Friedrich Schiller
Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville
Friedrich Schiller

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Es gab dieses ein großes Schrecken in der Garnison, das sich dadurch noch vermehrte, als man sah, daß er gegen seine Hausdienerschaft noch strenger war. Einer seiner Bedienten, der ihm sieben Jahre gedient hatte, wurde gleich den andern Morgen gehenkt, weil er in der Nacht das Haus eines Mädchens, das er liebte, bestürmt hatte, und einer seiner Köche, der ein Gasthaus in Metz angelegt, wurde durch dreimaliges Ziehen mit Stricken so gewippt, daß er Zeitlebens den Gebrauch seiner Glieder verlor, und nur, weil er gegen den Befehl gehandelt hatte, den Bauern ihre Waaren nicht unter den Thoren abzukaufen, sondern sie vorher auf den dazu bestimmten Platz kommen zu lassen.

Während der Belagerung hatten mehrere Officiere, während daß sie die Männer auf die Wälle schickten, um daselbst zu arbeiten, mit den Weibern und Töchtern gar übel gehauset, manche geraubt, den Vater oder Mann aber umgebracht und vorgegeben, es sei durch die Kanonen geschehen, so daß jetzt noch sechs und zwanzig Weiber und Mädchen fehlten, die die Officiers und Soldaten versteckt hielten. Der vorige Commandant hörte auf die Klagen, welche deßhalb einliefen, nicht, theils weil er einen Aufruhr befürchtete, wenn er es abstellte, theils auch, weil er selbst ein solches Mädchen gegen den Willen seiner Mutter bei sich hatte, die er Frau von Gonnor nennen ließ. Jetzt, da man sah, wie gerecht und unparteiisch Vieilleville in allem verfuhr, beschlossen die Anverwandten, eine Bittschrift einzureichen, und dies geschah eines Morgens ganz frühe, ehe noch ein Officier da gewesen war. Er machte ihnen Vorwürfe, daß sie ein halbes Jahr hätten hingehen lassen, ohne ihm Nachricht davon zu geben. Sie antworteten, daß sie gefürchtet hätten, eben so, wie beim Herrn von Gonnor, abgewiesen zu werden. »In der That,« versetzte er, »ich kann euch nichts weniger als loben, daß ihr mein Gewissen nach dem meines Vorfahren gemessen habt; jedoch sollt ihr, noch ehe ich schlafen gehe, Genugtuung erhalten, wenn ihr nur wißt, wo man die Euren versteckt hält.« Hierauf versicherte einer, Namens Bastoigne, dem seine Frau, Schwester und Schwägerin geraubt waren, daß er sie Haus für Haus wisse. »Nun gut,« sagte Vieilleville, »geht jetzt nach Hause, und Punkt neun Uhr des Abends sollt ihr eure Weiber haben; ich wähle mit Fleiß eine solche Stunde, damit die Nacht (es war im October) »eure und eurer Verwandtinnen Schande verberge. Laßt euch indessen nichts bis zur bestimmten Stunde merken, sonst könnte man sie entfernen.«

Er machte darauf die nöthigen Anstalten, stellte gegen Abend in den Hauptstraßen Wachen auf, ließ einige Truppen sich parat halten, und nun nahm er selbst mit einiger Mannschaft die Haussuchung vor, so wie sie ihm von den Supplikanten bestimmt worden war. Zuerst ging er auf das Quartier des Hauptmann Roiddes los, der die schöne Frau eines Notarius, Namens Le Coq, bei sich hielt, stößt die Thüren ein und tritt ins Zimmer, eben als sich der Capitän mit seiner Dame zur Ruhe begeben will. Dieser wollte sich anfangs wehren; wie er aber den Gouverneur sah, fiel er ihm zu Füßen und fragte, was er befehle und was er begangen? Vieilleville antwortete: er suche ein Hühnchen, das er seit acht Monaten füttere. Der Capitän, welcher besser handeln als reden konnte (es war ein tapferer Mann), schwur bei Gott, daß er weder Huhn, noch Hahn, noch Capaun in seinem Hause habe und keine solchen Thiere ernähre. Alles fing an zu lachen, selbst Vieilleville mäßigte seinen Ernst und sagte ihm: »Ungeschickter Mann, die Frau des Le Coq will ich, und dieses den Augenblick, oder morgen habt Ihr bei meiner Ehre und Leben den Kopf vor den Füßen.« Ein dem Hauptmann ergebener Soldat ließ unterdessen das Weibchen zu einer Hinterthür hinaus in eine enge Straße, hier aber wurde er von einem Hellebardierer angehalten und, da er sich wehren wollte, übel zugerichtet. Unterdessen hatte sich die Frau, ihre Unschuld zu beweisen, zu ihrem Mann geflüchtet, und Vieilleville ließ, als er dieses hörte, den Capitän Roiddes, den man schon gefangen wegführte, um ihm bei anbrechendem Tag den Kopf herunterzuschlagen, wieder los. Als dieses die andern Officiere hörten, machten sie ihren Schönen die Thüren auf, und alles lief voll Mädchen und Weiber, die in Eile zu ihren Anverwandten flohen. Vieilleville setzte die Haussuchung jedoch noch sechs Stunden fort, bis er von allen Seiten Nachricht erhielt, daß sich die Verlornen wieder eingefunden.

In Metz waren sieben adelige Familien, die sich ausschließend das Recht seit undenklichen Zeiten anmaßten, aus ihrer Mitte den Oberbürgermeister der Stadt zu wählen, welches ein sehr bedeutender Platz ist. Sie waren von diesem Vorrecht so aufgeblasen, daß, wenn in diesen Familien ein Kind geboren wurde, man bei der Taufe wünschte, daß es eines Tages Oberbürgermeister von Metz oder wenigstens König von Frankreich werden möge. Vieilleville nahm sich vor, dieses Vorrecht abzuschaffen, und als bei Deiner neuen Wahl die sieben Familien zu ihm kamen und baten, er möchte bei ihrer Wahl gegenwärtig sein, antwortete er zur großen Verwunderung, daß es ihm schiene, als sollten sie ihn vielmehr fragen, ob er eine solche Wahl genehmige, denn vom König solle dieser Posten abhängen, und nicht von Privilegien der Kaiser, und er wolle die Worte: Von Seiten Sr. kais. Majestät des heil. römischen Reichs und der kais. Kammer zu Speier verloren machen und dafür die braven Worte: Von Seiten der Allerchristlichsten, der unüberwindlichen Krone Frankreichs und des souveränen Parlamentshofs von Paris setzen. Er habe auch schon einen braven Bürger, Michel Praillon, zum Oberbürgermeister erwählt, und sie könnten sich bei dieser Einsetzung morgen im Gerichtshof einfinden. Der abgehende Oberbürgermeister, als er zumal hörte, daß Vieilleville zu diesem Schritt keinen Befehl vom König habe, sank in die Kniee, und man mußte ihn halten und zu Bette bringen, wo er auch nach zwei Tagen, als ein wahrer Patriot und Eiferer der Aufrechthaltung der alten Statuten seiner Stadt, starb.

