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6

Es hatte sich der Herbst ins Land gezogen und dann der Winter, und auf Schnee und Eis war der Frostriese gekommen, der grobe Gesell, und hatte männiglich in den Phiesel der Burge zusammengedrängt. Es war eine öde, langweilige Zeit, und ich sehnte mich täglich mehr nach des Lenzes Wonnetagen, nach der grünen Au, der Blumen Blühen und der Vogelin Sang, und da ich dies Sehnen nicht lindern konnte, strich ich es mit der Fiedel hinaus in die Schneestürme des Winters, und der Knabe Meinrad und Hagen von Randsberg lauschten gar andächtig dem Spiele. Hagen ersann auch in stiller Weile gar anmutige Lieder, und manchmal sang er eins oder das andere zum Spiel meiner Fiedel. Ich gewann ihn lieb, und er wurde mir Freundes wert wie kein anderer mehr in der ganzen Burge. Ich erkannte sein treugolden Herz, das von rauer Schlacke umgeben, aber gar leise empfänglich gewesen für alles Gute und Schöne. Ich redete oft mit ihm über dieses und solches, und es tat mir wohl, wenn ich seine gerade Meinung hörte und sein durch kein Arg und Falsch getrübtes Urteil. Seiner Rede Sinn war oft hart und ungefüge, aber echt und wahr, und ich wünschte häufig, er möchte zu hoher Stellung gelangen, damit er bessern könnte, was unrecht und ungesund in seinem Bereiche.

Gen Lichtmess zu gesellte sich aber auch Sibot von Haibach zu uns, und wir ließen ihn bei uns sitzen, weil seine Späße uns viel Ursach gaben zu fröhlichem Lachen. Er war nicht dörperhaft Dörperhaft = dörflich, bäuerlich; unbeholfen, ungehobelt. wie die andern und die ehrliche Güte selber, aber der Schöpfer hatte ihm in seiner Güte die Gabe verliehen, allweg fröhlichen Sinn zu machen, wo er hinkam oder wo er redete.

Und so verging die hart Zeit recht schön, und es kam einmal ein Tag, da die Lenzessonne den Schnee weggewärmet von dem Erdboden und das erste Grün sich zeigte auf den Wiesen.

Wie von hartem, truddrückendem Traume erwacht, atmete ich da auf und sprang hinaus wie ein junges Böcklein und labete mich an der Schöne der Lenzeswelt.

Es verging der Ostermond, es kam der Maien und der ander Maien Maien, Die Alten benannten die zwölf Monate mit: Der große Hornung, der kleine Hornung, der Märzen, der April oder Ostermond, der Maien, der ander Maien, das Heumonat, das Arnmonat (Erntemonat), der Herbst, der ander Herbst, der Winter und der ander Winter oder das Christmonat. Der ander Maien also = Juni. Die Alten und auch die Mundart kennen nur das Monat., ohne dass ein besonder Geschehnis die Einförmigkeit des täglichen Lebens gestört hätte, und nur am Eingange des anderen Maien kam einmal Kunde in die Burge, dass die Bürger der Städte hart unzufrieden werden wollten mit Herzog Heinrichen und den Lasten, so er ihnen zu tragen aufgebürdet. Und auch die Bürger von Straubing sollten einen Bund und eine Einung geschlossen haben untereinander wider den Herzog und sich gerüstet.

Wir redeten eine Weile lang darüber und rieten hin und her, und Herr Peter meinte, dies föchte uns bislang nicht an, da im Umkriee alles ruhig wäre. Ohne Widerstreit und Gezänke könne die Menschheit nun einmal nicht leben, und so die Großen und Mächtigen Frieden hielten untereinander, müssten die Bürger und Gemeinen anfangen. Aber es würde ihnen wohl nichts nützen, und des Herzogs Viztum würde bald alles zu Rechtem bringen.

Das dachten wir auch und maßen der Nachricht keine Bedeutung bei, aber ein paar Tage später stand plötzlich ein Trupp Geharnischter vor dem Fallgitter. Des Herzogs Banner wehte ober den blinkenden Helmen, und Ulrich der Leuwelfinger heischte Einlass im Namen des Herzogs.

