fluth! Ihr dürft nicht länger frei umhergehn, man muss euch in Ketten legen.

Evans. Ei, das ischt wahre Montsuchten, das ischt so toll als toller Hund!

Sch. In der Tat, Herr Fluth, das ist nicht recht, in der Tat nicht.

Frau Fluth tritt auf

Fluth. Das sag ich auch. Kommt einmal her, Frau Fluth. Frau Fluth, die sittsame Frau, das tugendhafte Weib, das ehrbare Gemüt, das den eifersüchtigen Narren zum Manne hat! Ich habe keinen Grund zum Argwohn, nicht wahr?

Frau Fl. Der Himmel sei mein Zeuge dass du keinen hast, wenn du mir eine Untreue zutraust.

Fluth. Recht so, eiserne Stirn, führe das nur so durch . . . Heraus mit dir, Bursch! Er reisst die Wäsche aus dem Korbe

Page. Das geht zu weit!

Frau Fl. Schämst du dich nicht? Lass doch das Zeug in Ruh!

Fluth. Gleich werd ich dich finden.

Evans. Das sein Unvernunften! Wollt ihr eurer Frauen Kleider aufnehmen? Kommt doch weg!

Fluth. Schüttet den Korb aus, sag ich!

Frau Fl. Aber, lieber Mann –

Fluth. Herr Page, so wahr ich ein Mann bin, ward gestern einer in diesem Korbe aus meinem Hause geschafft. Warum könnt er nicht wieder darin stecken? In meinem Hause ist er gewiss, meine Kundschaft ist sicher, mein Argwohn ist gegründet. Werft mir alle Wäsche heraus.

Frau Fl. Wenn du jemand drin findest, so sollst du ihn totmachen wie einen Floh.

Page. Hier ist niemand.

Sch. Bei meiner Kavaliersparole, das ist nicht recht, Herr Fluth, das bringt euch keine Ehre.

Evans. Herr Fluth, ihr müsst peten und nicht tenen Phantastereien eures Herzens folken. Tas sein Eifersuchten.

Fluth. Nun gut, hier ist er nicht den ich suche.

Page. Nein, und sonst nirgend als in eurem Gehirn.

Fluth. Helft mir nur diesmal mein Haus durchsuchen. Wenn ich nicht finde was ich suche, verlange ich keinen Firnis für meine Schwäche. Ihr sollt mich auf ewige Zeiten zu eurem Tischgespött machen: die Leute sollen von mir sagen, so eifersüchtig als Fluth, der den Galan seiner Frau in einer hohlen Walnuss suchte. Tut mir noch einmal den Gefallen. Noch einmal geht mit mir auf das Suchen aus.

Frau Fl. Heda. Frau Page! kommt doch mit der alten Frau herunter. Mein Mann will ins Zimmer hinauf.

Fluth. Alte Frau? Was ist das für eine alte Frau?

Frau Fl. Nun, die Muhme meiner Magd aus Brentford.

Fluth. Die Hexe, die Vettel, die alte spitzbübische Vettel! habe ich ihr nicht mein Haus verboten? Sie hat ein Gewerbe hier auszurichten, nicht wahr? Wir sind einfältige Männer, wir merken nicht was alles unter dem Vorwand des Wahrsagens mit unterläuft. Sie gibt sich mit Zaubereien, Besprechungen, Zeichendeuten und andern solchen Schelmereien ab. Das alles geht über unsern Horizont, wir wissen von nichts . . . Komm herunter, du Hexe, du Zigeunerin! komm herunter, sag ich.

Frau Fl. O mein lieber, süsser Mann! Liebe Herren, lasst ihn doch die alte Frau nicht schlagen!

Falstaff tritt auf in Frauenkleidern, geführt von Frau Page

Frau Pa. Kommt, Mutter Klatsch, kommt, gebt mir die Hand.

Fluth. Ich will sie klatschen! Aus meinem Hause, du Hexe! Schlägt ihn Du Zigeunerin, du Vettel, du Meerkatze, du garstiges Tier! fort mit dir! Ich will dich wahrsagen und besprechen lehren! Schlägt ihn – Falstaff ab.