Vieilleville führte den neuen Bürgermeister selbst ein und besorgte die deßhalb nöthigen Feierlichkeiten. Sowohl diese Veränderung als auch die Herbeischaffung der Weiber und Mädchen, nebst mehrern andern Beweisen seiner Gerechtigkeit, gewannen ihm die Herzen aller Einwohner und machten sie geneigt, französische Unterthanen zu werden. Sie entdeckten ihm sogar selbst, daß eine Klagschrift an die kaiserliche Kammer im Werk sei, und bezeichneten ihm den Ort, wo sie abgefaßt würde. In diesem Quartier wurden auch des Nachts Welche aufgehoben, eben als sie noch an dieser Klagschrift arbeiteten. Der Verfasser und Der, so diese Depesche überbringen sollte, wurden sogleich fortgeschafft, und man hörte nie etwas von ihnen wieder; sie wurden wahrscheinlich ersäuft, die andern aber, so Edelleute waren, kamen mit einem derben Verweis und einer Abbitte auf den Knieen davon.

Aber nicht nur von innen polizierte er die Stadt Metz, auch von außen reinigte er die umliegende Gegend von den Herumläufern und Räubern, die sie unsicher machten. Alle Wochen mußten etliche hundert Mann von der Garnison ausreiten und in den Feldern herumstreifen. Er neckte die kaiserlichen Garnisonen von Thionville, Luxemburg und andern Orten so sehr, daß sie seit dem Mai 1552, wo er sein Gouvernement übernommen hatte, bis zum nächsten Februar über zwölfhundert Mann verloren, da ihm nur in allem hundert und siebenzig getödtet wurden. Die Gefangenen wurden gleich wieder um einen Monat ihres Soldes ranzioniert. Er trug aber auch besondere Sorgfalt, daß immer die Tapfersten zu diesen Expeditionen ausgeschickt wurden, wählte sie selbst aus, nannte alle beim Namen und war immer noch unter den Thoren, diese Leute ihren Capitäns anzubefehlen.

Um Vieillevillen die Spitze zu bieten, bat der Graf Mansfeld, so in Luxemburg commandierte, sich von der Königin von Ungarn, Regentin der Niederlande, Verstärkung aus, und mit selbiger wurde ihm der Graf von Mesgue zugeschickt. Allein Mansfeld konnte nichts ausrichten und legte aus Verdruß sein Commando nieder, welches der Graf von Mesgue mit Freuden annahm, ob es ihm gleich übel bekam. Vieilleville war besonders durch seine Spione vortrefflich bedient; hauptsächlich ließen sich die von einem burgundischen Dorf, Namens Maranges, sehr gut dazu brauchen. Es gab keine Hochzeit, keinen Markt oder sonst eine Versammlung auf fünfzehn bis zwanzig Meilen in der Runde in Feindes Land, wo Vieilleville nicht zwei bis dreihundert Pferde und eben so viel Fußvolk dahin abschickte, um ihnen zum Tanz dazu zu blasen. Schickte der Graf Mansfeld diesen Truppen nach, um ihnen den Rückzug abzuschneiden, so erfuhr er es sogleich und ließ ungesäumt ein anderes Corps aus Metz aufbrechen, um jenes zu unterstützen und den Weg frei zu machen, bei welcher Gelegenheit oft die tapfersten Thaten vorfielen und immer die Feinde unterlagen.

Er bekam Nachricht, daß der Cardinal von Lenoncourt, Bischof von Metz, vieles gegen ihn sammle, um sodann seine Beschwerden vor des Königs geheimes Conseil zu bringen. »Nun dann,« sagte er, »damit seine Klagschrift voll werde, will ich ihm mehr Gelegenheit geben, als er denkt.« Er ließ darauf die Münzmeister kommen, die des Cardinals Münze schlugen (denn der Bischof von Metz hatte dieses Recht), und hielt ihnen vor, wie sie alles gute Geld verschwinden ließen und schlechtes dafür ausprägten. Er befahl ihnen hiermit bei Hängen und Köpfen, auf keine Art mehr Münze zu schlagen, ließ auch durch den Prevot alle ihre Stempel und Gerätschaften gerichtlich zerschlagen, indem es, wie er hinzusetzte, nicht billig sei, daß der König in seinem Reich einen ihm gleichen Unterthan habe.

Es war dieses eine der nützlichsten Unternehmungen Vieillevilles, denn es gingen unglaubliche Betrügereien bei dieser Münzstätte vor; auch nahm es der König, als er es erfuhr, sehr wohl auf. Der Cardinal aber wollte sich selbst umbringen, denn er war sehr heftig, als er diese Veränderung erfuhr, und verband sich mit dem Herzog von Vaudemont, Gouverneur von Lothringen, um Vieillevillen um sein Gouvernement zu bringen, in welchem Vorsatz sie auch der Cardinal von Lothringen, an den sie sich gewendet hatten, unterstützte.

Vieilleville bekam einen Courier vom Secretär Malestroit, der ihm bekanntmachte, daß der Gouverneur des Dauphin, von Humières, auf den Tod läge und der König gesonnen sei, ihm die Compagnie Gendarmes zu geben, die jener besessen, daß aber der Connetable dagegen sei und sogar den jungen Dauphin dahin gebracht habe, diese Compagnie für den Sohn seines Gouverneurs vom König zu erbitten, mit dem Zusatz (so hatte es ihm der Connetable gelehrt), daß dieses seine erste Bitte sei, welches dem König sehr gefallen. Vieillevillen aber, habe der Connetable vorgeschlagen, sollte man die Compagnie leichte Reiter geben, welche Herr von Gonnor gehabt, und die in Metz schon liege. Vieilleville fertigte auf diese Nachricht, ohne sich lange zu bedenken, seinen Secretär in aller Eile mit einem Brief an den König ab, worin er denselben mit den nachdrücklichsten Gründen anforderte, seinen ersten Entschluß wegen der Compagnie durchzusetzen und sich von Niemanden abwendig machen zu lassen. Der Secretär kam in St. Germain an, wie Humières noch am Leben war, und der König nahm den Brief selbst an. Nachdem er solchen gelesen, antwortete er: »Es ist nicht mehr als billig, er hat lang genug gewartet; seine treuen Dienste verbinden mich dazu. Ich gebe sie ihm mit der Zusicherung, es nicht zu widerrufen, wenn der Andere stirbt, was man auch darüber brummen mag.« Vieilleville ließ sich zugleich mündlich die Compagnie leichter Reiter des Herrn von Gonnor für seinen Schwiegerson Espinay ausbitten. »Zugestanden,« sagte der König, »und das sehr gern.« Auch wurden sogleich die Patente deßhalb ausgefertigt.

