Maximilian Schmidt
's Almstummerl
Maximilian Schmidt

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IV.

Frau Ursula schlummerte sanft in Gottes freier Natur und länger, als sie es vorhatte. Sie hätte vielleicht noch lange in süßen Träumen geschwelgt, wenn sie nicht auf eine sehr unsanfte Weise aus ihrem Schlafe aufgeschreckt worden wäre. Sie wußte nämlich nicht, daß in der Nähe ihres Ruheplatzes die Böller postiert waren, welche früh morgens und während des Gottesdienstes abgeschossen wurden und auch am Nachmittage neue Ladung erhielten, um die Ankunft der königlichen Prinzen verherrlichen zu helfen. Man denke sich den Schrecken der guten Frau, als plötzlich in ihrer nächsten Nähe ein Böllerschuß erdröhnte! Ihr gellender Aufschrei tönte fast so laut, wie der in vielfachem Echo wiederhallende Schuß. Entsetzt sprang sie auf. Ihr erster Gedanke war, daß ein Attentat auf sie versucht, bald aber machten ihr mehrere auf ihr Geschrei herbeigeeilte Leute die Sachlage klar und sie wurde noch dazu über den ausgestandenen Schrecken und ihr nachheriges Räsonnieren weidlich ausgelacht.

»O hätt' ich den Servazius da, daß ich meinen Ärger an ihm auslassen könnt'!« wünschte sie sich, und mit neuem Schrecken ersah sie jetzt, daß die Nachmittagsstunde schon ziemlich weit vorgerückt sei und ihr Mann mit den jungen 209 Leuten längst wieder zurück sein könnte. Auf dem Festplatze angelangt, wurde sie auf jedem Schritt und Tritt von den jungen Burschen gefragt, wohin sie das schöne Tirolerdirndl geschickt habe und ob dasselbe wiederkomme. Vergebens blickte sie nach der Richtung, in welcher die Abwesenden zurückkommen mußten. In dieser Zeit, meinte sie, könnten sie schon zweimal den Weg hin und her zurückgelegt haben. Was war die Ursache dieser Verspätung? Die Sonne sank immer tiefer. Jetzt hielt sie es nicht mehr länger aus. Sie fragte nach dem Wege zur Elendalm, aber niemand wußte Bescheid, da sie sich um Auskunft meistens an weit hergereiste Tiroler wandte. Sie war darüber sehr erzürnt und nahm keinen Anstand, das den Leuten auf eine Art zu sagen, daß man sie für eine Verrückte hielt, was Frau Ursula erst recht außer Rand und Band brachte. Endlich aber fand sie eine ältere, freundliche Frau, die, eine Spitzkirm auf dem Rücken tragend, des Weges kam, und welche nach langer und breiter Erklärung die gewünschte Auskunft geben konnte. Die dicke Frau aber wußte nach wie vor nichts.

»Also dort rechts hinauf?« sagte sie nochmals.

»Am Wasser entlang oder über d' Höh? Grad aus oder rechts?«

»s is woltern gleich,« entgegnete das Weib, »obst grad aus gehst oder wista umi; drent genga d' Steig wieder inanand. Wenn 's dir nit a so schlaunet, kaantst warten, bis i hoamgeh; i muaß a so aaf mehra Alma durt ob'n 's Brot bringa. Wart halt dieweil, bis i mei' Spitzkirw g'füllt hon d'rin im Wirtshaus. D' Brot-Katl hoaßn s' mi, wennst mi nit kenna sollst.«

210 Frau Ursula war dies zufrieden; sie trug aber der Kathl auf, sich zu beeilen, so viel es möglich, sonst müßte sie allein gehen.

»Es dernd dir nöt (es nützt dir nichts), du gaangst ja eh irr,« erwiderte lachend die sich Entfernende.

So verstrich abermals eine Viertelstunde, bis die »Brotkathl« endlich aus dem Hause zurückkehrte. Sie brachte vor Vergnügen ihren zahnlückigen Mund gar nicht mehr zusammen.

