William Shakespeare
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William Shakespeare

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Dritter Aufzug

Erste Szene

Olivias Garten: Viola und der Narr mit einer Trommel

Vio. Gott grüss dich, Freund, und deine Musik. Stehst du dich gut bei deiner Trommel?

Narr. Nein, Herr, ich stehe mich gut bei der Kirche.

Vio. Bist du ein Kirchenvorsteher?

Narr. Das nicht, Herr, ich stehe mich gut bei der Kirche, denn ich stehe mich gut in meinem Hause, und mein Haus steht bei der Kirche.

Vio. So könntest du auch sagen, der König stände sich gut bei einer Bettlerin, wenn die Bettlerin bei ihm steht, oder die Kirche stände sich gut bei der Trommel, wenn die Trommel bei der Kirche steht.

Narr. Richtig, Herr! Seht mir doch dies Zeitalter! Eine Redensart ist nur ein lederner Handschuh für einen witzigen Kopf: wie geschwind kann man die verkehrte Seite herauswenden!

Vio. Ja, das ist gewiss: wer artig mit Worten tändelt kann sie geschwind leichtfertig machen.

Narr. Darum wollte ich, man hätte meiner Schwester keinen Namen gegeben.

Vio. Warum, Freund?

Narr. Ei, Herr, ihr Name ist ein Wort, und das Tändeln mit dem Wort könnte meine Schwester leichtfertig machen. Aber wahrhaftig, Worte sind rechte Hundsfötter, seit Verschreibungen sie zuschanden gemacht haben.

Vio. Dein Grund?

Narr. Meiner Treu, Herr, ich kann euch keinen ohne Worte angeben, und Worte sind so falsch geworden, dass ich keine Gründe darauf bauen mag.

Vio. Ich wette, du bist ein lustiger Bursch und kümmerst dich um nichts.

Narr. Nicht doch, Herr, ich kümmere mich um etwas. Aber auf Ehre, ich kümmere mich nicht um euch: wenn das heisst sich um nichts kümmern, so wünschte ich, es möchte euch unsichtbar machen.

Vio. Bist du nicht Fräulein Olivias Narr?

Narr. Keinesweges, Herr. Fräulein Olivia hat keine Narrheit, sie wird keinen Narren halten, bis sie verheiratet ist. Und Narren verhalten sich zu Ehemännern wie Sardellen zu Heringen: der Ehemann ist der grösste von beiden. Ich bin eigentlich nicht ihr Narr, sondern ihr Wortverdreher.

Vio. Ich sah dich neulich beim Grafen Orsino.

Narr. Narrheit, Herr, geht rund um die Welt wie die Sonne. Sie scheint allenthalben. Es täte mir leid wenn der Narr nicht so oft bei euerm Herrn als bei meinem Fräulein wäre. Mich deucht, ich sah Euer Weisheit daselbst.

Vio. Wenn du mich zum besten haben willst, so habe ich nichts mehr mit dir zu schaffen. Nimm, da hast du was zu deiner Ergötzlichkeit.

Narr. Nun, möge dir Jupiter das nächstemal dass er Haare übrig hat einen Bart zukommen lassen.

Vio. Wahrhaftig, ich sage dir, ich verschmachte fast nach einem (ob ich gleich nicht wollte dass er auf meinem Kinne wüchse). Ist dein Fräulein zu Hause?

Narr auf das Geld zeigend: Sollte nicht ein Paar von diesen jungen?

Vio. Ja, wenn man sie zusammenhielte und gehörig wirtschaften liesse.

Narr. Ich wollte wohl den Herrn Pandarus von Phrygien spielen, um diesem Troilus eine Cressida zuzuführen.

Vio. Ich verstehe euch: ihr bettelt gut.

Narr. Ich denke, es ist keine grosse Sache, da ich nur um eine Bettlerin bettle: Cressida war eine Bettlerin. Mein Fräulein ist zu Haus, Herr. Ich will ihr bedeuten woher ihr kommt. Wer ihr seid und was ihr wollt das liegt ausser meiner Sphäre, ich könnte sagen: Horizont, aber das Wort ist zu abgenutzt. Ab.

Vio. Der Bursch ist klug genug den Narrn zu spielen,
Und das geschickt tun fordert einigen Witz.
Die Laune derer über die er scherzt,
Die Zeiten und Personen muss er kennen
Und wie der Falk auf jede Feder schiessen
Die ihm vors Auge kommt. Dies ist ein Handwerk
So voll von Arbeit als des Weisen Kunst.
Denn Torheit, weislich angebracht, ist nütz.
Torheit beim Weisen raubt ihm allen Witz.

Junker Tobias und Junker Christoph treten auf

Tob. Gott grüss euch, Herr.

Vio. Euch gleichfalls, Herr.

Chr. Dieu vous garde, Monsieur.

Vio. Et vous aussi . . . votre serviteur.

Chr. Hoffentlich seid ihrs, und ich bin der eurige.

Tob. Wollt ihr unser Haus begrüssen? Meine Nichte wünscht, ihr möchtet hineintreten, wenn ihr ein Geschäft an sie habt.

Vio. Ich bin eurer Nichte verbunden. Ich will sagen, ich bin verbunden zu ihr zu gehn.

Tob. So kostet eure Beine, Herr, setzt sie in Bewegung.

Vio. Meine Beine verstehn mich besser, Herr, als ich verstehe was ihr damit meint dass ich meine Beine kosten soll.

Tob. Ich meine, ihr sollt gehn, hineintreten.