Unterdessen ließ Vieilleville dem Grafen von Mesgue keine Ruhe; seine Truppen gingen oft bis unter die Kanonen von Luxemburg und forderten die Kaiserlichen heraus, so daß der Graf sogar einen Waffenstillstand unter ihnen vorschlug, worüber Vieilleville sich sehr aufhielt und zurücksagen ließ, daß sie beide verdienten, cassiert zu werden, wenn sie als Diener in besondere Capitulationen sich einließen; und daß er bei diesem Vorschlag als ein Schuljunge und nicht als Soldat sich gezeigt; er schicke ihn daher wieder auf die Universität von Löwen, wo er erst seit kurzem hergekommen. Der Graf war so beschämt darüber, daß er Vieillevillen bitten ließ, nie davon zu reden und ihm den Brief, den er deßhalb geschrieben, zurückzusenden, welches Vieilleville ihm gerne zugestand, mit der Bedingung, ihm eine Ladung Seefische von Antwerpen dafür zu schicken, die dann auch ankamen und unter großem Lachen verzehrt wurden.

Gegen das Ende Septembers 1554 wurde dem Präsidenten Marillac, der nach Paris reisen wollte, eine Escorte vom besten Theil der Cavallerie und vielen Schützen zu Fuß mitgegeben. Der Graf von Mesgue erhielt Nachricht davon und beschloß, sich hier für die vielen ihm angethanen Insulten zu rächen. Er bereitete sein Unternehmen so geheim vor, daß Vieilleville erst Nachricht davon bekam, als sie schon aus Thionville ausmarschierten. Sogleich ließ er den übrigen Theil seiner Reiterei aufsitzen und schickte zwei verschiedene Corps unter des Herrn von Espinay und von Dorvoulx Anführung ab. Beide waren jedoch nicht stärker als hundert und zwanzig Mann. Dreihundert leichte Truppen mußten sogleich ein kleines Schloß, Namens Dompchamp, wo schon fünfzehn bis zwanzig Soldaten und ein Capitän La Plante lagen, besetzen. Er selbst ließ alle Thore der Stadt schließen, nahm die Schlüssel zu sich und setzte sich unter das Thor, um von einer Viertelstunde zur andern Nachricht von des Feindes Unternehmen zu erhalten. Er verstärkte die Wachen, und einige Capitäns mußten auf den Mauern herumgehen, um alles zu beobachten. Die andern Capitäns, nebst dem Herrn von Boisse und von Croze, waren dabei mit dreihundert Büchsenschützen und seiner Garde. Um neun Uhr ließ er sich sein Mittagessen dahin bringen, und kurz darauf kam von beiden ausgeschickten Corps die Nachricht an, daß sie die Feinde recognosciert und acht Compagnieen zu Fuß und acht- bis neunhundert Pferde stark gefunden hätten, daß man einer solchen Macht nicht widerstehen könne und sie sich auf Dompchamp zurückziehen wollten. In drei Stunden könnten sie da sein und erbäten sich Verhaltungsbefehle.

Vieilleville nahm auf dieses, das einem Rückzug ähnlich sah, einen schrecklichen Entschluß. Er ließ sechzig schwere Büchsen von ihren Gestellen herunternehmen und ladete sie den Stärksten seiner Garde auf. Dem Capitän Croze befahl er, hundert Büchsenschützen und zehn bis zwölf Tambours mit sich zu nehmen und sich in einem versteckten kleinen Weiler bei Dompchamp ruhig zu verhalten, bis das Gefecht angegangen. Er selbst mit seinen vergoldeten Waffen schnallte seine Rüstung fest und zog aus der Stadt auf seinem Pferde Ivoy; die Stadt überließ er dem Herrn von Boisse, von dem er wußte, daß er sie wohl bewachen würde, wenn er bleiben sollte. So zog er in schnellem Marsch von seinen siebenzig Musketieren, deren jeder nur fünf Schüsse hatte, dahin, fest entschlossen, zu bleiben oder zu siegen.

Sobald er bei den Uebrigen angekommen war, traf er, als ein geschickter Soldat, die nöthigen Anstalten. Unter andern stellte er das Fußvolk zwischen die Pferde, welche Erfindung von ihm nachher oft benutzt worden. Jetzt rückte der Feind auf fünfhundert Schritte gerade auf ihn an; er rückte im Schritt vorwärts und befahl, zuerst eine Salve zu geben, damit der Feind ihre Anzahl nicht bemerkte. Beide Corps treffen nun aufeinander; die Feinde glaubten ihn leicht über den Haufen zu werfen, denn es waren ihrer Zehn gegen Einen. Die Musketiers verlieren indessen keinen Schuß. Vieilleville, an seiner Seite Espinay und Thevales, dringen ein und werfen alles vor sich nieder. Wüthend fällt Croze mit seinen Tambours und Schützen aus seinem Hinterhalt heraus ihnen in die Flanke. Der Chevalier La Rogue kommt von einer andern Seite und setzt ihnen fürchterlich zu. Sie hatten ihr Fußvolk zurückgelassen, weil sie den Feind für unbeträchtlich hielten. Alle ihre Chefs waren getödtet, und jetzt von allen Seiten gedrängt, stürzten sie auf ihre Infanterie zurück, die sie selbst in Unordnung brachten, da sie immer verfolgt wurden, und zwar von ihren eigenen Pferden, auf die sich Vieillevilles Soldaten schnell schwangen und so nacheilten. Mehr als fünfzehnhundert blieben auf dem Platz, die übrigen wurden gefangen. Jeder Soldat hatte einen bis zwei Gefangene; selbst zwei Soldatenmädchen trieben ihrer drei vor sich her, die ihre Waffen weggeworfen hatten, und wovon zwei verwundet waren. Der Graf von Mesgue hatte sich durch die Wälder bis an die Mosel geflüchtet, wo er mit noch zwei andern in einem Fischerkahn nach Thionville sich rettete. Vieilleville hatte nur acht Todte und zwölf Verwundete. Er zog wieder in Metz ein und gerade auf die Hauptkirche zu, um Gott für den Sieg zu danken. Der Donner der Kanonen und alle Glocken trugen diese Feierlichkeit nach Thionville, und sie konnten dort wohl vernehmen, wie sehr man sich in Metz freute.

Durch einen sonderbaren Zufall geschah es, daß gerade an dem Tag, wo er siegte, der König ihm den Orden ertheilte. Der Officier, den er sogleich mit den Fahnen an den König abgeschickt hatte, traf den Courier vom Hof auf dem Weg an. Der Herzog von Nevers sollte ihm denselben umhängen; Vieilleville schlug es aber in einem sehr höflichen Schreiben an den Herzog von Nevers aus, den Orden aus einer andern als des Königs Hand anzunehmen, weil er dieses Gelübde gethan, als Franz I. selbst ihn zum Ritter geschlagen.