»I bin scho' g'richt,« rief sie der sie Erwartenden zu. »Ui Gottes, ui Gottes, is 's aaf da Klaus'n heunt fidei! Da kunnt i scho' 'n Tanzn zuaschaugn, bis d' Sunn ei'geht. Und d' gnä Frau Förschterin hat mir an' Kaffee geb'n, grad' an' recht an' guatn und a weiß's Kipfl dazua – mei'z liawe Frau, so an' Kaffee wenn i alle Tag krieget, moanet i dengerst, i waar im Himmi!«

»Mach, daß wir weiter kommen!« herrschte sie die Schreiberin an. »Ich geb' dir auch schon was, aber länger will ich nimmer warten. Ich mein, ich steh' auf Kohlen.«

»No' so kimm halt in Gottsnam, 's freut mi gar nit recht, 's Furtgehn heunt,« erwiderte die Brotkathl, dabei sehnsüchtig auf das Getriebe ringsumher blickend.

Jetzt begann wieder ein Tanz und die Burschen drängten mit ihren Tänzerinnen zum Tanzplatz.

»Jesses, Jesses!« schrie jetzt Kathl und rückte ihr Kopftuch zurück, »'s Sefferl von der Waizinger Alm thuat mit 'n Stoabauern Baltl von Egern schuahplatteln! Dös muaß i sehgn, dös muaß i sehgn. – Woaßt was, Frau'l, halt di nur dort aaffi, wo der Gangsteig donni geht, ehst di umg'schaut, bin i dir nachi kemma – 's Sefferl muaß i sehgn, wie 's a si draaht!« Und ohne die mit einem 211 Fluche begleitete Antwort der Schreiberin abzuwarten, eilte sie mit ihrer Spitzkirm dem Tanzplatze zu und folgte mit vor Begierde und Neugierde leuchtenden Blicken dem eben dort vor sich gehenden Schuhplattler. Die jetzige Brotkathl war halt auch einmal eine lustige Sennerin und der Almentanz in der Kaiserklause mochte manch schöne Erinnerung in ihr wachrufen. Daß sie dabei der dicken Schreiberin vergaß, das ist ja ganz natürlich.

Diese ging, wie ihr geheißen, den Gangsteig »donni« (hinan) und stolperte dann, ihrem Mißmute in Worten Luft machend, mühselig aufwärts. Da, war es eine Vision oder Wirklichkeit? lag unter einer Tanne zunächst des Weges schlafend, schnarchend ihr Gatte.

»Heiliger Bonifazius, da liegt mein Servazius!« rief die Frau erschrocken, und erschrocken fuhr der hagere Mann auf, es war ihm, als hörte er die Stimme des jüngsten Gerichts.

»Wo ist die Burgl? Wie kannst du da schlafen? Was fällt dir ein? So befolgst du meine Aufträge, so kann ich mich auf dich verlassen? So sprich doch, oder ich reiße dir die Zunge aus! Wo ist die Burgl?«

Servazius hatte durch diese vielen Fragen Zeit, sich zu sammeln, und er sammelte sich.

»Burgl ist, wo sie hin wollte, ob'n auf der Elendalm,« entgegnete er.

»Hast du sie selbst hinaufgeführt?« fragte die Frau mit unheilverkündender Stimme.

»Ich? nein. Der junge Bursche aus Tegernsee war so gefällig, ihr das Geleit zu geben. Ich bin ihm sehr dankbar, denn ich bin müde geworden.«

»Mensch, bist du verrückt? Du hast das Dirndl 212 fremden Händen anvertraut und noch dazu dem Tegernseeer.«

»O, das ist ein ganz braver Bursche, dem ich selbst dich ohne Sorgen anvertrauen würde,« erwiderte Servazius, doch bei den letzten Worten schoß sein Blick über die vor ihm Stehende hin und ein spöttischer Zug spielte um seinen Mund.

