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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

(Ein Plaz ausser den Mauern von Athen.)

Timon tritt auf.

Timon. Laßt mich noch einmal nach euch zurüksehen, oihr Mauern, die diese Wölfe umzingeln! Versink' in den Erdboden, Athen! ihr vermählten Frauen, werdet unkeusch! ihr Kinder empört euch wider eure Eltern, und Sclaven und wahnwizige mögen den ehrwürdigen grauen Senat von seinen Bänken reissen, und an ihrer Stelle den Staat regieren! Gieb dich der allgemeinen Unzucht Preiß, unreiffe Jungferschaft, thut es vor euerer Eltern Augen! haltet fest, ihr Bankerotierer; eh ihr den Rüken kehret, die Messer heraus, und schneidet euern Gläubigern die Kehlen ab! Stehlt, ihr Sclaven; euere ehrsamen Herren sind nur Diebe mit längern Händen, und stehlen unter dem Schuz der Geseze. In deines Herrn Bette, Mädchen; deine Frau ist im Bordell. Sechszehnjähriger Sohn, reiß deinem alten hinkenden Vater die Krüke aus der Hand, und schlag ihm damit das Hirn aus! Furcht und Mitleiden, Scheu vor den Göttern, Friede, Gerechtigkeit, Wahrheit, häusliche Zucht, Nacht-Ruhe, Nachbarschaft, Unterricht, Sitten, Religions-Gebräuche, Unterschied der Stände, Herkommen, Gewohnheiten und Geseze, artet in euer zerrüttendes Gegentheil aus, und nichts als die Zerrüttung bestehe! Ihr Plagen alle, deren der Mensch fähig ist, häuffet eure gährenden anstekenden Fieber über Athen zusammen; es ist reif zum Untergang! Du kalte Gicht, mach' unsre Rathsherren zu Krüppeln, damit ihre Glieder so lahm seyn mögen als ihre Aufführung! Zaumlose Ueppigkeit und wilde Frechheit kriech in die Herzen und in das Mark unsrer Jugend, daß sie dem Strom der Tugend entgegen arbeiten, und sich selbst in Ruchlosigkeit ertränken! Kräze und Eyterbeulen überdeken jeden Atheniensischen Busen, und ihr Kropf sey lauter Aussaz; ein Athem steke den andern an, damit ihre Gesellschaft (wie ihre Freundschaft) durch und durch vergiftet sey. Nichts will ich aus dir hinaustragen als Naktheit, du abscheuliche Stadt! Nimm noch, mit vervielfachten Flüchen, diese Versicherung: Timon will in den Wald, wo er die wildesten Thiere milder als den Menschen finden wird. Die Götter verderben (ohört mich, ihr guten Götter alle!) die Athenienser inner- und ausserhalb ihrer Mauern, und verleihen, daß mit jedem Tage seines Lebens Timons Haß gegen das ganze Geschlecht der Menschen wachse!

(Geht ab.)

Zweyte Scene.

(Verwandelt sich in Timons Haus.)

Flavius mit zween oder dreyen Bedienten.

1. Bedienter. Hört ihr, guter Herr Verwalter, wo ist unser Herr? Sind wir verdorben, ist alles aus, ist nichts übrig?

Flavius. Ach, meine lieben Cameraden, was soll ich euch sagen? So wahr als ich wünsche, daß die wohlthätigen Götter sich meiner erinnern, ich bin so arm als ihr.

1. Bedienter. Daß ein solches Haus gebrochen, ein so edler Herr gefallen seyn soll! Alles hin! und nicht ein einziger Freund, der ihm in seinem Unglük unter die Arme greiffe?

2. Bedienter. Wie wir uns von einem Bekannten wegwenden, der in sein Grab gesenkt worden, so schleichen seine Freunde von seinem begrabnen Glüksstand alle hinweg, hinterlassen ihm ihre treulosen Schwüre und Versprechungen; und er selbst, ein dem freyen Himmel preißgegebner Bettler, mit einem Uebel das alle Welt von ihm scheucht, mit Dürftigkeit behaftet, geht, bleibt, gleich der Verachtung, allein. Noch mehr von unsern Cameraden.

Es treten noch einige Bediente auf.

Flavius. Lauter zerbrochnes Geräthe eines zerstörten Hauses!

3. Bedienter. Doch tragen unsre Herzen noch Timons Liverey, das seh' ich in euer aller Gesicht. Wir sind noch alle Cameraden, die, da sie ihrem Herrn sonst nichts mehr dienen können, ihre Treu durch ihren Kummer zeigen. Unsre Barke ist lek, und wir armen Tropfen stehen auf dem sinkenden Verdek, und hören die Wellen dräuen; wir müssen alle in dem Meer der weiten Luft, jeder so gut er kan, seine Rettung suchen.