Der Sergeantmajor des ganzen Landes Messin und der Prevot (General Auditor), welche Herr von Gonnor Vieillevillen vorzüglich empfohlen hatte, waren in ihrem Dienst Männer ohne ihres Gleichen und dabei in Metz sehr angesehen. Allein sie erlaubten sich mancherlei Betrügereien; sie ließen oft die Gefangenen, die zum Tode verurtheilt worden, heimlich gegen eine starke Geldsumme entwischen und gaben vor, sie hätten die Kerls ersäufen lassen, da sie des Hängens nicht werth gewesen. Man fing solch einen angeblich Ersäuften wieder, und er wurde erkannt zu eben der Zeit, da jene Beiden einen Gefangenen, der verurtheilt war, schon seit zwei Monaten im Gefängniß herumschleppten. Da es ihnen ernstlich befohlen ward, diesen Gefangenen hinrichten zu lassen, so wurde er in einem großen Mantel zum Richtplatz geführt, damit man nicht sehen konnte, daß er die Hände nicht gebunden hätte; auch gab man ihn für einen Lutheraner aus, damit er kein Crucifix tragen dürfe. Als der Kerl auf der Leiter stand, sprang er schnell herunter, ließ dem Henker den Mantel in der Hand und rettete sich, ohne daß man je etwas von ihm hätte sehen sollen. Es kam nun heraus, daß sie von einem Verwandten des Verurteilten tausend Thaler erhalten hatten, wenn sie ihn entwischen ließen. Vieilleville war über alles Dieses sehr aufgebracht, ließ sogleich die Beiden in Verhaft nehmen und ihnen den Proceß machen. Sie bekamen die Tortur und gestanden alles. In einem Kriegsgericht wurden sie zum Tode verdammt, der Sergeantmajor im Gefängniß erdrosselt und der Prevot und sein Schreiber auf öffentlichem Platz gehängt.

Es gab zwei Franciscanerklöster in Metz, wovon in einem Observantinermönche waren. Die Mönche waren meist alle aus einer Stadt der Niederlande, Namens Nyvelle. Der Pater Guardian besuchte dort oft seine Verwandten und kam bei jeder Reise vor die Königin von Ungarn, die durch ihn alles erfuhr, wie es in Metz stand, auch viele Neuigkeiten aus Deutschland und Frankreich; kurz, es war ihr eigentlicher Spion. Auf den Antrag, der ihm zu einer Unternehmung aus Metz gemacht wurde, ging er auch wirklich ein; er nahm etliche und siebenzig tapfere Soldaten, kleidete sie als Franciscaner und ließ sie von Zeit zu Zeit paarweise nach Metz ins Kloster gehen. Unterdessen war es verabredet, daß der Graf von Mesgue Verstärkung erhalten und sich an dem Thor der Brücke Yffray zum Sturmlaufen zeigen sollte. Der Guardian wollte in mehr als hundert Häusern durch eine eigene Erfindung Feuer einlegen lassen; Jedermann würde hinzulaufen, dieses zu löschen, und die Mönche sollten sich dann auf den engen Wällen zeigen und den Soldaten heraufhelfen. Einige tausend Soldaten von der Garnison zu Metz würden sich ohnedies sogleich empören, wenn sie die Gelegenheit zum Plündern absähen, und Freiheit, Freiheit, nieder mit dem Vieilleville! schreien.

Es ging alles recht gut für den Mönch; in einer Zeit von drei Wochen hatte er die Soldaten im Kloster. Jetzt bekam aber Vieilleville von einem seiner geschicktesten Spionen auf Luxemburg Nachricht, daß die Königin von Ungarn zwölfhundert leichte Büchsenschützen, achthundert Pferde und eine große Anzahl niederländischer Edelleute dem Grafen von Mesgue zuschickte. Der Graf habe etwas vor, man könne aber nicht entdecken, auf was er ausgehe. Man habe zwar zwei Franciscanermönche von mittlerem Alter mit dem Grafen ins Cabinet gehen sehen, habe aber nicht herausbringen können, wo sie her gewesen, es habe nur geheißen, sie seien von Brüssel her gekommen.

Vieilleville nahm sogleich einige Capitäns zu sich und ging in das Franciscanerkloster, ließ den Guardian rufen und fragte, wie viel er Mönche habe, und ob sie alle zu Hause seien, er wolle sie sehen. Hier findet er alles richtig. Er geht darauf zu den Observantinern und fragt nach dem Guardian. Es wird ihm geantwortet, er sei nach Nyvelle zum Leichenbegängniß seines Bruders gegangen. Vieilleville will die Anzahl der Mönche wissen und sie sehen. Drei oder viere sagen, sie seien in die Stadt gegangen, Almosen zu sammeln. Schon an ihrer Gesichtsfarbe merkte er, daß es nicht ganz richtig sei. Er stellte sogleich Haussuchung an und findet in dem ersten Zimmer zwei falsche Franciscanermönche, welche sich für krank ausgaben und ihre auf Soldatenart verfertigten Beinkleider im Bette versteckt hatten. Unter Androhung eines sichern Todes gestehen sie sogleich, wo sie her sind. doch wüßten sie nicht, was man mit ihnen vorhabe, und sie hofften dieses zu erfahren, wenn der Guardian von Luxemburg würde zurückgekommen sein. Vieilleville ließ sogleich das Kloster schließen und setzte einen vertrauten Capitän mit starker Wache hin, dem er befiehlt, alles herein, aber nichts hinaus zu lassen. Ferner werden augenblicklich alle Thore der Stadt geschlossen, außer dem der Brücke Yffray, welches nach Luxemburg führt, und wo der Capitän Salcede die Wache hatte. Hier begibt er sich selbst hin, entläßt alle seine Garden und bleibt mit einem Edelmann, einem Pagen und einem Bedienten mit den Soldaten auf der Wache.

Dem Capitän Salcede ließ er sagen, er erwarte Jemand unter dem Thor, und sollte er die Nacht auf der Wachtstube zubringen, so müsse er die Person hereingehen sehen. Salcede sollte sein Essen unter das Thor bringen lassen, wie es wäre, und sollte er nur Knoblauch und Rüben haben, er solle nur herbeieilen.

Salcede kam auch sogleich und brachte ein ganz artiges Mittagsessen mit, das ihnen unter dem Thor gut schmeckte. Kaum hatten sie abgegessen, als die Schildwache sagen ließ, sie sehe zwei Franciscaner von weitem kommen. Vieilleville nimmt eine Hellebarde und stellt sich, von zwei Soldaten begleitet, selbst an den Schlagbaum. Die Mönche, die sich sehr wundern, ihn hier wie einen gemeinen Soldaten Wache stehen zu sehen, steigen ab. Er befiehlt ihnen aber, in das Quartier des Capitäns Salcede zu gehen; die zwei Soldaten mußten sie dahin bringen. Jetzt läßt er alles aus diesem Quartier gehen, und er mit Salcede und seinem Lieutenant Ryolas bleiben allein da. »Nun, Herr Heuchler,« redet er den Guardian an, »Ihr kommt von einer Conferenz mit dem Grafen von Mesgue. Sogleich bekennet alles, was ihr miteinander verhandelt, oder Ihr werdet den Augenblick umgebracht. Bekennet Ihr aber die Wahrheit, so schenke ich Euch das Leben, selbst wenn Ihr das meine hättet nehmen wollen. In Euer Kloster könnt Ihr nun nicht mehr, es ist voll Soldaten, und Eure Mönche sind gefangen; zwei haben schon bekannt, daß sie verkleidete Soldaten der Königin von Ungarn sind.« Der Guardian wirft sich ihm zu Füßen und gibt vor, daß diese zwei seine Verwandten seien und ihren Bruder wegen einer Erbschaft umgebracht; er habe sie unter Franciscanerkleider versteckt, um sie zu retten. Indem ließ aber der bei dem Kloster wachhabende Hauptmann melden, daß sechs Franciscaner in das Kloster eingetreten, die unter der Kutte Soldatenkleider gehabt. Jetzt befahl er, die Tortur zu holen, damit der Guardian gestehe. Der Mönch, der sah, daß alles verrathen sei, besonders wie ihm Vieilleville den Brief zeigte, so er von seinem Spion in Luxemburg erhalten, sagte dann, daß man wohl sehe, wie Gott ihm beistehe und die Stadt für ihn bewache, denn ohne diese Nachricht wäre Metz noch heute für den König verloren gewesen und in die Hände des Kaisers gekommen. Alle zu dieser Expedition bestimmten Truppen seien nur noch sechs Stunden von Metz, in St. Jean, und sie sollten um neun Uhr hier eintreffen. Kurz, er gestand den ganzen Plan. Vieilleville übergab ihn jetzt dem Capitän Ryolas, ihn zu binden und mit keiner Seele reden zu lassen.

