Gustav Schwab
Erzählungen aus den alten Volksbüchern
Gustav Schwab

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Doktor Faustus

Der Vertrag mit dem Teufel

Johannes Faustus, der weitberühmte Schwarzkünstler, wurde in der Grafschaft Anhalt geboren; seine Eltern wohnten in dem Flecken Sondwedel; es waren arme, fromme Bauersleute. Faust aber hatte einen reichen Vetter zu Wittenberg; dieser besaß keine Kinder, weshalb er den jungen Faustus, den er wegen seiner geistigen Fähigkeiten liebgewonnen hatte, an Kindes Statt aufzog. Später wurde er von ihm auf die Hohe Schule zu Ingolstadt geschickt. Hier tat sich der junge Faust in Künsten und Wissenschaften hervor, so daß er bei der Prüfung alle anderen Studenten übertraf.

Damals trieb man noch viel Geisterbeschwören, Teufelsbannen und anderes abergläubisches Zeug, und dies gefiel auch dem jungen Faust. Weil er in böse Gesellschaft geriet, die sich mit solchen Dingen abgab und das Studium vernachlässigte, wurde er bald verführt. Dazu kam noch, daß er sich viel mit Zigeunern einließ und von ihnen die Chiromantie, die Kunst, aus den Händen wahrzusagen, erlernte. Außerdem ließ er sich in allerlei Zauberkünste einweihen, wo er nur Gelegenheit fand.

In diese Dinge versunken, verlegte er sich eifrig auf die Arzneikunst, erforschte den Himmelslauf und weissagte den Leuten, was sie von Geburt an für Glück und Unglück erleben sollten. Zuletzt verfiel er gar auf Geisterbeschwörungen und wurde ein ausgemachter Teufelsbeschwörer. Bei seinen Eltern wußte er sich indessen schlau zu rechtfertigen, brachte auch von der Universität zu Ingolstadt ein gutes Zeugnis mit, und so war ihm denn der wohlhabende, gutmütige Vetter selbst behilflich, daß er nach drei Jahren Doktor der Medizin werden konnte.

Seit sich nun Doktor Faustus diesem teuflischen Wesen ergeben hatte, vergaß er Gott, und da er durch den Tod seines Vetters zu Wittenberg zu einem schönen Erbe gelangte, fand er bald gleichgesinnte Genossen und wurde jeder ehrlichen Tätigkeit abhold. Weil aber das Erbe des Vetters bei täglichem Wohlleben und Spielen stark abnahm, hielt er sich zwar später von dieser Gesellschaft etwas zurück, aber er wurde darum nicht besser, sondern trachtete stets, mit Hilfe des Teufels in Freuden zu leben. Bei dem Studium teuflischer Druckschriften fand er nicht nur, daß er selbst mit einem herrlichen Geist begabt sei, sondern auch, daß die Geister eine besondere Zuneigung zu ihm hätten. In dieser Meinung wurde er noch mehr bestärkt, als er einige Male in seiner Stube einen seltsamen Schatten an der Wand vorüberfahren und öfter in der Nacht viele Lichter bis an sein Bett fliegen sah und dabei zugleich Laute vernahm, als ob Menschen miteinander leise redeten.

Als nun Doktor Faustus in seiner teuflischen Kunst genug erlernt hatte, ging er einst an einem heitern Tag aus der Stadt Wittenberg, um seine Teufelsbeschwörungen ins Werk zu setzen, und fand endlich einen Kreuzweg, der fünf Abzweigungen hatte. Hier verblieb er einen ganzen Nachmittag, nahm am Abend einen Reif, wie ihn die Faßbinder haben, machte daran viele seltsame Zeichen und setzte daneben noch zwei andere Kreise. Darauf ging er in den nahe gelegenen Wald und erwartete die Mitternachtszeit, wo der Mond voll scheinen würde. Kaum aber war die Zeit herbeigekommen, so beschwor er, in den mittleren Reif tretend, unter Verlästerung des göttlichen Namens dreimal den Teufel.

Kaum waren die Worte gesprochen, sah er plötzlich eine feurige Kugel daherkommen. Weil Doktor Faust jedoch fürchtete, nicht lebend heimzukehren, wenn er den Kreis verlasse, beschwor er den Teufel von neuem auf die gleiche Weise; aber da wollte sich nichts mehr regen und kein Teufel sehen lassen. Er nahm deshalb eine neuerliche Beschwörung vor. Sogleich entstand im Wald ein so furchtbarer Sturm, als ob alles zugrunde gehen wollte. Kurz darauf rasten etliche Wagen, mit Rossen bespannt, bei dem Reif vorbei und wirbelten so viel Staub auf, daß Faustus trotz des hellen Mondenscheins nichts sehen konnte. Doktor Faust war so erschrocken, daß er kaum mehr stehen konnte und sich wünschte, viele Meilen von da weg zu sein. Endlich sah er wider Erwarten eine Gestalt um den Kreis herumwandern. Mutig beschwor er den Geist, er solle sich erklären, ob er ihm dienen wolle oder nicht. Der Geist gab bald zur Antwort, er wolle ihm zeit seines Lebens dienen, wenn er einige Bedingungen erfülle. Doktor Faustus vergaß darüber seinen Schrecken und war zufrieden, daß er endlich erreicht, wonach sein Herz so lange Zeit verlangt hatte. Daher sprach er zu dem Geist: »Weil du mir dienen willst, so beschwöre ich dich nochmals, daß du morgen in meiner Behausung erscheinst, wo wir dann alles, was ich und du zu tun haben, festlegen wollen.« Das sagte der Geist dem Doktor Faustus zu. Sogleich zertrat dieser den Kreis, eilte voll Freude der Stadt zu und erwartete den kommenden Tag.

Bald saß er unter tausend verwirrten Gedanken in seinem Stüblein. Viele Stunden vergingen, kein Geist wollte erscheinen. Endlich gegen Mittag sieht er unweit des Ofens einen Schatten daherkommen, und es scheint ihm, als wäre es ein Mensch. Dann aber verschwand der Schatten wieder, weshalb er seine Beschwörung aufs neue begann und den Geist anrief, er solle sich sehen lassen. Da steckte der Geist seinen Kopf wie ein Mensch hinter dem Ofen hervor und machte vor Doktor Faustus eine tiefe Verneigung. Nach einigem Bedenken begehrte Faust, der Geist solle hervorkommen und ihm, seinem Versprechen gemäß, die Bedingungen sagen, unter denen er ihm dienen wolle. Da sah nun Faust mehr als ihm lieb war; denn die Stube war plötzlich voller Feuerflammen. Der Geist hatte zwar einen natürlichen Menschenkopf, aber sein ganzer Leib war zottig, und mit feurigen Augen blickte er Faust an, worüber dieser sehr erschrak und ihm befahl, er solle sich wieder hinter den Ofen begeben, was jener auch tat. Darauf fragte ihn Doktor Faustus, ob er sich nicht anders als in einer so angsterregenden Gestalt zeigen könne. Der Geist antwortete kurz mit »Nein!« Denn er sei kein Diener, sondern ein Fürst unter den Geistern. Wenn Faust das tun werde, was er von ihm verlange, wolle er ihm einen Geist schicken, der ihm bis an sein Ende dienen und jeden Wunsch erfüllen werde.

Auf diesen Vorschlag des Satans meinte Faust, er solle ihm nur sein Verlangen eröffnen. Der Teufel erwiderte: »Ich will dir hiemit fünf Artikel vorschreiben; nimmst du sie an, ist es recht; wenn nicht, darfst du mich in Zukunft nicht mehr zwingen zu erscheinen.« Also nahm Doktor Faustus seine Feder zur Hand und verzeichnete, wie folgt, seinen Vertrag mit dem Teufel:

  1. Er solle Gott und dem ganzen himmlischen Heer absagen.
  2. Er solle aller Menschen Feind sein und vor allem diejenigen verfolgen, die ihn seines bösen Lebens wegen anfeindeten.
  3. Den Priestern und geistlichen Personen solle er nicht gehorchen, sondern stets wider sie sein.
  4. Zu keiner Kirche gehen, die Predigten nicht besuchen, auch die Sakramente nicht empfangen.
  5. Den Ehestand hassen, sich nie verehelichen.

Wenn Doktor Faust diese fünf Artikel annehmen wolle, so müsse er sie zur Bestätigung mit seinem eigenen Blut unterfertigen und ihm einen Schuldbrief, von seiner eigenen Hand geschrieben, übergeben. Sei das geschehen, dann wolle er ihn zu einem Mann machen, der zeitlebens alle erdenkliche Lust und Freude genießen werde.