Vio. Ich will euch durch Gang und Eintritt antworten . . . aber man kommt uns zuvor.
    Olivia und Maria treten auf
Vortreffliches, unvergleichliches Fräulein, der Himmel regne Düfte auf euch herab!

Chr. Der junge Mensch ist ein grosser Hofmann. »Düfte regnen.« Schön!

Vio. Mein Auftrag ist stumm, Fräulein, ausser für euer bereitwilliges und herablassendes Ohr.

Chr. Düfte! Bereitwillig! Herablassend! – Ich will mir alles dreies merken.

Oli. Macht die Gartentür zu und lasst mich ihm Gehör geben. Junker Tobias, Junker Christoph und Maria ab Gebt mir die Hand, mein Herr.

Vio. Gebietet über meine Dienste, Fräulein.

Oli. Wie ist eur Name?

Vio.                               Reizende Prinzessin,
Cesario ist der Name eures Dieners.

Oli. Mein Diener, Herr? Die Welt war nimmer froh,
Seit niedres Heucheln galt für Artigkeit.
Ihr seid Orsinos Diener, junger Mann.

Vio. Und der ist eurer . . . eures Dieners Diener
Muss ja, mein Fräulein, auch der eure sein.

Oli. Sein denk ich nicht. Wär sein Gedächtnis lieber
Ein leeres Blatt als angefüllt mit mir!

Vio. Ich komm, um euer gütiges Gedächtnis
An ihn zu mahnen.

Oli.                                 O entschuldigt mich!
Ich hiess euch niemals wieder von ihm reden.
Doch hättet ihr sonst etwa ein Gesuch,
Ich hörte lieber, wenn ihr das betriebt,
Als die Musik der Sphären.

Vio.                                             Teures Fräulein –

Oli. Ich bitt, erlaubt! Nach der Bezauberung
Die ihr nur erst hier angestiftet sandte
Ich einen Ring euch nach und täuschte so
Mich, meinen Diener und, ich fürcht, auch euch.
Nun steh ich eurer harten Deutung bloss:
Ich drang euch auf in schämiger List was ihr
Als nicht euch eigen kennt. Was mögt ihr denken?
Habt ihr nicht meine Ehr, am Pfahl gehalten,
Gehetzt mit allen fletschenden Gedanken
Die grausam Herz erdenken kann. Wer fasst wie ihr
Weiss schon genug: ein Flor und nicht ein Busen
Versteckt mein armes Herz. So sprecht nun auch.

Vio. Ihr dauert mich.

Oli.                           Das ist ein Schritt zur Liebe.

Vio. Nein, nicht ein Fuss breit: die Erfahrung zeigt
Dass man sich oft auch Feinde dauern lässt.

Oli. So wärs ja wohl zum Lächeln wieder Zeit.
O Welt! wie leicht wird doch der Arme stolz!
Soll man zur Beute werden, wieviel besser
Dem Löwen zuzufallen als dem Wolf. Die Glocke schlägt
Die Glocke wirft mir Zeitverschwendung vor.
Seid ruhig, junger Freund! ich will euch nicht.
Und doch, kommt Witz und Jugend erst zur Reife,
So erntet euer Weib 'nen feinen Mann.
Dorthin liegt euer Weg, gradaus nach Westen.

Vio. Wohlauf, nach Westen!
Geleit eur Gnaden Heil und froher Mut!
Ihr sagt mir, Fräulein, nichts für meinen Herrn?

Oli. Bleib!
Ich bitt dich, sage was du von mir denkst.

Vio. Nun, dass ihr denkt, ihr seid nicht was ihr seid.

Oli. Und denk ich so, denk ich von euch dasselbe.

Vio. Da denkt ihr recht: ich bin nicht was ich bin.

Oli. Ich wollt, ihr wärt wie ich euch haben wollte!

Vio. Wärs etwas Bessers, Fräulein, als ich bin,
So wünsch ichs auch. Jetzt bin ich euer Narr.

Oli. O welch ein Mass von Hohn liebreizend steht
Im Zorn und der Verachtung seiner Lippe!
Verschämte Lieb, ach! sie verrät sich schnell
Wie Blutschuld: ihre Nacht ist sonnenhell.
Cesario, bei dem Rosenflor des Mai,
Bei Magdtum, Ehre, Treu und was auch sei:
Ich lieb dich so, dass deinem Stolz zum Trutz
Kein Witz noch Grund dient meiner Glut als Schutz.
Verhärte nicht dich klügelnd durch den Schluss,
Du könntest schweigen, weil ich werben muss.
Nein, fessle lieber Gründe so mit Gründen:
Viel Glück ists Liebe suchen, mehr sie finden.

Vio. Bei meiner Jugend! bei der Unschuld! nein!
Ein Herz, ein Busen, eine Treu ist mein,
Und sie besitzt kein Weib, auch wird nie keine
Darüber herrschen ausser ich alleine.
Fräulein, lebt wohl: nie klag ich euerm Ohr
Die Seufzer meines Herren wieder vor.

Oli. O komm zurück! Du magst dies Herz betören
Ihn, dessen Lieb es hasst, noch zu erhören. Ab.

 

Zweite Szene

Ein Zimmer in Olivias Hause: Junker Tobias, Junker Christoph und Fabio

Chr. Nein, wahrhaftig, ich bleibe keine Minute länger.

Tob. Deinen Grund, lieber Ingrimm! sag deinen Grund!

Fab. Ihr müsst durchaus euren Grund angeben, Junker Christoph.

Chr. Ei, ich sah eure Nichte mit des Grafen Diener freundlicher tun als sie jemals gegen mich gewesen ist. Drunten im Garten sah ichs.

Tob. Sah sie dich derweil auch, alter Knabe? Sag mir das.