Wie Vieilleville in allen unvorhergesehenen Fällen sich schnell und fest entschloß, so auch hier. Sogleich ruft er seine Compagnie zu sich und befiehlt dem Herrn von Espinay und von Lancque, eben dieses zu thun. Die Capitäns St. Coulombe und St. Marie müssen sich mit dreihundert Büchsenschützen einfinden. Der neue Sergentmajor St. Chamans muß sogleich auf die Thore fünfzig Büschel Reiser hinschaffen, mit der Weisung, solche nicht eher noch später als zwischen sechs und sieben Uhr des Abends anstecken zu lassen. Die ganze Stadt war in Alarm; niemand wußte, was werden sollte.

Jetzt, da alles fertig war, sagte er: »Nun laßt uns still und schnell marschieren, und so Gott will, sollt ihr in weniger als vier Stunden seltsame Dinge erleben.« Er hatte einen sehr geschickten Capitän, die Soldaten zu führen; diesen rief er zu sich und entdeckte sich ihm und seinen Plan. Er sollte ihn in einen Hinterhalt legen, wo die Feinde vorüber müßten. Ging dieses nicht, so wollte er sie so angreifen, ob sie gleich nur Einer gegen Drei seien. Der Capitän führte ihn in einen großen Wald, an dessen Ende ein Dorf lag. Hier vertheilte Vieilleville seine Leute von tausend zu tausend Schritten, so daß der Feind nicht zu sich kommen und denken sollte, die ganze Garnison, so bekanntlich fünftausend zweihundert Infanterie und tausend Mann Cavallerie stark war, sei ihm auf dem Halse. Den Weg nach Thionville befahl er frei zu lassen, weil er den Flüchtlingen nicht nachsetzen wollte, nach der goldenen Regel: dem Feind muß man silberne Brücken bauen.

Jetzt bekam er Nachricht, daß die Feinde schnell anrückten, in einer Stunde könnten sie da sein. Man sähe in Metz brennen, die Feinde seien stärker, als er glaube, es sei alles voll. In einer Stunde kam schon ihr Vortrab, so auf ungefähr sechzig Mann bestand, durch den Wald. Die Hellebardierer hatten sich auf dem Bauch in das Dickicht gelegt, die Schützen standen weiter hinten, daß man die brennenden Lunten nicht riechen sollte; man hörte, wie sie sagten: »Treibt sie an, beim Teufel, wir verweilen zu lang. In dem Wald gibt es nichts als Maulwürfe. Beim Wetter, wie werden wir reich werden, und was für einen Dienst werden wir dem Kaiser thun!« Ein Anderer sagte: »Wir »wollen ihn recht beschämen, denn mit dreitausend Mann nehmen wir, was er nicht mit hunderttausend konnte.« Ein Anderer: »Ich werde mich heute Nacht zu Tode h—, denn es soll dir prächtige Mädchen und Weiber geben.« Jetzt kam der ganze Troß und zog ins Holz hinein, zuletzt der Graf von Mesgue mit einer ausgesuchten Cavallerie. Er trieb sie aus allen Kräften zur Eile an, so daß sie keine Ordnung hielten. Den ganzen Zug aber schloß das adelige Corps aus den Niederlanden, welches achthundert Pferde stark war.

Als auch diese in dem Wald waren, stürzte Vieillevilles erster Hinterhalt hervor – Frankreich!– Frankreich! – Vieilleville! – rufend. Die Edelleute rufen ihre Diener, ihnen ihre Waffen zu geben; nun rücken aber auch die Büchsenschützen hervor, und jeder streckt seinen Mann nieder; zugleich machen die Tambours einen erschrecklichen Lärm. Die Feinde, welche schon vorne waren, wollten umkehren, um ihrem Hintertrab zu helfen; aber jetzt stürzt auch bei ihnen der zweite Hinterhalt hervor, und es entsteht ein so erschreckliches Getöse, daß alles ganz verwirrt wird. Der Graf von Mesgue schreit: beim Teufel, wir sind verrathen! Gott, was ist das? und macht zugleich Miene, sich zu wehren. Nun bricht aber auch der dritte Hinterhalt hervor, und die feindliche Cavallerie flieht in das Dorf, in der Hoffnung, sich dort zu setzen; aber hier finden sie Vieillevilles viertes Corps, zu dem kam noch das fünfte, das sie in die Mitte bekam und so übel zurichtete, daß der Graf von Mesgue durch sein eigenes Fußvolk durchbrechen mußte, um sich zu retten, denn überall traf er auf Feinde. Jetzt floh alles, wo es nur hin konnte, und der Sieg war vollkommen.

Es wurden vierhundert und fünfzig Gefangene gemacht, und eilfhundert und vierzig waren auf dem Platz geblieben. Vieilleville hatte nur fünfzehn Mann verloren, und sehr wenige waren verwundet worden.

Es fiel dieses an einem Donnerstag im October 1555 vor, und wurde durch die Klugheit und Thätigkeit Vieilleville's auf diese Art eine Verrätherei am nämlichen Tage entdeckt und bestraft. Die Mönche in Metz wurden in engere Verwahrung gebracht, die dreißig verkleideten Soldaten aber ließ Vieilleville frei, weil es brave Kerls wären, die ihr Leben auf diese Art zum Dienst ihres Herrn gewagt hätten. Doch befahl er, daß sie zu drei und drei mit ihren Mönchskleidern auf dem Arm und weißen Stäben durch die Stadt geführt und auf jedem Platz verlesen werden sollte: dieses sind die Mönche der Königin von Ungarn u. s. w.