Flavius. Meine guten Cameraden, ich will das äusserste meines Vermögens mit euch theilen. Wo wir uns jemals wieder antreffen, wollen wir, um Timons willen, immer gute Freunde seyn, unsre Köpfe schütteln, und sagen: Wir haben bessere Tage gesehen. Jeder nehme seinen Antheil; nein, streket alle eure Hände aus Kein Wort mehr

(Er giebt ihnen Geld, sie umarmen einander und scheiden, der eine diesen, der andre einen andern Weg.)

Wer wollte sich Reichthum wünschen, wenn Reichthum in Elend und Verachtung aufhört? Wer wollte (nach diesem Beyspiel,) sich durch einen Traum von schimmerndem Glük und Freundschaft täuschen lassen? Durch ein Gepränge von Herrlichkeit und Wohlleben, aber alles nur gemahlt, wie diese gefirnißten Freunde! Mein armer redlicher Herr! durch sein eignes gutes Herz so weit herunter gebracht! Durch Güte zu Grunde gerichtet! Wie seltsam, daß zuviel Güte eines Menschen gröste Sünde seyn soll! Unbegränzte Güte macht Götter, und verderbt Menschen – – Mein theurester Herr, einst so glüklich um desto elender, so reich um desto dürftiger zu seyn; dein grosser Wohlstand ist die Gelegenheit zu deinen grösten Widerwärtigkeiten worden! Ach! der gütige Herr! Er ist in Wuth aus dem undankbaren Siz unnatürlicher Freunde geflohen, und hat nichts mit sich genommen, was sein Leben unterhalten, oder diesen Unterhalt verschaffen kan. Ich will ihm folgen und ihn aufsuchen; ich will ihm um seines Herzens willen immer mit bestem Willen dienen, und, so lang ich Gold habe, immer sein Verwalter bleiben.

(Er geht ab.)

Dritte Scene.

(Der Wald.)

Timon tritt auf.

Timon. O Sonne, Quelle der segensvollesten Einflüsse, ziehe faule Dünste aus der Erde, und vergifte die Luft unter deiner Schwester Kreis Zwillings-Brüder, zugleich gezeugt, von einer Mutter gebohren und gesäugt, sind im Glüke getheilt. Der Grössere verschmäht den Kleinern. Die menschliche Natur selbst, sie, die von so unzählbaren Uebeln belagert wird, kan zu keinem grossen Glüke kommen, ohne sich ihrer selbst zu schämen. Erhebt mir diesen Bettler und zieht mir diesen Lord aus, so wird der Lord so verachtet seyn, als ob er zum Bettler gebohren worden wäre, und der Bettler geehrt werden, als ob er kein gebohrner Bettler wäre. Es ist die Weide, die des Widders Seiten spikt, und der Mangel, der ihn mager macht. Wo ist der, dem die Aufrichtigkeit seiner eignen unverfälschten Seele den Muth giebt aufzustehen, und zu sagen: Dieser Mann ist ein Schmeichler? Wenn einer es ist, sind es alle; denn jede Stuffe des Glüks findt ihre Schmeichler eine Stuffe niedriger; der gelehrte Kopf bükt sich vor dem goldnen Narren; alles ist krumm, es ist nichts gerades in unsrer verfluchten Natur, als unverbesserliche Büberey. So sey dann alle Gesellschaft und alle Gemeinschaft mit Menschen von mir verabscheut! Alle von seiner Gattung, ja sich selbst hasset Timon. Verderben über das ganze Menschen-Geschlecht! Erde, gieb mir Wurzeln.

(Er gräbt die Erde auf.)

Wer etwas bessers von dir begehrt, dem würze den Rachen mit deinem würksamsten Gifte! – – Was ist hier! Gold! gelbes, blinkendes, feines Gold? Nein, ihr Götter, das verlangt' ich nicht von euch; Wurzeln, gütiger Himmel! Nur so viel von diesem hier ist genug, weiß, schwarz; schön, häßlich; unrecht, recht; niederträchtig, edel; ein altes Gesicht, jung; und eine feige Memme, tapfer zu machen. Ihr Götter, wozu das? warum das? Ihr Götter! wie, das kan eure Priester von eurer Seite loken, und Leute mit frischem Herzen ins Grab befördern; dieser gelbe Sclave kan geheiligte Bündnisse zusammenkütten und auflösen; dem Verfluchten Segnungen, und dem grindigen Aussaz Anbetung zuziehen; Diebe zu Ehrenstellen erheben und ihnen neben den Senatoren, Titel, Kniebeugungen und Beyfall geben: Diß ist's, was die bekümmerte Wittwe wieder freyen macht, und was einer von Geschwüren und Krebsschäden zerfressenen Candidatin des Siechenhauses, durch seine balsamische Kraft die frische Anmuth der Jugendblüthe wieder giebt. Komm, du verdammte Erde, du gemeine Meze des menschlichen Geschlechts, die so viel Lermens unter der Rotte der Nationen macht – – (Man hört von fern einen Marsch.) Ha, eine Trummel Du bist sehr lebendig, aber ich will dich doch begraben; wenn deine podagrische Besizer nicht mehr stehen, kanst du noch davon lauffen Doch nein, bleib noch ein wenig da, ich will dich für Handgeld gebrauchen.