Chr. So deutlich wie ich euch jetzt sehe.

Fab. Das war ein grosser Beweis ihrer Liebe zu euch.

Chr. Wetter! wollt ihr einen Esel aus mir machen?

Fab. Ich will es in bester Form beweisen, Herr, auf den Eid des Urteils und der Vernunft.

Tob. Und die sind Obergeschworne gewesen, ehe noch Noah ein Schiffer ward.

Fab. Sie tat mit dem jungen Menschen vor euern Augen schön, bloss um euch aufzubringen, um eure Murmeltiertapferkeit zu erwecken, um euer Herz mit Feuer und Schwefel zu füllen. Da hättet ihr euch herbeimachen sollen . . . da hättet ihr den jungen Menschen mit den vortrefflichsten Spässen, funkelnagelneu von der Münze, stumm ängstigen sollen. Dies wurde von eurer Seite erwartet und dies wurde vereitelt. Ihr habt die doppelte Vergoldung dieser Gelegenheit von der Zeit abwaschen lassen und seid in der Meinung des gnädigen Fräuleins nordwärts gesegelt, wo ihr nun wie ein Eiszapfen am Bart eines Holländers hängen werdet, wenn ihr es nicht durch irgendeinen preiswürdigen Streich der Tapferkeit oder Politik wieder gutmacht.

Chr. Solls auf irgendeine Art sein, so muss es durch Tapferkeit geschehn: denn Politik hasse ich . . . ich wäre ebenso gern ein Pietist als ein Politikus.

Tob. Wohlan denn, baun wir dein Glück auf den Grund der Tapferkeit. Fordre mir den Burschen des Grafen auf den Degen heraus, verwunde ihn an elf Stellen. Meine Nichte wird sichs merken, und sei versichert dass kein Liebesmäkler in der Welt einen Mann den Frauen kräftiger empfehlen kann als der Ruf der Tapferkeit.

Fab. Es ist kein andres Mittel übrig, Junker Christoph.

Chr. Will einer von euch eine Ausforderung zu ihm tragen?

Tob. Geh schreib sie in einer martialischen Hand. Sei schroff und kurz. Gleichviel wie witzig, wenn es nur beredt und voll Erfindung ist. Mach ihn mit aller Freiheit der Feder herunter. Wenn du ihn ein halb Dutzend Mal duzest, so kann es nicht schaden, und soviel Lügen als auf dem Papier liegen können, schreib sie auf, wenn auch die weisse Fläche gross genug wäre das Bett des Grafen von Gleichen zu bedecken. Geh, mach dich dran! Lass Galle genug in deiner Tinte sein, wenn du auch mit einem Gänsekiel schreibst, es tut nichts. Mach dich dran.

Chr. Wo soll ich euch treffen?

Tob. Wir wollen dich auf deinem cubiculo abrufen. Geh nur. Junker Christoph ab

Fab. Das ist euch ein teures Männchen, Junker.

Tob. Ich bin ihm auch teuer gewesen, Junge, auf ein paar Tausend, drüber oder drunter.

Fab. Wir werden einen kostbaren Brief von ihm bekommen, aber ihr werdet ihn nicht übergeben.

Tob. Nein, was glaubt ihr denn! Aber vor allen Dingen treibt den jungen Menschen an sich zu stellen. Ich denke, man brächte sie nicht aneinander, wenn man auch Ochsen vorspannte. Was den Junker betrifft, wenn der geöffnet würde, und ihr fändet so viel Blut in seiner Leber als eine Mücke auf dem Schwanze davontragen kann, so wollt ich das übrige Gerippe aufzehren.

Fab. Und sein Gegner, der junge Mensch, verkündigt auch eben nicht viel Grausamkeit mit seinem Gesicht.

Maria tritt auf

Tob. Seht, da kommt unser kleiner Zeisig.

Mar. Wollt ihr Milzweh haben und euch Seitenstechen lachen, so kommt mit mir. Der Pinsel Malvolio ist ein Heide geworden, ein rechter Renegat. Denn kein Christ, der durch den wahren Glauben selig zu werden hofft, glaubt jemals einen solchen Haufen abgeschmacktes Zeug. Er geht in gelben Strümpfen.

Tob. Und die Kniegürtel kreuzweise?

Mar. Ganz abscheulich, wie ein Schulmeister. Ich bin ihm nachgeschlichen wie ein Dieb: er richtet sich nach jedem Punkte des Briefs den ich fallen liess, um ihn zu betrügen. Er lächelt mehr Linien in sein Gesicht hinein als auf der neuen Weltkarte mit beiden Indien stehn. Ihr könnt euch so was nicht vorstellen. Ich kann mich kaum halten dass ich ihm nicht etwas an den Kopf werfe. Ich weiss, das Fräulein wird ihm Ohrfeigen geben. Und wenn sie es tut, so wird er lächeln und es für eine grosse Gunst halten.

Tob. Komm, führ uns hin, führ uns hin wo er ist. Ab.

 

Dritte Szene

Eine Strasse: Antonio und Sebastian

Seb. Es war mein Wille nicht euch zu beschweren,
Doch da ihr aus der Müh euch Freude macht,
Will ich nicht weiter schmälen.

Ant. Ich könnt euch so nicht lassen: mein Verlangen,
Scharf wie geschliffner Stahl, hat mich gespornt:
Und nicht bloss Trieb zu euch (obschon genug
Um mich auf einen längern Weg zu ziehn)
Auch Kümmernis wie eure Reise ginge,
Da ihr dies Land nicht kennt, das einem Fremden,
Der führerlos und freundlos, oft sich rauh
Und unwirtbar erzeigt. Bei diesen Gründen
Der Furcht ist meine willige Liebe euch
So eher nachgeeilt.