Vieilleville schickte dem König einen Courier mit der Nachricht dieses Siegs. Eben diesem war aufgetragen, Urlaub für ihn auf zwei Monate zu verlangen, indem er schon drei Jahre in seinem Gouvernement des Glücks beraubt sei, Seine Majestät zu sehen. Vieilleville hatte mehrere Ursachen, diesen Urlaub zu verlangen. Einmal wollte er nicht gegenwärtig sein, wenn man den Guardian hinrichtete, da er ihm sein Wort gegeben, ihm am Leben nichts zu thun; und doch hielt er es für unbillig, einen solchen Mordbrenner am Leben zu lassen. Dann trug er auch den Plan einer in Metz zu erbauenden Citadelle im Kopf herum, die aber sehr viele Unkosten erforderte, da drei Kirchen abgetragen und der König zweihundert und fünfzig Häuser kaufen mußte, um die Einwohner daselbst wegzubringen und Platz zu gewinnen. Nun fürchtete er, daß, wenn er diesen Plan nicht selbst vorlegte, der Connetable besonders dagegen sein würde, da ohnedem eine Armee, welche unter dem Herzog von Guise nach Italien marschieren sollte, um Neapel wieder zu erobern, ungeheure Summen wegnahm, die man nirgends aufzutreiben wußte. Endlich war er auch davon benachrichtigt, daß der Cardinal von Lenoncourt, vom Cardinal von Lothringen unterstützt, ihn in allen Gesellschaften heruntersetze.

Der Urlaub wurde bewilligt und sogleich der Herr von La Chapelle-Biron nach Metz abgeschickt, das Gouvernement unterdessen zu übernehmen. Nachdem nun Vieilleville dem neuen Gouverneur alles übergeben und ihn wohl unterrichtet hatte, reiste er nach Hofe und nahm nur den Grafen von Sault, dem er seine zweite Tochter, welche Hofdame bei der Königin war, zugedacht hatte, mit sich. Sobald er daselbst angekommen, entfernte sich der Cardinal von Lenoncourt in eine seiner Abteien bei Fontainebleau. Der König empfing ihn sehr wohl, und der darauf folgende Tag wurde sogleich dazu bestimmt, ihm den Orden umzuhängen, welches auch mit vieler Feierlichkeit geschah. Nur der Cardinal von Lothringen als Ordenskanzler und der Connetable als ältester Ritter fanden sich nicht dabei ein. Dieser wollte sein gewöhnlich Kopfweh, jener die Kolik haben. Der König aber kannte wohl ihre Entschuldigungen und Sprünge.

Der Cardinal von Lothringen hatte sich vorgenommen, Vieillevillen im vollen Rath wegen Beeinträchtigung des Bischofs von Metz in seinen Rechten anzugreifen, und er war so fein, den König zu bitten, sich im Rath einzufinden, indem er einige wichtige Sachen vorzutragen habe. Der König, der nicht wußte, was es war, befahl sogleich, die Räthe zu versammeln, und da jeder seinen Rang eingenommen hatte, fing der Cardinal eine Rede an, die, dem Eingang nach, außerordentlich lang dauern konnte. Er fing damit an, wie die Könige von Frankreich immer die Stützen der Kirche gewesen, brachte allerhand Beispiele auf der Geschichte vor und kam endlich darauf, daß ein Pfeiler der Kirche, und einer von denen, aus dessen Holz man Päpste machte, große Klagen über die Eingriffe habe, die man in seine geistlichen Rechte gethan habe. Vieilleville stand sogleich schnell auf und bat den König, dem Cardinal Stillschweigen aufzulegen und ihn reden zu lassen; er merke wohl, daß von ihm die Rede sei. Nun fing er an, sich zu wundern, daß der Cardinal so hoch angefangen; er habe geglaubt, der heilige Vater und der heilige Stuhl seien in Gefahr vor den Türken, und man wolle Se. Majestät bewegen, wie die alten Könige eine Kreuzarmee abzuschicken. So aber wäre nur die Rede von dem Cardinal von Lenoncourt; und er bedaure, daß die Reise Sr. Majestät nach Rom nicht statt habe, und die Gelder zu einer großen Armee würden wohl im Koffer bleiben; welches ein Gelächter im Rath erweckte. Nun ging er die Beschwerden, welche der Cardinal haben konnte, selbst durch und widerlegte sie Punkt für Punkt zu seiner Rechtfertigung mit einer großen Beredsamkeit und Feinheit. Er bat endlich, daß der Cardinal von Lenoncourt selbst erscheinen möge, um seine weitern Klagen vorzubringen, und sich nicht hinter die Größe und das Ansehen des Cardinals von Lothringen stecken möge; indem er hoffte, ihn auf diese Art zu verhindern, daß er nicht zum Wort kommen sollte. Der König fragte darauf den Cardinal von Lothringen, ob er keinen andern Grund gehabt, ihn in Rath zu sprengen, als diesen? Worauf der Cardinal antwortete, daß Se. Majestät nur einen Theil gehört hätten. Vieilleville will ja auch nicht, versetzte der König, daß man ihm geradezu glaubt, und er verlangt, daß Lenoncourt selbst erscheine. Er befahl darauf, daß der Kanzler ihn auf morgen in den Rath bescheiden sollte. Uebrigens aber gab der König die Erklärung von sich, daß er alles billige, was Vieilleville in seinem Gouvernement gethan, und er stand gleichsam zornig von seinem Sitz auf. Der Cardinal von Lothringen legte die Hand auf den Magen, als wenn er Kolik hätte, ging sogleich aus dem Rath hinaus und ließ den Cardinal von Lenoncourt augenblicklich von dem benachrichtigen, was vorgefallen, der dann sogleich auch weiter vom Hof wegreiste, so daß ihn Die, welche ihn in den Rath auf morgen einladen sollten, nicht antrafen.

Kurz darauf legte Vieilleville dem König auch seinen Plan wegen der Citadelle vor, und er wußte ihm die Sache so wichtig vorzustellen, daß der König gleich darauf einging. ihm aber verbot, es nicht im Conseil vorzutragen, wo gewiß der Connetable und der Herzog von Guise dagegen sein würden, die alles aufböten, drei Millionen zu ihrem projektierten italienischen Feldzug zu schaffen. Er habe getreue Diener in Paris, von denen er hoffe, sogleich die zu dieser Citadelle verlangte Summe zu erhalten, und er wolle sich gleich noch heute nach Paris begeben, da er ohnedem wünschte, daß man Fontainebleau, wo er schon acht Monate wohne, durchaus reinigte.