Was mochte der schon wieder wollen? Brauchte der Herzog wieder Geld oder gar etliche derbe Fäuste zum Dreinschlagen? Oder wollte er gar den Natternberg zurücklösen?

Herr Peter kam, und als der Leuwolfinger seiner ansichtig geworden, streckte er ihm die eisenbewehrte Hand zum Gruße entgegen.

»Willkommen, Herr Viztum von Straubing!«

Der Eckher schaute etliche Augenblicke völlig erstaunt, dann aber flog eine leichte Röte über sein Gesicht, und in seinen Augen flammte und lohete es auf vor eitel Freude. Trotzdem aber tat er, als verstünde er der Rede Sinn nicht.

»Ist Fastnachtszeit oder sonst übermütige Weile?« lächelte er.

»Warum?«

»Weil der Eckher der Pfleger ist zu Mitterfels und nicht des Herzogs Viztum zu Straubing.«

»Meint Ihr?« lachte der Leuwolfinger herzlich, so dass des Halsberks Geringe klirrte. »Ich, Ulrich der Leuwolfinger, des Herzogs Heinrich Hofmeister, tu' Euch auf Geheiß meines Herrn kund und zu wissen, dass hinfür Sibot von Haibach Pfleger ist zu Mitterfels und Peter der Eckher des Herzogs Viztim zu Straubing, dieweilen die widerspenstigen und aufruhrerischen Bürger zu Straubing Herrn Adelwart von Aiterhofen, den anherigen Viztum, ob seiner Schwäche vertrieben. Glaubt Ihr noch nicht, Thomas?«

»Ich glaube meines Herrn Herzogs Botschaft«, sagte Herr Peter und verneigte sich leicht. Und der Leuwolfinger stieg ab, reichte zuerst ihm und nachher dem fröhlichen Sibot einen von des Herzogs Hand unterschriebenen Brief und ging dann, seiner Rüstung sich entledigen zu lassen. Desgleichen taten die Übrigen, so mit ihm als Gefolge gekommen, und dann wurde Rates gepflogen im Rittersaale.

Ich habe Herrn Peter noch nie so fröhlich und guter Dinge gesehen, denn zur selben Stunde. Es ist auch Großes, wenn es einer aus dem Stande der gemeinen Ritterschaft bis zu des Herzogs Viztum, was zu gut deutsch Stellvertreter oder Statthalter bedeutet, bringt. Herr Peter der Eckher war wohl seit jeher ein Ritter und Kriegsmann, wie er sein soll, aber mir kam es ungewollt doch in den Sinn, ob nicht etwa das geliehene Geld mitgewirket zur Erhöhung. Auch Frau Berthel war allweg die Güte selbst und lachte und scherzte und verbarg ihre Freude nicht, dass sie nun zu Straubing in der Stadt werde herbergen und leben können und die Erste sei nach der Fraue Herzogin.

Nur Sibot verzog sein Schalksnarrengesicht, als ob ihm die Botschaft nicht die größte Freude machte.

»Was soll ich als Pfleger anfangen?« klagte er einmal ganz unversehens.

»Ihr werdet doch eines Pflegers Obliegenheit kennen?« tadelte der Leuwolfinger gelinde. »So Ihr aber das Amt nicht annehmen wolltet, bedürfte es bloß einer Botschaft an den Herrn Herzog.«

»Wär' es nicht, dass ich meine Ursula, die bärenhafte Jungfrau aus der Gewolfen Sippe, heimführen könnte als Ehegespons, ich schickte die Botschaft; aber … töricht der Mann, der sich wehren will wider das anrückende, mit Weiberhaaren umwickelte Unheil.« Und damit war er wieder Sibot, der Spötter mit dem Schalksnarrengesicht.

»Die Rede wenn eins der Ursula hinterbrächte!« drohte Frau Berthel schelmisch.