Seb.                               Mein gütiger Freund,
Ich kann euch nichts als Dank hierauf erwidern,
Und Dank und immer Dank. Oft werden Dienste
Mit so verrufner Münze abgefertigt.
Doch wär mein Gut gediegen wie mein Sinn,
Ihr fändet bessern Lohn . . . Was machen wir?
Sehn wir die Altertümer dieser Stadt?

Ant. Auf morgen, Herr. Seht erst nach einer Wohnung.

Seb. Ich bin nicht müd, und es ist lang bis Nacht.
Ich bitt euch, lasst uns unsre Augen weiden
Mit den Denkmälern und berühmten Dingen
So diese Stadt besitzt.

Ant.                                     Entschuldigt mich.
Ich wandre mit Gefahr durch diese Gassen.
Im Seekrieg tat ich gegen die Galeeren
Des Herzogs Dienste, ja, in Wahrheit, solche –
Fängt man mich hier, kann ich sie kaum vertreten!

Seb. Ihr schlugt wohl viele seiner Leute tot?

Ant. Nicht von so blutiger Art ist meine Schuld,
War Zeit und Zwist schon der Beschaffenheit,
Dass sie uns Stoff zu blutigen Taten gaben.
Hernach wars wohl zu schlichten durch Erstattung
Des Fangs: das taten auch des Handels halb
Die meisten unsrer Stadt . . . nur ich blieb aus:
Wofür, ertappt man mich an diesem Ort,
Ich teuer büsse.

Seb.                           Zeigt euch nicht zu offen!

Ant. Es wär nicht ratsam. Nehmt! hier ist mein Beutel.
Man wohnt am besten in der Südvorstadt
Im Elefant. Ich will das Mahl bestellen,
Weil ihr die Stunden täuscht und Kenntnis schöpft
Aus dem Beschaun der Stadt. Dort trefft ihr mich.

Seb. Weswegen mir den Beutel?

Ant. Vielleicht fällt euer Aug auf einen Tand
Den ihr zu kaufen wünscht, und eure Barschaft
Reicht, denk ich, nicht zu müssigem Einkauf hin.

Seb. Ich will eur Seckelmeister sein und auf
Ein Stündchen gehn.

Ant.                                 Im Elefant.

Seb.                                                   Ich weiss. Ab.

 

Vierte Szene

Olivias Garten: Olivia und Maria

Oli. Ich hab ihm nachgeschickt! Gesetzt, er kommt:
Wie kann ich wohl ihn feiern? was ihm schenken?
Denn Jugend wird erkauft mehr als erbeten . . .
Ich sprach zu laut . . .
Wo ist Malvolio? Er ist ernst und höflich
Und passt zum Diener sich für meinen Fall.
Wo ist Malvolio?

Mar.                           Eben kommt er, Fräulein,
Doch wunderlich genug. Er ist gewiss besessen.

Oli. Was gibts denn? spricht er irr?

Mar.                                                 Nein, er tut nichts
Als lächeln. Euer Gnaden täten wohl
Wen bei der Hand zu haben, wenn er kommt . . .
Denn sicher ist der Mann nicht recht bei Sinnen.

Oli. Geht, ruft ihn her! . . . So toll wie er bin ich,
Wenn lustige Tollheit je der trüben glich.
    Malvolio tritt auf
Wie gehts, Malvolio?

Mal. Schönes Fräulein, he, he!

Oli. Lächelst du?
Ich rief dich her bei einem ernsten Anlass.

Mal. Ernst, Fräulein? Ich könnte wohl ernsthaft sein: es macht einige Stockung im Blute, dies Binden der Kniegürtel. Aber was tuts? Wenn es den Augen einer Einzigen gefällt, so heisst es bei mir wie jenes wahrhafte Sonett: Gefall ich Einer, so gefall ich allen.

Oli. Ei, Malvolio, wie steht es mit dir? Was geht mit dir vor?

Mal. Ich bin nicht schwarz von Gemüt, obschon gelb an den Beinen. Es ist ihm zuhanden gekommen, und Befehle sollen vollzogen werden. Ich denke, wir kennen die schöne römische Hand.

Oli. Willst du nicht zu Bett gehn, Malvolio?

Mal. Zu Bett? Ja, liebes Herz, und ich will zu dir kommen.

Oli. Gott helfe dir! Warum lächelst du so und wirfst so viele Kusshände?

Mar. Wie gehts euch, Malvolio?

Mal. Auf eure Erkundigung? Ja, Nachtigallen antworten Krähen.

Mar. Warum erscheint ihr mit dieser lächerlichen Unverschämtheit vor dem Fräulein?

Mal. »Sei nicht bange vor der Hoheit.« Das war schön gesagt.

Oli. Was meinst du damit, Malvolio?

Mal. »Einige werden hoch geboren«

Oli. Nun?

Mal. »Einige erwerben Hoheit«

Oli. Was sagst du?

Mal. »Und einigen wird sie zugeworfen.«

Oli. Der Himmel steh dir bei!

Mal. »Erinnre dich wer deine gelben Strümpfe lobte.«

Oli. Deine gelben Strümpfe?

Mal. »Und dich mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln zu sehn wünschte.«

Oli. Mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln?

Mal. »Nur zu! Dein Glück ist gemacht, wo du es wünschest.«

Oli. Mein Glück?

Mal. »Wo nicht, so bleib nur immer ein Bedienter.«

Oli. Nun, das ist eine rechte Hundstagstollheit.

