Johann Gottfried Seume
Obolen
Johann Gottfried Seume

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Erstes Bändchen

Widmung des ersten Bändchens an Platner

 
Dem Herrn
Doctor Platner
in Leipzig
aus wahrer beständiger Hochachtung
gewidmet.
 

Verehrungswürdiger Lehrer!

Sie erhalten hier ein Schreiben mit literarischen Kleinigkeiten von einem Manne, dessen Name Ihnen vielleicht kaum unter der Anzahl Ihrer Schüler erinnerlich ist. Aber ich kann und werde die glücklichen Stunden nicht vergessen, wo ich mit gefesselter Aufmerksamkeit vor Ihrem Lehrstuhle saß, von welchem Sie mit edlem Eifer in starker männlicher Sprache den Werth der Weisheit und Tugend und die Stärken und Schwächen unserer Seele uns lehrten. Der gedrängte Saal hing in feierlicher Stille am Gegenstande und Vortrage; von Hunderten wurde kein Athem gehört, und selbst der Zögling der Mode vergaß das Spiel mit dem Uhrbande.

Erlauben Sie, daß ich Ihnen hier öffentlich ein kleines Dankopfer bringe! Nichts kann mich dazu bestimmen als das wahre, innige Gefühl meines Herzens. Wenn auch meine Arbeit nicht durchaus Ihre Billigung erhält, so wird doch die Erinnerung Sie nicht betrüben, daß ich einst mit in Ihrem Hörsaale war. Sie gestehen gern Jedem seinen eigenen Ideengang zu: ich nehme das Fehlerhafte auf meine Rechnung und bekenne mich für das Gute als Schuldner Ihrer Schule.

Nehmen Sie meine Versuche mit gütiger Nachsicht auf! Es sind nur Obolen; Jeder opfert nach seinem Vermögen. Wenn Sie dieses lesen, schlummere ich vielleicht an dem Fuße einer Alpe oder halte Posten an einer Schlucht des Kaukasus. Aber überall folgt mir das dankbare Andenken an alle Wohlthaten meiner Lehrer, und unter diesen vorzüglich an die Ihrigen.

Leipzig, 1796.
Seume.


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