Friedrich Schiller
Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville
Friedrich Schiller

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Vieilleville wurde, als sie zwei Stunden von Fontainebleau in Moret sich ausruhten, zu ihnen geschickt, um sie im Namen des Königs zu bewillkommen, welches der ganzen Gesandtschaft sehr wohl gefiel, besonders da er sie sehr gut bewirthete. Er erfuhr daselbst, daß der Graf Nassau ein Verwandter von ihm sei; dieser wendete sich besonders an ihn, da er sehr gewandt in Geschäften war und auch die französische Sprache gut redete. Eines Tages, da Vieilleville Viele von der Gesandtschaft zum Mittagsessen hatte, unter andern auch zwei Beisitzer des kaiserlichen Kammergerichts zu Speier und die Bürgermeister von Straßburg und Nürnberg, nahm der Graf Nassau Vieillevillen bei Seite, um ihn genauer von ihrer Sendung zu unterrichten. Diese Unterredung dauerte beinahe eine Stunde, als die vier Richter und Bürgermeister ungeduldig wurden und mit dem Grafen in einem sehr rauhen Ton anfingen deutsch zu reden. Dieser aber machte ihren Zorn auf eine sehr geschickte Art lächerlich, indem er ganz laut auf Französisch, welches sie nicht verstanden, sagte: »Wundern Sie sich nicht, meine Herren, daß diese Deutschen so aufgebracht sind, denn sie sind nicht gewohnt, so bald vom Tisch aufzustehen, nachdem sie so vortrefflich gegessen und so köstlichen Wein getrunken haben.«

Vieilleville hinterbrachte dem König alles, wie er es gefunden und gehört hatte. Dieser war so wohl damit zufrieden, daß er ihn den andern Morgen rufen ließ und ihn zum Mitglied des Staatsraths ernannte. Die Gesandten hatten eine feierliche Audienz bei dem König, und gleich darauf wurde Staatsrath gehalten, worinnen Heinrich II. vortrug, wie wenig rathsam es sei, Krieg mit dem Kaiser anzufangen. Nach dem König nahm sogleich der Connetable von Montmorency außer der Ordnung das Wort und stimmte gegen den Krieg; ihm folgten die Uebrigen, bis die Reihe an Vieillevillen kam, der der ganzen Versammlung auf eine sehr bündige Art vorstellte, wie es die Ehre der Krone erfordere, den deutschen Fürsten beizustehen. Er eröffnete sodann dem König in geheim, was ihm der Graf Nassau anvertraut hätte, daß nämlich der Kaiser sich in Besitz von Metz, Toul, Verdun und Straßburg setzen wollte, welches dem König sehr nachtheilig sein würde. Der König sollte daher ganz in der Stille sich dieser Städte, die eine Vormauer gegen die Champagne und Picardie waren, bemächtigen. »Und was den Vorwurf betrifft, Herr Connetable,« indem er sich zu ihm wendete, »den Sie so eben bei Ablegung Ihrer Stimme geäußert, daß die Deutschen eben so oft ihren Sinn ändern, als ihren Magen leeren, und leicht eine Verrätherei hinter ihrem Anerbieten stecken könne, so wünschte ich lieber mein ganzes Vermögen zu verlieren, als daß ihnen dieses zu Ohren käme; denn wenn solche souveräne Fürsten, wie diese sind, davon einer dem Kaiser bei seiner Wahl den Reichsapfel, der die Monarchie anzeigt, in die linke Hand, der andere den Degen, um sich zu schützen, in die rechte gibt und der dritte ihm die kaiserliche Krone aufsetzt, weder Treu noch Glauben halten, unter was für einer Race Menschen soll man diese denn finden?«

Auf dieses wurde auch der Krieg beschlossen, und zu Ende des März 1552 sollte die Armee auf der Grenze von Champagne beisammen sein, welches auch mit unglaublicher Geschwindigkeit geschah. Der Connetable nahm durch Kriegslist Metz weg, und kurz darauf hielt der König daselbst seinen Einzug. Bei dieser Gelegenheit musterte er seine Armee und fand unter andern fünfhundert Edelleute, die er nie hatte nennen hören, sehr gut equipiert. Der König übergab dieses schöne Corps dem jungen Espinay, Vieillevilles Tochtermann, welcher auch an der Spitze desselben tapfre Thaten verrichtete.

Die Einnahme von Metz war aber auch die einzige Frucht dieser Ausrüstung, denn die andern Städte waren aufmerksam geworden, und man fand sie gerüstet. Auch ließen die deutschen Fürsten den König wissen, daß ihr Friede mit dem Kaiser gemacht sei. Dieser letztere hatte sich kaum der einheimischen Feinde entledigt, als er mit einer zahlreichen Armee gegen Straßburg rückte, den Franzosen die eroberten Grenzstädte wieder wegzunehmen. Auf das erste Gerücht dieses Einfalls warf sich der Herzog von Guise mit einem zahlreichen tapfern Adel in die Stadt Metz, auf welche man den Hauptangriff erwartete. Verdun bekam der Marschall von St. André zu vertheidigen, und in Toul, wohin der König den Herrn von Vieilleville bestimmt hatte, hatte sich der Herzog von Nevers geworfen, ohne einen königlichen Befehl dazu abzuwarten. Der König ließ es auch dabei, so gern er Vieilleville belohnt hätte, und schickte diesen nach Verdun, um dem Marschall von St. André, dessen Lieutenant er noch immer war, bei Verteidigung dieser Stadt gute Dienste zu leisten.

