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Woud und Freid

Es war einmal ein Herrscherpaar mit großem Gebiet, in der Zauberkunst wohl erfahren. Selbst die Elemente waren ihnen Untertan. Er hieß Woud, sie Freid.

Der König war ein gewaltiger Mann mit langem wallenden Bart, sein Auge so feurig blitzend, daß Menschen, welche hineinblickten, darob erblindeten. Gewöhnlich ging er nackt, nur an der Hüfte bekleidet. Gehalten wurde das Hüftenkleid durch einen endlosen Gürtel, an diesen war die Herrschergewalt gebunden: So lang er ihn trägt, herrscht er. Doch kann er ihm nicht entwendet werden, denn Hüften und Schulter sind so breit, daß der Gürtel sich nicht abziehen läßt. So oft er zum Herrschen ging, hängte er einen Mantel um, der ihn ganz einhüllte.

Seine Gemahlin war das schönste Frauenbild. Sie trug ein Hüftenkleid gleich ihrem Gatten, aber die Haare so reich und lang, daß sie sich darin ganz verhüllen konnte. Sie trank nur Wasser aus der Quelle, ihr Gatte eine Art Wein. Wenn sie sich bückte über der Quelle, um mit der hohlen Hand Wasser zu schöpfen, erglänzte ihr Haar im Sonnenglanz, und ihr Arm war wie Schnee.

Doch wurde sie eifersüchtig, sie fürchtete, dem feurigen Gatten nicht zu genügen. In ihrer Leidenschaft ging sie zu kunstreichen Zwergen. Diese arbeiteten ihr einen Halsgürtel, der die Kraft hatte, daß, wer ihn trug, alle Herzen bezauberte und den Geliebten nie in seiner Treue wanken ließ. Doch mußte sie sich den Zwergen zum Lohne ergeben.

Mit dem Schmuck angetan, fesselte sie den Gatten in Liebe. Doch erfuhr er, um welchen Preis sie den Schmuck erworben. Da entwich er von ihr. Als Freid am Morgen im Bett erwachte, streckte sie den Arm aus nach dem Gatten. Er war nicht da. Sie fuhr mit der Hand an den Hals, das Halsgeschmeide fehlte. Namenlos unglücklich machte sie der Verlust des Schmuckes erst recht in Liebe zu Woud entbrennen. Sie eilte dem Flüchtigen nach in viele Länder, lange Jahre. Wenn sie abends ermüdet von der Fahrt sich niedersetzte, weinte sie in ihren Schoß, und jede Träne ward zur kostbaren Perle.

Endlich, als die Zeit um war, traf sie ihn, klagte ihm ihr Leid und wies auf die Perlen, die sie um ihn geweint hatte. Und er zählte die Perlen. Sie waren gerade so viele als Sternchen im Halsgeschmeide. Da wurde er weich und reichte ihr zur Versöhnung den Schmuck. Weit sei er herumgewandert, aber keine habe er gefunden, ihr gleich an Schönheit. So habe er ihr die Treue bewahrt.

* * *


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