»Mmm!« machte es Sibot gleichgültig. »Der Weibsvölker sind genug im Lande, so der Mensch gerade mit der fehlenden Rippe gezüchtigt werden will … Und mein viel liebster Freund, Herr Gotswin, soll mir den Schergendienst leisten und mir das Hauskreuz hart fest auf den Rücken schnallen.«

»Herr Gotswin wird mit uns ziehen nach Straubing«, bedeutete Herr Peter. »Ich habe mir ihn und seine Dienste erbeten vom Kloster zu Metten, und so Ihr einen brauchet, versucht es auch, ob Ihr einen bekommt.«

Ein leichter Seufzer entrang sich daraufhin der Brust des neuen Pflegers, und sein Gesicht wurde wieder ernster. »Ich muss einen haben, der mit dem Kiele umgehen kann«, sagte er. »Ich hab' es wohl bewiesen, dass ich eine feste Handschrift führe mit Lanze und Schwert, aber den Kiel kann ich nicht halten. Ich gehe halt nach Windeberg und erbitte mir dort einen.«

So wurde hin und wider geredet, und als ich in mein Stüblein ging, zog sich mir Hagen der Randsberger nach.

»Hätte der Herzog nicht mich zur Pflegschaft zu Mitterfels erküren können?« klagte er mir. »Meine Chunikund würde auch nichts dawider haben.«

»Vielleicht bringt die nächste Zeit solche Botschaft«, vertröstete ich, und sein Gesicht hellte sich wieder auf.

Des anderen Morgens kam Herr Peter zu mir und bat, ich möchte mitziehen, weil man nicht wüsste, ob es nicht zu Streit und Kampf käme mit den aufrührerischen Burgern von Straubing und ob nicht einer oder der andere geistlichen Trostes und Beistandes brauchte auf dem Weg von hüben nach drüben. Und wenn dies nicht wäre, bedürfte er eines verlässlichen, schriftkundigen Mannes, um etwan die Übergabsbedingungen aufzuschreiben in rechter Weise. Ich sollt nicht widerneinen und fröhlichen Mutes mitziehen.

Ich gedachte der Reden meines Abtes und rüstete mich zur Mitfahrt.

In aller Eile wafenten Wafenten, rüsten, sich bewaffnen. sich die Ritter und Dienstmannen bis auf einige wenige, so zur Sicherung der Burge zurückbleiben mussten; und auch Frau Berthel und Jungfrau Gertraut sollten einstweilen zurückbleiben unter sicherer Obhut, bis Straubing alles zu Rechten gebracht und das Herbergen in des Herzogs Burge mit keiner Gefahr an Leib und Leben mehr verbunden sei.

Dann ritten wir ab.

Es war eine stattliche Zahl an Rittern und Knechten, so das Tal hinunter zogen gen die Donau, und die Leute schauten und gafften uns nach und wussten nicht, was das zu bedeuten hätte. Neben des Herzogs Banner flatterte das Banner des Eckhers, seines Viztums, und darüber schwebten und jubelten die Lerchen und lache der blaue Himmel mit den weißen Wölkchen daran. Die Sonne brannte arg heiß hernieder, und Ross und Reiter schwitzten hart. Erst am halben Nachmittag kamen wir zur Donau, wo wir die Brücke doch nicht versperrt oder gar niedergerissen fanden. Auch die Brücke über den an der Stadt vorbeirinnenden kleinen Donauarm war gut. Wahrscheinlich vermuteten und argwohnten die Bürger von dieser Seite her keinen Zuzug. Das Brücktor aber war verschlossen, und so Herr Peter, des Herzogs Viztum, auch forderte, es wurde nicht geöffnet.

Wir zogen daher an der Stadt vorbei an den Ort, so das alte Straubing gewesen und nun Altstraubing oder die alte Stadt heißt. Eine hochtürmige Kirche ragt über den alten Bauernhäusern, und ein klein Weglein davon ist eine feste Burge, so die Atzelburg heißt oder die Azzoburg. Dort herbergten wir uns ein, und Herr Peter sandte gleich Hagen, den Randsberger, mit der Botschaft vor die Tore, ob der Kammerer Kammerer, Bürgermeister. und der Rat die Stadt öffnen wollen oder ob sie zur Zwiesprach mit des Herzogs Viztum und Hofmeister in die Atzelburg kommen wollen. Der Randsberger aber brachte die Botschaft zurück, dass man morgen rechten Bescheid werde holen können.

