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Die Suffragettes und die Verfassung.

Den geschichtlichen Anspruch der Frauen Großbritanniens auf das politische Wahlrecht legen dar: Mrs. C. C. Stopes, British Freewomen. Swan Sonnenschein, London. The Sphere of »Man« in the Constitution. Fisher Unwin, London.Helen Blackburn, Record of Women's Suffrage. Williams and Norgate, London. – Hier die Grundlinien:

I. Bis 1832 (Reform Bill, erste neuzeitliche Erweiterung des englischen Wahlrechts) besaßen die englischen Frauen die politischen Rechte der Männer, wenn sie die gleichen Bedingungen erfüllten 1. als Adlige (Grundbesitzer, Lehnsträger, weibliche Pairs, Äbtissinnen). »Other things being equal birth, not sex, determined the devolution of responsibilities«. Blackburn S. 2. »Unter sonst gleichen Bedingungen entschied Geburt, nicht Geschlecht, die Übertragung der Rechte und Pflichten.« 2. als städtische und ländliche Steuerzahler (burgesses und freeholders). Stopes, Sphere of Man, S. 10. Diese wählten die Parlamentsvertreter.

Hierin liegt der Grundsatz des englischen Parlamentarismus begründet: Taxation without representation is robbery (Besteuerung ohne Vertretung ist Raub), Stopes, daselbst, S. 10. auf den die Stimmenrechtlerinnen sich stellen. – Die Zahl der politisch qualifizierten Frauen war stets eine Minderzahl. Ihre Rechte konnten ihnen daher leicht genommen werden.

1832 wurden die erweiterten Wahlrechte denn auch auf Männer beschränkt: Einfügung des Wortes »male« (männlich) von »Personen«. Das erste so gewählte Parlament nahm den Frauen durch die gleiche Einfügung (male) auch ihre Rechte als Gemeindewähler (Municipal Corporation Act 1835).

Die II. Reform Bill von 1867 brachte neue Wahlrechtserweiterung für Männer, im Text »men«. Dazu der Antrag Stuart Mills: statt »men« »persons« zu setzen und die Frauen mit einzubegreifen. (Abgelehnt, 196:73 Stimmen. Blackburn S. 61 ff. Eine Anzahl qualifizierter (d. h. steuerzahlender) Frauen verlangte trotzdem ihre Eintragung in die Wählerlisten. Blackburn S. 69 ff. Denn Geschichte, Sprachgebrauch und Gesetz gaben dem Worte »men« den Sinn von Mann und Frau, Mensch, Person.

In der Magna Charta, 1214, der Grundlage der englischen Verfassung, bedeutet homo Mann und Frau, übersetzt baron et femme; für Mann allein steht vir. Die alten englischen Gesetze brauchen »man« ebenso = Mensch, Person; der »freeman« konnte eine Frau sein. Stopes, The Sphere, S. 5, 6, 10. Vor allem seit Lord Broughams Gesetz (Lord Brougham's Act 1850) ist festgelegt, »das Masculinum bedeutet in allen Gesetzen, die nicht das Gegenteil ausdrücklich bemerken, auch das Femininum.« Blackburn S. 73. »In all Acts words importing the masculine gender shall be deemed and taken to include female, unless the contrary be expressly provided.«

Da die Behörden dem Verlangen der Frauen teils willfahrten, teils es ablehnten, wurde, um die Sache klar zu stellen, in vier Fällen appelliert und am 9. 11. 1868 im Court of Common Pleas, London, das Urteil gegen die Frauen gefällt. Blackburn S. 83 ff. Es war Dr. Pankhurst, der die Sache der 5346 Steuerzahlerinnen aus Manchester vertrat. – So wurde das parlamentarische Gesetz, das unzweideutig für die Frauen sprach, durch richterliche Entscheidung vernichtet. Die Einschränkung des Worts »man«, das nunmehr nur bei Strafen und Lasten die Frau mit bedeutet, nicht aber mehr bei Freiheiten und Rechten, ist das Werk der Gerichte. Stopes, The Sphere, S. 10.

Die Stimmrechtlerinnen stehen also auf dem Boden der Geschichte und der Verfassung. Die Einführung des allgemeinen Männerstimmrechts ist ein Bruch mit der Vergangenheit, eine weit größere Neuerung als die Wiedereinführung des censitären Frauenstimmrechts es wäre. Die Einführung des Manhood Suffrage bezweckt (außer der Stärkung der liberalen Regierung, die weiter »leben« will), den Frauenstimmrechtlerinnen ihr Hauptargument, die Steuerleistung, zu nehmen. Geht die Bill vom 12. 5. 1912 durch, so sind die Frauen zwar: britische Staatsangehörige und Einwohner, sie werden auch 21 Jahre alt, aber sie werden nie Männer. Damit hofft man, sie endgültig abzuschlagen.

II. Die Stimmrechtlerinnen bestehen auf dem verfassungsmäßigen Recht des Untertanen, dem König oder seinen Vertretern straflos Petitionen überreichen zu dürfen. Daher die XI Frauenparlamente und die XI Deputationen. Auch hier hat richterliche Entscheidung die alte Freiheit praktisch vernichtet. Siehe S. 61. Die Deputationen sind gleichzeitig ein steter Protest gegen die Rechtmäßigkeit der Regierung.

III. Die Stimmrechtlerinnen bestehen endlich auf dem Verfassungsgrundsatz der gemeinschaftlichen Ministerverantwortlichkeit, der dem Kabinett nicht erlaubt, zu bleiben, wenn es in wichtigen Fragen uneins ist.


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