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Viertes Kapitel.

Wir hörten den Tecbir, die Araber
Benennen so den Schlachtruf, wenn anstürmend
Sie auf zum Himmel schrein um Waffenglück.
Die Schlacht begann und durchs Barbarenheer
Scholl nur der Schrei: Kampf! Kampf! und Paradies!

Die Belagerung von Damaskus.

Die Sprache des nordischen Kriegers hatte ungeachtet seiner Ehrfurcht vor dem Kaiser und seiner Ergebenheit gegen seinen Führer mehr von der derben Treuherzigkeit, als man in dem kaiserlichen Pallaste zu hören gewohnt war; und obgleich die Prinzessin Anna Comnena zu denken begann, daß sie sich auf das Urtheil eines strengen Richters berufen habe, so erkannte sie doch zugleich aus seinem offenen Wesen, daß seine Achtung wahrer und sein Beifall, sollte sie ihn erhalten, schmeichelhafter sein würde, als das gleisnerische Lob aller Hofleute ihres Vaters. Sie blickte auf Hereward, den wir schon als einen sehr schönen jungen Mann beschrieben haben, mit Erstaunen und Aufmerksamkeit, und fühlte den natürlichen Wunsch zu gefallen, der beim Anblick einer schönen Person von anderem Geschlecht leicht erregt wird. Sein Anstand war frei und natürlich, ohne unhöflich und tölpelhaft zu sein. Als Barbar war er der gesellschaftlichen Formen und des feinen Welttons überhoben. Aber sein kriegerisches Aussehen und sein edles Selbstvertrauen erweckte mehr Theilnahme für ihn, als ein gezwungener ängstlicher Anstand und eine übertriebene Scheu gethan haben würden.

Kurz die Prinzessin Anna Comnena war, ungeachtet ihres hohen Rangs, und ungeachtet sie im kaiserlichen Purpur geboren war, was sie selbst für die höchste Eigenschaft hielt, bei dem Wiederbeginnen ihrer geschichtlichen Vorlesung besorgter, den Beifall dieses rohen Kriegers zu gewinnen als den ihrer übrigen Zuhörer vom Hof. Sie kannte diese letzteren wohl und machte sich nichts aus dem Beifall, den des Kaisers Tochter vollauf von den griechischen Höflingen zu erwarten hatte, denen sie die Erzeugnisse von ihres Vaters Tochter mittheilen würde. Nun aber war ein anderer Richter da, dessen geschenkter Beifall einen wahren Werth haben mußte, da dieser Beifall nur von dem Kopf oder dem Herzen des Hörenden zu erhalten war.

Vielleicht waren diese Erwägungen schuld, daß die Prinzessin mehr Zeit als gewöhnlich brauchte, die Stelle auf der Pergamentrolle zu finden, mit der sie beginnen wollte. Auch bemerkte man, daß sie ihre Vorlesung mit einer Unsicherheit und Verlegenheit anfing, die ihre edlen Zuhörer, die sie so oft mit aller Geistesruhe vor einem in ihren Augen vornehmeren und gelehrteren Kreise gesehen hatten, in Erstaunen setzte.

Auch für den Waräger waren die Umstände nicht der Art, ihn bei dem Auftritt gleichgültig zu lassen. Anna Comnena hatte freilich ihr fünftes Lustrum erreicht, also den Zeitpunkt, wo die griechische Schönheit abzunehmen beginnt. Wie weit sie über diesen bedenklichen Zeitpunkt hinaus war, war für Alle außer für die vertrauten Wärterinnen der Purpurkammer ein Geheimniß. Kurz, nach dem, was die Leute sagten, und was der Prinzessin Hang zur Philosophie und Literatur, der sich mit der ersten Jugendblüthe nicht wohl verträgt, zu bestätigen schien, war sie eins oder zwei Jahre älter. Sie mochte also siebenundzwanzig Jahr alt sein.

Immer noch war Anna Comnena oder hatte erst kürzlich zu sein aufgehört eine Schönheit ersten Rangs, die gewiß noch Reize genug hatte, einen Barbaren des Nordens zu fesseln, wenn derselbe die weite Kluft, die ihn von ihr trennte, nicht behutsam im Auge behielt. Doch selbst diese Vorsicht hätte den kühnen, freigebornen und furchtlosen Hereward vor den Reizen dieser Zauberin nicht gerettet: denn in diesen Zeiten seltsamer Umwälzungen waren manche Beispiele vorgekommen, daß siegreiche Generale das Lager kaiserlicher Prinzessinnen, die vielleicht von ihnen, um ihren Bewerbungen zugänglich zu werden, zu Wittwen gemacht worden waren, getheilt hatten. Indeß aus anderen Rücksichten, die der Leser später erfahren wird, sah Hereward in der Prinzessin, wiewohl ihm die ungewöhnliche Aufmerksamkeit, die ihm von derselben geschenkt wurde, schmeichelte, nur die Tochter seines Kaisers und selbstgewählten Oberherrn und das Weib eines edlen Fürsten, und Vernunft sowohl als Pflicht verboten ihm, sie in einem anderen Lichte zu sehen.

Endlich begann die Prinzessin Anna nach einiger Fassung die Vorlesung. Anfangs war ihre Stimme unsicher. Als sie aber die folgende Stelle aus der Geschichte des Alexius Comnenus, eine Stelle, die leider in der Sammlung der Byzantiner fehlt, weiter vorlas, wurde ihre Stimme lauter und stärker. Die Anführung dieser Stelle kann dem geschichtsliebenden Leser nur willkommen sein, und der Verfasser hofft, für die Erhaltung eines merkwürdigen Bruchstücks, das ohne diese Mittheilung wahrscheinlich dem Meere der Vergessenheit zugeströmt wäre, den Dank der gelehrten Welt zu erwerben.

 

Der Rückzug von Laodicäa.

Aus der Prinzessin Comnena griechischen Geschichte ihres Vaters hier zum erstenmal veröffentlicht.

»Die Sonne hatte sich im Ocean zur Ruhe begeben, beschämt, wie es schien, das unsterbliche Heer unseres geheiligten Kaisers Alexius von ungläubigen Barbarenhorden umringt zu sehen, die, wie wir im vorhergehenden Kapitel gesagt haben, die verschiedenen Pässe im Angesicht und im Rücken der Römer, die während der vergangenen Nacht von den listigen Barbaren nicht beunruhigt worden waren, eingenommen hatten. Obwohl uns nun ein siegreiches Vordringen in diese Lage gebracht hatte, so wurde es jetzt sehr bedenklich und zweifelhaft, ob unsere siegreichen Adler in dem feindlichen Lande weiter vorzudringen oder nur einen sicheren Rückzug heimwärts zu machen vermöchten.