Frau Pa. Schämt ihr euch nicht? Ich glaube, ihr habt die arme Frau totgeschlagen!

Frau Fl. Wahrhaftig, das wird er noch tun . . . Das wird dir recht viel Ehre bringen.

Fluth. An den Galgen mit der Hexe!

Evans. Pei meiner Treu, ich klaupe, tas Weib ischt wahrhaftige Hexe. Ich haps nicht kern, wann Weipspilt krossen Part hat: ich sah krossen Part unter ihrem Packentuch.

Fluth. Wollt ihr mitkommen, meine Herrn? Ich bitt euch, kommt mit. Seht nur einmal zu wie meine Eifersucht ablaufen wird. Wenn ich diesmal ohne Fährte anschlage, so traut mir nie wieder, wenn ich den Mund auftue.

Page. Lasst uns seiner Grille noch ein wenig nachgeben. Kommt, ihr Herren. Ab.

Frau Pa. Wahrhaftig, er hat ihn ganz erbärmlich geprügelt.

Frau Fl. Nein, beim Himmel, das hat er nicht: er schlug ihn ganz erbarmungslos, wie mir schien.

Frau Pa. Der Prügel soll geweiht und in der Kirche aufgehängt werden. Er hat ein verdienstliches Werk getan.

Frau Fl. Was meint ihr, können wir wohl als ehrliche Frauen und mit gutem Gewissen ihn noch weiter mit unsrer Rache verfolgen?

Frau Pa. Der Teufel der Lüsternheit ist gewiss ganz aus ihm herausgebannt. Wenn er dem Satan nicht durchaus verfallen ist, mit Handgeld und Reukauf, so denk ich, versucht ers nicht wieder uns zum Bösen zu verführen.

Frau Fl. Sollen wirs unsern Männern sagen wie wir ihm mitgespielt haben?

Frau Pa. Ja, auf alle Weise. Wärs auch nur, um deinem Mann die Fratzen aus dem Kopf zu schaffen. Wenn sie es übers Herz bringen können den armen untugendlichen dicken Ritter noch ferner zu plagen, so wollen wir ihnen wieder die Hand dazu bieten.

Frau Fl. Ich wette, sie werden ihn noch öffentlich beschimpft haben wollen, und mir scheint auch, der Spass wäre nicht vollständig, wenn er nicht öffentlich beschimpft würde.

Frau Pa. Komm nur gleich in die Schmiede damit, ehe das Eisen kalt wird. Ab.

 

Dritte Szene

Gasthof zum Hosenbande: Wirt und Bardolph

Bar. Herr, die Deutschen verlangen drei von euren Pferden. Der Herzog selbst kommt morgen an den Hof, und sie wollen ihm entgegenreiten.

Wirt. Was für ein Herzog sollte das sein der so insgeheim ankommt? Ich habe nichts von ihm bei Hofe gehört. Ich muss selbst mit den Leuten reden. Sie sprechen doch Englisch?

Bar. Herr, ich will sie euch rufen.

Wirt. Sie sollen meine Pferde haben, aber sie müssen mir dafür blechen, ich will sie zwiebeln. Sie haben mein Haus eine ganze Woche lang innegehabt. Ich habe alle meine andern Gäste abgewiesen. Nun sollen sie daran, ich will sie zwiebeln.

 

Vierte Szene

Fluths Haus: Page, Fluth, Frau Page, Frau Fluth und Evans

Evans. 's ischt so krosse Tugendwertigkeit von Frau als ich jemalen ankekucket hape.

Page. Und schickte er euch die beiden Briefe zur selben Zeit?

Frau Pa. In der nämlichen Viertelstunde.

Fluth. Vergib mir, Frau. Hinfort tu was du willst.
Die Sonne werd ich eh der Kälte zeihn
Als dich des Leichtsinns. Deine Ehre wurzelt
Bei dem der eben noch ein Ketzer war.
So fest als Glaube.