Während die Knecht der Rosse warteten und die Herren sich ausruheten von den Mühsalen des Rittes, ging ich hinaus und hin und für und stieg hinauf zur Kirche St. Petri, so die älteste Kirche der Stadt sein soll, schaute mir die vielen schönen Grabsteine an im Freithofe und erlabte mein Herz an der Schöne des mächtigen Baues. Dann wandelte ich zwischen den uralten Hütten dahin, der Linde zu, wo ich ehzeit einmal gespielt und wo das junge Gevölke um mich hergetollt und gejauchzet vor hellem Vergnügen.

Heute klang und sang keine Fiedel und reigte und jauchzte niemand; nur ein paar Geißen weideten auf dem Anger, und ein weißgaariger Alter saß im Schatten der Linde und schwatzte mit einem Büblein, das ein Brettlein hinter sich herzog gleich einem Wagen. Und ich setzte mich hin zu dem Greise und redete und fragte nach dem und jenem, und der tat Bescheid in seiner Redseligkeit.

Warum wohl die paar Hütten, so sich um die Kirche St. Petri geschart, das alte Straubing hießen? Warum? Mein'! Weil der Ort halt älter wäre denn die Stadt, die sich mit einem Ringe fester, starker Mauern umgeben. An der Stätte hätten sich schon vor vielen, vielen hundert Jahren ausgestorbene Völkerschaften Heimstätten geschaffen, dann wären die Römer gekommen und hätten da eine Veste gebaut. Dann wären die Markomannen und die Bojer von Böhmen hergezogen kommen und hätten die Römer vertrieben und verdrängt, und da der Frankenkönig Karl die angestammten Herzoge abgesetzt und ins Kloster gesperrt, wäre der Ort ein königlicher Meierhof geworden. Die wilden Hunnen, die Geißel Gottes, hätten den Meierhof wieder zerstört und die Hütten der Leute und alles gemordet und erwürget, aber nachher wäre der Ort doch wieder erstanden. Herzog Ludwig, genannt der Kehlheimer, aber hätte abseits des Ortes einen neuen Ort zu bauen angefangen, der zur Stadt geworden. So wallte und wogte der Menschen und der Orte Geschick hin und wider, wie man den Nebel wallen sieht im Donaugäu, wenn man auf dem Bogenberge stünde.

Mir kam es vor beim Zuhören, als wäre ich schier so alt wie der Greis, und es wäre hundert Jahre und länger seit ich einmal m schrundigen Stamme der Linde gelehnt und gefiedelt und an nichts anderes gedacht als an Spiel und Jugendlust. Und ein Mut überkam mich, die Geschichte vergangener Zeiten zu erforschen und zu ergründen, die im Düster des Vergessenseins hinter dem heutigen Geschlechte liegen.

Aber so ist es eben im Leben des Menschen. Die Jugend denkt nicht des gestrigen Tages und nicht des kommenden, sie lebt nur der flüchtigen Stunde, die an ihr vorübertänzelt; erst das Alter schaut zurück mit grübelndem Blicke und schaut vor sich und grübelt und mutmaßt, vergleicht und forscht nach Dingen, die für die Jugend nicht vorhanden.

Sinnend schritt ich zurück zur Atzelburg, und sinnend lauschte ich dem Klange der Glocken von St. Peter, der über das ganze Gäu hin zitterte, über die Stadt, darinnen die Bürger im Aufruhr, und über die Atzelburg, wo die lagerten, so diesen Aufruhr dämpfen sollten im Namen des Herzogs.

Am anderen Vormittag ritt Hagen, der Randsberger, wieder vor das Tor der Stadt und fragte, wie sich die Bürgerschaft beraten.

Nach vielem Warten öffnete sich das Tor, und der Stadtschreiber trat unter es und erzählte, dass sich die Innungen vereinet wider die Burger und den Rat und die Burger wider die Innungen und all' beide wieder des Herzogs Steuern und Gaben. Sie wären nicht willens, mehr zu leisten und zu geben, als sie ehezeit gegeben, und so dies nicht versprochen und bekräftigt werden würde, täten sie sich rüsten und der Gewalt auch die Gewalt entgegensetzen. So habe der Rat beschlossen, und so wollte es die Burgerschaft der Gemeine der Stadt zu Straubing.