»Die große Erfahrung des Kaisers in militärischen Dingen, worin er die meisten lebenden Fürsten übertrifft, hatte ihn am vergangenen Abend veranlaßt, mit wunderbarer Genauigkeit und Vorsicht die Stellung des Feindes zu erforschen. Zu diesem höchst nöthigen Dienst verwandte er gewisse leichtbewaffnete Barbaren, deren Sitten und Disciplin ursprünglich von den Wilden in Syrien herstammen, und wenn ich die Wahrheit sprechen soll, die immer in der Feder eines Geschichtsschreibers sein muß, so muß ich bekennen, daß sie gleich den Feinden Ungläubige waren, jedoch dem römischen Dienst treulich zugethan und ergebene Sklaven des Kaisers, dem sie die verlangte Auskunft über die Stellung seines Feindes Jezdegerd hinterbrachten. Diese Leute brachten die Auskunft erst lange nach der Stunde, wo sich der Kaiser zur Ruhe zu begeben pflegt.

»Trotz dieser Störung in der Zeiteintheilung hielt unser kaiserlicher Vater, der die Ceremonie des Auskleidens aufgeschoben hatte, da der Augenblick so wichtig war, bis tief in die Nacht Rath mit seinen weisesten Feldherren, Männern, deren tiefer Verstand eine untergehende Welt gerettet haben würde und die sich nun beriethen, was in den gegenwärtigen Umständen zu thun sein möchte. Und so dringend war die Stunde, daß man die gewöhnlichen Vorschriften des Haushalts vernachlässigte: denn ich habe von Augenzeugen gehört, daß das kaiserliche Bett in dem Versammlungszimmer ausgebreitet wurde und daß die heilige Lampe, das sogenannte Licht des Raths, das immer brennt, wenn der Kaiser selbst den Vorsitz bei den Berathungen seiner Diener führt, in dieser Nacht (was in unseren Annalen unerhört ist) mit unparfümirtem Oel gefüllt war!!«

Die schöne Vorleserin machte hier eine Geberde, die heiligen Abscheu ausdrückte, und die Zuhörer bezeigten ihr Mitgefühl durch ähnliche Zeichen: wir sagen hierüber nur so viel, daß der Seufzer des Achilles Tatius sehr pathetisch klang, während das Stöhnen Agelastes, des Elephanten, furchtbar bestialisch lautete. Hereward schien wenig gerührt, nur etwas erstaunt über das Betragen der Anderen. Die Prinzessin, nachdem sie ihren Zuhörern die nöthige Zeit vergönnt hatte, ihr Mitgefühl auszudrücken, fuhr also weiter fort:

»In dieser traurigen Lage, wo selbst die begründetsten und heiligsten Regeln des kaiserlichen Haushalts einer dringenden Entschließung für den folgenden Tag weichen mußten, waren die Meinungen der Rathgeber je nach Charakter und Grundansichten verschieden, wie es denn von den Besten und Weisesten bei solchen Gelegenheiten leicht zu erwarten ist.

»Ich will hier nicht die Namen und Ansichten derjenigen niederlegen, deren Anschläge vorgelegt und verworfen wurden: denn ich achte das Geheimniß und die Freiheit der Besprechung, wie solches dem kaiserlichen Cabinet gebührt. Nur so viel sage ich, daß einige dafür stimmten, den Feind ohne Verzug durch ein weiteres Vordringen anzugreifen. Andere hielten es für sicherer und leichter, uns auf dem Wege, den wir gekommen waren, den Rückzug zu erzwingen. Auch darf es nicht verschwiegen werden, daß Männer von bewährter Ergebenheit einen dritten Ausweg vorschlugen, der in der That sicherer war als die anderen, der aber unserem edelgesinnten Vater gänzlich mißfiel. Sie riethen, einen vertrauten Sklaven in Begleitung eines Dieners des inneren Kaiserpallastes zu dem Zelte Jezdegerds zu senden, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen der Barbar unserem siegreichen Vater freien Rückzug an der Spitze seines siegreichen Heeres verstatten würde. Als dies unser kaiserlicher Vater hörte, rief er aus: Heilige Sophia! wodurch er eine Beschwörung ankündigte, wie er sich dieselbe zu erlauben gewohnt war, und offenbar war er im Begriff, gegen den entehrenden Rath und die Feigheit derer, die ihn gaben, heftig zu sprechen, als seine kaiserliche Majestät in Erwägung des Wechsels der menschlichen Dinge und des Schicksals einiger seiner kaiserlichen Vorfahren, die sich gerade in diesen Gegenden den Ungläubigen übergeben mußten, seine edle Aufwallung unterdrückte und seinen Kriegsräthen seine Gefühle in einer ruhigen Rede zu erkennen gab, in welcher er erklärte, daß ein so verzweifeltes und entehrendes Mittel selbst in der äußersten Gefahr von ihm verworfen werden würde. So vernichtete der mächtige Fürst nicht nur einen für seine Waffen schimpflichen Rathschlag, sondern er feuerte dadurch auch den Eifer der Truppen an, während er sich heimlich dies Pförtchen offen hielt, das in der höchsten Noth einen sicheren, obgleich unter weniger dringenden Umständen keinen ehrenvollen Rückzug verstattete.

»Als die Berathung in dieser traurigen Ungewißheit schwebte, brachte der berühmte Achilles Tatius die erfreuliche Kunde, daß er und einige seiner Leute auf der linken Seite unseres gegenwärtigen Lagerplatzes einen Ausweg entdeckt habe, auf welchem wir, wiewohl auf einem großen Umweg, durch einen angestrengten Marsch die Stadt Laodicäa erreichen und bei einem Rückzug nach unseren Hülfsquellen vor dem Feinde in einiger Sicherheit sein könnten.