Page.                             Gut, sehr gut. Nicht mehr!
Treib nicht die Unterwerfung jetzt so weit
Als die Beleidigung.
Doch führen wirs zu Ende: lass die Fraun
Noch einmal, uns zum allgemeinen Scherz,
Den alten fetten Burschen herbestellen,
Dass wir ihn fangen und ihn derb verspotten.

Fluth. Kein bessres Mittel gibts als ihren Plan.

Page. Was! ihn bestellen solln sie in den Park
Um Mitternacht? Ei, geht, er kommt uns nie.

Evans. Ihr sagt, er sei in die Kewässer keworfen und erpärmlich mit Schläken pehantelt als alte Frau. Mir petünkt, er müsse sein voller Angsthaftigkeit und Schrecknis, tass er nicht werte kommen. Mir scheint, sein Fleisch ischt kezüchtigt und wird aplassen von aller pösen Luscht.

Page. Das denk ich auch.

Frau Fl. Sinnt ihr nur was ihr tun wollt, wenn er kommt.
Wir beid ersinnen schon ihn herzuschaffen.

Frau Pa. Man hat ein Märlein dass der Jäger Herne
(Vor alters Förster hier im Windsorwald)
Im ganzen Winter jede Mitternacht
Um eine Eiche geht mit grossen Hörnern.
Dann schädigt er den Baum, behext das Vieh,
Verwandelt trächtiger Kühe Milch in Blut
Und rasselt mit der Kette wild und greulich.
Ihr alle hörtet von dem Spuk und wisst,
Dass unsre schwachen, abergläubischen Alten
Die Mär vom Jäger Herne so überkamen
Und unsrer Zeit als Wahrheit überliefert.

Page. Jawohl, noch gibt es manchen der sich scheut
In dunkler Nacht sich Hernes Baum zu nahn.
Doch wozu solls?

Frau Fl.                       Nun seht, dies ist der Plan:
Dass Falstaff an der Eich uns treffen soll,
Verkappt wie Herne, mit grossem Hirschgeweih.

Page. Wohlan, wir zweifeln nicht, er stellt sich ein,
Und in der Tracht. Doch wenn er angelangt,
Was soll mit ihm geschehn? Was habt ihr vor?

Frau Pa. Auch das ist abgeredet. Hört nur weiter:
Mein' kleinen Sohn und meine Tochter Annchen
Und drei, vier andre Kinder kleiden wir
Als Zwerge, Feen und Elfen, grün und weiss,
Wachskerzen auf dem Kopf als Feuerkronen
Und Klappern in der Hand. Dann solln sie plötzlich,
Wenn Falstaff, sie und ich uns just gefunden,
Aus einer Sägegrub hervor sich stürzen
Mit gellendem Gesang. Sobald sie nahn,
So fliehn wir beide mit Entsetzen fort.
Dann schliessen sie im Kreise rings ihn ein
Und zwicken, Feen gleich, den saubern Ritter
Und fragen wie ers wagt auf heiligen Pfaden
Der Elfen nächtige Spiele zu entweihn
In niedrer Hülle?

Frau Fl.                     Bis ers eingesteht,
Lasst die vermeinten Feen ihn tüchtig kneipen
Und mit den Kerzen brennen.

Frau Pa.                                         Ists zu Ende,
Dann zeigen wir uns all, enthörnen ihn
Und spotten ihn nach Haus.

Fluth.                                           Man muss die Kinder
Sorgfältig üben, sonst gelingt es nie.

Evans. Ich werte ten Kintern ihr Petraken einlehren, und will mir auch wie ein Hansaff kepärten und ten Ritter mit Karzern prennen.

Fluth. Vortrefflich! Ich will gehn und Masken kaufen.

Frau Pa. Mein Annchen spielt der Feien Königin.
Wir kleiden schmuck sie in ein weiss Gewand.

Page. Den Atlas kauf ich ihr, beiseit: und mittlerweil
Entführt Herr Schmächtig Annchen sich und lässt
Sich traun zu Eton. Schickt sogleich zu Falstaff!

Fluth. Nein, ich geh selbst, als Bach, noch einmal zu ihm.
Er teilt mir alles mit. Gewiss, er kommt.

Frau Pa. Seid unbesorgt, schafft allen Zubehör
Und Putz für unsre Fei'n.