Ein Bedienter tritt auf

Bed. Gnädiges Fräulein, der junge Kavalier vom Grafen Orsino ist wieder da. Ich konnte ihn kaum bewegen zurückzukommen. Er erwartet euer Gnaden Befehle.

Oli. Ich komme gleich zu ihm. Bedienter ab Liebe Maria, trag mir für diesen Menschen Sorge. Wo ist mein Vetter Tobias? Dass ein paar von meinen Leuten recht genau auf ihn achten. Ich wollte um alles nicht dass ihm ein Unglück zustiesse. Olivia und Maria ab

Mal. Haha! legt ihr mirs nun näher? Kein Geringerer als Junker Tobias soll Sorge für mich tragen? Dies trifft aufs Haar mit dem Briefe überein. Sie schickt ihn mit Fleiss, damit ich mich schroff gegen ihn betragen kann: denn dazu ermahnt sie mich ja in dem Briefe. »Wirf deine demütige Hülle ab« sagt sie. »Sei widerwärtig gegen einen Verwandten, mürrisch mit den Bedienten, lass Staatsgespräche von deinen Lippen schallen, lege dich auf ein Sonderlingsbetragen« . . . und hierauf setzt sie die Art und Weise auseinander, als da ist: ein ernsthaftes Gesicht, eine stattliche Haltung, eine langsame Zunge, nach der Manier eines vornehmen Herrn, und so weiter. Ich habe sie im Netz, freilich durch der Götter Gnade, und geben die Götter dass ich dankbar sei! Und als sie eben wegging: »Tragt mir für diesen Menschen Sorge.« Mensch! Nicht Malvolio oder nach meinem Titel, sondern Mensch. Ja, alles passt zueinander, so dass kein Gran von einem Skrupel, kein Skrupel von einem Skrupel, kein Hindernis, kein unwahrscheinlicher oder zweideutiger Umstand . . . Was kann man einwenden? Es kann nichts geben was sich zwischen mich und die weite Aussicht meiner Hoffnungen stellen könnte. Wohl, die Götter, nicht ich, haben dies zustande gebracht, und ihnen gebührt der Dank.

Maria kommt mit Junker Tobias und Fabio zurück

Tob. Wo ist er hin, im Namen der Gottseligkeit? Hätten sich auch alle Teufel der Hölle zusammengedrängt, und besässe ihn Legion selbst, so will ich ihn doch anreden.

Fab. Hier ist er, hier ist er. Wie stehts mit euch, Freund? Wie stehts mit euch?

Mal. Geht fort! ich entlasse euch. Lasst mich meine Einsamkeit geniessen! Geht fort!

Mar. Hört doch wie hohl der Böse aus ihm spricht! Sagt ichs euch nicht? . . . Junker Tobias, das Fräulein bittet euch Sorge für ihn zu tragen.

Mal. He, he! tut sie das?

Tob. Still! Still! Wir müssen sanftmütig mit ihm umgehn. Lasst mich nur machen . . . Was macht ihr, Malvolio? Wie stehts mit euch? Ei, Freund, leistet dem Teufel Widerstand: bedenkt, er ist der Erbfeind der Menschenkinder.

Mal. Wisst ihr auch was ihr sagt?

Mar. Seht nur, wenn ihr vom Teufel übel redet, wie er sichs zu Herzen nimmt! Gebe Gott dass er nicht behext ist!

Fab. Die weise Frau muss ihm das Wasser beschaun.

Mar. So wahr ich lebe, es soll morgen früh geschehn. Das Fräulein möchte ihn um alles in der Welt nicht missen.

Mal. Ei so, Jungfer?

Mar. Ojemine!

Tob. Ich bitte dich, sei ruhig! Dies ist nicht die rechte Art: seht ihr nicht dass ihr ihn reizt? Lasst mich allein machen.

Fab. Da hilft nichts wie Sanftmut. Sanftmütig! sanftmütig! Der böse Feind ist trotzig und lässt sich nicht trotzig begegnen.

Tob. Ei, was machst du, mein Täubchen? Wie gehts, mein Puthühnchen?

Mal. Herr!

Tob. Ei sieh doch! komm, tucktuck! . . . Nun, Mann? Es steht der Ehrbarkeit nicht an mit dem Teufel Knicker zu spielen. Fort mit dem garstigen Schornsteinfeger!

Mar. Lasst ihn sein Gebet hersagen, lieber Junker Tobias! Bringt ihn zum Beten!

Mal. Mein Gebet, Meerkatze?

Mar. Seht, ich sag es euch, er will nichts von Gottesfurcht wissen.

Mal. Geht alle zum Henker! Ihr seid alle dumme alberne Geschöpfe. Ich gehöre nicht in eure Sphäre: ihr sollt weiter von mir hören. Ab.

Tob. Ists möglich?

Fab. Wenn man dies auf dem Theater vorstellte, so tadelte ich es vielleicht als eine unwahrscheinliche Erdichtung.

Tob. Sein Kopf ist bis obenan voll von unserm Einfalle.

Mar. Ja, setzt ihm nur gleich zu, damit der Einfall nicht Luft kriegt und verfliegt.

Fab. Wir werden ihn gewiss völlig toll machen.

Mar. Desto ruhiger wirds im Hause zugehn.

Tob. Kommt, er soll in eine dunkle Kammer gesperrt und gebunden werden. Meine Nichte ist schon in dem Glauben dass er toll ist. Wir könnens so forttreiben, uns zum Spass und ihm zur Busse, bis unser Zeitvertreib selbst so müde gejagt ist, dass er uns bewegt Erbarmen mit ihm zu haben . . . und du, Mädchen, sollst bestallter Tollheitsvisitator werden. Aber seht! seht!