»Sobald dieser Hoffnungsstrahl den verdüsterten Geist unseres gnädigsten Vaters berührte, machte er solche Anstalten, welche den ganzen Nutzen dieses Vortheils sichern konnten. Seine kaiserliche Hoheit wollte den tapferen Warägern, deren Streitäxte er für die Blüthe seines kaiserlichen Heeres ansah, nicht erlauben, bei dieser Gelegenheit an der Spitze der Angreifenden zu fechten. Er beschwichtigte die Kampfeslust, durch welche sich diese edlen Fremdlinge zu allen Zeiten ausgezeichnet haben, und gab den Befehl, daß sich die syrischen Truppen, deren wir oben gedacht haben, so stille als möglich in der Nähe des verlassenen Passes versammeln sollten, mit der Weisung ihn zu besetzen. Der gute Genius des Kaiserreichs rieth dies an; denn da sie an Sprache, Bewaffnung und Rüstung dem Feinde glichen, so ließ sich hoffen, daß ihre leichte Schaar ohne Widerstand den Paß besetzen und so dem übrigen Heer, dessen Vorhut die Waräger als des Kaisers nächste Bedeckung bilden sollten, den Durchgang sichern würde. Die wohlbekannten Schaaren der sogenannten Unsterblichen folgten zunächst: sie machten den Kern des Heeres aus und bildeten das Centrum und die Nachhut. Obgleich Achilles Tatius, der getreue Akoluthos des Kaisers, darüber verdrüßlich war, daß er die Nachhut, die er für sich und seine tapferen Krieger gewünscht hatte und die der gefährliche Punkt damals war, nicht einnehmen sollte, so fügte er sich doch gerne den Anordnungen des Kaisers, die für die Sicherheit der kaiserlichen Person und des ganzen Heeres die zweckmäßigsten waren.

»So wie die kaiserlichen Befehle schleunigst abgeschickt worden waren, so wurden sie auch schnell und genau ausgeführt, um so mehr als sie einen Rettungsweg angaben, an dem selbst die ältesten Krieger fast verzweifelt waren. Während des todten Zeitraums, wo, wie der göttliche Homer sagt, Götter und Menschen zugleich schlummern, hatte die Klugheit und Wachsamkeit eines Einzigen dem ganzen römischen Heere Rettung verschafft. Kaum berührten die ersten Morgenstrahlen die Gipfel der Gebirgspässe, so wurden sie auch schon von den stählernen Helmen und Speeren der Syrer zurückgeworfen, die unter dem Befehl des Monastras standen, der mit seinem Stamm dem Kaiserreich ergeben war. Der Kaiser, an der Spitze seiner getreuen Waräger, zog durch die Pässe, um nach der Stadt Laodicäa hin den gewünschten Vorsprung zu gewinnen, wodurch ein Zusammentreffen mit den Barbaren verhütet werden sollte.

»Es war ein schönes Bild, als der dunkle Haufen der nordischen Krieger, der den Vortrab bildete, langsam und abgemessen durch die Gebirgspässe zog, Felsen und Abgründe umging und wegsamere Höhen überstieg, einem starken und mächtigen Strome vergleichbar, während sich die leichten Schaaren der Bogenschützen und Speerwerfer, die nach morgenländischer Art bewaffnet waren, auf den steileren Seiten des Passes zerstreuten, leichtem Schaume an dem Rand des Stromes zu vergleichen. In der Mitte der Leibwächter war das stolze Schlachtroß seiner kaiserlichen Majestät zu sehen, das ungeduldig den Boden stampfte, als zürne es über die lange Abwesenheit seines kaiserlichen Reiters. Der Kaiser Alexius selbst reiste in einer von acht starken afrikanischen Sklaven getragenen Sänfte, damit er vollkommen ausgeruht auf's Pferd steigen könnte, sobald das Heer von dem Feind angefallen würde. Der tapfere Achilles Tatius ritt nahe bei der Sänfte seines Herren, damit keine der hochweisen Ideen, durch welche unser erhabener Herrscher so oft das Loos der Schlachten entscheidet, verloren gehen möchte, wenn Niemand zugegen wäre, der die mitgetheilte Idee alsbald ausführen könnte. Noch muß ich sagen, daß dicht bei der Sänfte des Kaisers noch drei oder vier andere waren: die eine war für den Mond des Universums bestimmt, wie man die gnädigste Kaiserin Irene wohl nennen kann. In einer der übrigen, dies sei noch erwähnt, befand sich die Verfasserin dieser Geschichte, die auf keine andere Auszeichnung Anspruch macht, es sei denn als Tochter der hohen und geheiligten Personen, mit denen sich diese Geschichte hauptsächlich befaßt. In dieser Ordnung zog das kaiserliche Heer durch die gefährlichen Schluchten, in denen man der Gefahr ausgesetzt war, von den Barbaren beunruhigt zu werden. Sie wurden ohne Widerstand glücklich zurückgelegt. Als wir an den Abweg des Passes gekommen waren, wo man die Stadt Laodicäa erblickt, gebot der Kaiser in seiner Weisheit dem Vortrab (der, obwohl aus Schwerbewaffneten bestehend, bis hierher sehr schnell marschirt war) Halt, theils damit sie sich selbst ausruhen und erquicken könnten, theils damit der Nachzug Zeit hätte, heraufzukommen und die Lücken auszufüllen, die durch die schnelle Bewegung des Vortrabs in der Marschlinie entstanden waren.

»Der zu diesem Behuf erwählte Platz war sehr schön: es war ein mäßiger und im Vergleich unbedeutender Bergrücken, der sich unregelmäßig zwischen Laodicäa und dem von uns besetzten Paß in die Ebene senkte. Die Stadt war ungefähr hundert Stadien entfernt und einige unserer lebhafteren Krieger behaupteten, daß sie bereits die Thürme und Zinnen, die in den ersten Strahlen der Morgensonne glänzten, zu unterscheiden vermöchten. Ein Bergstrom, der an dem Fuße eines ungeheuren Felsens entsprang, sandte sein köstliches Naß zur Ebene hinab, Kräuter und selbst große Bäume beim Hinabfließen ernährend, bis er sich vier bis fünf Meilen weiter, wenigstens in der trockenen Jahreszeit, zwischen Sand- und Steinhaufen verlor, die zur Regenzeit die Stärke und Wuth seines Falls bezeugten.

»Es war erfreulich zu sehen, welche Aufmerksamkeit der Kaiser den Gefährten und Beschützern seines Marsches erwies. Durch Trompeten wurde von Zeit zu Zeit einzelnen Haufen der Waräger das Zeichen gegeben, ihre Waffen abzulegen, die vertheilten Lebensmittel zu genießen und ihren Durst an dem klaren Strome zu stillen, der den Hügel hinabfloß; auch konnte man es sehen, wie sie ihre stämmigen Leiber auf dem Rasen ausstreckten. Der Kaiser, seine hohe Gemahlin, die Prinzessin und die Damen wurden auch mit dem Frühstück bedient, und zwar an der obersten Quelle, welche die Soldaten durch ihre gemeine Berührung nicht verunreinigt und ehrfurchtsvoll der purpurgebornen Familie überlassen hatten. Auch unser geliebter Gemahl war bei dieser Gelegenheit zugegen und einer der ersten, die ein Unglück jenes Tags bemerkten. Denn wiewohl das Mahl im Ganzen trotz der schrecklichen Umstände vermöge der Geschicklichkeit der kaiserlichen Mundoffiziere so bedient worden war, daß es sich von dem gewöhnlichen Reichthum des Haushalts wenig unterschied, so fand sich doch, als seine kaiserliche Hoheit Wein forderte, nicht nur das für den kaiserlichen Mund ausersehene heilige Naß völlig erschöpft oder zurückgelassen, es war nicht einmal, um mit Horaz zu reden, der schlechteste Sabiner-Krätzer vorhanden, so daß seine kaiserliche Hoheit freudig das Anerbieten eines rohen Warägers annahm, der ihm seinen Theil gebrauten Gerstensaftes darreichte, den diese Barbaren dem Rebensaft vorziehen. Der Kaiser trank also von diesem schlechten Getränk.