Evans. Wir wollen kleich trankehn. Tas sein allerliepste Erkötzlichkeiten und sehr prafe Schelmstückchen.

Page, Fluth und Evans ab

Frau Pa. Geht, Frau Fluth,
Lasst ihn die Hurtig fragen ob er kommt. Frau Fluth ab
Ich will zum Doktor. Er empfing mein Wort,
Und keiner wird mir Annchens Mann als er.
Schmächtig hat Güter zwar, doch ists ein Tropf.
Den wünscht vor allen sich mein Mann zumeist.
Cajus ist reich, und seine Freunde gelten
Bei Hofe viel: drum unser Eidam sei er,
Und kämen auch noch tausend bessre Freier. Ab.

 

Fünfte Szene

Gasthof zum Hosenbande: der Wirt und Simpel

Wirt. Was willst du, Bauer? Was gibts, Dickkopf? Sprich, peroriere, trag vor. Kurz, rasch, frisch, flink!

Sim. Ach herrje, Herr, ich soll etwas an Sir John Falstaff von Herrn Schmächtig bestellen.

Wirt. Hier ist sein Zimmer, sein Haus, seine Burg, sein grosses Bett und sein Feldbett. Rundherum die Historie vom verlornen Sohn gemalt, frisch und nagelneu. Geh, klopf und ruf, er wird dir Antwort geben in anthropophagianischer Manier. Klopf, sag ich dir.

Sim. 's ist eine alte Frau, eine dicke Frau zu ihm auf die Stube gegangen. Ich will so frei sein und warten, Herr, bis sie herunterkommt. Eigentlich habe ich der etwas zu sagen.

Wirt. Ha! eine dicke Frau? der Ritter könnte bestohlen werden . . . ich will rufen . . . Rodomont! Sir John Eisenherz! Sprich aus deiner Brust, der kriegstapfern! Bist du da? Dein Wirt ists, dein Ephesier, der dir ruft. Falstaff oben.

Fal. Was gibts, mein Gastwirt?

Wirt. Hier ist ein tatarischer Bohemier der auf die Herniederkunft deiner dicken Frau harrt. Entlass sie, Rodomont, entlass sie. Meine Zimmer sind Wohnsitze der Ehre. Pfui! Heimlichkeiten? pfui!

Falstaff tritt auf

Fal. Allerdings, mein Gastwirt, war eben eine dicke Frau bei mir. Allein jetzt ist sie fort.

Sim. Sagen euer Gnaden mir doch, wars nicht die weise Frau aus Brentford?

Fal. Freilich war sies, Muschelschale. Was wolltest du mit ihr?

Sim. Mein Herr, der Junker Schmächtig, hat nach ihr geschickt, Sir, weil er sie über die Gasse gehn sah, um zu erfahren ob ein gewisser Nym, Sir, der ihn um eine Kette betrogen hat, die Kette hat, oder nicht.

Fal. Ich habe mit ihr davon gesprochen.

Sim. Nun, was sagt sie, Sir?

Fal. Nun, sie sagt dass ebenderselbe Mensch der Herrn Schmächtig um seine Kette betrog ihn auch darum prellte.

Sim. Ich wollte, ich hätte die Frau selber sprechen können: ich hatte noch über allerlei Dinge mit ihr zu reden von ihm.

Fal. Nun, worüber denn? Lass hören.

Wirt. Ja, mach geschwind.

Sim. Es darf aber nicht okkult bleiben.

Wirt. Mach es okkult, oder du stirbst!

Sim. Nun, Herr, es war bloss wegen Jungfer Anne Page: obs wohl meines Herrn Glück wäre sie zu bekommen oder nicht?

Fal. 's ist, 's ist sein Glück.

Sim. Was, Sir?

Fal. Sie zu bekommen oder nicht. Geh nur, sag das hätte die Frau mir anvertraut.

Sim. Darf ich so frei sein und das sagen, Sir?

Fal. Ja, Kerl, so dreist du immer willst.

Sim. Ich dank euer Gnaden. Ich werde meinem Herrn eine rechte Freude machen mit diesen Zeitungen. Ab.