(Er stekt eine Anzahl Goldstüke zu sich.)

Vierte Scene.

Alcibiades zieht auf eine kriegrische Weise mit Trummel und Pfeiffen auf; und Phrynia und Timandra.

Alcibiades. Wer bist du hier? Sprich!

Timon. Eine Bestie, wie du bist. Daß der Krebs dein Herz dafür durchfresse, daß du mir wieder ein menschliches Gesicht zu sehen giebst!

Alcibiades. Wie ist dein Name? Ist der Mensch dir so verhaßt, und du bist selbst ein Mensch?

Timon. Ich bin Misanthropos, und hasse das menschliche Geschlecht. Was dich betrift, so wünscht' ich, du wär'st ein Hund, damit ich dich ein wenig lieben könnte.

Alcibiades. Ich kenne dich wol; aber was für Unfälle dir zugestossen seyn müssen, davon weiß ich nichts.

Timon. Ich kenne dich auch, und verlange nicht mehr von dir zu wissen, als ich weiß; zieh deiner Trummel nach, färbe den Boden mit Menschen-Blut; roth, roth; Religions-Gebräuche, bürgerliche Geseze sind grausam, was soll dann der Krieg seyn? Diese faule Meze hier hat mit allen ihren Cherubin-Bliken mehr Zerstörung in sich als dein Schwerdt.

Phrynia. Daß dir die Lippen verfaulen!

Timon. Das könnte nur begegnen wenn ich dich küßte, und das will ich nicht.

Alcibiades. Wie kam der edle Timon zu diesem Wechsel?

Timon. Wie der Mond, weil er kein Licht mehr zu geben hatte; aber ich konnte mich nicht wieder erneuern wie der Mond, denn es waren keine Sonnen da, von denen ich hätte borgen können.

Alcibiades. Edler Timon, was für Freundschaft kan ich dir erweisen?

Timon. Keine, als mich in meiner Meynung zu bestärken.

Alcibiades. Was ist diese, Timon?

Timon. Mir Freundschaft zu versprechen, und keine zu halten. Wenn du mir keine versprechen willst, so verderben dich die Götter! denn du bist ein Mensch; und wenn du sie hältst, so sollen sie dich gleichfalls verderben, denn du bist ein Mensch.

Alcibiades. Es sind mir einige verworrne Nachrichten von deinen Unglüksfällen zu Ohren gekommen.

Timon. Du sahst sie, wie ich im Wohlstand saß.

Alcibiades. Ich seh sie izt, damals war eine glükliche Zeit.

Timon. Wie die deinige izt ist, zwischen einem Paar Mezen.

Timandra. Ist das der allgemeine Liebling von Athen, von dem die Welt so viel rühmliches sagte?

Timon. Bist du Timandra?

Timandra. Ja.

Timon. Bleib immer eine Hure; die lieben dich nicht, die dich gebrauchen; häng ihnen Krankheiten an, wenn sie ihre Lust mit dir gebüßt haben; mach einen guten Gebrauch von deinen bittern Stunden, bringe die Sclaven zu Schwiz-Kästen und Bädern, bring die rosenwangichte Jugend zur Hunger-Cur Tub-Fast, (Tonne-Fasten) im Englischen. Der Autor zielt auf die Venerische Seuche und ihre Würkungen. Die Cur derselben wurde in damaligen Zeiten entweder durch Guaiacum, oder Mercurialische Salben gemacht; und in beyden Fällen wurde der Patient sehr warm und eingesperrt gehalten; das erste, damit der Schweiß befördert werde; und das andre, damit er sich nicht wieder erkälte, welches gefährlich war. Das Regimen beym Gebrauch des Guaiacum, oder Lignum Sanctum (sagt Dr. Friend in seiner Geschichte der Arzney-Kunst, 2.Theil, S.380.) war anfangs mit ausserordentlichen Umständen begleitet, und so strenge, daß der Patient in ein enges dunkles Loch gesperrt wurde, damit er desto besser schwizen möchte; und durch diese Veranstaltung wurde, wie sich Fallopius ausdrukt, der ganze Mensch bis auf die Knochen selbst durchgebeizt. Wisemann sagt, in England habe man sich zu diesem Zwek, anstatt der anderwärts üblichen Keller, Bak-Ofen, u.d.gl. einer Tonne bedient. Was die Unction betrift, so wurde sie zuweilen sieben und dreyßig Tage fortgesezt, wie er S.375. bemerkt, und während dieser ganzen Zeit war eine ausserordentliche Abstinenz nothwendig. Daher dann das Wort Tub-Fast. , und zur Diät.

Timandra. An den Galgen, du Ungeheuer.