Darauf schloss sich wieder das Tor, und der Randsberger kam mit der Botschaft zurück.

Herr Peter fuhr in hellen Zorn, als er solches vernahm, und er war willens, die Stadt alsogleich zu berennen; aber ich riet zu Gutem, und auch der Leuwolfinger meinte, es wäre nicht allemal gut getan, gleich mit dem Prügel und der Zuchtrute zu kommen.

»So sollen sie kommen, dass ich ihnen ihre Dickschädel zurechtsetzen kann!« befahl Herr Peter. »Der Kammerer soll kommen und einige vom Rat und die Ältesten der Innungen.«

Mit der Botschaft ritt der Randsdorfer wieder vor die Stadt, aber dort weigerten sie sich, ohne Geleite zu gehen. Sie traueten dem Eckher nicht und wären nicht sicher, dass der sie etwan als Geißeln zurückbehielte.

Und gleich darauf hallte die Sturmglocke hin über die Stadt und über das Land, und männiglich war sich in Harnisch und wafente sich.

Herrn Peters Gesicht wurde wie eine dräuende Wetterwolke. Er schickte gleich Boten aus nach Natternburg, nach Aiterhofen, Annendorf, Rinkam und anderen Orten, und forderte Hilfe und Beistand im Namen des Herzogs.

Die kam, und so wurde die Stadt berannt und genommen. Die Stadt musste die Sturmglocke ausliefern und die Siegel, und der Kammerer und die Räte sollten mitziehen nach Burghausen, wo der Herzog Heinrich gerade Hof hielt. Dort sollten sie sich vor dem Herzoge verantworten.

Der Kampf hatte aber viele Verwundete und einige Tote gekostet, und es war zu tun genug, Trost zu spenden und die heilige Wegzehrung zu reichen.

Als aber die Toten begraben wurden und die notgedrungen versöhnten Gegner den Kampfgenossen das letzte Geleite gaben zum Freithofe bei St. Peter, des Herzogs Mann in Harnisch, Wehr und Waffen, die Burger aber nur in Harnisch, und als düsterer Grabgesang über die offenen Gräber hinhallte, da kam mir ein gar seltsamer und unbotmäßiger Sinn: Gilt das Ebenbild Gottes nicht mehr wie das Herdevieh, das heute dem und morgen jenem gehört?

Und als das Weinen und Jammern, der dumpfe Grabgesang und das Wimmern des Glöckleins verhallt und die Menge den Freithof verlassen, stand ich noch an der Mauer und sann und wusste nicht, ob meine Gedanken nicht etwan unrecht wären und Sünde.

Des anderen Tages aber zogen wir gen Burghausen.

Herr Peter nahm mich mit, weil es vielleicht notwendig werden könnte, eine Schrift zu machen, und ich ging. Unterwegs lernte ich Herrn Haimeran den Lerchfelder kennen, der bass entrüstet war, dass der Randsberger wider die Burger gestritten, da er noch mit seiner Tochter Chunikund so viel wie versprochen. Ich suchte ihm solchen Groll und Hass auszureden, und es gelang mir auch zur Halbscheid. Was kann der Knecht tun wider seines Herrn Geheiß? Es steht in Dienst und Sold und muss gehorsamen.

Herzog Heinrich nahm die Bürger sehr ungnädig auf, und es war harte Rede, die sie zu hören bekamen. Aber auch der Lerchfelder wusste hart Rede, und das gefiel mir. Ein rechter Mann steht allweg gerade wie ein wetterfester Schirmbaum, und selbst an des Thrones Stufen fühle er sich noch als Mann, ehrlich und gerade, ohne Wank und Falsch.

Herzog Heinrich mochte erkennen, dass er der Lasten und Gaben zu viel auf die Schultern seiner Untertanen gebürdet, es mochte ihm aber auch daran gelegen sein, die Burger bei gutem Willen zu erhalten: Er versprach, die Bürden ringern zu wollen und Gnade vor Recht zu üben, und darauf schwuren die Straubinger Urfehde. Sie gelobeten dies und solches, und ich musste mich hinsetzen und aufschreiben zum sicheren, unwandelbaren Gedenken.

