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Mondlicht

Eine Phantasie

Was ich schreibe, das schreibe ich von mir selbst, und wer es liest, der mag nach Belieben denken, er lebe es in sich selbst. Immer ist ich ich und du und gar umfangreich! ...

Ich halte Dunkelstunde bei einer Zigarre.

Lange cremefarbene Gardinen mit seinen cremefarbenen Spitzen vor einem breiten, hohen Fenster. Und dazwischen, drüben über dem Dachfirst, steht hell der große runde Vollmond und lugt silberblau in meine Stube.

Mir wird so närrisch zumut, und ich fange an zu phantasieren.

Es ist wie eine religiöse Anwandlung.

Ich denke, ich bin der eine, der Wanderer von Anbeginn, liege hier still und höchst modern auf meinem Ruhebett und schaffe mir ein Divertissement.

Ich habe eine gar ruhige, umfassende Laune; viel, viel paßt in sie hinein. Selbst ermeß ich nicht ihre dunkelsten Tiefen! –

*

»Schwester du vom ersten Licht,
Bild der Zärtlichkeit in Trauer ...«

O Mond! O Hell-Dunkel! O lichte Nacht!

Ich denke, du bist es, eine Ferne, die hier hereinschaut, und ich phantasiere mit dir fromm das alte Märchen von unserer Ewigkeit.

Weißt du noch? Weißt du auch?

O weite Fahrt! O wogende wechselnde Welt!

Du mein goldener Dämon! Mein Wille und meine Sehnsucht!

Wie mit einem Strahl aus deinem fernen Auge, neckisch, sehnend, grüßt es mich, dunkel ...

*

Religion ...

Leben, Verwesung! Blüte und Welken!

Ich träumte es in zwei Träumen.

Es war eine herrliche, grausige Fahrt durch ein endloses Meer, durch Milliarden geheimnisvoller Gebilde mit unzähligen Landungen und Abschieden.

Und es war ein Heben und Sinken, hinauf in Himmel blutwarmen, kraftfröhlichen, liebegewaltigen Lebens, hinab in fade, schauerliche Verwesung; und hinauf hinab, hinab hinauf!

Und das ist unser ewiger Wandel und unsere Einigung! ...

*

Laß! Komm!

Hier!

Drüben auf dem Tisch im blauen Traumlicht steht eine Amphora.

Wir machen uns Hellas zu eigen.

Säulenpracht und heiligheitre Tempelschöne. Im holden Bann des Dreiklangs umspinnt uns unser altes Lied mit goldklaren Melodien.

Der edle Faltenwurf langer, lichter Gewänder. Die Spiele der Olympien, das schöne Gleichmaß Heller, athletischer Gliederpracht.

Aber dein Auge, immer und nur! Tief, klar – dunkel! ...

*

Und jetzt sind wir in Indien, in der alten, uralten Heimat!

Eine fremde, wunderlich üppige Vegetation; seltsam glühende Blumen mit wundersamen Düften. Dunkelhäutige Menschen mit dunklen Weisheiten. Die mystische Pracht und Gliederung der mächtigen Tempel. In ihrem blauen Dämmer zwischen heimlicher Farbenglut, funkelnden Steinen und Metallen riesige, starre Götzenbilder, Spiele unserer Träume von uns selbst und unsrem ewigen Schicksal. Zimbelklang und seltsame Tänze und Künste und der Wahnsinn der Begnadeten.

Aber nur immer ich und du und unser süßes, tiefes Geheimnis! ...

Immer mein, dein Fliehen und Finden!

*

Nun ist hier unser Rhodus, und hier tanzen wir! Hier!

Da sind die hohen Häuser, und hier ist unsre Stube und dieses gegenwärtige Leben! ...

Ist es nicht ein schönes Märchen, das Märchen von dir und mir? ...


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