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Der Tod

Ich sehe einen lieben Menschen sterben, mir innig verbunden.

Mit einemmal kommt mir das Bild hier in die Dunkelstunde hinein.

Ich sehe ihn auf dem Sofa sitzen. Die Arme hängen schlaff in den Schoß, die Beine hat er, voneinandergespreizt, lang vor sich hingestreckt. Das Gesicht ist fahl, und darinnen glühen die braunen Augen. Mühsam wendet er den Kopf, aber sie sehen nichts mehr. Sein Bart neigt sich auf die Brust, allmählich verröchelt der Atem: er ist tot.

Und ich sehe ihn auf seiner Matratze liegen, mit seinem stillen, weißen Gesicht, in seinem Leichenstaat, schwarze Handschuhe an den Händen. Arme und Beine von sich gestreckt, liegt er da wie ein Hampelmann.

Mich überkommt ein Brüten.

Will mich etwas bange machen?

O, in mir ist eine trotzige Unwissenheit, und die fabelt aus den Tiefen meiner Unruhe ein fröhliches, ausgelassenes Märchen!

Tod! Was kümmerts mich, daß ich sterbe? Mein Tod ist meine letzte Wonne.

Nie wieder leben? Nie wieder leiden! – Leiden: Kämpfen!

Kampf! O Wonne, ewige Wonne! – In mir ist ein Auge, das sieht alle meine Endlichkeiten und meine immer erneute, fröhliche Wiederkehr!

Ich bin ich, bin diese meine Endlichkeit, und ich bin Ich, bin mein ewig Unbegriffenes, das ist über Räume und Zeiten und alle Meinungen meiner Endlichkeiten. Mein Endliches ist nichts als eine zitternde Flocke, die auf Seiner urewigen, zeitlos gebärenden Flut schaukelt.

Ewig Ich-Du!

Fühlst, fühlst du das?!

Ewig tauch ich aus den Tiefen Meiner Einheit als ein Endlicher und eine Endliche!

Du, o du, fühlst, fühlst du das?! ...


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