Alcibiades. Vergieb, meine liebe Timandra, seine Wiederwärtigkeiten haben seinen Verstand überwältiget. Ich habe nur wenig Geld übrig, wakrer Timon, und der Mangel daran verursacht täglichen Aufruhr unter meiner abgemergelten Kriegs-Schaar. Ich hörte mit Bekümmerniß, wie das verfluchte Athen, deiner Verdienste uneingedenk, und undankbarlich der Zeit vergessend, da sie ohne dein Schwerdt und deine Reichthümer, von ihren Nachbarn mit Füssen zertreten worden wären

Timon. Ich bitte dich, laß deine Trummel rühren, und geh' deines Wegs.

Alcibiades. Ich bin dein Freund, und habe Mitleiden mit dir, mein liebster Timon.

Timon. Wie kanst du Mitleiden mit dem haben, den du beunruhigest; ich wollte lieber allein seyn.

Alcibiades. Nun, so fahr wohl; hier hast du Gold.

Timon. Behalt es, ich kan es nicht essen.

Alcibiades. Wenn ich das stolze Athen in einen Steinhauffen umgekehrt habe

Timon. Ziehst du gegen Athen?

Alcibiades. Ja, Timon, und aus einer gerechten Ursache.

Timon. Die Götter verderben sie alle durch deine Hand, und wenn du sie vernichtet hast, dich auch!

Alcibiades. Warum mich, Timon?

Timon. Weil du gebohren wardst, durch Ermordung von Bösewichtern mein Vaterland zu Grunde zu richten. Ließ dein Gold wieder auf. Geh weiter, hier ist noch mehr Gold, geh; sey wie eine Planetarische Seuche, wenn Jupiter über irgendeine lastervolle Stadt sein Gift in die sieche Luft aushängt; laß dein Schwerdt nicht einen einzigen überspringen; schone dem ehrwürdigen Greis nicht um seines weissen Barts willen, er ist ein Wucherer; schlage die Ehefrau nieder, ihr Kleid allein ist ehrlich, sie ist eine Kupplerin. Laß nicht die jungfräuliche Wange dein schneidendes Schwerdt stumpf machen; schone dieses milchweissen Busens nicht, der unter dem gläsernen Flor zu den Augen der Männer emporschwillt, er ist ein schändlicher Verräther. Schone nicht des Säuglings, dessen kindisches Lächeln Narren zur Erbarmung zwingt; denk es ist ein Bastard, von dem ein dunkles Orakel vorhergesagt hat, daß er dir die Kehle abschneiden soll, und zerhak' ihn ohne Bedenklichkeit. Verschwöre dich wider jeden Gegenstand, der dein Herz erweichen könnte; leg' eine Rüstung um deine Ohren und deine Augen, deren Stählung weder das Heulen der Mütter, das Geschrey der Jungfrauen, und das Wimmern der Kinder; noch der Anblik von Priestern, deren Blut über ihre heiligen Kleider herab strömt, nur um eine Nadelspize durchdringen möge. Hier ist Gold, deine Soldaten zu bezahlen. Verbreite Verderben um dich her, geh', und wenn du deine Wuth ausgelassen hast, so verdirb selbst! Antworte nicht, geh!

Alcibiades. Hast du noch Gold? Ich nehme das Gold an, das du mir giebst, und lasse dir deinen Rath.

Timon. Du folgest ihm oder nicht, so falle der Fluch des Himmels auf dich!

Timandra, Phrynia. Gieb uns auch etwas Gold, guter Timon; hast du noch mehr?

Timon. Genug, um zu machen daß eine Hure ihr Handwerk verschwöre und eine Kupplerin werde. Hebt auf, ihr Schlütten Ein Provinzial-Wort für das Englische Slut, für welches dem Uebersezer kein hochdeutsches Wort bekannt ist. , die Schürze auf! Ihr seyd nicht eydfähig, ob ich gleich weiß, daß ihr schwören würdet; schwören, daß die unsterblichen Götter die euch hören, vor Entsezen schaudern müßten. Spart eure Schwüre, ich will euerm blossen Versprechen glauben. Bleibt immer Huren, und dem, dessen frommer Zuspruch euch bekehren will, dem macht es dreymal ärger als den übrigen; ködert ihn an, brennt ihn bis auf die Knochen; laßt nicht eher von ihm ab, biß euer Feuer über seinem Rauch Meister wird; doch sollt ihr dafür alle Jahre sechs Monate eine ganz entgegengesezte Mühe haben. Sezt euch falsche Haare an, und dekt eure arme dünne Schädel mit Aufsäzen von Todten (wenn schon einige davon gehangen sind, das hindert nichts); tragt sie, betrügt damit, und h** immer auf ihren Credit hin; schminkt euch, bis ein Pferd in euerm Gesicht steken bleiben möchte; der Henker hole die Runzeln!

Beyde. Gut, gut, nur mehr Gold; glaubt uns, um Gold thun wir was ihr nur wollt.