»Füge hinzu,« sagte der Kaiser, der bisher sehr nachdenklich oder halb im Schlafe gewesen war, »füge wörtlich Folgendes hinzu: ›Und bei der Morgenhitze und der Hast eines so schnellen Marsches, da zahlreiche Feinde den Rücken bedrohten, war der Kaiser so durstig, daß er all sein Leben keinen angenehmeren Trunk gethan zu haben glaubte.‹

Dem Befehle ihres kaiserlichen Vaters gehorchend, gab die Prinzessin das Manuscript der schönen Sclavin, die es geschrieben hatte; dann wiederholte sie der schonen Schreiberin den anbefohlenen Zusatz und befahl derselben, ausdrücklich zu bemerken, daß der Zusatz auf kaiserlichen Befehl gemacht worden sei; hierauf fuhr sie also fort: »Ich würde mich hier über den Lieblingstrank von Eurer kaiserlichen Majestät getreuen Warägern weiter verbreitet haben; aber da Eure Hoheit diesen Trank einmal gerühmt hat, so ist der Gegenstand über die Erörterung einer untergeordneten Person erhaben. Es genüge zu sagen, daß wir uns so alle wohl vergnügten: die Damen und Sclaven überboten sich, die kaiserlichen Ohren zu ergötzen; die Soldaten ließen sich längs der Schlucht in verschiedenen Stellungen sehen, einige zerstreut an dem Waldbach, andere bei den Waffen ihrer Kameraden abwechselnd Wache haltend, während die zurückgebliebenen Truppen und namentlich die Unsterblichen unter dem Befehl des Protospatharius herankamen, und sich Schaar für Schaar dem Hauptheere anschlossen. Denjenigen Soldaten, die schon erschöpft waren, wurde eine kurze Erholung vergönnt; hierauf wurde ihnen befohlen, auf der Straße von Laodicäa vorzurücken, und ihre Führer wurden angewiesen, sobald sie in Verbindung mit der Stadt sein würden, Verstärkungen und Erfrischungen von dort zu begehren, namentlich den geheiligten Weinvorrath für den kaiserlichen Mund nicht zu vergessen. Die Unsterblichen und andere römische Schaaren hatten sich also in Marsch gesetzt und eine Strecke zurückgelegt, da es der kaiserliche Wille war, daß die Waräger, die vorhin den Vortrab gebildet hatten, nun die Nachhut bilden sollten, damit die leichten syrischen Truppen, die immer noch die Höhen des Passes besetzt hielten, in Sicherheit kommen könnten, als wir von der andern Seite der Schlucht, die wir so glücklich durchzogen hatten, das furchtbare Leliegeschrei vernahmen, wie die Araber ihren Schlachtruf nennen, wiewohl es schwer zu sagen ist, zu welcher Sprache er gehört. Vielleicht kann einer der Zuhörer meine Unwissenheit erleuchten.«

»Darf ich sprechen und leben?« sagte der Akoluthos Achilles stolz auf seine Gelehrsamkeit, »die Worte heißen – Alla illa alla Mahomed resoul alla. Diese oder ähnlich lautende Worte enthalten das arabische Glaubensbekenntniß, das sie beim Angriff immer ausrufen; ich habe es oftmals gehört.«

»Und ich auch,« sagte der Kaiser; »und wie du ohne Zweifel nicht thatest, habe ich mich oft an einen anderen Ort gewünscht, wenn ich es hörte.«

Der ganze Kreis war gespannt, die Antwort des Achilles Tatius zu hören. Er war aber ein zu feiner Hofmann, um eine unkluge Antwort zu geben. »Es war meine Pflicht,« versetzte er, »mich als Euer getreuer Akoluthos in die Nähe Eurer kaiserlichen Hoheit zu wünschen, wohin Ihr Euch auch in dem Augenblick hättet wünschen mögen.«

Agelastes und Zosimus wechselten Blicke, und die Prinzessin fuhr in ihrer Vorlesung fort.

»Die Ursache dieser furchtbaren Töne, die wild durcheinander die Felsschlucht heraufschallten, wurde von einem Dutzend Reiter bald erklärt, die auf Kundschaft ausgesandt worden waren.

»Sie berichteten uns, daß die Barbaren, welche am vergangenen Tage unseren Lagerplatz umzingelt gehalten hatten, nicht im Stande gewesen wären, ihre zerstreuten Haufen zu vereinigen, so lange unsere leichten Truppen den Posten nicht geräumt hätten, den sie zur Deckung unseres Rückzugs besetzt hielten. Sie zogen sich aber von den Höhen in den Paß hinunter, als sie trotz des Felsenbodens von Jezdegerd wüthend angegriffen wurden, der an der Spitze einer großen Schaar seiner Leute focht, die er mit vieler Mühe dahin gebracht hatte, die syrische Nachhut zu beunruhigen. Ungeachtet der Paß der Reiterei nicht günstig war, so führte doch der ungläubige Feldherr seine Leute mit einem Ungestüm vorwärts, daß die Syrer des römischen Heeres, die ihre Leute etwas in der Ferne sahen, auf den gehässigen Gedanken kamen, sie seien aufgeopfert, und nach allen Seiten hin flohen, statt auf einem Punkt muthig zu widerstehen. Die Sachen standen also am anderen Ende des Passes schlimmer als zu wünschen war, und wer begierig war, ein Ding zu sehen, das man die Niederlage der Nachhut eines Heeres nennen kann, betrachtete die von den Hohen durch die Hunde von Muselmännern vertriebenen, überwältigten, einzeln niedergemachten und schaarweise gefangen genommenen Syrer.