Vieilleville erhielt auch die Summe und kehrte damit sogleich nach Metz zurück, um die nöthigen Anstalten zur Erbauung dieser Citadelle zu treffen. Es war hohe Zeit, daß er wieder zurückkam; denn es verging nicht lange, so entdeckte er eine neue Verschwörung, welche zwei Soldaten, Comba und Vaubonnet, angezettelt hatten, da sie sahen, daß der Herr von La Chapelle nicht sonderlich wachsam an den Thoren war. Vieilleville hatte ihre Brüder rädern lassen, weil sie ein öffentliches Mädchen des Nachts mißhandelt und ihr die Nase abgeschnitten hatten. Das Mädchen hatte so geschrieen, daß die ganze Stadt in Allarm gekommen war, und Vieilleville sich selbst zu Pferde gesetzt und die Garnison unter das Gewehr hatte treten lassen. Sie hatten sich an den Grafen von Mesgue gewendet und bedienten sich eines Tambours zu ihrem Hin- und Herträger, Namens Balafré. Die Königin von Ungarn, bei der Comba gewesen war, hatte ihnen zwölfhundert Thaler gegeben, wofür sie ein Gasthaus errichteten und oft mit Lebensmitteln nach Thionville mit Passeport von La Chapelle, dem sie manchmal Präsente brachten, auf dem Flusse hin- und herfuhren. Den Grafen von Mesgue hatten sie selbst zweimal verkleidet in die Stadt gebracht, wo er alles durchgesehen hatte. Es kam nun sonderbar, daß Vieilleville den Capitän dieser Soldaten, Namens La Mothe-Gondrin, fragte, wie es käme, daß die Soldaten, die einen gewissen ausgezeichneten Rang unter den Uebrigen hätten, sich mit Gastierungen abgäben, welches unschicklich sei. Der Capitän antwortete, daß sie, seit ihre Brüder gerädert worden, keine rechte Liebe zum Dienst hätten, sie wollten daher ihren Abschied bald nehmen, doch wünschten sie vorher noch etwas zu erwerben.

Wie Vieilleville hörte, daß sie Brüder der Geräderten seien, so fiel es ihm gleich auf, daß etwas darunter stecken könne, und er schickte unverzüglich nach Comba, dem er sagte, daß, weil er gut Spanisch rede, er dem König einen Dienst erweisen könne, er solle nur mit ihm kommen, Geld und Pferde seien schon bereitet. Er führte ihn hierauf in das Quartier des Capitäns Beauchamp, wo er dem Capitän sogleich befahl, den Comba zu binden, bis Eisen ankämen, und dafür zu sorgen, daß Niemand nichts von dieser Gefangennehmung erfahre. Dem Kameraden Vaubonnet aber läßt er sagen, nicht auf Comba zu warten, indem er ihn auf vier Tage verschickt habe.

Wie die Entdeckungen oft sonderbar geschehen, so auch hier. Der Bediente des Capitäns war ein Bruder des Tambours Balafré, und er hatte ihn oft mit dem Comba gesehen. Eben dieser Bediente sah jetzt durch das Schlüsselloch den Comba binden und läuft hin, es seinem Bruder zu sagen. Dieser bittet sich von Vieilleville eine geheime Audienz aus, wirft sich ihm zu Füßen, entdeckt alles und gesteht, daß er schon siebenmal in Thionville mit Briefen von Comba an den Grafen von Mesgue gewesen. Vieilleville zieht einen Rubin vom Finger, gibt ihn dem Tambour und verspricht, sein Glück zu machen, wenn er ihm treu diente. Er nahm ihn darauf zu dem Comba, dem er befiehlt, an den Grafen zu schreiben, daß alles gut gehe und er durch den Weg, den ihm sein Vertrauter anzeigen würde, seine Heerde zuschicken sollte, wo er sodann Wunder erfahren würde. Vieilleville diktierte selbst den Brief, nachdem ihn der Balafré von dem unter ihnen gewöhnlichen Styl benachrichtigt hatte. Der Tambour bestellt den Brief richtig und bringt die Antwort mit, daß von Mittwoch auf den Donnerstag (es war Dienstag) um Mitternacht die Truppen da sein sollten.

Um sein Vorhaben noch besser zu decken, ließ Vieilleville seine Capitäns rufen und sagte ihnen, daß der Herr von Vaudemont, mit dem er in Feindschaft lebte, vom Hof zurückkomme, und daß er ihm entgegen gehen wolle, doch nicht als Hofmann, sondern im kriegerischen Ornat und als zum Streit gerüstet. Sie sollten daher alles sogleich in den Stand setzen, und er wolle morgen gegen fünf Uhr mit tausend Mann Schützen und seiner ganzen Cavallerie ihm entgegen gehen; er hoffe, daß dieses Zeichen der Aussöhnung dem König wohl gefalle. Heimlich läßt er aber den Tambour kommen und geht mit ihm zu Beauchamp, wo Comba dem Grafen schreiben muß, daß sich alles über Erwartung gut anlasse, indem Vieilleville mit seinen besten Truppen weggehe, und er also sicher kommen könne.

Der Graf von Mesgue, sehr erfreut darüber, bedient sich der nämlichen List und schreibt Vieillevillen, wie der Graf Aiguemont im Sinn habe, dem Herrn von Vaudemont entgegen zu gehen, und er daher, da sie sein Gebiet beträten, ihn davon benachrichtigen wolle, indem sie nicht im Sinn hätten, die geringste Feindseligkeit auszuüben, da ohnedem jetzt Waffenstillstand zwischen ihren Herren sei. Diesen Brief schickte er durch einen Courier ab. Dem Tambour aber gab er einige Zeilen mit, worin er den Comba benachrichtigt, daß er nur noch einen Tag länger warten solle, indem der Graf von Mansfeld bei der Partie sein wolle und auch noch Truppen mitbringe. Auf dieses ließ Vieilleville seine Capitäns wissen, daß Herr von Vaudemont einen Tag später nach Metz kommen würde, und sie also erst Donnerstags um vier Uhr abgehen würden.

Vieilleville hoffte gewiß, sie wieder in die Falle zu bekommen, allein das Projekt mißlang, denn der Capitän Beauchamp ließ sich durch die kläglichen Bitten des Comba bewegen, ihm Mittwochs um Mittagessenszeit seine Eisen auf kurze Zeit herunter zu nehmen. Er geht darauf in den Keller, um Wein zu holen, denn er traute sonst Niemanden, und Comba muß ihm leuchten. Wie er aber sich bückt, um den Wein abzulassen, gibt ihm Comba einen Stoß, daß er zur Erde fällt, springt die Treppe hinauf, läßt die Thüre fallen, schließt sie zu und geht auf die Alte los, bei der er in Beauchamps Quartier verborgen war; diese schlägt er so lange, bis sie ihm die Schlüssel der Thüre gibt, und so rettete er sich. Beauchamp schreit indessen wie rasend, bis man ihm aufmacht, wo er beinahe Hand an sich legte, als er die Thüren eröffnet findet. Er entschließt sich jedoch, zu Vieilleville zu gehen, der zwar schon gegessen, aber noch an der Tafel mit seinen Capitäns saß und von der bevorstehenden Reise sprach. Beauchamp ruft ihm gleich entgegen, daß Comba sich geflüchtet habe und er um Vergebung bitte. Vieilleville wirft sogleich seinen Dolch nach ihm, springt auf ihn zu und will ihn umbringen. Beauchamp aber flieht, und die andern Capitäns stellen sich bittend vor ihn. Sogleich wurden alle Thore geschlossen. Vaubonnet mit dreißig hereingekommenen verkleideten Soldaten sollte gefangen genommen werden; sie hatten aber schon Wind erhalten, und retteten sich mehrere, doch wurde der größte Theil auf der Flucht niedergemacht; einige warfen sich über die Mauern in den Fluß. Vieilleville ließ sogleich nach Comba und Beauchamp in der ganzen Stadt in jedem Hans nachsuchen, und erstern fand man bei einer Wäscherin verborgen. Er ließ dem Rädelsführer sogleich den Proceß machen. Comba und Vaubonnet wurden von vier Pferden zerrissen und die gefangenen verkleideten Soldaten theils gerädert, theils gehenkt. Der Graf von Mesgue bekam noch frühzeitig genug Nachricht davon und fing nun an zu glauben, Vieilleville habe einen Bund mit dem Teufel, da er auch die allergeheimsten Anschläge erführe.