Timon. Säet Auszehrung in ihre marklosen Knochen, lähmet ihre dünnen Beine, und dämpfet den männlichen Trieb. Brecht die Stimme des Advocaten, daß er untüchtig werde schlimme Sachen zu führen, und Rabulisten-Streiche durch sein Geschrey gut zu machen; stekt den Priester an, der wider die Triebe des Fleisches eifert und sich selbst nicht glaubt; herab mit der Nase, platt ab, nehmt ihm den Nasenknörpel ohne Verschonen, der, seinen Privat-Nuzen ausser Gefahr zu sezen, das gemeine Beste aufopfert. Macht krausköpfichte Spizbuben kahl, und laßt auch die jungen Eisenfresser nicht leer ausgehen, die mit ihren grossen Thaten pralen, und nur nicht eine Narbe davon aufzuweisen haben. Verpestet alle Welt, und ruhet nicht, bis ihr die Quelle der Vermehrung selbst gänzlich verstopft und ausgetroknet habt. Hier ist mehr Gold für euch, bringt alle andre ins Verderben, dann verfaulet selbst und Misthauffen mögen euer aller Grab seyn.

Beyde. Mehr Rath und mehr Geld, guter Timon.

Timon. Ihr müßtet es erst besser verdienen; ihr habt nun euer Handgeld.

Alcibiades. Rührt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen.

Timon. Wenn mich die Hoffnung nicht betrügt, werd ich dich nicht mehr sehen.

Alcibiades. Ich that dir nie was zu leide.

Timon. Ja, du redtest Gutes von mir.

Alcibiades. Nennst du das beleidigen?

Timon. Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich, und nimm deine Dachshunde mit.

Alcibiades. Wir sind ihm nur beschwerlich; rührt die Trummel!

(Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.)

Fünfte Scene.

Timon. Daß die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth über des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens überdrüßig macht! Allgemeine Mutter, du deren unermeßliche Schoos und unbegrenzte Brust alles gebiehrt und säuget; odu, deren nemliche Zeugungs-Hize, woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kröte zeugt, und die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Söhne hasset, gieb ihm aus deinem unerschöpflichen Busen eine einzige arme Wurzel. Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooß; laß sie nichts mehr für den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh nur mit Tygern, Drachen, Wölfen und Bären schwanger; schwill von neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem umwölbenden Himmel nie gezeigt hat! O! eine Wurzel habet Dank, ihr Götter! trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug zerrißne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen Säfte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemüth mit einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht.

Sechste Scene.

Timon zu Apemanthus.
Wieder ein Mensch? Pest! Pest!

Apemanthus. Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich an, meine Lebensart nachzuahmen.

Timon. So muß es deßwegen seyn, weil du keinen Hund hältst, den ich nachahmen könnte. Daß du die Schwindsucht kriegtest!

Apemanthus. Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmännliche Melancholey, die bloß aus dem Wechsel deines Glüks entsprungen ist. Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde? Warum dieser sclavenmässige Aufzug? Und diese kummervolle Blike? Deine Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein, ligen weich, schwimmen in lieblichen Gerüchen, und haben vergessen, daß jemals ein Timon war. Entehre diese Kleidung nicht, die dir das Ansehen und die Vorrechte eines Censors geben soll. Sey du izt ein Schmeichler, versuch' es, dich nun durch eben dieses fortzubringen, was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge deine Knie, und laß den blossen Athem dessen, dem du aufwartest, deine Müze vom Kopf herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten Ausschweiffungen, und nenne sie vortreflich. So redte man mit dir; und du gabst deine Ohren dazu her, den Bierwirthen ähnlich, die Schelmen und alles was zu ihnen kommt willkommen heissen. Es ist höchst billig, daß du ein Spizbube werdest; hättest du noch Vermögen, so würden Spizbuben es haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir!

Timon. Wenn ich dir gleich wäre, ich wollte mich selbst wegwerfen.

Apemanthus. Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst; so lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte Luft, dein ungestümer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde reichen? Meynst du, diese bemooßten Bäume, die den Adler überlebt haben, werden wie Pagen hinter dir hertreten, und dir auf einen Wink zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte Bach dir ein Cordial zum Frühstük geben, um die Unverdaulichkeit der gestrigen Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschöpfen, die der rauhen Witterung, und den kämpfenden Elementen ihre unverwahrten Rümpfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu schmeicheln; o, du wirst finden

Timon. Daß du ein Narr bist; zieh' ab.

Apemanthus. Du bist mir izt lieber als jemals.

Timon. Und du mir desto verhaßter.

Apemanthus. Warum?

Timon. Du schmeichelst der Dürftigkeit.

Apemanthus. Ich schmeichle nicht; ich sage nur, daß du ein elender Tropf bist.

Timon. Warum suchst du mich auf?

Apemanthus. Um dich zu scheeren.

Timon. Das ist immer die Verrichtung eines Bösewichts, oder eines Narren. Däucht sie dir kurzweilig?

Apemanthus. Ja.

Timon. Was für ein Schurke du bist!