Doktor Faustus saß hierüber in tiefen Gedanken, und je öfter er diese teuflischen Artikel überlas, desto schwerer schien es ihm, sie zu halten. Doch sagte er endlich leichtsinnig und gottvergessen zu einem Artikel um den andern laut und unumwunden ja. Der Geist aber sprach: »So lege denn diese Urkunde, mit deinem Blut gezeichnet, auf den Tisch; ich hole sie mir später.« Doktor Faustus antwortete: »Gut! Aber um eines bitte ich dich noch, daß du mir nicht mehr in deiner jetzigen Gestalt erscheinst, sondern etwa in Gestalt eines Mönchs oder eines andern Menschen.« Dies versprach der Geist Doktor Faust und verschwand.

Nachdem der teuflische Geist gewichen war, hätte Faust, bevor er seine Unterschrift gab, wohl noch Zeit gehabt, seinen Abfall von Gott mit reuigem Herzen gutzumachen; aber er trachtete nur danach, lustig in der Welt zu leben.

So nahm denn Faust ein Messer und öffnete sich an der linken Hand ein Äderlein; das ausfließende Blut faßte er in ein Glas, setzte sich nieder und schrieb mit eigener Hand folgenden Schuldbrief:

»Ich, Johannes Faustus, Doktor, bekenne hier öffentlich: Weil der Fürst dieser Welt, den die Menschen den Teufel zu nennen pflegen, gewaltig und geschickt ist, so daß ihm nichts unmöglich ist, wende ich mich heute zu ihm. Nach seinem Versprechen soll er mir alles leisten und erfüllen, was mein Herz und Sinn begehrt; dafür verschreibe ich mich hiermit mit meinem eignen Blut samt Leib und Seele diesem irdischen Gott.

Dagegen sage ich ab allem himmlischen Heer und allem, was Gottes Freund sein mag. Und da unser Bündnis vierundzwanzig Jahre währen soll, so soll der Satan, wenn diese Zeit verflossen ist, über dieses sein Unterpfand, Leib und Seele, zu schalten und zu walten Macht haben; es soll auch keinem Wort Gottes, auch nicht denen, die dieses predigen, glücken, mich in den Verband der Kirche zu bringen, wenn sie mich auch bekehren wollten.

Zu Urkund dieser Handschrift habe ich sie mit meinem
eigenen Blute bekräftigt und eigenhändig geschrieben.

Anno 1525, post Christum natum

Faustus, Doktor.«

Als Faust diese gräßliche Urkunde verfertigt hatte, erschien bald darauf der Teufel in eines Mönchs Gestalt, worauf ihm Doktor Faustus seinen Vertrag einhändigte. Da sagte der Teufel: »Faust, weil du dich mir verschrieben hast, sollst du wissen, daß man dir auch treu dienen wird. Ich jedoch, als der Fürst dieser Welt, diene selbst keinem Menschen. Aber morgen will ich dir einen erfahrenen Geist senden, der soll dir Zeit deines Lebens gehorsam sein. Er wird dir in Gestalt eines Mönchs erscheinen und dienen. Hiemit nehme ich deine Handschrift; gehab' dich wohl!« Daraufhin verschwand der Teufel.

Als Doktor Faustus am Abend eben seine Studierstube betreten hatte, klopfte jemand bescheiden an die Stubentür. Als er öffnete, stand ihm eine lange, in eine Mönchskutte gekleidete Gestalt gegenüber. Faust hieß den Fremden eintreten und sich zu ihm auf die Bank niedersetzen, was der Geist auch tat. Auf die Frage des Doktors, was er wolle, antwortete der Geist: »Faust, wie mir von unserm Obersten Geist befohlen worden, will ich dir von jetzt an treulich dienen. Du sollst dich auch vor mir nicht fürchten, denn ich bin kein verabscheuungswürdiger Teufel, sondern ein Spiritus familiaris, ein vertraulicher Geist, der gern unter Menschen wohnt.«

»Gut«, erwiderte hierauf Doktor Faustus, »so gelobe mir im Namen deines Herrn Luzifer, daß du mir in allem, was ich von dir verlangen werde, gehorsam sein wirst.« Der Geist versprach es. »Du sollst zugleich wissen«, fuhr der Teufel fort, »daß ich Mephistopheles heiße, und bei diesem Namen sollst du mich rufen, wenn du etwas von mir willst.« Erfreut sprach Doktor Faustus: »Nun, Mephistopheles, mein getreuer Diener, ziehe nun für diesmal hin, bis ich dich rufe.« Der Geist verbeugte sich und verschwand.

Faust und Mephistopheles

Obwohl nun Doktor Faust meinte, es könne ihm künftig nichts mehr mangeln, weil er einen so mächtigen Diener habe, begann es doch nach und nach an einem oder dem andern zu fehlen. Denn die baren Mittel von der Verlassenschaft seines vor etlichen Jahren verstorbenen Vetters hatten nunmehr ein Ende. Außer dem Haus, in dem er wohnte, und etlichen Wiesen war wegen des vielen Spielens und freien Lebenswandels wenig übriggeblieben. Daher fragte er seinen Mephistopheles um Rat, wie er neue Mittel erlangen könnte. Der Geist erklärte: »Faustus, mach dir keine Gedanken darüber! Ich bin doch dein getreuer Diener, und solange du mich haben wirst, sollst du keinen Mangel leiden. Kümmere dich nicht um deine Haushaltung, wenn du auch kein Geld hast! Dinge nur keine Magd, die uns vielleicht verraten könnte! Aber einen Famulus oder Jungen sollst du wohl haben, auch Gäste und gute Freunde; mit ihnen magst du immerhin fröhlich sein.«

Dieses Anerbieten des Geistes war für Doktor Faustus sehr erfreulich, aber er hegte einige Zweifel: »Mein lieber Mephistopheles, woher willst du alle Mittel hiezu nehmen?« Der Geist antwortete lächelnd: »Sorg dich nicht darum! Verzeichne nur alles, was du haben willst, und leg den Zettel auf den Tisch, damit ich dir alles zur rechten Zeit verschaffe.« Darüber freute sich Faustus und schrieb sogleich den Speisezettel neben einem guten Trunk einiger Weinsorten, um zu sehen, ob der Geist auch sein Versprechen erfüllen würde.

Abends wurde ihm hierauf zum erstenmal der Tisch gedeckt, auf den der Geist ein zierlich vergoldetes Trinkgeschirr setzte. Auf die Frage, woher denn der schöne Becher stamme, antwortete der Geist, er solle nicht danach fragen, er habe ihm diesen verehrt.

Da nun Doktor Faustus sich nicht mehr zu sorgen brauchte, woher er Essen, Trinken, Geld und anderes bekäme, brachte er Tag und Nacht in Saus und Braus zu, spielte und zechte mit seinen Zechbrüdern, daß bald viele zu zweifeln begannen, ob das mit rechten Dingen zugehe. Denn um seine Praxis oder um die Äcker und Wiesen, die er von seinem Vetter ererbt hatte, kümmerte sich Faustus überhaupt nicht mehr, und von der Luft leben könne er doch auch nicht, meinte man. So geriet Faust in peinlichen Verdacht, der Zauberei verfallen zu sein. Um den Leuten diesen Argwohn zu nehmen, ermahnte der Geist seinen Herrn, selbst die Äcker zu besäen, das Heu einzubringen, das Korn zu schneiden und zu ernten.

Doch Doktor Faust wollte dieses ehrbare Leben auf die Dauer gar nicht gefallen; er redete deshalb mit seinem Geist: »Schaff mir, Mephistopheles, Geld, woher du willst, herbei; denn ich habe Lust zum Spiel, das ist meine größte Leidenschaft; außerdem möchte ich mich in lustigen Gesellschaften vergnügen. Meinst du, ich habe mich deinem Fürsten, dem Luzifer, verpflichtet, um ein zurückgezogenes Leben zu führen? Schaffe du mir ein bequemes Leben auf dieser Welt und verrichte daneben die Arbeiten wie bisher, um den Leuten den Argwohn zu nehmen.«

Mephistopheles antwortete: »Ich bekenne, daß ich dein Diener und also schuldig bin, dir allen gebührenden Gehorsam zu leisten. Damit du mich nun nicht für einen Lügengeist hältst, will ich dir Geld und alles, was du brauchst, zur Genüge verschaffen, aber halte auch du deine mit deinem Blut geschriebenen Zusagen.«

Nun berichtete ihm denn der Geist ausführlich, zu welcher Klasse von Geistern er selbst gehöre, wieviel böse Geister es gebe, warum der Teufel aus dem Himmel verstoßen worden sei. Er erzählte ihm, wiewohl widerwillig und voll Ingrimm, vom Himmel und den Himmlischen Heerscharen, von den Engeln vor Gottes Thron, vom Paradies; dann wieder von der Ordnung der Teufel, von ihrer Hoffnung, dereinst doch selig zu werden, und von der Hölle. Dann schloß er seine Rede mit den nachdenklichen Worten: »Wenn ich aber als Mensch geboren wäre wie du, o Faust, so wollte ich Tag und Nacht meine Hände dankbar zu Gott erheben, daß er seinen Sohn vom Himmel herabgesandt hat und sich des menschlichen Geschlechts annimmt, um es von des Teufels Gewalt zu erlösen. Dieser Erlösung, lieber Faust, bist auch du teilhaftig gewesen, hast sie aber verscherzt und mußt ohne Zweifel gleiche Verdammnis wie der Teufel, den du herbeigerufen hast, in der Hölle leiden.« Auf diese offenen Worte des Geistes schwieg Doktor Faust niedergeschmettert und entließ den Geist.