Wirt. Du bist ein Gelahrter, Sir John, du bist ein Gelahrter. Ist denn eine weise Frau bei dir gewesen?

Fal. Ja, das ist sie, mein Gastwirt . . . eine die mir mehr Weisheit beigebracht hat als ich jemals in meinem Leben gelernt, und noch dazu habe ich nichts dafür bezahlt, sondern ich ward obendrein für mein Lernen bezahlt.

Bardolph tritt auf

Bar. Ach herrje! Ach, Herr! Spitzbüberei, pure Spitzbüberei!

Wirt. Wo sind meine Pferde? Lass mich Gutes von ihnen hören, briccone!

Bar. Davongelaufen sind sie mit den Spitzbuben: denn als wir eben jenseits Eton waren, so schmissen sie mich rücklings hinter dem einen herunter in eine Dreckpfütze: und nun die Sporen gegeben, und fort wie drei deutsche Teufel, drei Doktor Faustusse.

Wirt. Sie wollen ja nur dem Herzog entgegen, Schurke. Sprich nicht gleich von Davonlaufen: die Deutschen sind ehrliche Leute.

Evans tritt auf

Evans. Wo ischt mein Herr Kastwirt?

Wirt. Was gibts, Sir Hugh?

Evans. Hapt Opacht auf eure Kundschaftungen: 's ischt kuter Freund von mir zur Stadt kommen, der sakt, es seien trei teutsche Tieps-prüter ankelankt, tie hätten in Reatinks, Maitenheat und Coleprook mit tem Kelt und ten Käulen ihrer Wirte Prüterschaft kemacht. Ich erzähle euch tas aus kutem Herzen, seht ihr: ihr hapt Verstand und seit voller Streiche und Kimpelschaften, und es wäre nicht kepührlich, wann man euch prellte. Kott pehüt euch! Ab.

Doktor Cajus tritt auf

Caj. Wo is mon hôte de la jarretière?

Wirt. Hier, Herr Doktor, in Konsternation und Dilemma zweifelhaft.

Caj. Ik weissen nik was tas sein. Aber man kommt, mik su sagen dass ihr maken eine gross Préparation vor ein Ersog von Allemagne: auf mein Hehr, das is kein Ersog was man weiss bei 'of der kommen: – ik sagen das haus guten 'erzen: adieu. Ab.

Wirt. Schrei Mord und Zeter, Schurke, lauf! Helft mir, Ritter, ich bin verloren: lauf, eil dich, schrei, mach Lärmen, Schurke! Ich bin verloren! Ab mit Bardolph

Fal. Ich wollte, die ganze Welt würde geprellt, denn ich bin geprellt und geprügelt dazu. Sollte diese Metamorphose dem Hof zu Ohren kommen, und wie meine Verwandlungen gewaschen und gewalkt worden sind, sie schmölzen mich aus meinem Fett heraus, Tropfen bei Tropfen, und schmierten Fischerstiefel mit mir. Ich wette, sie geisselten mich mit ihrem stachlichten Witz, bis ich eingeschrumpft wäre wie eine Backbirne. Mein Stern ist von mir gewichen, seit ich beim Primero falsch geschworen. Wahrhaftig, hätt ich nur Atem genug um ein Gebet zu sprechen, so wollt ich bereuen.
    Frau Hurtig tritt auf
Nun, woher kommst du?

Hurt. Mein Seel, von beiden Parteien.

Fal. Hole der Teufel die eine Partei und seine Grossmutter die andre, so haben sie beide was ihnen zukommt. Ich habe mehr um ihretwillen gelitten, ja, mehr als der nichtswürdige Unbestand menschlicher Kräfte zu ertragen vermag.

Hurt. Und haben sie denn nichts gelitten? Ja, das versichre ich euch, besonders die eine: Frau Fluth, die arme Seele, ist braun und blau geschlagen, dass man keinen weissen Fleck an ihr sehen kann.