Die Gattin hatte diesen Blick, diesen Zug bemerkt und mit wütender Stimme sagte sie: »Folg' mir Elender, ich will selbst hin zur Alm. Find ich dort nicht alles in Ordnung, dann soll dein Elend angeh'n, drauf verlaß dich, bei Sankt Bonifazius!«

»Geh nur voran,« sagte der Schreiber resolut, »ich folge dir nach. Oben werd ich dir Antwort geben – auch bei Sankt Bonifazius.«

Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, schritt Frau Ursula den Steig zur Alm hinan. Sie mußte in kurzen Pausen stehen bleiben, sich Luft zufächeln und ihren Atem in richtige Gangart bringen. Servazius folgte stilllächelnd nach, ihm ward der Weg leicht. Dabei legte er sich einen verzweifelten Plan zurecht.

»Heute oder nie!« sagte er sich im stillen und ballte die hagere Faust in der leeren Tasche.

Endlich waren beide an ihrem Ziele angelangt. Die Thüre der Hütte war angelehnt. Rasch trat Ursula in den Kaser ein, aber dieser war leer, die Kammerthüre verschlossen, keine menschliche Seele auf der Elendalm.

Servazius wurde kreideweiß bis in den Mund hinein. Frau Ursulas große Augen rollten wie ein Feuerrad, dann donnerte sie den Erschrockenen an.

»Wo ist die Burgl? Schaff' mir das Mädl her oder 213 es geht dir schlecht! Elender, du warst heut zu nichts nutz, als zum Essen und Trinken!«

»O, das war sehr gut und darauf hat mir die Ruhe so wohl gethan,« entgegnete der arme Servazius.

»Ruhe?« rief die Frau wütend. »Ruhen soll der Mensch nie, wenn er seiner Pflicht nachkommen will. Du aber bist gar kein Mensch wie die andern. Mein erster Mann, Gott hab ihn selig! der nahm sich gar keine Zeit zum Essen und Trinken, aber der war gegen dich auch ein Gelehrter, denn du bist ein Esel.«

»So?« rief Servazius, indem er sein kahles Haupt zurückwarf, »ein Gelehrter, der sich nicht zu denken getraut. Aber ich, den du einen Esel nennst, ich getraue mir zu denken, besonders heute, weil ich mich einmal satt gegessen und getrunken habe.«

»Unerhört! Und das getraust du dich, mir zu sagen?« rief Frau Ursula.

»Ja,« antwortete mit einer an ihm ungewohnten Entschiedenheit der Mann, »ja, denn von nun an bin ich der Herr!«

»Mir steht der Verstand still!« rief Frau Ursula.

»Mir der meinige nicht!« versetzte der Schreiber. »Die Manneswürde laß ich mir von nun an nicht mehr von dir rauben.«

»Schaff mir die Burgl her!« schrie jetzt Ursula mit dem Aufgebote aller ihrer Kräfte, »oder du bist des Todes!«

»Ich fürchte den Tod nicht, seitdem ich in Bayern bin,« antwortete Servazius. »O dürfte ich nicht mehr zurück in das für mich so magere Tirol, das du mir zum Lande ewigen Fastens gemacht hast!«

214 »Du sprichst wie ein Landesverräter! Mein Pankrazius muß sich noch über dich im Grabe umdrehen.«

»Das wird der Pankrazius wohl bleiben lassen!« antwortete sarkastisch der Schreiber.

»Entsetzlich!« rief Frau Ursula. »Er fürchtet den Pankrazius nicht mehr! Servazius, ich bitte dich, bring mir die Burgl oder ich bring dich um.«

»Das wäre nicht der erste Fall, du Gattenmörderin!«

»Was? Was hast du gesagt?«

»Du hast den Pankrazius verhungern lassen, wie du mich verhungern läßt, den Servazius,« entgegnete dieser. »Du baust dir Hütten in der Klosterküche und dein Gatte soll von deinem Anblicke satt werden oder zu Grunde gehen. Es geht auch jeder zu Grunde und schon heute denkst du vielleicht wieder an einen dritten Azi, den Bonifazi – Aber Ursula –«

»Servazius, der Teufel ist in dich gefahren,« unterbrach ihn seine Ehehälfte wütend.

»Nein, die Rache Gottes, die Rache des Pankratius spricht aus mir!« rief mit Entschiedenheit der fürchterlich werdende Mann. »Deine letzte Stunde hat geschlagen, wenn du jetzt nicht alles thust, was ich will.« Dabei schlang er seine mageren Finger fest um ihre Hand. »Fühle die Kraft des Bieres und des Weines, die ich in Bayern genossen.«

»Hilfe, Hilfe, er erdrückt mich!« keuchte die dicke Frau.