Junker Christoph tritt auf

Fab. Hier ist wieder etwas für einen Fastnachtsabend.

Chr. Da habt ihr die Ausforderung . . . lest sie . . . ich steh dafür, es ist Salz und Pfeffer darin.

Fab. Ist sie so scharf?

Chr. Ei ja doch! ich stehe ihm dafür. Lest nur.

Tob. Gib her. »Junger Mensch, was du auch sein magst, du bist doch nur ein Lumpenkerl.«

Fab. Schön und tapfer!

Tob. »Wundre dich nicht und erstaune nicht in deinem Sinn warum ich dich so nenne, denn ich will dir keinen Grund davon angeben.«

Fab. Eine gute Klausel! Das stellt euch vor dem Verklagen sicher.

Tob. »Du kommst zu Fräulein Olivia, und sie tut vor meinen Augen schön mit dir: aber du lügsts in den Hals hinein, das ist nicht die Ursache warum ich dich herausfordre.«

Fab. Ungemein kurz und auserlesen im Sinn – losen.

Tob. »Ich will dir beim Nachhausegehn aufpassen . . . und wenn du alsdann das Glück hast mich umzubringen«

Fab. Schön!

Tob. »So bringst du mich um wie ein Schuft und ein Spitzbube.«

Fab. Ihr haltet euch immer ausserhalb des Schusses.

Tob. »Leb wohl, und Gott erbarme sich einer von unsern Seelen! Er kann sich der meinigen erbarmen, aber ich hoffe ein Besseres, und also sieh dich vor. Dein Freund, je nachdem du ihm begegnest, und dein geschworner Feind

Christoph von Bleichenwang.«

Wenn dieser Brief ihn nicht aufbringt, so ist er gar nicht auf die Beine zu bringen. Ich will ihn ihm geben.

Mar. Ihr könnt leicht Gelegenheit dazu finden: er ist jetzt in einem Gespräch mit dem Fräulein und wird gleich weggehn.

Tob. Geh, Junker, laure ihm an der Gartenecke auf wie ein Häscher. Sobald du ihn nur erblickst, zieh und fluche fürchterlich dabei: denn es geschieht oft dass ein entsetzlicher Fluch, in einem rechten Bramarbas-tone herausgewettert, einen mehr in den Ruf der Tapferkeit setzt als eine wirkliche Probe davon jemals getan hätte. Fort!

Chr. Nun, wenns Fluchen gilt, so lasst mich nur machen. Ab.

Tob. Ich will mich wohl hüten seinen Brief zu übergeben. Das Betragen des jungen Mannes zeigt dass er verständig und wohl erzogen ist. Sein Geschäft für seinen Herrn bei meiner Nichte bestätigt das auch: also wird dieser Brief wegen seiner ausserordentlichen Abgeschmacktheit dem jungen Mann keinen Schrecken erregen. Er wird merken dass er von einem Pinsel herkommt. Ich will statt dessen die Ausforderung mündlich bestellen, will ein grosses Wesen von Bleichenwangs Tapferkeit machen und jenem, der jung genug ist um sich leicht etwas aufbinden zu lassen, eine gewaltige Meinung von seiner Wut, Geschicklichkeit und Hitze beibringen. Dies wird sie beide so in Angst setzen, dass sie einander wie Basilisken mit den Augen umbringen werden.

Olivia und Viola treten auf

Fab. Da kommt er mit eurer Nichte. Macht ihnen Platz, bis er Abschied nimmt, und dann gleich hinter ihm drein.

Tob. Ich will mich indessen auf recht entsetzliche Ausdrücke für die Ausforderung bedenken. Junker Tobias und Fabio ab.

Oli. Zuviel schon sagt ich für ein Herz von Stein,
Gab unbesonnen meine Ehre bloss.
In mir ist was das meinen Fehler rügt:
Doch solch ein starrer mächtiger Fehler ists,
Dass er der Rüge spottet.

Vio. Ganz nach der Weise eurer Leidenschaft
Gehts mit den Schmerzen meines Herrn.

Oli. Tragt mir zulieb dies Kleinod, 's ist mein Bildnis.
Schlagt es nicht aus, mit Schwatzen quälts euch nicht –
Und kommt, ich bitt euch, morgen wieder her.
Was könnt ihr bitten das ich weigern würde,
Wenn unverletzt es Ehre geben darf?

Vio. Nur dieses: euer Herz für meinen Herrn.

Oli. Wie litte meine Ehr ihm das zu geben
Was ihr von mir schon habt?

Vio.                                               Ich lass euch frei.

Oli. Leb wohl, komm morgen noch einmal zu mir!
Zur Hölle lockte mich ein Feind gleich dir. Ab.

Junker Tobias und Fabio treten auf

Tob. Gott grüss dich, junger Herr!

Vio. Euch gleichfalls, Herr.

Tob. Was du für Waffen bei dir hast, nimm sie zur Hand. Von welcher Art die Beleidigungen sind die du ihm zugefügt weiss ich nicht: aber dein Nachsteller, hoch ergrimmt, blutig wie der Jäger, erwartet dich an der Gartenecke. Heraus mit der Klinge! Rüste dich wacker! denn dein Gegner ist rasch, geschickt und mörderlich.

Vio. Ihr irrt euch, Herr. Ich bin gewiss dass niemand irgendeinen Zank mit mir hat. Mein Gedächtnis ist völlig rein und frei von Vorstellungen eines Unrechts das ich jemand zugefügt haben sollte.