»Seine kaiserliche Hoheit sah dem Kampf ein paar Minuten zu und, sehr bewegt von dem, was er sah, befahl er etwas hastig den Warägern, ihre Waffen zu ergreifen und eiligst gen Laodicäa zu marschiren; worauf einer dieser nordischen Krieger kühn sagte, wiewohl er dem kaiserlichen Befehl widersprach: »Wenn wir diese Höhen hastig räumen, so wird unsere Nachhut in Verwirrung gebracht, nicht nur durch unsere eigene Hast, sondern auch durch jene syrischen Ausreißer, die sich Hals über Kopf in unsere Reihen stürzen werden. Laßt zweihundert Waräger, die für die Ehre Englands leben und sterben wollen, mit mir die Enge des Passes besetzen, während die übrigen den Kaiser nach Laodicäa oder wie es heißt, begleiten. Wir können fallen bei der Vertheidigung, doch wir sterben unserer Pflicht; und ich zweifle nicht daran, daß wir diesen belfernden Hunden ein Mahl zurichten werden, das ihnen für heute die Lust benehmen soll, noch ein anderes zu suchen!«

»Mein kaiserlicher Vater erkannte alsbald den Werth dieses Planes, obgleich er fast weinen mußte, als er sah, mit welcher Ergebenheit sich diese armen Barbaren unter die Zahl derer drängten, die das kühne Wagstück bestehen sollten, mit welcher Freundlichkeit sie sich bei ihren Kameraden beurlaubten und mit welchem Jubelgeschrei sie ihrem Herrscher nachsahen, als er die Höhe hinabzog und sie auf Sieg oder Tod zurückließ. Die kaiserlichen Augen schwammen in Thränen, und ich schäme mich nicht zu bekennen, daß wir, die Kaiserin und ich, in jenem schrecklichen Augenblicke unseren Rang vergaßen, indem wir jenen tapferen und sich selbst aufopfernden Männern ähnliche Theilnahme bezeigten.

»Wir verließen den Führer, der sorgfältig die Handvoll Leute zur Vertheidigung des Passes ordnete; die Mitte des Weges wurde von ihrem Centrum besetzt, während die Flügel zu beiden Seiten so gestellt waren, daß sie den Feind in den Flanken packen konnten, wenn er rasch gegen die andränge, die ihm im Wege standen. Wir hatten noch nicht den halben Weg zur Ebene zurückgelegt, als ein furchtbares Geschrei erscholl, worin sich die Stimmen der Araber mit dem dumpfen und regelmäßigen Jubeln mischten, das jene Fremdlinge dreimal zu wiederholen pflegen, wenn sie ihren Befehlshabern und Fürsten Heil bieten, und wenn sie zum Handgemenge kommen. Mancher Blick ihrer Kameraden kehrte nach ihnen zurück, und manche Gestalt wurde in den Reihen bemerkt, die den Meißel eines Bildhauers forderte, während die Krieger im Zweifel standen, ob sie dem Ruf der Pflicht, die ihnen mit dem Kaiser vorwärts zu marschiren gebot, oder ob sie dem Drang des Muthes folgen sollten, der sie zu ihren Kameraden zurücktrieb. Die Mannszucht behielt jedoch die Oberhand und das Hauptheer zog weiter.

»Eine Stunde war verflossen, während welcher wir von Zeit zu Zeit das Schlachtgetümmel hörten, als sich ein reitender Waräger neben der Sänfte des Kaisers einstellte. Das Roß war von Schaum bedeckt und hatte offenbar, dem Sattelschmuck, der Feinheit der Glieder und Gelenke nach zu urtheilen, irgend einen Häuptling der Wüste zum Reiter gehabt, und war in der Schlacht in die Hände der nordischen Krieger gefallen. Die Axt, die der Waräger trug, war mit Blut befleckt, und Todtenblässe bedeckte sein Gesicht. Diese Merkmale eines jüngst stattgehabten Kampfes entschuldigten die Unregelmäßigkeit seiner Begrüßung. »Hoher Kaiser,« rief er aus, »die Araber sind geschlagen, und Ihr könnt den Marsch mit mehr Muße fortsetzen.«

»Wo ist Jezdegerd?« sagte der Kaiser, der manche Ursache hatte, diesen berühmten Häuptling zu fürchten.

»Jezdegerd,« versetzte der Waräger, »ist da, wo tapfere Männer sind, die in ihrer Pflicht fallen.«

»Und das ist« – sagte der Kaiser, begierig das Schicksal eines so furchtbaren Gegners genau zu erfahren –

»Da, wohin ich jetzt gehe,« antwortete der treue Soldat, der, während er sprach, vom Pferde sank, und zu den Füßen der Sänfteträger starb.

»Der Kaiser rief seinen Dienern zu, darauf zu achten, daß die Leiche dieses treuen Söldners, dem er ein ehrenvolles Begräbniß bestimmte, nicht den Schakalen und Geiern überlassen bliebe; und einige seiner angelsächsischen Brüder, bei denen er in nicht kleinem Ansehen gestanden hatte, nahmen die Leiche auf die Schultern und setzten mit dieser Last den Marsch fort, bereit ihre köstliche Bürde zu vertheidigen, wie der tapfere Menelaus den Leichnam des Patroklus.«

Die Prinzessin Anna Comnena machte hier eine natürliche Pause: denn da sie hier einen Abschnitt erreicht hatte, so wollte sie erspähen, welchen Eindruck ihre Zuhörer empfangen hätten. In der That, hätte sie nicht so vertieft auf ihr Manuscript gesehen, so würde die Rührung des fremden Kriegers früher schon ihre Aufmerksamkeit angezogen haben. Beim Beginn der Vorlesung war er in der zuerst angenommenen steifen Stellung einer Schildwache geblieben und schien nichts Anderes zu bedenken, als daß er diesen Dienst vor dem kaiserlichen Hof zu verrichten habe. So wie die Erzählung weiter vorschritt, schien seine Theilnahme an der Vorlesung zu wachsen. Er lächelte heimlich mit Verachtung über die Angst der Hauptleute im mitternächtlichen Kriegsrath und fast hätte er laut über die Lobsprüche gelacht, die seinem eigenen Führer Achilles Tatius ertheilt wurden. Selbst der Name des Kaisers, obwohl er ihn mit Ehrfurcht nennen hörte, machte nicht den Eindruck auf ihn, den die Tochter desselben mit Nachdruck und Uebertreibung erwecken wollte.

Das Gesicht des Warägers hatte bis hierher nur eine geringe innere Bewegung verrathen, aber diese Bewegung nahm zu, als die Vorleserin den Halt beschrieb, den man nach der Zurücklegung des Passes machte, den unerwarteten Angriff der Araber, den Rückzug der den Kaiser begleitenden Schaar und den Eindruck des fernen Gefechts. Beim Anhören dieser Ereignisse verlor er den starren Ausdruck eines Soldaten, der die Geschichte seines Kaisers mit denselben Gefühlen anhört, wie er am Pallaste desselben Wache steht. Seine Farbe wechselte; seine Augen wurden groß und glänzend; seine Glieder bewegten sich mehr, als er selbst zu wollen schien, und sein ganzes Wesen war in einen Zuhörer verwandelt, den die Vorlesung vollkommen hinriß und für alles Andere, was ihn umgab und um ihn geschah, fühllos und kalt ließ.