Als er aber des Nachts im Bett lag, klangen ihm die Worte des Geistes unaufhörlich in den Ohren, worüber er seufzte und zu sich selbst sprach: »Ach, du elender, verfluchter Mensch, dir hat Gott Leib und Seele gegeben, die solltest du besser verwahrt haben! Ach, daß ich mich um so kurzer Weltlust willen mit dem Teufel schändlich verbunden habe! Nunmehr aber ist es mit meiner Buße und Reue ohne Zweifel zu spät!«

Doktor Faust und die Hochzeit zu München

Damals studierten drei junge Freiherren zu Wittenberg. Als diese erfuhren, daß die Hochzeit des Kurfürsten von Bayern in den nächsten Tagen in München stattfinden sollte, wären sie gern bei der Feier gewesen. Aber sie wußten nicht, wie sie in so kurzer Zeit ihr Ziel erreichen konnten. Schließlich schlug einer von ihnen vor: »Ihr lieben Herren Vettern, ich wüßte einen guten Rat, wobei wir weder Sattel noch Pferde brauchten, und ehe es jemand merkte, wieder zu Hause wären. Ihr wißt, daß Doktor Faustus als besonderer Freund und guter Gönner der Studenten uns, die wir oft in seiner Wohnung vergnügt waren, wohl gewogen ist. Er ist auch imstande, mit seiner Schwarzkunst manches zuwege zu bringen. Wir wollen ihm unsern Wunsch vortragen und ihm ein stattliches Geschenk versprechen, wenn er uns hilft!« Dieser Rat mißfiel den zwei andern nicht; sie trugen nun Doktor Faustus ihren Wunsch vor. Er willigte sogleich ein, nur mußten sie alles geheimhalten.

Am Abend vor der Hochzeit berief Faustus die drei Freiherren in seine Wohnung und befahl ihnen, sich aufs schönste zu kleiden. Dann sagte er, er wolle sie in kurzer Zeit nach München bringen, aber sie müßten ihm versprechen, während dieser Fahrt kein Wort zu reden und auch im fürstlichen Palast, falls sie angesprochen würden, keine Antwort geben; wenn sie das gelobten, wolle er sie ohne Gefahr hinführen und wieder nach Hause bringen; wenn sie aber nicht folgten und während der Zeit etwas redeten, wären sie selbst schuld, wenn es ihnen übel erginge. Die drei versprachen, alles genau einzuhalten.

Vor Tagesanbruch legte Doktor Faustus seinen Mantel ausgebreitet auf ein Beet im Garten seines Hauses, setzte die drei jungen Barone darauf, sprach ihnen noch einmal Mut zu und forderte sie auf, nicht mehr zu reden, sie würden bald an dem gewünschten Ort sein. Plötzlich erhob sich ein Wind, der schlug den Mantel zu, daß sie samt Doktor Faustus darin wohl geborgen lagen, und hob den Mantel empor. So fuhren sie miteinander in des ††† Namen, den Doktor Faustus beschworen, fort, erschienen nach Verlauf kurzer Zeit, doch schon bei hellem Tag im Vorhof des fürstlichen Palasts zu München, ohne daß jemand gesehen hätte, wie die Gäste dahingekommen waren. Der Hofmarschall empfing sie aufs höflichste und ließ sie in den obern Saal geleiten. Es kam aber dem Hofmarschall und dann dem Hofjunker sehr seltsam vor, daß die drei auf gar keine Frage etwas antworteten, sondern nur stumm ihre Ehrerbietung zu verstehen gaben. Nachdem nun die fürstlichen Personen nach der Trauung ihre Plätze an der Tafel eingenommen und man mit der Fingerschale bis zu den drei Junkern gelangt war, begann einer von ihnen, sein Versprechen vergessend, zu reden und bedankte sich über die zuteilgewordene Ehre. Nun muß man wissen, daß Doktor Faustus ihnen ausdrücklich befohlen hatte, wenn er zweimal flüstern würde: »Wohlauf, wohlauf«, so sollten sie sofort nach seinem Mantel greifen, dann würden sie gleich wieder unsichtbar den Weg zurückfahren. Demzufolge hatten sie auf das geflüsterte Wort des Faustus sofort den Mantel ergriffen, und zwei von ihnen fuhren mit Doktor Faust unsichtbar dahin; der dritte aber, der gesprochen hatte, griff ins Leere und mußte erschrocken zurückbleiben.

Es ist leicht zu ermessen, wie dem Zurückgelassenen zumut war! Als dieser schließlich auf Befehl des Kurfürsten gleichsam in Gefangenschaft geführt wurde, tröstete er sich damit, daß seine Vettern ihn nicht sitzen lassen, sondern den Doktor Faust bewegen würden, ihn aus seiner Lage wieder zu befreien. Das geschah auch wirklich bald darauf; denn noch ehe der folgende Tag angebrochen, machte sich Doktor Faustus auf, kam an den Ort, wo der junge Freiherr gefangengehalten wurde, zauberte die Leibwächter des Fürsten, die den Gefangenen bewachten, in tiefen Schlaf, öffnete mit seiner Kunst Schloß und Tür, schlug seinen Mantel um den Freiherrn, der noch sanft schlief, und brachte ihn unbemerkt zu seinen beiden Vettern nach Wittenberg zurück.

Doktor Faust und der Geldverleiher

Um nun Geld zum Spiel zu bekommen, wollte Doktor Faust seinen Freunden ein Stücklein seiner Kunst zeigen. Er ging daher mit diesen zu einem reichen Geldmakler, um bei ihm Geld zu borgen, obwohl er nicht die Absicht hatte, es zurückzuzahlen. Er verlangte also von dem Bankier sechzig Taler auf einen Monat, die wollte er ihm dann mit Dank wieder bezahlen, oder er sollte ihm ein Bein abnehmen! Und so lieh ihm denn der Makler – nachdem er die andern Anwesenden zu Zeugen angerufen – die Summe.

Als nun die Frist vorüber war und der Bankier, der nichts Gutes ahnte, sich in Doktor Faustus' Behausung einfand, um sein Geld samt den Zinsen zu holen, empfing ihn Faust aufs freundlichste und sprach zu ihm: »Lieber Freund, ich weiß, daß ich versprochen habe, dir nach Ablauf dieser Zeit dein Geld samt den Zinsen wiederzugeben, aber wer kann dafür, daß ich jetzt nicht bei Geld bin?« Dem Geldverleiher lief die Galle über, und weil noch zwei andere Gehilfen mit ihm erschienen waren, brach er ganz entrüstet in Drohworte gegen Doktor Faustus aus, er solle seine Zusage einlösen, oder er wolle sich an sein versprochenes Unterpfand halten. Doktor Faust stellte sich, als erinnerte er sich an nichts und verlangte den Schuldschein zu sehen. Als er die Worte gelesen, meinte er: »Mein reicher Herr, es ist richtig, ich habe verloren, deswegen magst du dich an dein Unterpfand halten.« Der Makler dachte wütend bei sich: »Ich habe wohl schon mehr als sechzig Taler auf einmal verloren!« und tat, als wolle er sich kurzerhand an sein Unterpfand halten, um Doktor Faust einen gehörigen Schrecken einzujagen.

Doktor Faustus hingegen nahm kaltblütig eine Säge, gab sie dem Makler und verlangte, er solle nur in aller Henker Namen sein Unterpfand nehmen, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß ihm der Fuß, sobald er die Summe zahlen könnte, wieder zurückgestellt würde. Das versprach der Geldverleiher, sägte dann den Fuß ab und ließ den guten Faustus seiner Meinung nach halbtot liegen. Der Makler zog samt seinen Gesellen mit dem Fuß fort und erklärte unterwegs, was ihm jetzt dieser Stummel nützen sollte. Der Fuß könnte ihn noch teuer genug zu stehen kommen, wenn Doktor Faust daran sterben sollte, warf einer der Spießgesellen ein. Daher warf er den Fuß, weil die andern ein Gleiches sagten, als er über eine Brücke ging, in den Fluß und zog weiter, an nichts anderes denkend, als daß er sein Geld verloren habe.