»Rufe immer zu. Auf dieser Elendalm hört dich niemand; hier oder nie soll mein Elend ein Ende nehmen!«

»Laß mich!« stöhnte Ursula. »Ich will alles thun – o Gott, ich ersticke.«

Servazius holte den in der Ecke stehenden Wassereimer und besprengte seine Gattin mit Wasser. Diese ließ 215 sich erschöpft auf die Bank nieder. Servazius aber zog seine Brieftasche hervor, öffnete sie und reichte seiner Ursula den Bleistift hin.

»Nun schreibe!« gebot er.

»Schreiben soll ich?« seufzte die Frau. »Was soll ich schreiben? Du hast nichts Gutes vor, Servazius. Ich kann nicht schreiben!«

»Du mußt!« befahl der Gatte. »Oder ich sage dir nicht, wo die Burgl ist.«

»O Gott, du weißt, wo sie ist und marterst mich so unbarmherzig? Wo ist sie? Sag mir's, ich beschwöre dich –«

»Schreibe erst, dann sollst du's erfahren.«

»Ich schreibe!« sagte Frau Ursula mit fast gebrochener Stimme.

Servazius diktierte. »Ich Unterzeichnete schwöre hiermit –«

»Nur nicht falsch, Servazius, nur keinen Meineid!« unterbrach sie ihn.

»Hast du geschrieben?« fragte der Gatte.

Ursula schrieb. »Schwöre hiermit –« rekapitulierte sie.

Und Servazius diktierte weiter: »daß Mann und Weib zusammen essen und trinken müssen.«

»Servazius, mir schaudert!« rief Ursula.

»Hast du's geschrieben?«

»Mann und Weib – ach! – zusammen essen und trinken müssen,« las Ursula nach.

»Und ich infolge dieses natürlichen Gesetzes von nun an mit meinem geliebten Gatten alle meine Rechte teilen will, die mir ein glücklicher Zufall durch den Frater Klosterkoch eingeräumt, seien es Speisen oder Getränke.«

216 »Also das willst du? In Gottesnamen!« rief Ursula. »O Gott, was soll aus mir werden, wenn ich dich dann jeden Tag in einer Verfassung finde, wie heute, du Tyrann!«

»Ein Gelehrter, Ursula!« entgegnete er spöttisch, »denn solche Verfassungen erzeugen große Geister. Bist du fertig?«

»Ja,« hauchte die Frau.

»Dann unterzeichne deinen Namen.«

Sie unterzeichnete.

Servazius nahm die Brieftasche, las das Geschriebene nochmals durch und steckte sie dann zu sich.

»Ich danke und küß d' Hand,« sagte er jetzt galant.

»Wo ist die Burgl?« fragte Ursula, sich erhebend, dringend.

»Die Burgl?« entgegnete Servazius würdevoll, »sie ist in Gottes Hand!«

Einen Augenblick stand Frau Ursula wie versteinert, dann brach der Sturm los.

»Schändlicher, du hast mich betrogen!«

»Ich spreche die Wahrheit.«

»Auch ich will jetzt wahr mit dir sprechen!« schrie die wütende Ursula und ergriff einen Bergstock, der zunächst in der Ecke stand.

Servazius suchte eiligst durch die Thüre ins Freie zu gelangen, da fühlte er sich plötzlich von zwei langen Armen gepackt.

»He, he, langsam!« rief ein alter bärtiger Mann, der ebenso lang und so hager war, wie Servazius. »Glei giebst wieder her, was d' g'stohln hast, oder i dadrossel di.« Dabei drehte er schon empfindlich an dem Halse des Entsetzten.