Je weiter die Vorleserin fortfuhr, je weniger konnte Hereward seine Rührung verbergen, und in dem Augenblick, wo die Prinzessin einhielt, war er dergestalt hingerissen, daß er, vergessend, wo er sich befand, seine schwere Axt auf den Boden fallen ließ und händeringend ausrief: »O mein armer Bruder!«

Alle fuhren beim Klang der fallenden Waffe zusammen, mehrere Personen versuchten es zugleich, die Ursache dieses auffallenden Ereignisses zu erklären. Achilles Tatius sprach einige Worte, um Hereward wegen der rauhen Art, seinen Schmerz auszudrücken, zu entschuldigen, indem er den anwesenden hohen Personen erklärte, daß der arme, ungebildete Barbar der jüngere Bruder dessen sei, der in dem denkwürdigen Paß als Befehlshaber gefallen wäre. Die Prinzessin sagte nichts, doch war sie augenscheinlich bewegt, vielleicht erfreut, einen Eindruck gemacht zu haben, der ihr als Schriftstellerin so schmeichelhaft sein mußte. Die Anderen, jeder in seiner Weise, sprachen einzelne Worte, die Trost bringen sollten: denn Unglück, das aus einer natürlichen Quelle stammt, erweckt meist selbst bei den verbildetsten Gemüthern Theilnahme. Die Stimme des Alexius machte alle diese Redner verstummen. »Ha, mein tapferer Krieger, Edward!« sagte der Kaiser, »ich muß blind gewesen sein, daß ich dich nicht früher erkannte, da eine Note einregistrirt worden ist, 500 Goldstücke betreffend, dem Waräger Edward auszuzahlen; sie steht auf der geheimen Liste derjenigen Schenkungen, zu denen wir uns gegen unsere Diener für verpflichtet erachten, und die Zahlung soll nicht länger anstehen.«

»Nicht mir, Herr, wenn es Euch gefällt,« sagte der Angeldäne, indem sein Gesicht wieder den gewohnten rauhen Ernst annahm, »gebt dies Geschenk einem, der keinen Anspruch an Eure kaiserliche Freigebigkeit machen kann. Mein Name ist Hereward; drei von meinen Kameraden heißen Edward und jeder derselben hat so gut wie ich die Belohnung Eurer Hoheit für getreue Pflichterfüllung verdient.«

Manches Zeichen wurde von Tatius gemacht, den Soldaten vor der Thorheit zu bewahren, die Freigebigkeit des Kaisers zurückzuweisen. Agelastes sprach offener. »Junger Mann,« sagte er, »ergreife mit Freuden eine so unerwartete Ehre und höre in Zukunft nur auf den Namen Edward, durch den es dem Lichte der Welt, als es einen Strahl auf dich warf, gefallen hat, dich von anderen Barbaren zu unterscheiden. Was gilt dir der Taufstein und der taufende Priester, daß du von ihnen einen Namen herleiten solltest, der verschieden wäre von dem, durch welchen es nun dem Kaiser gefallen hat, dich vor der gemeinen Menge auszuzeichnen, und den du nun das Recht hast, in Zukunft mit Stolz zu führen?«

»Hereward war der Name meines Vaters,« sagte der Soldat, der sich nun völlig wieder gefaßt hatte, »ich kann den Namen nicht aufgeben, so lang ich meines Vaters Andenken ehre. Mein Kamerad heißt Edward – ich würde ihn um seinen Vortheil bringen.«

»Schweigt Alle,« fuhr der Kaiser dazwischen. »Wenn wir einen Irrthum begangen haben, so sind wir reich genug, ihn gut zu machen; Hereward soll nicht zu kurz kommen, wenn ein Edward diese Belohnung verdienen sollte.«

»Eure Hoheit überlasse das seiner getreuen Gemahlin,« versetzte die Kaiserin Irene.

»Seine kaiserliche Hoheit,« sagte die Prinzessin Anna Comnena, »ist so eifersüchtig, Lieb' und Gunst zu erweisen, daß er es seinen nächsten Angehörigen nicht vergönnt, Großmuth und Freigebigkeit zu zeigen. Doch will ich, so viel ich es vermag, diesem Tapferen meine Dankbarkeit bezeigen: denn wo in dieser Geschichte seine Thaten erwähnt werden, will ich dabei bemerken lassen: »diese That wurde von dem Angeldänen Hereward vollbracht, den es seiner kaiserlichen Majestät gefiel Edward zu nennen! Nimm das, guter Junge,« fuhr sie fort, indem sie ihm einen köstlichen Ring anbot, »zum Zeichen, daß ich mein Versprechen halten werde.«

Hereward empfing das Zeichen mit einer tiefen Verbeugung und einer Verlegenheit, wie sie seiner Stellung angemessen war. Die Meisten der Anwesenden begriffen, daß die Dankbarkeit der schönen Prinzessin dem jungen Leibwächter annehmbarer vorkommen mußte, als die des Kaisers Alexius. Er nahm den Ring unter großen Dankbezeigungen. »Kostbare Reliquie!« sagte er, indem er dies Zeichen der Achtung an seine Lippen drückte; »wir werden nicht lange zusammenbleiben, aber sei versichert,« hier verbeugte er sich gegen die Prinzessin, »daß nur der Tod uns trennen soll.«

»Fahre fort, Prinzessin Tochter,« sagte die Kaiserin Irene: »du hast genug gethan zu zeigen, daß du die Tapferkeit, der du Ruhm verleihst, zu schätzen verstehst, mag sie sich bei einem Römer oder Barbaren finden.«

Die Prinzessin nahm mit einem leichten Anflug von Verlegenheit ihre Erzählung wieder auf.