Dieser vereitelte Anschlag war Vieillevillen so zu Herzen gegangen, daß er in eine tödtliche Krankheit fiel, wo man drei Monate lang an seinem Aufkommen zweifelte. Der König schickte einen seiner Kammerdiener nach Metz, um zu sehen, wie es mit Vieillevillen stünde, und schrieb selbst an ihn und versicherte seinem Schwiegersohn Espinay die Gouverneurstelle von Metz. Diese außerordentliche Gnade hatte einen solchen Einfluß auf ihn, daß sie ihn wieder ins Leben rief; auch besserte es sich mit ihm von diesem Tag an; er schickte einen Haufen Aerzte fort, welche ihm von verschiedenen Prinzen waren zugeschickt worden, und erholte sich ganz, obgleich sehr langsam, wieder. Er ging, sobald er das Reisen vertragen konnte, mit seiner Familie nach Durestal, wo er sich acht Monate aufhielt und seine Gesundheit wieder herstellte.

Sobald Vieilleville sich auf seinem Gut Durestal ganz erholt hatte, begab er sich gegen Ende des Jahres 1557 nach Paris zum König, wo er diejenigen Anstalten verabredete, die sich in seinem Gouvernement von Metz nöthig machten; besonders suchte er die Garnison daselbst zu beruhigen, der man vier Monate schuldig und die deßhalb zum Aufruhr sehr geneigt war. Diese außenbleibende Zahlung setzte den unterdessen in Metz commandierenden Herrn von Sennecterre in große Verlegenheit, denn man hatte aus dieser Stadt zwölf Compagnieen regulärer Truppen gezogen, um sie zu einer Expedition nach Neapel zu brauchen, und hatte dafür so viel von der Miliz von Champagne und Picardie, die undiscipliniertesten Truppen von der Welt, hineingelegt; ohne einige alte Officiere und ohne die Gendarmes würde Herr von Sennecterre nicht mit ihnen fertig geworden sein. Vieilleville schrieb indessen an den Großprofoßen von Metz, unfehlbar genaue Untersuchungen über dieses tumultuarische Betragen anzustellen und auch dabei die Capitäns, die dergleichen begünstigt, nicht zu verschonen, denn er wolle das Sprichwort: »Erst muß man den Hund und dann den Löwen schlagen,« umkehren, und er habe es sich geschworen, die Löwen recht zu striegeln, damit die Hunde zittern und vor Furcht umkommen möchten.

Vieilleville kam ganz unversehens eines Morgens mit siebenzig Pferden vor den Thoren von Metz an, welches die Schuldigen in großes Schrecken setzte. Der Großprofoß fand sich sogleich mit seinem Untersuchungsgeschäft ein, und kurz darauf, nachdem auf verschiedenen Plätzen starke Detaschements ausgestellt waren, wurden drei Capitäns, die beschuldigt wurden, daß sie sich an der Person des Herrn von Sennecterre vergriffen und auf seine Wache geschossen, vor ihn gebracht. Hier mußten sie auf den Knieen Abbitte thun; der Scharfrichter war nicht weit entfernt, der ihnen sodann, nachdem sie in einen Keller geführt worden, die Köpfe abschlug. Diese Köpfe wurden an die drei Hauptplätze zum großen Schrecken der Miliztruppen, die unter dem Namen Legionnaires dienten, aufgesteckt. Sobald diese sich auch nur zeigten oder zusammentraten, um vielleicht Vorstellungen zu thun, wurden sie sogleich zurückgestoßen, ja oft mit Kugeln abgewiesen. Hundert von diesen Soldaten hatten sich doch mit den Waffen auf einem Platz versammelt. Vieilleville erfuhr es und schickte sogleich den Sergent-Major St. Chamans dahin ab mit einer zahlreichen Bedeckung, um sie zu fragen, was sie da zu thun hätten. Sie waren so unklug, zu antworten, daß sie ihre Kameraden hier erwarteten, um Rechenschaft über ihre Capitäns zu haben. Kaum hatten sie dies gesagt, so ließ St. Chamans eine solche Salve geben, daß vierzig bis fünfzig sogleich auf dem Platze blieben und die andern davon liefen, die jedoch alle arretiert und hingerichtet wurden. Die drei Lieutenants der enthaupteten Capitäns fürchteten, es möchte auch an sie die Reihe kommen, ließen also Vieilleville um ihren Abschied bitten, denn sie konnten ohne diesen nicht aus den Thoren kommen, da sie sehr gut besetzt waren. Er unterzeichnete ihn aber nicht, sondern ließ ihnen nur mündlich sagen: sie könnten gehen, wohin sie wollten; dergleichen Aufrührer brauchte weder der König, noch er. Sie machten sich sogleich auf und zogen zum Thor hinaus, hatten aber auch bei hundert Soldaten von ihrer Compagnie überredet, mitzugehen. Vieilleville erfuhr dieses und schickte sogleich ein Commando nach und ließ alle niedermachen. Kaum durfte einer von den Legionnaires sich regen, so wurde er bei dem Kopf genommen, und zwar waren ihre Hauswirthe die ersten, welche die Schuldigen verriethen. Sie wurden dadurch so in Angst gebracht, daß sie nicht wußten, was sie thun sollten, bis man ihnen endlich rieth, sich an den Schwiegersohn von Vieilleville, Herrn von Espinay, zu wenden, um ihre Verzeihung zu erhalten, welches auch geschah, und Vieilleville ließ sie alle vor sich kommen, wo er ihnen noch eine große Strafpredigt hielt und sie sodann aufstehen hieß, denn sie lagen alle vor ihm auf den Knieen. Diese Aussöhnung erregte eine große Freude, und das mit Recht, denn Vieilleville hatte schon die Idee, als er erfuhr, daß die Legionnaires unter dem Herrn von Sennecterre zehn Tage lang nicht auf die Wache gezogen und also die Stadt unbewacht gelassen, alle vor die Thore hinausrufen, sie da umzingeln und zusammenschießen zu lassen. Vieilleville glaubte aber doch noch immer vorsichtig sein zu müssen, und machte drei Monate lang die Runden in der Stadt immer selbst, und das oft viermal die Woche. Einmal trifft er einen Legionnaire schlafend unter dem Gewehr an, den er sogleich mit den Worten niederstieß: er thue ihm nichts zu leid, denn er ließe ihn da, wie er ihn gefunden, und er solle wenigstens zum Exempel dienen, wenn er nicht zur Wache dienen wolle.


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