Als es dem Doktor Faust an der Zeit schien, sein Unterpfand einzulösen, berief er seinen Gläubiger, da er ihm gegen Rückgabe seines Unterpfands seine Schuld abstatten wollte. Wer erschrak mehr als der Bankier, da diese unverhoffte Botschaft kam. Faustus aber stellte sich bei des Händlers Ankunft sehr unfreundlich, daß der Makler mit dem Fuß so lange ausgeblieben wäre, da er doch schon vor etlichen Tagen das Geld beisammen gehabt hätte, und sein Unterpfand verlange. Der Makler konnte es nicht mehr herbeischaffen, was Faust ganz gut wußte. Er erbot sich daher, die Schuldverschreibung wieder zurückzugeben und sie als bezahlt anzusehen, nur sollten sie ihm das Unterpfand erlassen. Das war Faust sehr angenehm, der Makler aber war froh, daß er so gut davongekommen war. Faust indessen stand wohlbehalten und mit beiden Beinen da, und alle konnten über den Possen, den Doktor Faust dem Geldverleiher angetan, nicht genug lachen.

Doktor Faust und der »Auerbach-Keller« zu Leipzig

Es studierten einstens zu Wittenberg einige vornehme polnische Herren von Adel, die mit Doktor Faust viel verkehrten. Nun war gerade die Leipziger Messe, die sie gern besuchen wollten. Sie baten den Doktor, er möge sie mit Hilfe seiner Kunst dorthin bringen. Doktor Faustus bewirkte durch seine Magie, daß am nächsten Tag vor der Stadt ein mir vier Pferden bespannter Wagen stand, mit dem sie in schnellem Lauf fortfuhren. Kaum aber waren sie losgefahren, da sahen sie quer über das Feld einen Hasen laufen, was sie für ein böses Zeichen hielten; doch trafen sie zu ihrer großen Verwunderung noch vor Einbruch der Dämmerung in Leipzig ein.

Am folgenden Tag besichtigten sie die Stadt und verrichteten ihre Geschäfte; als sie wieder in die Nähe ihres Wirtshauses kamen, bemerkten sie, daß gegenüber in »Auerbachs Weinkeller« Wein- und Bierschröter ein Faß Wein mit sieben oder acht Eimer Inhalt aus dem Keller bringen wollten; aber sie waren es nicht imstand, so sehr sie sich auch bemühten. Doktor Faustus und seine Gesellen standen dabei und sahen zu. Da bemerkte Faust höhnisch zu den Schrötern: »Wie ungeschickt stellt ihr euch an, seid euer so viele und könnt ein solches Faß nicht zwingen! Das müßte doch einer allein können, wenn er es geschickt zu machen weiß.«

Unwillig riefen die Schröter, wenn er es besser verstünde als sie, ein solches Faß aus dem Keller zu bringen, so solle er es in aller Teufel Namen tun. Unterdessen kam der Besitzer des Weinkellers herzu und hörte, daß der eine gesagt habe, es könnte einer allein das Faß aus dem Keller bringen.

»Nun gut«, rief er, »weil ihr schon so starke Riesen seid: wer von euch das Faß allein aus dem Keller schafft, dem soll es gehören!« Doktor Faustus aber, nicht faul, ging in den Keller hinab, setzte sich recht breit auf das Faß wie auf einen Bock und ritt das Faß auf die Straße, worüber sich alle wunderten. Obwohl der Wirt einwendete, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, mußte er doch sein Versprechen halten. Also ließ er das Faß mit Wein Doktor Faustus ausfolgen, der es dann seinen Gesellen und den umstehenden Studenten zum besten gab, die es sogleich wieder in den Keller rollten, wo sie sich lustige Tage machten, solang ein Tropfen Wein darin war.

Doktor Faust und die Helden des Trojanischen Krieges

Einst wurde zu Wittenberg bei einer fröhlichen Gesellschaft von einem Studenten des Dichters Homer gedacht, der eben auf der Hohen Schule gelesen wurde. Sogleich erbot sich Doktor Faustus, die trojanischen Kriegshelden, wie sie damals gelebt und einhergegangen, vorzuführen, doch dürfe keiner ein Wort reden oder jemand fragen. Das versprachen auch alle. Darauf klopfte Doktor Faust mit dem Finger an die Wand, und sogleich traten jene griechischen Helden in ihrer grauen, zu jener Zeit üblichen Rüstung einer nach dem andern in den Saal herein, sahen sich zur Rechten und Linken mit halb zornigen, halb strahlenden Augen um, schüttelten die Köpfe und gingen nacheinander wieder zur Tür hinaus.

Doktor Faust wollte es dabei nicht bewenden lassen, sondern noch einen kleinen Schrecken hinzufügen; deshalb klopfte er noch einmal. Da tat sich die Tür auf, bei der halbgebückt der ungeheure, greuliche Riese Polyphemus eintrat, der auf der Stirn nur ein Auge hatte, mit einem langen, zottigen, feuerroten Bart; der hatte ein kleines Kind, das er gefressen, noch mit dem Schenkel am Maul hangen und war schrecklich anzusehen, daß ihnen allen miteinander die Haare zu Berg standen. Darüber lachte Doktor Faustus. Er wollte seine Zuschauer noch mehr ängstigen und bewirkte, daß sich Polyphemus, bevor er zur Tür hinausging, noch einmal umsah und tat, als wolle er nach etlichen greifen. Zugleich stieß er mit seinem ungeheuren Spieß auf den Erdboden, daß das ganze Gemach erschüttert wurde. Doktor Faustus aber winkte ihm mit dem Finger, da trat auch er hinaus, und so hatte Doktor Faustus sein Versprechen erfüllt. Die Studenten hatten genug und verlangten keine solche Vorstellung mehr, die sie nur in Angst versetzte.

Ein Besuch aus Prag

In der Schlossergasse zu Erfurt stand ein Haus, »Zum Anker« genannt; darin wohnte ein Junker, ein Liebhaber der Schwarzkunst, bei dem sich Faustus oftmals aufhielt. Einmal war Doktor Faust nach Prag verreist, der Junker aber beging eben seinen Namenstag, wozu er einige gute Freunde, lauter Bekannte Doktor Fausts, eingeladen hatte. Sie waren bis in die späte Nacht recht lustig und wünschten nichts mehr, als daß ihr guter Freund Faustus dabei wäre.

Einer unter ihnen, der bereits des Guten zuviel getan hatte, nahm ein Glas Wein, erhob es und rief: »Faust, wo steckst du jetzt? Wärest du da, wir würden ohne Zweifel etwas von dir sehen, das unsere Fröhlichkeit noch vermehrte. Weil es aber für diesmal nicht sein kann, so will ich dir dies Glas zur Gesundheit bringen; kann es aber sein, so komm zu uns und säume nicht!«

Kurz darauf pochte jemand stark an die Haustür. Ein Diener lief zur Tür, um zu öffnen. Da stieg eben Doktor Faustus vom Pferd und befahl dem Diener, dem Junker und allen Gästen zu melden, daß er zur Stelle wäre. Die ganze Gesellschaft lachte darob und fragte den Diener, ob er ein Narr oder betrunken wäre. Doktor Faust sei ja verreist und könne nicht herfliegen. Indessen klopfte Faustus noch einmal stark an, so daß der Junker von der Tafel aufstand. Er sah kurz beim Fenster hinaus, wo er Doktor Faust im Mondschein erkannte. Doktor Faustus wurde von allen freudig begrüßt, und sein Pferd von einem Knecht in den Stall geführt. Die erste Frage, die alle an Doktor Faust richteten, war, daß die gesamten Gäste zu wissen verlangten, wie er so rasch von Prag wieder hieher käme. Doktor Faust antwortete kurz: »Mein Pferd ist überaus flink! Aber ich kann nicht lange bleiben, sondern muß bei Tagesanbruch wieder in Prag sein.« Darüber wunderten sich alle Anwesenden.

Nun begann die Gesellschaft erst recht fröhlich zu sein, wozu auch Doktor Faustus seinen Teil beitrug. Deswegen fragte er die Gäste, ob sie nicht auch einmal ausländische Weine versuchen möchten, es wäre gleich, Traminer, Malvasier, spanischer oder Franzwein, worauf sie lachend riefen: »Her damit, sie sind alle gut!«

Sogleich forderte Doktor Faustus von dem Diener einen Bohrer, begann an den Seiten des Tisches nebeneinander vier Löcher zu bohren, verstopfte sie mit vier Zäpflein und ließ ein paar Gläser bringen. Dann zog er ein Stöpslein nach dem andern heraus: da sprangen die Weine in die Gläser, worüber sich die Gäste nicht genug wundern konnten. Alles lachte, war guter Dinge, und sie tranken auf Fausts Wohl mit großer Begierde.