»Wir, der Rat und alle die Gemein der Stadt zu Straubing machen offenbar an dem Briefe und tun kund und zu wissen allen denen, die ihn sehen oder lesen hören. Es sind Aufläuf' und Aufruhr zwischen unser gewesen, und darum hat unser lieber Herr Heinrich, der hochgeborn Pfalzgraf zu Rhein und Herzog in Bayern seinen Hofmeister Herrn Ulrichen den Leuwolfinger und seinen Viztum Herrn Peter den Eckher zu uns gesandt, dass sie dieselben Aufläuf', Unwillen und Aufruhr anschaueten und verhinderten. Gegen dieselben haben wir aus der Gemein uns etwie viel vergessen, dass wir uns sammelten und dass wir unseres Herrn Herzogs Gesandten nicht folgten und ohn' Geleit nicht gehen wollten. Nun aber hat unser lieber Herr Herzog Heinrich uns, den Rat der Gemein verhöret und vertaydingt Vertaydingt, vergleiche das alte Ding, Taiding = Versammlung, Beratung, Gerichtstag, ein Übereinkommen treffen. wie hiernach geschrieben steht: des ersten, dass wir gut und ganz freund sollen sein um aller Unwillen, Aufläuf' und Aufruhr willen, die zwischen unser heimlich und öffentich nutz Nutz = bis, noch mittelhochdeutsch. auf den heutigen Tag sind gewesen. Danach, dass alle Bünd' und Einungen, die unter uns auch heimlich und öffentlich sind gewesen, ganz und gar aufgelöset sind, so dass einer dem anderen fürbahs in nichts mehr verbunden ist. Und sollen auch fürder ewiglich dheinerlei Dheinerlei = keinerlei, noch althochdeutsch. Vergleiche dehein! Mundartlich besteht diese Verwechslung bzw. Vertauschung de k und g mit d heute noch in der Passauer Gegend (Rottal). Dlaben, dnaug statt glauben, genug. Bünd', Einungen und Gelübde mehr eingegangen und gestiftet werden ohne unseres Herrn Herzog Heinrichs zur Besserung als Pfand eingeantwortet und übergeben alles unsere Handfesten Handfesten, Privilegien, Vergünstigungsbriefe. und Briefe, die wir von ihm und seinen vorderen gehabt haben. Wir haben auch unser Siegel abgetreten, nachdem wir ihm diesen Brief und das Besserungsversprechen gegeben, und wir sollen auch unsere Sturmglocke auf die Erde niederlegen und nimmermehr aufhängen ohn' unseres Herrn Herzogs Willen und Geheiß. All der vorgedachten Sachen haben wir und mit Vorbedacht und gutem Willen gegen unseren Herrn Herzog gebunden und ergeben, und wir haben bei den Heiligen beschworen, dass wir ihm fürweg untertan sein und geschehen lassen wollen, was er mit uns machet zu unserer Besserung. Der Sache sind Zeugen die ehrbaren Herren: Herr Niklas, der Propst zu Münster, unseres vorgenannten Herrn oberster Schreiber, Herr Ulrich der Leuwolfinger der Hofmeister, Herr Wernhart der Grans, Herr Schweicker der Tuschel, Viztum bei der Rot, Herr Peter der Eckher, Viztum zu Straubing, Herr Hiltbrand der Chamerauer, Herr Alram der Rotauer, Herr Hartwich von Degenberg, Herr Herzlieb von Jahensdorf, der Hofmeister, Herr Christian der Pfäffinger Pfäffingen = Pfaffmüster.. Herr Dietrich der Heybeckh, Herr Fried der alt Mautner zu Burghausen und Herr Gotswin der Schreiber. Und darüber zu einer Urkund' geben wir den Brief mit unserer Stadt Insiegel. Das ist geschehen zu Burghausen, da man zählet von Christus Geburt dreizehnhundert Jahr, danach in dem fünfunddreißigsten Jahr des nächsten Eritages Eritag, Dienstag. Auch Irtag, weil dem altgermanischen Gote Ir geweiht. vor dem Sonnwendtag.

Der stärkere hatte gesiegt, aber Milde walten lassen.


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