Fal. Was schwatzest du mir von braun und blau? Mir selbst sind alle Farben des Regenbogens angeprügelt, und ich war drauf und dran als die Hexe von Brentford eingesteckt zu werden. Hätte ich mich nicht durch die bewundernswürdige Gewandtheit meines Witzes gerettet, indem ich die Gebärden eines alten Weibes nachahmte, so hätte der Schurke von Konstabel mich in den Block gesetzt, in den Stadtblock, wie eine Hexe.

Hurt. Sir John, lasst mich auf eurem Zimmer mit euch reden. Ihr sollt hören wie die Sachen stehn, und das versichre ich euch, ihr sollt eure Freude dran haben. Hier ist ein Brief der schon was sagen wird. Ihr lieben Kinder, was das für eine Not ist euch zusammenzubringen! Wahrhaftig, einer von euch muss dem Himmel nicht recht dienen, weils euch immer so schief geht.

Fal. Komm hinauf in mein Zimmer. Ab.

 

Sechste Szene

Ebenda: der Wirt und Herr Fenton

Wirt. Lasst mich gehn, Herr Fenton. Ich bin ganz missmutig, ich mag mich um nichts kümmern.

Fen. So hör mich nur. Hilf mir in meinem Plan,
Und, auf mein Ehrenwort, ich zahle bar
Dir hundert Pfund in Gold mehr als dein Schade.

Wirt. Ich will euch anhören, Herr Fenton, und will euch wenigstens reinen Mund halten.

Fen. Von Zeit zu Zeit hab ich dir schon erzählt
Wie sehr ich unser schönes Annchen liebe.
Und sie erwidert gleichfalls meine Neigung
(Soweit sie selber für sich wählen darf)
Nach Herzenswunsch. Sie schrieb ein Briefchen mir
Von solchem Inhalt, dass dichs wundern wird.
Der Spass verknüpft sich so mit meiner Sache,
Dass keins von beiden einzeln deutlich wird,
Erklär ich beides nicht. Der dicke Falstaff
Hat eine grosse Szene: lies umständlich
Den Plan des Scherzes hier. Nun, liebster Wirt,
Bei Hernes Eiche, grad um Mitternacht,
Tritt Annchen auf als Feenkönigin.
Weshalb, das findst du hier. In dieser Maske,
Derweil noch andrer Spass im Schwange geht,
Befiehlt ihr Vater, soll sie insgeheim
Mit Schmächtig fort sich schleichen und in Eton
Sich trauen lassen: sie hat eingewilligt.
Nun, Freund,
Die Mutter, dieser Heirat ganz entgegen
Und eifrig für den Doktor, hat im Sinn
Dass der sie gleichfalls heimlich weg soll stehlen
(Weil Spass und Lust der andern Sinn zerstreut)
Und in der Dechanei sich trauen lassen,
Wo schon ein Priester harrt. Dem Plan der Mutter
Scheinbar gehorsam, hat sie auch dem Doktor
Ihr Wort gegeben. Nun verhält sichs so:
Der Vater will dass sie sich kleid in Weiss . . .
Und in der Tracht, wann Schmächtig seine Zeit
Sich ausersehn, soll sie die Hand ihm geben
Und mit ihm gehn. Die Mutter aber fordert,
Um besser sie dem Doktor zu bezeichnen
(Denn alles soll vermummt sein und maskiert)
Dass hübsch in Grün ein weites Kleid sie schmücke,
Mit wehnden Bändern, flatternd um das Haupt,
Und findt der Doktor die gelegne Zeit,
Soll er die Hand ihr kneipen: auf den Wink
Versprach das Mädchen mit ihm fortzugehn.

Wirt. Und wen betrügt sie? Vater oder Mutter?

Fen. Nun, beide, Freund, und geht davon mit mir.
Und jetzt das Hauptstück. Schaffe du den Pfarrer
Uns in die Kirche, zwischen zwölf und eins,
Der mit der Ehe heiligem Siegel uns
Die Herzen unauflöslich soll vereinen.

Wirt. Gut, fördert euren Plan: ich geh zum Pfarrer . . .
Bringt nur die Braut, am Priester solls nicht fehlen.

Fen. So werd ich dir auf ewig dankbar sein
Und ausserdem noch reich dich erst beschenken. Ab.

 


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