Während dieser Unterhaltung kam des Junkers Sohn und sagte zu Doktor Faust: »Herr Doktor, Euer Pferd frißt so unersättlich, daß der Stallknecht erklärte, er wolle wohl zwanzig Pferde mit dem füttern, was es bereits gefressen hat; trotzdem hat es noch immer nicht genug. Ich glaube, der Teufel frißt aus ihm.« Über diese ernsthaften Ausführungen lachten alle, Faust aber am meisten, der meinte, das Pferd hätte eben die Freßleidenschaft. Es hätte aber für diesmal genug gefressen; denn wenn man seinen unersättlichen Magen füllen wollte, würde es wohl allen Hafer auf der Tenne wegfressen. Dieses unersättliche Pferd war nämlich sein Geist Mephistopheles.

So verbrachte die Gesellschaft die Nacht fröhlich, bis der Morgen graute. Da tat Fausts Pferd einen kräftigen Schlag, daß man ihn im ganzen Haus hören konnte. »Nun«, sagte Doktor Faustus, »muß ich fort!« und wollte Abschied nehmen; aber die Gäste hielten ihn auf. Da machte er an seinem Gürtel einen Knoten, um den Aufbruch nicht zu vergessen, und gab noch ein Stündlein zu. Nach Ablauf dieser Zeit aber fing das Pferd zu wiehern an. Da wollte er wieder fort, doch ließ er sich bitten, noch ein halbes Stündlein zu bleiben. Jetzt tat das Pferd aber einen Schrei. Da wollte sich Faust nicht länger aufhalten lassen und nahm Abschied. Sie bedankten sich bei ihm der unverhofften Ankunft wegen und gaben ihm das Geleit bis zur Haustür, wo er sich auf sein Pferd setzte und die Schlossergasse hinaufritt bis zum Stadttor, das noch nicht geöffnet war. Alsogleich schwang sich sein Pferd mit ihm in die Luft, daß ihn alle, die ihm nachsahen, bald aus dem Gesicht verloren. Faust aber traf noch rechtzeitig in seinem Haus in der Stadt Prag ein.

Doktor Faust und der Heuwagen

Einmal kam Doktor Faustus in die Stadt Gotha, zur Zeit, als man gerade überall mit dem Heuernten beschäftigt war. Eines Tags ging er ziemlich bezecht mit etlichen seiner Zechkumpane vor dem Stadttor spazieren. Da begegnete ihm ein vollbeladener Heuwagen. Doktor Faustus aber schritt mitten auf dem Fahrweg, daß ihn der Bauer, der das Heu einführte, auffordern mußte, aus dem Weg zu gehen. Faust aber sagte: »Ich will bald sehen, wer ausweichen muß, ich oder du! Hast du niemals gehört, daß einem vollen Mann ein voller Wagen ausweichen soll?« Der Bauer war über die Bemerkung recht unwillig und rief ärgerlich, wenn er nicht ausweichen wolle, werde er ihm den Weg zeigen. Faust aber erwiderte ihm: »Wie, Bauer, willst du aufbegehren? Mache nicht viel Umstände, sonst fresse ich dir deinen Wagen samt dem Heu und den Pferden!«

Der Bauer erwiderte: »Dann friß auch noch etwas anderes dazu!« Da verblendete Doktor Faustus mit seiner Kunst den Bauern derart, daß er meinte, Faust habe ein Maul wie ein Scheunentor und hätte bereits seine Pferde mit Wagen und Heu verschlungen. Darüber erschrak er heftig und lief eilends davon; denn er meinte, wenn er sich lang aufhalte, könne er selbst drankommen. Er rannte in die Stadt zum Bürgermeister und klagte ihm seine Not, wie ihm ein seltsamer Mann begegnet sei, der habe ihm nicht ausweichen wollen und schließlich den Wagen mitsamt den Pferden gefressen; er bitte um Rat und Hilfe.

Lachend meinte der Bürgermeister, das wäre nicht möglich, er sei entweder betrunken oder nicht bei Sinnen. Der Bauer beteuerte hoch und heilig, daß es so sei, wie er erzählte, und berief sich auf seine Nachbarn und andere, die hinter ihm hergefahren seien. Da der Bürgermeister Ruhe haben wollte, mußte er sich mit dem Bauern hinausbegeben und das Wunder anschauen. Als beide aber noch keine allzu weite Strecke gegangen waren, sahen sie Rosse, Heu und Wagen unverrückt wie zuvor dastehen. Faust aber hatte indessen einen andern Weg genommen.

Doktor Faust gewinnt einen Famulus

Um diese Zeit geschah es, daß sich Doktor Faust für sein Zauberhandwerk einen Famulus nahm. Es kam nämlich zur Winterszeit eines Tags ein junger Schüler und sang nach der Sitte der Zeit geistliche Lieder. Doktor Faustus hörte ihm eine Weile zu, und weil er sah, daß der arme Mensch schlecht gekleidet und fast erfroren war, erbarmte er sich seiner, lud ihn ein, sich in seiner Stube zu wärmen, und fragte, woher er sei. Der Junge antwortete, er sei eines Pastors Sohn und habe seines Vaters täglichen Zorn nicht länger ertragen können. Da Doktor Faust aus seinen Reden entnahm, daß er einen gelehrten und zugleich verschmitzten Kopf vor sich habe, nahm er ihn als Famulus an und gewann ihn bald lieb, hauptsächlich weil er verschwiegen war. Darum sagte er ihm einst alle Geheimnisse und stellte ihm überdies eines Tags seinen Geist in der Mönchsgestalt vor.

Da Faust nun einen menschlichen Diener hatte, konnte er seinen schwarzen Zauberhund »Prästigiar«, der auch wieder ein Geist war, entbehren und schenkte ihn dem Abt von Halberstadt. Nach einem Jahr aber begann der Hund zu winseln und zu schnaufen und verbarg sich, wo er nur konnte. Der Abt fragte ihn deswegen, was er wolle. Da gab ihm der Geisterhund zur Antwort: »Ach, Herr Abt, ich habe gemeint, sehr lang in Eurem Dienst bleiben zu können, aber ich sehe leider, daß ich bald von hier scheiden werde; die Ursache aber muß ich verschweigen!«

Ehe acht Tage um waren, starb der Abt an einem heftigen Fieberanfall.

Doktor Faust in Innsbruck

Kaiser Maximilian kam einmal mit seiner ganzen Hofhaltung nach Innsbruck. Eines Abends ließ er den Doktor Faustus, der sich seiner Kunst wegen bei Hof aufhielt und bei Ihrer kaiserlichen Majestät in besonderen Gnaden stand, in sein Zimmer kommen und verlangte, er solle ihm ein Kunststück vormachen.

»Ich möchte gern«, sagte der Kaiser, »den Geist Alexanders des Großen sehen sowie den seiner schönen Gemahlin, gerade wie sie im Leben gewesen sind.«

Doktor Faustus antwortete nach kurzem Bedenken, er wolle das alles bewerkstelligen, nur verlange er von der kaiserlichen Majestät, während der Vorstellung nichts zu reden, was der Kaiser auch zusagte. Faust ging indessen vor das Gemach, erteilte seinem Mephistopheles Befehl, diese Personen herbeizurufen, und kehrte wieder in das Zimmer zurück. Bald klopfte es an der Tür, da tat sich diese von selbst auf, und herein schritt Alexander der Große, nicht groß von Gestalt, doch von strengem Aussehen. Er trug einen herrlichen Harnisch und begrüßte den Kaiser aus dem Stamme der Habsburger; dieser aber wollte sofort dem großen Helden der Antike die Hand bieten und sprang von seinem Stuhl auf. Faust aber trat eilig dazwischen und verhinderte jede Berührung.

Als Alexanders Geist wieder gegangen war, erschien der Geist seiner Gemahlin. Sie war eine überaus edle Frau, lieblich anzusehen, daß sich der Kaiser über ihre Schönheit verwunderte. Zugleich fiel ihm ein, daß er öfters von dieser schönen Königin gelesen, sie habe hinten am Nacken eine Warze gehabt. Er stand daher auf und ging auf sie zu, um sich davon zu überzeugen. Als er die Warze erblickt hatte, verließ der Geist das Gemach. Der Kaiser aber bedachte den Schwarzkünstler mit einem kaiserlichen Geschenk.