»Wir setzten unseren Marsch nach Laodicäa mit guter Hoffnung weiter fort. Aber unwillkürlich kehrten wir das Gesicht nach der Nachhut um, wo wir so lange bedroht gewesen waren. Endlich sahen wir zu unserem Erstaunen eine dichte Staubwolke auf dem Abhang des Berges, halbwegs zwischen uns und dem Ort, wo wir geruht hatten. Einige unserer Truppen, namentlich von der Nachhut, begannen zu schreien: »die Araber! die Araber!« und ihr Marsch wurde wilder, da sie sich von dem Feinde verfolgt glaubten. Doch die warägischen Leibwächter versicherten einstimmig, daß der Staub von ihren Kameraden herrühre, die, zur Vertheidigung des Passes zurückgeblieben, nun nach heldenmüthiger Vollführung des ihnen ertheilten Auftrags aufgebrochen wären. Sie stützten die Behauptung durch die Bemerkung, daß die Staubwolke zu dicht sei, als daß sie von arabischer Reiterei herrühren könne, und sie versicherten sogar vermöge der Erfahrung, die sie von dergleichen Dingen hatten, daß die Zahl ihrer Kameraden durch das Gefecht sehr verringert worden sei. Einige syrische Reiter, die abgeschickt wurden, die herannahende Schaar zu erforschen, kamen mit der Auskunft zurück, welche die Vermuthung der Waräger vollkommen bestätigte. Das Häuflein von der Leibwache hatte die Araber zurückgeworfen, und ihr tapferer Anführer hatte den arabischen Anführer Jezdegerd erschlagen, bei welcher Gelegenheit der Sieger selbst tödtlich verwundet worden war, wie bereits erzählt ist. Die Uebriggebliebenen, die bis auf die Hälfte zusammengeschmolzen waren, eilten nun, so sehr die Fortschaffung ihrer Verwundeten ihnen solches erlaubte, sich mit dem Kaiser zu vereinigen.

»Der Kaiser Alexius hatte den glänzenden und menschenfreundlichen Gedanken, mit väterlicher Soldatenfreundlichkeit alle Sänften, selbst die, welche zu unserem eigenen Gebrauch bestimmt waren, ohne Verzug zurückzusenden, um den braven Warägern das Fortschaffen der Verwundeten zu erleichtern. Der Jubel der dankbaren Waräger mag eher begriffen als beschrieben werden, als sie den Kaiser selbst von seiner Sänfte steigen und sich wie einen gemeinen Reiter auf sein Schlachtroß schwingen sahen, während die allerhöchste Kaiserin und die Verfasserin dieser Geschichte mit anderen purpurgebornen Prinzessinnen auf Maulthieren weiter reisten, weil man die Sänften ohne Anstand zur Bequemlichkeit der Verwundeten hergegeben hatte. Diese Anstalt bewies eben so viel militärischen Scharfsinn als Menschlichkeit: denn die Erleichterung, welche die Träger der Verwundeten dadurch fanden, machte es möglich, daß uns die übrig gebliebenen Vertheidiger des Passes eher erreichen konnten, als es sonst möglich gewesen wäre.

»Es war schrecklich, diese Leute, die uns in dem vollen Glanze, den der Waffenschmuck der Jugend und Stärke verleiht, verlassen hatten, halb aufgerieben, mit zerstoßener Rüstung, die Schilde voll Pfeile, die Waffen voll Blut, kurz mit allen Merkmalen eines noch frischen verzweifelten Kampfes wiedererscheinen zu sehen. Auch sah man nicht ohne Theilnahme die Soldaten, die aus dem Gefechte kamen mit denen, die auf dem Marsch waren, zusammentreffen. Der Kaiser erlaubte ihnen, auf das Ansuchen seines getreuen Akoluthos, einen Augenblick die Reihen zu verlassen und von einander das Schicksal der Schlacht zu erfahren.

»Als die zwei Haufen zusammentrafen, schien es, als ob Schmerz und Freude mit einander stritten. Der wildeste dieser Barbaren (ich sage dies als Augenzeugin) hatte Thränen in seinen großen, blauen Augen, als er einen Kameraden, den er verloren geglaubt hatte, mit derbem Händedruck begrüßte und den Tod eines anderen, den er am Leben glaubte, vernahm. Andere Veteranen betrachteten die Fahnen, die im Gefecht gewesen waren, und freuten sich, daß dieselben alle wohlbehalten und siegreich zurückgekommen wären, indem sie die neuen Pfeilschüsse zählten, welche dieselben zu den früheren Schlachtmerkmalen erhalten hatten. Alle priesen laut den jungen, gefallenen Anführer, und lobten nicht weniger den, der ihn im Befehl ersetzt und die Schaar seines gefallenen Bruders aus der Schlucht geführt hatte. Auch ich,« sagte die Prinzessin, indem sie diese Worte als für die Gelegenheit passend einzuschieben schien, »gebe ihm jetzt die Versicherung der hohen Achtung, worin er bei der Verfasserin dieser Geschichte, ja bei allen Gliedern der kaiserlichen Familie, wegen seines bei einer so wichtigen Entscheidung bewiesenen Heldenmuthes steht.«

Nachdem sie ihrem Freund dem Waräger dies Lob gespendet hatte, das von einer Rührung, die sie nicht gerne vor so vielen Zuhörern zeigte, begleitet war, fuhr Anna Comnena in dem weniger persönlichen Theil ihrer Geschichte mit Ruhe weiter fort.

»Es war uns nicht lange vergönnt, das, was zwischen diesen tapferen Kriegern vorging, zu bemerken: denn nach Verlauf weniger Minuten, während welcher sie sich ihre Gefühle ausdrücken konnten, bliesen die Trompeten zum Aufbruch gen Laodicäa, und wir sahen diese Stadt in einem hauptsächlich mit Bäumen bedeckten Gefilde in der Entfernung von etwa vier Meilen vor uns liegen. Offenbar hatte die Besatzung bereits Kenntniß von unserem Anzug: denn Karren und Wagen näherten sich uns von den Thoren her mit Erfrischungen, die uns die Hitze des Tages, die Länge des Marsches, die Staubwolken und der Mangel an Wasser sehr nothwendig gemacht hatten. Die Soldaten beflügelten freudig ihre Schritte, um desto bälder die Erfrischungen zu gewinnen, deren sie so sehr bedurften. Aber wie der Becher sein köstliches Naß nicht immer den Lippen, für die es bestimmt ist und die nach ihm schmachten, spendet, wie groß war unser Verdruß, als wir einen Trupp Araber im Galopp unter den Baumgruppen zwischen dem römischen Heer und der Stadt hervorsprengen, die Wagen überfallen, die Fuhrleute erschlagen und die Fracht plündern und vernichten sahen! Wir erfuhren später, daß dieser feindliche Haufen von Varanes angeführt wurde, der bei den Ungläubigen gleichen Kriegsruhm wie Jezdegerd, sein erschlagener Bruder, hatte. Als dieser Häuptling sah, daß es den Warägern gelingen würde, bei der Vertheidigung des Passes die Oberhand zu gewinnen, setzte er sich an die Spitze einer großen Reiterschaar; und da diese Ungläubigen die allerschnellsten Pferde reiten, so legte er auf einem großen Umweg das Felsengebirg durch einen weiter nördlich gelegenen Paß zurück, und begab sich in der baumreichen Ebene in den Hinterhalt, um den Kaiser und sein Heer in einem Augenblicke zu überfallen, wo sich beide dessen am wenigsten versehen würden. Dieser Ueberfall würde stattgefunden haben, und wer kann wissen, was die Folgen davon gewesen wären, hätte nicht der unerwartete Anblick des Wagenzugs die zügellose Raubgier der Araber gereizt, ungeachtet ihr Führer Alles that, um sie zurückzuhalten. Auf diese Art wurde der Hinterhalt entdeckt.