217 »Wir haben nichts gestohlen!« mischte sich jetzt Ursula ängstlich ein, denn sie fürchtete, die Prozedur möchte auch auf sie übergehen. »Ich suche die Raueckerin. Unser Mädl haben wir zu ihr heraufg'schickt, wir wollten sie jetzt holen und finden sie nicht mehr. Kannst du uns keine Auskunft geben?«

»Ah so,« entgegnete jetzt der Alte, »ös sads die Eltern von dem junga Dirndl? No schau, dös sehget Enk aa neamad an.«

»Weißt du, wo sie ist?« fragte Ursula.

»Ja, dös woaß i scho. Mit meina Bäurin und 'n Franzl vom obern Rauecker is 's awi in d' Kaiserklaus'n, 's kann netta scho' a Stund her sei'.«

»Gott sei's gedankt!« rief Ursula. »Mann, du erscheinst wir wie ein Engel des Himmels!«

»I!« lachte der baumlange, hagere Mann. »A so a Ehr is an' alt'n Goaßbuam aa no' nit leicht z' teil wor'n. No', mir is 's recht, wenn i dir a so g'fall. Der Kampl da,« fuhr er fort, auf Servazius weisend, der sich eben seine Halsbinde zurecht richtete, »wird mi für koan Engl haltn.«

»Nein,« antwortete rasch Servazius, den alten Geißhüter mit seinen kurzen Kniehösln, der verlumpten Joppe und dem schäbigen Hute von Kopf bis zum Fuße messend, »dein Anzug ist nicht englisch.«

»No', thuat nix,« meinte dieser. »Woaßt, i bin d' Goaßwastl, scho' siebz'g Johr alt und seit i denk, beim Rauecker und aaf da Elendalm. I hüat' 's Vieh und d' Goaß'n; 's is gar so viel schö' herob'n, wenn aa der Wind oft schirfast geht! Tag und Nacht bin i d'Summerszeit im Frei'n draußt, woaßt, da kannst di aba 218 nit z'sammricht'n, wier a Stadtherr, da gnügt mei' Gwanda scho'.«

»Aber da mußt du ja doch oft Zeitlang kriegen,« meinte Frau Ursula. »An was denkst du denn den lieben langen Tag, wenn du so allein bist?«

»Denk'n?« fragte der Geißwastl. »I denk ma nix.«

»Aber der Mensch muß doch alleweil was denken,« entgegnete Frau Ursula.

»Ja woaßt, i bin nit so dumm, wie du, daß i mir alleweil was denk'n muaß,« erwiderte der Alte.

Servazius vergaß das auf ihn gemachte Attentat und lachte aus vollem Halse. Frau Ursula wollte etwas erwidern, fand aber in ihrer Entrüstung keine Worte und hielt es überhaupt unter ihrer Würde, weshalb sie ihren Ärger lieber verschluckte.

Nun war aber keine Zeit mehr zu verlieren, um wieder zur Kaiserklause hinab zu steigen. Sie verabschiedete sich von dem Geißwastl, der über die beiden Gestalten fortwährend kicherte.

»Wie kommen wir am schnellsten hinab?« fragte Ursula noch im Abgehen.

»Awikugeln laß di,« antwortete der Geißwastl; »bist eh kugelrund, da bist unten, eh's d' es vermoanst.«

Servazius lachte wieder und schritt voran. Ursula folgte ihm. Nur wenig wurde gesprochen, denn Ursula ärgerte sich über das fortwährende stille Lächeln ihres Mannes. Als sie in die Nähe der Kaiserklause kamen, begegnete ihnen die Brotkathl.

»No' schau,« rief sie der Schreiberin entgegen, »da bist iatzet. I hon mi halt a bißl vohalten – iatz waar i aba g'richt!«

219 »Ich brauch dich nicht mehr!« rief Ursula erzürnt. »Geh nur allein mit meiner Indignation.«

»Schön Dank!« entgegnete die freundliche Kathl; »heunt krieg i lauta Guats und Liabs.« Und ein fast noch jugendlicher Juhschrei hallte aus ihrem Munde. Dann wanderte sie vergnügt mit ihrem Bergstock den Almen zu.

Servazius lachte wieder. Ursula wollte vor Wut bersten, doch mußte sie diese für jetzt unterdrücken, denn das erste, was ihr auf dem Festplatze in die Augen fiel, war die so schmerzlich gesuchte Burgl. 220


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