Apemanthus. Wenn du diesen schwermüthigen kalten Habit angezogen hättest, deinen Stolz zu züchtigen, so hättest du wol daran gethan; aber du thust es aus Noth; du würdest ein Stuzer seyn, wenn du nicht ein Bettler wärest. Freywillige Armuth überlebt ungewisses Wohlleben; dieses wird immer gefüllt und doch nie voll, jene erreicht ihren höchsten Wunsch auf einmal; der glüklichste Stand ist mißvergnügt, der elendeste zufrieden. Du solltest zu sterben wünschen, weil du in einem so armseligen Zustand bist.

Timon. Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist ein Sclave, den das Glük nie mit zärtlichen Armen an ihre Brust drükte; sondern zu einem Hund gebohren. Wärest du wie wir, von der ersten Stuffe des Lebens an, durch alle die angenehmen Grade von Glükseligkeit fortgeschritten, die diese kurze Welt denjenigen gewährt, die sich nur besinnen dürfen, was sie von allen ihren Waaren haben wollen: Du hättest dich in dem diksten Schlamm der Lüderlichkeit herumgewälzt, deine Jugend in den schändlichsten Ausschweiffungen verschwendet, und nimmermehr die kalten Vorschriften der Mässigung und des Wohlstands beobachten gelernt, sondern würdest dem verzükerten Spiel vor dir her blindlings nachgeloffen seyn. Aber daß ich, für dessen Vergnügen die ganze Welt arbeitete, der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen zu seinem Gebot hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken konnte, an dem unzähliche hiengen, wie die Blätter an einer Eiche; die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoß, von ihren Zweigen abgefallen sind, und mich entblößt und unbedekt jedem Sturm ausgesezt gelassen haben: Daß ich, der nie etwas anders als bessers gekannt hat, diß ertragen soll, ist etwas schwer. Dein Wesen fieng mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu abgehärtet. Warum solltest du die Menschen hassen? Sie haben dir nie geschmeichelt. Was hast du ihnen geben können? Wenn du fluchen willt, so muß dein Vater, der arme Lumpenhund, der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoß von Brunst, irgend eine Bettlerin überfallen, und dich armseligen Erb-Lumpenhund zusammgeflikt hat Hinweg, pake dich! Wärest du nicht zum untersten unter allen Menschen gebohren, so würdest du ein Spizbube und Schmeichler gewesen seyn.

Apemanthus. Bist du noch stolz?

Timon. Ja, daß ich nicht du bin.

Apemanthus. Und ich, daß ich kein Verschwender gewesen bin.

Timon. Und ich, daß ich izt noch einer bin. Wär' aller Reichthum, den ich hatte, in dir aufgeschüttet, so wollt' ich dir Erlaubniß geben, ihn aufzuhängen. Geh deines Weges O! daß das Leben von ganz Athen in dieser Wurzel wäre! So wollt' ich es essen.

(Er ißt eine Wurzel.)

Apemanthus. Hier, ich will deine Mahlzeit verbessern.

Timon. Verbeßre erst meine Gesellschaft, und pake dich fort!

Apemanthus. Was hättest du gern zu Athen

Timon. Dich, in einem Wirbelwind; wenn du willt, so sag ihnen, ich habe Gold; siehst du, daß ich habe.

Apemanthus. Hier hat es keinen Nuzen.

Timon. Den besten und sichersten; denn hier schläft es, und thut keinen gedungnen Schaden.

Apemanthus. Wo ligst du des Nachts, Timon?

Timon. Unter dem was über mir ist. Wo futterst du des Tags, Apemanthus?

Apemanthus. Wo mein Magen Speise findet, oder vielmehr wo ich sie esse.

Timon. Ich wollte, das Gift müßte mir gehorchen, und wüßte meine Gedanken.

Apemanthus. Wo wolltest du es hinschiken?

Timon. Deine Schüsseln zu würzen.

Apemanthus. Das Mittel der Menschlichkeit hast du nie gekannt, sondern nur das äusserste von beyden Enden. Wie du in deinen vergoldeten Zimmern, und von ausgesuchten Specereyen umduftet warst, da trieben sie ihr Gespötte über deine ausschweiffende Zärtlichkeit des Geschmaks; izt da du in Lumpen bist, hast du gar keine, sondern wirst des Gegentheils halben verabscheut. Hier ist eine Mespel für dich, iß sie.

Timon. Ich esse von nichts, was ich nicht leiden kan.

Apemanthus. Kanst du die Mespeln nicht leiden?

Timon. Nein, ob sie schon dir gleich sehen.

Apemanthus. Hättest du sie früher nicht leiden können, so würdest du izt besser mit dir selbst zufrieden seyn. Hast du jemals einen Verschwender gekannt, den man noch geliebt hat, nachdem er um seine Mittel gekommen ist?

Timon. Wen hast du jemals ohne diese Mittel, wovon du redst, beliebt gesehen?

Apemanthus. Mich selbst.

Timon. Ich verstehe dich, du hast einige Mittel, einen Hund zu halten.

Apemanthus. Was für Dinge in der Welt findst du deinen Schmeichlern am ähnlichsten?