»Doch Varanes, der immer noch gesonnen war, aus seiner schnellen Bewegung einen Vortheil zu ziehen, raffte so viel Reiter zusammen, als er vom Plündern abhalten konnte, und eilte vorwärts gegen die Römer, die bei dieser unerwarteten Erscheinung kurz Halt machten. Eine Unsicherheit und ein Schwanken in unseren Vorderreihen war selbst mir, die ich mich so schlecht auf die militärische Haltung verstehe, ein mißliches Zeichen. Hingegen die Waräger riefen mit einer Stimme: ›Streitäxte voran!‹ und da des Kaisers gnädigster Wille ihrem Wunsche willfuhr, so drangen sie von der Nachhut nach der Spitze des Heeres vor. Ich weiß nicht zu sagen, wie diese Bewegung ausgeführt wurde, doch ohne Zweifel geschah es unter der weisen Leitung meines durchlauchtigsten Vaters, dessen Geistesgegenwart bei solchen Gelegenheiten gerühmt wird. Gewiß trug der gute Wille der Truppen selbst viel zur Ausführung bei; denn die römischen Schaaren der Unsterblichen wünschten, wie es schien, nicht weniger, bei der Nachhut zu stehen, als die Waräger, den Platz einzunehmen, den die Unsterblichen auf der Fronte verlassen hatten. Die Bewegung wurde so glücklich ausgeführt, daß Varanes und seine Araber, ehe sie noch unseren Vortrab erreicht hatten, schon die unerschütterliche Schaar der nordischen Krieger daselbst erblickten. Ich hätte das, was nun vorging, mit meinen Augen sehen mögen, um mich auf das Zeugniß derselben berufen zu können. Doch, die Wahrheit zu gestehen, waren meine Augen zu ungeübt für solche Scenen: denn von dem Angriff des Varanes erblickte ich nichts als eine dichte, vorwärts rollende Staubwolke, durch welche man das Blinken der Lanzenspitzen und das Wehen der Federn auf den Turbanen der Reiter unvollkommen sehen konnte. Der Schlachtruf wurde so laut gebrüllt, daß ich kaum die Pauken und Metallbecken, die ihn begleiteten, zu hören vermochte. Doch diesem wilden und verhöhnenden Ansturm wurde mit felsenfestem Widerstand begegnet.

»Die Waräger, bei dem wüthenden Angriff der Araber unerschüttert, empfingen Roß und Reiter mit einem Hagel von Schlägen ihrer schweren Streitäxte, welchen die Tapfersten und Stärksten der Feinde nicht widerstehen konnten. Auch dadurch stärkten die Leibwächter ihre Reihen, daß nach dem Brauch der alten Macedonier die hinteren Glieder dicht gegen die vorderen drängten, so daß die feingebildeten Rosse dieser Idumäer trotz ihrer Leichtigkeit in diese Phalanx nicht eindringen konnten. Die tapfersten Streiter, die besten Rosse fielen in der ersten Reihe. Die kurzen, schweren Roßwurfspeere, die aus den Hinterreihen der tapferen Waräger sicher und nachdrücklich geschleudert wurden, vollendeten die Verwirrung der Angreifenden, die bestürzt den Rücken wandten und in wilder Flucht das Feld räumten.

»Als der Feind so zurückgetrieben worden war, marschirten wir weiter und hielten uns nur bei unsern halbgeplünderten Wagen auf. Bei dieser Gelegenheit wurden einige gehässige Bemerkungen von gewissen Beamten des inneren Haushaltes gemacht, die die Mundvorräthe begleitet und bei dem Angriff der Ungläubigen ihren Posten verlassen, aber sich nach Zurücktreibung der Angreifenden wieder eingefunden hatten. Diese Leute, schnell an Bosheit, aber träge in Gefahr, berichteten, daß die Waräger bei dieser Gelegenheit so sehr ihrer Pflicht vergaßen, daß sie einen Theil von dem geheiligten Wein tranken, der für die kaiserlichen Lippen bestimmt war. Es wäre ein Verbrechen, wenn man die Größe dieses Vergehens läugnen wollte; dennoch sah es unser kaiserlicher Held als verzeihlich durch die Finger an und bemerkte scherzweise, daß die Waräger, seit er von dem Ale dieser treuen Leibwächter getrunken habe, das Recht hätten, ihren Durst zu löschen, den sie sich bei der Vertheidigung seiner Person zugezogen hätten, und wäre es auch auf Unkosten seines eigenen Kellers.

»Unterdessen war die Reiterei zur Verfolgung der Araber abgeschickt worden, und nachdem es ihr gelungen war, dieselben hinter die Gebirgskette zurückzutreiben, woher sie gekommen waren, mochten sich die kaiserlichen Waffen mit Recht eines vollständigen und glänzenden Sieges rühmen.

»Wir müssen nun die Freude der Bürger von Laodicäa beschreiben, die, nachdem sie von den Wällen aus bald mit Furcht bald mit Hoffnung dem Wechsel des Kampfes zugesehen hatten, nun herabstiegen, um den kaiserlichen Sieger zu beglückwünschen.«

Hier wurde die schöne Vorleserin unterbrochen. Die Hauptthüre des Saales flog auf, zwar geräuschlos, aber mit beiden Flügeln zugleich, nicht als wenn ein gewöhnlicher Höfling käme, der so wenig Aufsehen als möglich machen wolle, sondern als wenn eine Person hereinträte, deren hoher Rang auf die größte Aufmerksamkeit Anspruch machen könne. Nur eine purpurgeborne oder eine mit den Purpurgebornen nah verwandte Person durfte sich eine solche Freiheit erlauben; und die Mehrzahl der Gäste, die es wissen konnten, wer in dem Musentempel wahrscheinlich erscheinen würde, schlossen aus den gemachten Anstalten auf die Ankunft des Nicephorus Briennius, Schwiegersohn des Alexius Comnenus, Gemahls der schönen Geschichtschreiberin und Cäsars im Rang, dermalen jedoch keineswegs wie früher die zweite Person im Reich. Die Politik des Alexius hatte mehr als eine Person zwischen sich und die Rechte und die Hoheit des Cäsars gestellt, der einst die zweite Stelle nach dem Kaiser selbst eingenommen hatte.



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