Aus Dankbarkeit wollte Doktor Faust dem Monarchen noch ein besonderes Vergnügen verschaffen. Nachdem Kaiser Maximilian eines Abends in seinem gewöhnlichen Schlafgemach zur Ruhe gegangen war, konnte er sich frühmorgens beim Erwachen nicht entsinnen, wo er wäre; denn das Schlafgemach war durch Doktor Fausts Kunst in einen prächtigen Saal verwandelt worden, in dem zu beiden Seiten viele schöne Bäume standen, die mit reifen Kirschen und anderem Obst behangen waren. Der Boden des Saals glich einer grünen Wiese mit allerlei bunten Blumen. Um des Kaisers Bett aber standen die edelsten Bäume, wie Orangen, Granaten, Feigen und Zitronen mit ihren überreifen Früchten; auf dem Gesims sah man die köstlichsten Trauben in schweren Reben herabhangen.

In höchstem Erstaunen erhob sich der Kaiser, nahm seinen Morgenrock um und setzte sich nahe dem Bett auf einen Sessel. Da hörte er den lieblichen Gesang der Nachtigall, das anmutige Trillern anderer Singvögel, die von einem Baum auf den andern flogen; auch sah er am Ende des Saals schneeweiße Kaninchen und junge Hasen laufen, und kurz nachher überzog das prächtige Gebälk der Decke ein Gewölk.

Der Kaiser ließ sogleich die Vornehmsten am Hof zu sich berufen, die sich über die Schönheit des Saals ebenfalls nicht genug wundern konnten. Aber kurz darauf fingen die Blätter an den Bäumen plötzlich zu welken an, ebenso auch die Früchte und Blumen. Dann blies ein Wind zum Gemach herein, der wehte alles ab, daß der ganze Zauber augenblicklich vor ihren Augen verschwand und sie glaubten geträumt zu haben. Nun ließ der Kaiser den Doktor Faustus rufen und fragte ihn, ob er der Meister dieses Zauberwerks gewesen sei? Doktor Faust erwiderte: »Ja, allergnädigster Herr; Eure Kaiserliche Majestät hat mich kürzlich wegen eines Kunststücks mit einer wertvollen Gabe ausgezeichnet; dafür habe ich mich denn dankbar erweisen müssen.« Diese Begründung gefiel dem Kaiser besonders.

Nun hörte Doktor Faust eines Tages, daß der Kaiser einigen fremden Gesandten und andern Herren zu Ehren ein feierliches Festmahl geben werde, wobei auch Frauen zugegen sein würden. Dabei sollte auch Doktor Faustus seine Kunst zeigen. Er brachte es zuwege, daß in dem großen Saal, wo das Mahl gehalten wurde, die Decke verschwand und ein Gewölk aufstieg, als ob es bald regnen wollte. Bald darauf aber zerrissen die Wolken, und der blaue Himmel kam zum Vorschein, daß es herrlich anzusehen war. Die Sterne ließen sich in voller Klarheit sehen, und der Mond schien in fahlem Glanz in den Saal. Dann überzog Gewölk wieder den Himmel, es gab einen starken Blitz, daß sich alle versammelten Gäste bekreuzten. Bald nachher sah man einen schönfarbigen Regenbogen über der kaiserlichen Tafel. Als nun Doktor Faustus bemerkte, daß der Kaiser und die vornehmsten Herren von der Tafel sich erhoben hatten, die Damen aber sich noch etwas aufhielten, da zog das Gewölk abermals herauf. Bald begann es zu blitzen und zu donnern, ja zu hageln und zu regnen, so daß alle den Saal verlassen mußten. Das wurde sogleich dem Kaiser gemeldet, der zuerst erschrak, aber bald sich erinnerte, daß alles nur auf der Kunst des Doktor Faust beruhte, was ihm große Beruhigung und Freude bereitete.

Donner und Wolken wichen, die Decke des Saales schloß sich wieder, feierlich lag der große Festsaal da – doch von Doktor Faust war keine Spur zu sehen.

Doktor Faust und die Fastnacht zu Salzburg

Als kurz nachher die fröhliche Fastnachtszeit gekommen war, berief Doktor Faust etliche Studenten und traktierte sie aufs beste bis in die Nacht hinein. Obwohl sie keinen Mangel an Getränk litten, verlangte es doch den Doktor Faust, eine lustige Fahrt zu tun. Er führte die Gäste in seinen prächtigen Garten, nahm eine Leiter, setzte einen jeden auf eine Sprosse und fuhr mit ihnen davon. Gleich nach Mitternacht trafen sie in dem bischöflichen Keller zu Salzburg ein, wo sie Licht machten und ungehindert die herrlichsten Weine versuchten. Als sie fast eine Stunde lang lustig auf die Gesundheit des Bischofs ein Glas nach dem andern geleert hatten, kam der Kellermeister und öffnete ahnungslos die Tür, um für sich und seine Gesellen noch einen Schlaftrunk zu holen. Da erblickte er die nassen Burschen, die sich einen wohlfeilen Rausch anzechen wollten. Schließlich ermannte sich der Kellermeister und schalt sie Diebe, denen ihr Lohn bald zuteil werden sollte. Er wollte auch gleich zurücklaufen und Lärm schlagen. Das verdroß aber Doktor Faust, um so mehr als er sah, daß seine Mitgesellen ängstlich zu werden begannen. Er ermahnte daher zum eiligen Aufbruch und befahl, es solle ein jeder seine Flasche, die er schon vorher mit gutem Wein gefüllt hatte, mit sich nehmen und die Leiter ergreifen; er aber nahm den Kellermeister beim Schopf und fuhr mit allen zugleich durch alle Lüfte davon. Als sie kurz darauf über einen Wald, der längs der Salzach sich erstreckte, dahinfuhren, erblickte Doktor Faust einen hohen Tannenbaum. Auf den wurde der vor Furcht und Schrecken halbtote Kellermeister abgesetzt. Faust aber kam mit seinen Burschen und den Flaschen Wein wieder in sein Quartier, wo sie erst recht weiterzechten, bis der Tag anbrach.

Wie dem guten Kellermeister indessen auf seinem Baum zumut war, ist leicht zu denken, zumal er nicht wußte, wo er sich befand, und halb erfroren war. Als aber der sehnlich erwartete Morgen anbrach und er erkannte, daß er ohne Lebensgefahr nicht von dem hohen Baum herabkommen würde, rief er so lang und so laut, bis zwei vorübergehende Bauern, die in der Stadt Butter und Käse verkaufen wollten, die Rufe vernahmen. Weil der Kellermeister den Bauern guten Lohn versprach, eilten sie rasch in die Stadt, um Hilfe zu holen. Dort wollte man ihnen zuerst nicht glauben, bis die Abwesenheit des Kellermeisters und die halboffene Kellertür für die Wahrheit ihrer Aussage zeugten. Eine Menge Stiftsleute eilte mit den Bauern an das Ufer des Flusses, wo der Kellermeister im hohen Baumwipfel saß und mit großer Mühe vom Baum herabgebracht werden mußte. So sehr man ihm aber mit Fragen zusetzte, vermochte er doch weder zu sagen, wer die Diebe gewesen, die er im Keller angetroffen, noch den zu nennen, der ihn auf den Baum gesetzt hatte.

Am folgenden Aschermittwoch kamen diese guten Brüder wieder zu Doktor Faust und erklärten, sie müßten dort anfangen, wo sie gestern aufgehört hätten. Und weil Doktor Faust sich noch einmal recht fröhlich erzeigen wollte, ließ er den Tisch decken mit der Bitte, vorlieb zu nehmen mit dem, was man auftragen würde. Nebst zwei Braten wurde auch ein schöner, großer gebratener Kalbskopf aufgesetzt und einer der Studenten gebeten, ihn zu zerlegen. Als dieser aber das Messer ansetzte, fing der Kalbskopf zu schreien an: »Mordio, helfio, auweh, was hab' ich dir getan!« Die Studenten erschraken sehr darüber. Als sie sahen, daß Doktor Faust vor Lachen schier ersticken wollte, wußten sie bald Bescheid und lachten mit. Vom Dom zu Salzburg schlug es Mitternacht. Da beschlossen sie, miteinander vermummt in die Häuser der engen Altstadt zu gehen, so wie es der Brauch war. Jeder zog auf Geheiß Doktor Fausts ein weißes Hemd an. Als sie dann einander ansahen, glaubte jeder, der andere habe keinen Kopf. Bald aber bekamen sie rechte Eselsohren, riesige Nasen, ja einer sogar ein mächtiges Hirschgeweih. Das Spiel trieben sie bis gegen Morgen, wo sie jauchzend und johlend durch die engen Gäßchen zogen, bis sie zur Salzachbrücke kamen, von wo sie dann reichlich bezecht nach Hause torkelten.

Als Doktor Faust am folgenden Tag noch immer seine Fastnacht hielt und die Studenten wieder bei ihm versammelt waren, fing er auch seine Gaukelei wieder an, und so kamen in die Stube dreizehn Affen herein; die sprangen und tanzten in einer Reihe um den Tisch herum, dann hüpften sie zum Fenster hinaus und verschwanden.