Timon. Weiber Was wolltest du mit der Welt thun, Apemanthus, wenn sie in deiner Gewalt wäre?

Apemanthus. Sie den wilden Thieren vorwerfen, damit ich der Menschen los würde.

Timon. Wolltest du selbst auch das Schiksal der Menschen haben, oder unter den wilden Thieren ein wildes Thier werden?

Apemanthus. Das lezte, Timon.

Timon. Ein bestialischer Wunsch, den die Götter dir gewähren mögen! Wenn du ein Löwe wärst, so würde dich der Fuchs betrügen; wärst du ein Lamm, so würde der Fuchs dich fressen; wärst du der Fuchs, so würdest du dem Löwen verdächtig werden, wenn dich zufallsweis ein Esel anklagte; wärst du der Esel, so würde dich deine Dummheit plagen, und du lebtest immer als ein Frühstük für den Wolf. Wärst du der Wolf, so würde dir deine Gefressigkeit zur Quaal werden, und du würdest oft dein Leben für dein Mittagessen wagen. Wärst du das Einhorn, so würde dich Stolz und Grimm verderben, und in Ermanglung eines andern würdest du die Beute deiner eignen Wuth werden. Wärst du ein Bär, so würde dich das Roß tödten; wärst du ein Roß, so würde dich der Leopard ergreiffen; wärst du ein Leopard, so wärst du des Löwen Vetter, und deine Fleken würden deine eigne Verwandten gegen dein Leben aufhezen. Alle deine Sicherheit wär' in Entfernung, und dein Schuz in der Abwesenheit eines Feindes. Was für ein Thier könntest du seyn, das nicht einem Thier unterworffen wäre? Und was für ein Stük Vieh bist du izt schon, daß du nicht siehst, wie viel du bey der Verwandlung verliehren würdest?

Apemanthus. Wenn du mir durch irgend ein Gespräch gefallen könntest, so hättest du es izt getroffen. Das gemeine Wesen von Athen ist ein Wald von Thieren worden.

Timon. Wie ist dann der Esel durch die Mauern gebrochen, daß du ausser der Stadt bist?

Apemanthus. Dort kommt ein Poet und ein Mahler; die Pest der menschlichen Gesellschaft falle auf dich! Ich besorge, daß sie mich ansteken möchte, und will mich mit der Flucht retten. Wenn ich sonst nichts zu thun weiß, will ich dich wieder sehen.

Timon. Wenn sonst nichts lebendiges mehr ist als du, sollt du mir willkommen seyn.

Apemanthus. Du bist das Oberhaupt von allen iztlebenden Narren.

Timon. Ich wollte, du wärest sauber genug, daß ich auf dich speyen könnte. Daß du die Kränke hättest!

Apemanthus. Du bist ein zu schlechter Kerl, als daß du jemandem fluchen könntest.

Timon. Alle Galgenschwengel werden rein, wenn sie neben dir stehen.

Apemanthus. Es ist sonst kein Aussaz, als was du redst.

Timon. Wenn ich dich nenne Prügeln will ich dich; doch, ich würde nur meine Hände kräzicht machen.

Apemanthus. Ich wollte, meine Zunge könnte machen, daß sie abfaulten.

Timon. Weg, du Gezücht eines räudigen Hunds. Ich sterbe vor Zorn, daß du in der Welt bist; ich fall' in Unmacht, wenn ich dich ansehe.

Apemanthus. Daß du bersten möchtest?

Timon. Hinweg, du verabscheuter Raker; ich fürchte, du treibst mir einen H*d*n ab.

Apemanthus. Vieh!

Timon. Sclave!

Apemanthus. Kröte!

Timon. Lumpenhund, Lumpenhund, etc.

(Apemanthus zieht sich zurük, als ob er gehe.)

Ich bin dieser falschen Welt überdrüssig, und will nichts in ihr lieben, als ihre blossen Nothwendigkeiten. So zögre dann nicht, Timon, dir dein Grab zu machen, dort, wo der leichte Meerschaum deinen Grabstein täglich schlagen soll; mache deine Grabschrift, daß der Tod in mir über andrer Leben lache. (Er sieht auf das Gold, das zu seinen Füssen ligt.) Odu angenehmer Königs-Mörder! du werthe Scheidung zwischen dem leiblichen Sohn und seinem Vater! du schimmernder Besudler von Hymens keuschestem Bette! du dapfrer Mars! du immer junger, frischer, beliebter, und reizender Buhler, dessen Röthe den geheiligten Schnee, der auf Dianens Schooß ligt, zerschmelzt! Du sichtbarer Gott, der Unmöglichkeiten zusammenfügt, und einander küssen macht! der jede Sprache zu jeder Absicht reden kan! Odu Probstein der Herzen; denke, dein Sclave, der Mensch, empöre sich wider dich, und seze sie durch deine Macht in eine so zerrüttende Zwietracht, bis die Herrschaft über die Welt den Thieren bleibt.