Tob. Ihr werdet es anders finden, ich versichre euch: wenn ihr also das Geringste aus eurem Leben macht, so seid auf eurer Hut, denn euer Gegner hat alles für sich was Jugend, Stärke, Geschicklichkeit und Wut einem verschaffen kann.

Vio. Um Verzeihung, Herr, wer ist es?

Tob. Er ist ein Ritter, dazu geschlagen mit unversehrtem Schwert, auf gewirktem Boden . . . aber er ist ein rechter Teufel in Zweikämpfen: der Seelen und Leiber so er geschieden sind drei, und sein Grimm in diesem Augenblick ist so unversöhnlich, dass er keine andre Genugtuung kennt als Todesangst und Begräbnis. Drauf und dran! ist sein Wort . . . mir nichts, dir nichts!

Vio. Ich will wieder in das Haus gehn und mir eine Begleitung von der Dame ausbitten. Ich bin kein Raufer. Ich habe wohl von einer Art Leute gehört die mit Fleiss Händel mit andern anzetteln, um ihren Mut zu prüfen: vielleicht ist er einer von diesem Schlage.

Tob. Nein, Herr. Seine Entrüstung rührt von einer sehr wesentlichen Beleidigung her. Also vorwärts, und tut ihm seinen Willen. Zurück zum Hause sollt ihr nicht, wenn ihrs nicht mit mir aufnehmen wollt, da ihr euch doch ebensowohl ihm selbst stellen könntet. Also vorwärts, oder zieht gleich fasernackt vom Leder. Denn schlagen müsst ihr euch, das ist ausgemacht, oder für immer verschwören eine Klinge zu tragen.

Vio. Das ist ebenso unhöflich als seltsam. Ich bitte euch, erzeigt mir die Gefälligkeit den Ritter zu fragen worin ich ihn beleidigt habe: es ist gewiss nur aus Unachtsamkeit, nicht aus Vorsatz geschehn.

Tob. Das will ich tun. Signor Fabio, bleibt ihr bei diesem Herrn, bis ich zurückkomme. Ab.

Vio. Ich bitte euch, mein Herr, wisst ihr um diesen Handel?

Fab. Ich weiss nur dass der Ritter auf Tod und Leben gegen euch erbost ist, aber nichts von den näheren Umständen.

Vio. Um Verzeihung, was ist er für eine Art von Mann?

Fab. Sein Äusseres verrät nicht so Ausserordentliches als ihr durch die Proben seiner Herzhaftigkeit an ihm werdet kennen lernen. Er ist in der Tat der behendeste, blutgierigste und verderblichste Gegner den ihr in ganz Illyrien hättet finden können. Wollt ihr ihm entgegengehn? Ich will euch mit ihm aussöhnen, wenn ich kann.

Vio. Ich würde euch sehr verbunden sein: ich für mein Teil habe lieber mit dem Lehrstande als dem Wehrstande zu tun. Ich frage nicht danach ob man mir viel Herz zutraut. Beide ab

Junker Tobias und Junker Christoph treten auf

Tob. Ja, Freund, er ist ein Teufelskerl: ich habe niemals solch einen Haudegen gesehn. Ich machte einen Gang mit ihm auf Klinge und Scheide, und er tut seine Ausfälle mit so 'ner höllenmässigen Geschwindigkeit, dass nichts dagegen zu machen ist, und wenn er pariert hat, bringt er euch den Stoss so gewiss bei als euer Fuss den Boden trifft, wenn ihr auftretet. Es heisst, er ist Fechtmeister beim grossen Mogol gewesen.

Chr. Hols der Henker, ich will mich nicht mit ihm schlagen.

Tob. Ja, er will sich aber nun nicht zufrieden sprechen lassen: Fabio kann ihn da drüben kaum halten.

Chr. Hols der Kuckuck! Hätte ich gewusst dass er herzhaft und so ein grosser Fechter wäre, so hätte ihn der Teufel holen mögen, ehe ich ihn herausgefordert hätte. Macht nur dass er die Sache beruhn lässt, und ich will ihm meinen Hans, den Apfelschimmel, geben.

Tob. Ich will ihm den Vorschlag tun. Bleibt hier stehn und stellt euch nur herzhaft an. Beiseit: Dies soll ohne Mord und Totschlag abgehn. Mein Seel, ich will euer Pferd so gut reiten als euch selbst.

Fabio und Viola treten auf

Tob. zu Fabio: Ich habe sein Pferd, um den Streit beizulegen. Ich habe ihn überredet dass der junge Mensch ein Teufelskerl ist.

Fab. zu Junker Tobias: Der hat ebensolch eine fürchterliche Einbildung von dem andern: er zittert und ist bleich, als ob ihm ein Bär auf der Ferse wäre.

Tob. zu Viola: Es ist keine Rettung, Herr, er will sich mit euch schlagen, weil er einmal geschworen hat. Zwar wegen seiner Händel mit euch hat er sich besser besonnen, er findet sie jetzt kaum der Rede wert. Zieht also nur, damit er seinen Schwur nicht brechen darf. Er beteuert, er will euch kein Leid zufügen.

Vio. beiseit: Gott steh mir bei! Es hängt nur an einem Haar, so sage ich ihnen wieviel mir zu einem Manne fehlt.

Fab. Wenn ihr seht dass er wütend wird, so zieht euch zurück.

Tob. Kommt, Junker Christoph, es ist keine Rettung: der Kavalier will nur ehrenhalber einen Gang mit euch machen. Er kann nach den Gesetzen des Duells nicht umhin, aber hat mir auf sein ritterliches Wort versprochen, er will euch kein Leid zufügen. Nun frisch daran!