Weil aber damals dichter Schnee lag, holte Doktor Faust mit Zauberei einen schönen, großen Schlitten; der hatte die Gestalt eines Drachen, auf seinem Haupt saß Faust selber und mitten drinnen die Studenten. Vier Affen hockten auf dem Schwanz des Drachen und trieben allerlei Possen, der Schlitten aber lief von selbst, wohin sie wollten. Dies währte bis in die Nacht hinein und verursachte solches Getöse, daß einer den andern nicht hören konnte. Und als der Morgen zu grauen begann, lagen wieder alle in ihren Betten und keiner der Studenten mochte erraten, wie das geschah.

Doktor Faust wird gewarnt

Je näher das Ende des Bündnisses mit dem Teufel herankam, desto mehr verfiel Doktor Faustus in sein wüstes Leben. Damals sah er in seiner Nachbarschaft ein schönes, aber armes Mädchen, das vom Land herein in die Stadt gekommen war und sich bei einem Krämer verdingt hatte. Sie gefiel Doktor Faust außerordentlich, so daß er ihr auf allerlei Weise nachstellte. Die Jungfrau aber wollte nur von der Ehe hören. Da rieten die Freunde endlich dem verliebten Faustus, sich mit ihr zu vermählen. Der Geist Mephistopheles aber sagte, er solle an sein Versprechen denken, sich in keinen Ehestand einzulassen. »Denn der Ehestand ist ein Werk des Höchsten«, betonte er, »den wir Teufel zutiefst hassen und verfolgen. Deshalb, Faust, sieh dich vor: Solltest du dich verehelichen, so wirst du von uns in Stücke zerrissen werden.«

Doktor Faust dachte eine Weile nach, wollte aber doch auf seinem Vorsatz beharren und erklärte: »Mein Entschluß steht fest, ich will mich verehelichen, es folge daraus, was da wolle!« Damit ging er in seine Stube.

Ein mächtiger Sturmwind erhob sich und brauste auf sein Haus los, als wolle er es umwerfen, die Türen sprangen auf, das ganze Haus fing Feuer. Doktor Faust lief die Stiege hinab, da ergriff ihn eine Hand und warf ihn in die Stube zurück, daß er weder Hände noch Füße rühren konnte. Um ihn her loderte überall Feuer auf, als ob er verbrennen sollte. In diesen Nöten schrie er seinem Geist um Hilfe: er solle die Gefahr nur diesmal noch von ihm abwenden, dann wolle er versprechen, in Zukunft in allem seinen Willen zu tun.

Da erschien ihm Fürst Luzifer leibhaftig, so fürchterlich anzusehen, daß Faust seine Augen vor ihm zuhielt und seines letzten Endes gewärtig war. Der Höllenfürst fuhr ihn an: »Sag mir nun, was du tun willst!« Doktor Faustus, ganz kleinmütig und gebrochen, erwiderte: »O du gewaltiger Fürst dieser Hölle, verlängere mir meine Tage; ich habe meine Zeit noch nicht erfüllt; deswegen bitte ich dich, laß mich noch in diesem Leben, ich will wieder andern Sinnes werden.« »Gut«, grollte der Satan, »aber bleibe bei deinem Versprechen, das rate ich dir bei meiner Gewalt!« Damit verschwand der höllische Fürst samt dem Feuer, und leichenblaß blickte Doktor Faust vor sich hin.

Doktor Faust und sein Famulus Wagner

Als nun das vierundzwanzigste Jahr seiner Verschreibung zu Ende ging, berief Doktor Faust einen bekannten Notar und etliche gute Freunde und vermachte in deren Gegenwart seinem Famulus Wagner Haus und Garten, ebenso was an Barschaft, Hausrat, silbernen Bechern, Büchern und dergleichen vorhanden war.

Nach drei Tagen fragte Doktor Faust seinen Famulus, ob er auch einen Geist haben wolle, der bei ihm wohnen sollte, und in welcher Gestalt er ihn gern haben möchte? Wagner antwortete: »Ja, ich will einen ruhigen, sicheren Geist, er soll die Gestalt eines Affen haben.«

»Gut«, erklärte Doktor Faustus, »du sollst ihn bald sehen.«

Sogleich sprang ein Affe mittlerer Größe flink zur Stube herein. »Da hast du ihn«, sagte Faust, »er wird dir aber erst nach meinem Tod dienen; er heißt Auerhahn. Ferner bitte ich dich, meine Kunst, Taten und wunderbaren Abenteuer aufzuzeichnen; dabei wird dir dein Geist Auerhahn treulich helfen. Tu es aber erst nach meinem Tod! Lasse dann meine Abenteuer in Druck erscheinen, auf daß sie ein Volksbuch werden!«

Doktor Fausts Verdammnis und Tod

Das Stundenglas Doktor Fausts lief nunmehr aus; denn er hatte nur noch einen Monat vor sich, nach dem seine vierundzwanzig Jahre zu Ende waren. Über dieser Rechnung brach ihm der bittre Angstschweiß aus, und es war ihm wie dem Mörder, der stets der Todesstrafe, die ihm bereits im Urteil angekündigt wurde, gewärtig sein muß. Während er darüber nachsann, ging seine Stubentür auf, und herein trat Luzifer in eigener Person, schwarz und zottig, und sprach: »Weil nun deine bestimmte Zeit von vierundzwanzig Jahren bald aus sein wird und ich mein Pfand holen will, kündige ich dir jetzt meinen Dienst auf, den ich dir jederzeit treu geleistet habe. Nun halte auch du mir treu, was du mir versprochen hast. Leib und Seele sind nun mein, darein füge dich, es ist nicht mehr zu ändern. Und so lade ich dich denn vor das Gericht Gottes, da gib Rede und Antwort, weil ich an deiner Verdammnis nicht schuld bin. Wenn die Zeit da ist, will ich mein Pfand holen.«

Doktor Faustus konnte vor Angst und Grauen kein Wort hervorbringen. Als er wieder zu sich kam, stöhnte er verzweifelt: »Das habe ich gefürchtet! Ach, ich bin verloren, meine Sünden sind zu groß, als daß sie mir vergeben werden könnten!«

Inzwischen war der Teufel verschwunden, und sein Famulus Wagner, der alles gesehen und mitangehört hatte, tröstete seinen Herrn, er solle nicht so kleinmütig sein und verzagen, es wäre wohl noch Hilfe da; er solle seine vertrauten Freunde holen lassen und ihnen die Sache offenbaren, damit er von ihnen Trost aus der Heiligen Schrift bekäme und wenigstens seine Seele rette, wenn schon der Leib verloren sei.

Der geängstigte Doktor Faustus ächzte: »Ach, was hab' ich getan, woran hab' ich gedacht, daß ich wegen einer so kurzen Zeit die Seligkeit verscherzt habe, die ich mit andern Auserwählten hätte genießen können! Nun ist es aus!« Und so wollte der Unglückliche verzweifeln.

Inzwischen war der Famulus zu den Studenten gegangen und hatte ihnen alles erzählt. Aber keiner wollte mehr zu Doktor Faustus gehen, damit ihnen selbst nichts geschehe; denn sie wußten, daß mit dem Teufel nicht zu scherzen wäre. Damit aber Doktor Faustus nicht ganz ohne Trost bleibe, riefen sie einen gelehrten Geistlichen, dem sie alles offenbarten, und baten ihn, daß er doch Doktor Faust aus der Heiligen Schrift Trost zusprechen und so dem Teufel begegnen möchte.

Als sie Doktor Faust in der Stube auf seinem Sessel sitzen sahen, die Hände ringend und tief aufseufzend, hatten sie alle herzliches Mitleid mit ihm. Nachdem sie Platz genommen, redete ihm der Geistliche zu, er solle nicht traurig sein, es wäre ihm wohl noch zu helfen und zu raten. Er solle nur mit festem Glauben und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit hoffen und so dem Satan Widerstand leisten, weil Gott niemand ausschließe, vielmehr wünsche, daß allen Menschen geholfen werde. Ferner forderte er ihn auf, er solle sich vor Gottes Angesicht demütigen, sich als einen armen, großen Sünder bekennen und wahre Reue über die begangenen Sünden zeigen.