Apemanthus. Ich wollt' es wäre so, aber nicht eher, als bis ich todt bin! Ich will sagen, du habest Gold; was für einen Zulauff, du augenbliklich bekommen wirst!

Timon. Einen Zulauf?

Apemanthus. Ja.

Timon. Deinen Rüken, ich bitte dich.

Apemanthus. Leb' und liebe dein Elend!

Timon. Leb lange so und stirb so! Ich bin quitt.

Apemanthus. Schau, mehr Dinge die wie Menschen aussehen iß, Timon, und verabscheue sie.

(Apemanthus geht ab.)

Siebende Scene.

Die Diebe treten auf.

1. Dieb. Wo mag er wol sein Geld haben? Es wird irgend ein armseliges Fragment, irgend ein übriges Bißchen sein, das er noch davon gebracht hat. Nichts anders, als der Mangel an Geld, und der Undank seiner Freunde, hat ihn zu dieser Melancholey gebracht.

2. Dieb. Das Gerücht geht, er hab' einen Schaz gefunden.

3. Dieb. Wir wollen einen Versuch machen; wenn er nichts darnach fragt; wird er's uns gutwillig geben; aber wenn er so geizig ist, daß er's für sich allein behalten will, was ist dann zu thun?

2. Dieb. Er wird den Schaz nicht bey sich tragen; er wird ihn verstekt haben.

1. Dieb. Ist der nicht Timon?

Alle. Wo?

2. Dieb. Der Beschreibung nach ist er's.

3. Dieb. Er ists, ich kenn' ihn.

Alle. Grüß dich Gott, Timon.

Timon. He, Diebe.

Alle. Soldaten, keine Diebe.

Timon. Beydes, und von Weibern gebohren.

Alle. Diebe sind wir nicht, aber Leute, die sehr viel Bedürfnisse haben.

Timon. Euer gröstes Bedürfniß ist, was ihr aller Orten finden könnet: Was solltet ihr bedürfen? Seht, die Erde hat Wurzeln; innert einer Meile um uns her entspringen hundert Quellen; die Eichen tragen Eicheln, die Gesträuche, Hambutten; die gutthätige Hausmutter, Natur, legt auf jedem Busch ihren ganzen Kram vor euch aus Bedürfnisse? Warum Bedürfnisse?

1. Dieb. Wir können nicht von Gras, Beeren und Wasser leben; wie Thiere, Vögel und Fische.

Timon. Auch nicht von den Thieren, Vögeln und Fischen selbst; ihr müßt Menschen essen. Doch muß ich euch Dank dafür sagen, daß ihr offenbare Diebe seyd, und euch nicht in heiligere Gestalten einhüllet; denn es herrscht grenzenlose Dieberey auch in gesezmässigen Lebensarten. Galgenschwengel, Diebe, hier ist Gold! (Er giebt ihnen Geld.) Geht, saugt das flüchtige Blut der Traube, bis das hizige Fieber euer Blut zu Schaum kocht, und entgeht dadurch dem Galgen. Vertraut euch keinem Arzt, seine Arzneyen sind Gift, er tödtet mehr Menschen als ihr beraubt, und nimmt ihnen ihr Geld mit samt dem Leben. Treibt eure Bubenstüke, treibt sie, weil ihr euch dazu bekennt, wie ein andres Handwerk; ich will euch Beyspiele genug von Dieberey geben. Die Sonn' ist ein Dieb, und beraubt durch ihre starke Anziehung das weite Welt-Meer. Der Mond ist ein ausgemachter Dieb, und maußt sein blasses Licht der Sonne. Das Meer ist ein Dieb, dessen schmelzende Wellen Dämme in salzichte Thränen auflösen. Die Erde ist ein Dieb, die uns das Futter, wovon sie lebt, aus dem Unrath aller Dinge zusammenstiehlt; ein jedes Ding ist ein Dieb. Die Geseze, die euch binden und mit Ruthen streichen, haben ungestraften Diebstahl in ihrer rauhen Gewalt. Liebt euch selbst nicht, hinweg, beraubt einander, hier habt ihr mehr Gold; schneidet Kehlen ab; alle die euch begegnen sind Diebe: Geht nach Athen, brecht in offne Buden ein, denn ihr könnt nichts stehlen; das nicht von Dieben verlohren wird; stehlt nichts desto minder, weil ich euch Gold gebe, und Gold verderbe euch, Amen!

(Er geht ab.)

3. Dieb. Er hat mir mein Handwerk schier erleidet, indem er mich dazu aufmunterte.

1. Dieb. Das ist die allgemeine Bosheit der Menschen; er giebt uns einen Rath, in Hoffnung, daß er uns an den Galgen bringen werde.

2. Dieb. So will ich ihm glauben wie einem Feind, und meine Profeßion aufgeben.

1. Dieb. Wir wollen erst warten, bis zu Athen Fried' ist.

2. Dieb. Es ist kein so schlimmer Zustand, worinn ein Mensch nicht noch gut werden kan.

(Sie gehen ab.)


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