Chr. Gott gebe dass er sein Wort hält!

Er zieht – Antonio tritt auf

Vio. Glaubt mir, ich tu es wider meinen Willen. Sie zieht

Ant. Den Degen weg! Wenn dieser junge Mann
Euch Unrecht tat, so nehm ich es auf mich.
Tut ihr ihm Unrecht, fordr ich euch statt seiner. Er zieht

Tob. Ihr, Herr? Wer seid ihr denn?

Ant. Ein Mann der mehr um seinetwillen wagt
Als ihr ihn gegen euch habt prahlen hören.

Tob. Wenn ihr ein Raufer seid, gut! ich bin da.

Er zieht – Zwei Gerichtsdiener treten auf

Fab. Bester Junker Tobias, haltet ein! Hier kommen die Gerichtsdiener.

Tob. zu Antonio: Wir sprechen uns nachher!

Vio. Ich bitt euch, steckt euern Degen ein, wenns euch gefällig ist.

Chr. Mein Seel, Herr, das will ich – und wegen dessen was ich euch versprochen habe, halte ich euch mein Wort. Er geht bequem und ist leicht in der Hand.

1. G.-Dien. Dies ist er: tu deine Pflicht.

2. G.-Dien. Antonio, ich verhaft euch auf Befehl Von Graf Orsino.

Ant. Ihr irrt euch, Herr, in mir.

1.G.-Dien. Nicht doch, ich kenne eur Gesicht gar wohl,
Ob ihr schon jetzt kein Schifferkäppchen tragt.
Nur fort mit ihm! Er weiss, ich kenn ihn wohl.

Ant. Ich füge mich . . . Dies kommt, weil ich euch suchte.
Da hilft nun nichts. Ich werde dafür büssen.
Was wollt ihr tun, da jetzt die Not mich zwingt
Euch um mein Säckel anzugehn? Mich schmerzt
Viel mehr das was ich nicht für euch kann tun
Als was mich selbst betrifft. Ihr steht erstaunt,
Doch seid getrost.

2.G.-Dien. Kommt, Herr, und fort mit uns!

Ant. Ich muss um etwas von dem Geld euch bitten.

Vio. Von welchem Gelde, Herr?
Der Güte halb die ihr mir hier erwiesen,
Und dann durch eure jetzige Not bewegt,
Will ich aus meinen schmalen, armen Mitteln
Euch etwas borgen. Meine Hab ist klein,
Doch will ich teilen was ich bei mir trage:
Da! meine halbe Barschaft.

Ant.                                             Leugnet ihr mich ab?
Ists möglich, braucht denn mein Verdienst um euch
Der Überredung? . . . Versucht mein Elend nicht,
Es möchte sonst zur Schwachheit mich verleiten
Euch die Gefälligkeiten vorzuhalten
Die ich für euch gehabt.

Vio.                                       Ich weiss von keinen
Und kenn euch nicht von Stimme noch Gesicht.
Ich hasse Undank mehr an einem Menschen
Als Lügen, Hoffart, laute Trunkenheit,
Als jedes Laster dessen starkes Gift
Das schwache Blut bewohnt.

Ant.                                               Gerechter Himmel!

2.G.-Dien. Kommt, Herr! ich bitt euch, geht!

Ant. Hört einen Augenblick. Der Jüngling da –
Halb riss ich aus des Todes Rachen ihn,
Pflegt ihn mit solcher Heiligkeit der Liebe,
Und seinem Bild, das hocherhabnen Wert,
Glaubt ich, verhiesse, huldigt ich mit Andacht.

1.G.-Dien. Was soll uns das? Die Zeit vergeht: macht fort!

Ant. Doch o – wie wird der Gott zum schnöden Götzen!
Sebastian, du entehrest edle Züge.
Gesinnung einzig schändet die Natur,
Und hässlich heisst mit Recht der Böse nur.
Tugend ist Schönheit: doch der Reizend-Arge
Gleicht einem glänzend übertünchten Sarge.

1.G.-Dien. Der Mann wird rasend: fort mit ihm! Kommt! kommt!

Ant. So führt mich weg. Antonio mit den Gerichtsdienern ab

Vio. Es zeigt der Ungestüm womit er spricht,
Er glaubt sich selbst. Ich glaube mir noch nicht.
O möchtest du, Vermutung, dich bewähren,
Mein Bruder! dass wir zwei verwechselt wären!

Tob. Komm her, Junker! komm her, Fabio! Lasst uns unsre Köpfe zusammenstecken und einen weisen Rat pflegen.

Vio. Er nannte den Sebastian: lebt ja doch
Des Bruders Bild in meinem Spiegel noch.
Er glich genau nach allen Zügen mir
Und trug sich so in Farbe, Schnitt und Zier,
Denn ihn nur ahm ich nach. O wenn es ist, so sind
Die salzigen Fluten süss, die Stürme lind. Ab.

Tob. Ein recht ehrloser, lumpiger Bube, und so feig wie ein Hase. Seine Ehrlosigkeit zeigt sich darin dass er seinen Freund hier in der Not verlässt und ihn verleugnet, und wegen seiner Feigheit fragt nur den Fabio.

Fab. Eine Memme, eine fromme Memme, recht gewissenhaft in der Feigheit.

Chr. Wetter! ich will ihm nach und ihn prügeln.

Tob. Tus, puff ihn tüchtig, nur zieh den Degen nicht.

Chr. Wenn ichs nicht tue – Ab.

Fab. Kommt, lasst uns sehn wie's abläuft.

Tob. Ich will wetten was ihr wollt, es wird doch nichts daraus. Ab.

 


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