Als Doktor Faustus so wieder einigen Trost gefunden hatte, legte er sich zur Ruhe nieder, und sein Famulus blieb bei ihm in der Kammer. Da kam der Teufel zu ihm ans Bett, schlug gleich ein großes Gelächter an und rief: »Mein Faust, bist du einmal fromm geworden, so bleib es, schau nur zu, was deine Frömmigkeit dir helfen wird! Mein Lieber, wie kannst du auf die Seligkeit hoffen, der du voll Sünden bist? Du willst Trost in Christus finden, der du ihn immer gelästert hast? Du fährst zur Hölle, das ist dein rechter Lohn, dort warten schon viele Teufel auf dich. Du hoffst umsonst, hoffe, solang du willst! Es ist zu spät für deine Buße. – Noch eins, Faust, sag mir die Wahrheit; was gilt's, es ist dir weniger um deine Seligkeit zu tun, als darum, daß du sterben sollst. Sag, ist es nicht so?«

Doktor Faustus gab darauf keine Antwort, verbrachte die Nacht mit schwermütigen Gedanken und befahl am nächsten Morgen seinem Famulus, den Geistlichen zu holen, der bald mit zwei Studenten kam. Als ihm nun Doktor Faustus berichtet hatte, was der Teufel in der vergangenen Nacht für ein Gespräch mit ihm gehabt hatte, antwortete der Geistliche: »Wenn er wieder zu Euch kommt, so sprecht: ›Höre, Satan, ich bekenne, daß ich ein schwer gefallener Sünder bin, aber die Barmherzigkeit Gottes ist weit größer. Gott hat nie einen Sünder verstoßen, der ernstlich Buße getan hat, auch in der Stunde seines Todes nicht. Und daß du mir mit Verdammnis drohst, das ist dein altes Liedlein; du bist ein Lästermaul und kein Richter, ein Verdammter und kein Verdammer.‹ Und darum, mein Herr Doktor Faust«, schloß der Geistliche, »seid ohne Sorge, und wenn der Teufel wieder an Euch heran will, so haltet mit dem Wort Gottes seine bösen Streiche auf.«

Doktor Faustus hatte nun etliche Tage Ruhe vor dem Teufel. Einmal aber zur Nachtzeit überfiel ihn im Bett große Angst, daß er nicht wußte, wo er bleiben sollte. Es kamen ihm allerhand verzweifelte Gedanken in den Sinn.

Eines Morgens berief er seinen Famulus zu sich ans Bett und klagte mit zitternder Stimme: »Ach, lieber Sohn, was habe ich jetzt von meinem gottlosen Leben? Ach, wenn ich an mein Ende denke, das nun nicht mehr fern ist, so überläuft mich eiskalter Schweiß, das Zittern und Zagen will nicht mehr aufhören, und ich sehe vor mir das strenge Gericht Gottes. Es wäre mir tausendmal lieber, als ein unvernünftiges Tier geboren oder doch in meiner zarten Kindheit schon gestorben zu sein! Nun aber, ach, nun ist's aus, Leib und Seele, die fahren dahin, wohin sie gehören.«

Auf solche Klagen antwortete sein Famulus, den sein Herr dauerte: »Ach, Herr Doktor, warum seid Ihr doch stets so schwermütig und kränkt Euch immerfort?«

Das Stundenglas war nunmehr ausgelaufen; die vierundzwanzig Jahre des Doktor Faustus waren zu Ende. Da erschien ihm der Teufel abermals, und zwar in derselben Gestalt, in der er damals den verruchten Bund mit ihm geschlossen hatte, zeigte ihm seine Urkunde, worin er ihm mit seinem eigenen Blut seinen Leib und seine Seele verschrieben hatte, und erklärte, daß er in der folgenden Nacht sein Unterpfand holen wollte. Darauf verschwand er.

Da kam die Reue, das Zittern und Zagen und größte Bangigkeit mit aller Macht über Faust. Er krümmte sich wie ein Wurm, weinte und klagte die ganze Nacht über. In diesem erbärmlichen Zustand erschien ihm sein bisheriger Hausgeist Mephistopheles um Mitternacht, tröstete ihn und sprach: »Mein Faust, sei doch nicht so verzagt; denk doch, wenn du auch deinen Leib verlierst, ist's doch noch lang, bis du vor dem Gericht Gottes erscheinen wirst. Du mußt doch über kurz oder lang ohnedies sterben. Und wenn du schon als ein Verdammter stirbst, so bist du es doch nicht allein, bist auch der erste nicht; denke an alle Gottlosen, die in gleicher Verdammnis mit dir sind und zu dir kommen werden. Sei beherzt und unverzagt, denke an die Verheißung unseres Obersten, der dir versprochen hat, daß du nicht leiden sollst in der Hölle wie die andern Verdammten.«

Da nun Doktor Faustus sah, daß der Teufel sein Unterpfand sicher nicht aufgeben, sondern in der folgenden Nacht bestimmt holen würde, stand er frühmorgens auf, spazierte vor die Stadt hinaus und befahl nach seiner Rückkehr seinem Famulus, die Studenten, seine früheren vertrauten Freunde, noch einmal zu ihm ins Haus zu berufen; er hätte ihnen etwas Wichtiges anzukündigen.

Als alle versammelt waren, begann Faust:

»Liebe Herren, daß ihr heute zu mir gekommen seid und auf meine Bitte bis in die Nacht hinein bei mir bleibt, dafür danke ich euch. Ich wollte euch jetzt nur sagen, daß ich mich von Jugend an mit der Schwarzkunst beschäftigt habe, worin ich es mit der Zeit so weit brachte, daß ich den Geist Mephistopheles beigegeben erhielt, der mir alle meine Wünsche erfüllen mußte. Aber ich mußte mich dafür mit meinem eigenen Blut dem Satan verschreiben, Gott absagen und allen guten Menschen feind sein und sollte dem Bösen nach vierundzwanzig Jahren mit Leib und Seele verfallen. Ohne Zweifel hat mich der Teufel getrieben, daß ich den Bund mit ihm abgeschlossen hatte.

Nun aber sind die bestimmten Jahre heute nacht zu Ende. Da wird der Teufel sein Unterpfand holen und mit mir schrecklich umgehen. Das alles wollte ich aber gern ausstehen, wenn ich nur meine Seele retten könnte. Ich bitte euch nun, liebe Herren, nach meinem Tod alle, die mich geliebt und wegen meiner Kunst geschätzt haben, freundlich zu grüßen und ihnen viel Gutes zu wünschen. Was ich diese vierundzwanzig Jahre über für Abenteuer getrieben, das werdet ihr in meiner Wohnung aufgeschrieben finden.

Jetzt begebt euch miteinander zur Ruhe und laßt euch nicht stören, wenn ihr ein schauerliches Gepolter im Haus hört; fürchtet euch nicht, denn euch wird kein Leid widerfahren! Zuletzt möchte ich euch nur bitten, meinen Leib zu bestatten, wenn ihr ihn findet. Gehabt euch ewig wohl, ihr Herren, und nehmt euch ein Beispiel an meinem Verderben! Gute Nacht, es muß geschieden sein!«

Bei diesen Worten sank Faust wie ein Ohnmächtiger auf die Bank hin. Erschrocken bemühten sich seine Freunde, ihn aufzurichten. Da hörten sie im Haus ein Gepolter. Entsetzt riefen sie: »Gehen wir, damit uns nicht etwas Arges widerfahre!«

Als die Mitternachtsstunde kam, erhob sich plötzlich ein heftiger Sturm, der tobte, als ob er das Haus umreißen wollte. Angstvoll wünschten die Studenten zehn Meilen weg zu sein, und sprangen erschrocken aus den Betten. Als sie kurz darauf in der Stube, in der Doktor Faustus geblieben war, ein greuliches Zischen und Pfeifen vernahmen, als ob lauter Schlangen und Nattern dort wären, glaubten sie auch ein Stoßen in der Stube und ein entsetzliches Wehrufen des armen Faust zu hören. Dann trat Ruhe ein. Es verging der Wind, und alles ward wieder still. Den Körper des Doktor Faust suchten sie überall im Hause und fanden ihn zuletzt tot im Freien.

Zuerst berieten sie, wie sie seine letzte Bitte erfüllen und den Leichnam bestatten könnten, dann beschlossen sie, alles zu verschweigen und beim Begräbnis über Fausts Ende nur auszusagen, daß Doktor Faustus eines schnellen Todes gestorben sei.

Nachdem Doktor Faustus begraben war, hatte seine Seele auf Erden noch keine Ruhe. Sein Geist regte sich, erschien öfter seinem Diener Christoph Wagner und hielt manche Gespräche mit ihm.

Die Nachbarn aber gewahrten den Geist des Doktor Faustus bei Nacht oftmals in seiner Behausung am Fenster, besonders wenn der Mond schien. Er ging auch im Haus umher, leibhaftig in Gestalt und Kleidung, wie er auf Erden gegangen war. Sein Famulus Wagner aber beschwor den Geist und verhalf ihm zu seiner Ruhe auf Erden.

Seit dieser Zeit ist es um Doktor Johannes Faustus friedlich und still geworden.

 


 


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