Vieilleville ließ Verdun sehr befestigen, allein zu seinem größten Verdruß erfuhr man, daß der Herzog von Alba nicht auf diesen Platz losgehen würde, sondern die Belagerung von Metz angefangen hätte. Er nahm sich daher vor, die kaiserliche Armee, die sich wegen ihrer Größe sehr ausdehnen mußte, so viel möglich im Freien zu beunruhigen und sie in enge Grenzen einzuschließen. Auch that er dem Feind durch einige unvermuthete Ueberfälle vielen Schaden. Er erfuhr, daß die Stadt Estain in Lothringen, welches Land vom Kaiser und den Franzosen für neutral erklärt war, den Kaiserlichen viele Lebensmittel zuführte, und beschloß daher, sich von Estain Meister zu machen. Er kam vor die Thore, nur von zwölf Edelleuten zu Pferde begleitet, deren jeder einen Bedienten bei sich hatte; er selbst hatte vier Soldaten, als Bediente gekleidet, bei sich. Ein kleines Corps ließ er in einiger Entfernung ihm nachkommen, das auf den Ruf der Trompete herzueilen sollte. Vor dem Thore ließ er den Maire und den Amtmann rufen und machte ihnen Vorwürfe, daß sie die Feinde der Krone unterstützten. Sie entschuldigten sich damit, daß sie thun müßten, was ihre Herrschaft ihnen beföhle und das Beste ihrer Unterthanen mit sich brächte, die ihre Landesprodukte gern mit Vortheil an Mann bringen wollten. »Und wie,« sagte Vieilleville, » können wir nicht auch etwas für unser Geld haben?«– O! warum nicht, antworteten sie. –»Nun, so geht,« befahl er den Bedienten, »und holt für uns und unsere Pferde für sechs Thaler. Blas, Trompeter, unterdessen ein lustiges Stückchen, denn bald werdet ihr euch etwas zu gute thun.« Die wenigen Lanzenknechte, so der Amtmann bei sich hatte, wollten zwar den Bedienten den Eingang streitig machen, aber sie wurden übel zusammengestoßen. Die vier Soldaten stiegen sogleich auf das Fallgatter, daß es nicht herunter gelassen werden konnte. Jetzt waren schon die zwölf Pferde in dem Thor, und nun kam auch das Corps an, drang mit in die Stadt, und so waren sie Meister derselben. Zehn bis zwölf Spanier, unter andern ein Verwandter des Herzogs von Alba, waren bei dem Amtmann, hatten aber Lärm gehört und über die Stadtmauer sich gerettet. Vieilleville war so aufgebracht darüber, daß er den Neffen des Amtmanns, der ihnen durchgeholfen hatte, aufhängen ließ.

Sechs Tage nach dieser Expedition überfiel er das Dorf Rougerieules, worin fünf Compagnien Lanzenknechte und eben so viele Schwadronen Reiter lagen. Die Deutschen in dem Dorfe wurden überfallen und alle niedergemacht oder gefangen. Des Morgens um sieben Uhr war alles vorbei und Vieilleville schon wieder auf dem Weg, so daß, als ein Theil der Armee des Markgrafen Albert von Brandenburg gegen ihn ausrückte, sie nur das leere Nest fanden.

Vieilleville ging nach Verdun zurück, um seinen Leuten und sich Ruhe zu gönnen, denn er war drei Wochen lang bei strenger Kälte in kein Bette gekommen, hatte auch die Kleider nicht abgelegt. Es freute ihn sehr, als er in die Hauptkirche von Verdun kam, die Fahnen, welche er dem Feinde abgenommen und dem Marschall von St. André geschickt hatte, rechts und links in zwei Reihen hangen zu sehen. Er fügte diesen noch die letzt eroberten eilf Fahnen und Standarten bei, und so überschickten sie dem König zwei und zwanzig Stücke.

Kaum waren aber acht Tage verflossen, so kam ein Courier vom König an Vieilleville, durch den er Befehl erhielt, sich nach Toul zum Herzog von Nevers zu begeben und diesem beizustehen, indem zu befürchten sei, daß der Kaiser, der mit Metz nicht fertig werden könnte, Toul belagern würde. Er möchte so viel Volk als möglich aus Verdun mit sich nehmen, um den Herzog zu verstärken, ohne jedoch den Marschall von St. André zu sehr zu schwächen, denn man wußte noch nicht eigentlich, welchem von beiden Plätzen es gälte. Vieilleville nahm nur wenig Mannschaft mit sich und ließ die erfahrensten Capitäns bei dem Marschall.

Gleich den andern Tag war Conseil bei dem Herzog von Nevers, worin beschlossen wurde, den Albanesern und Italienern, die in Pont-à-Mousson in sehr starker Anzahl lägen, auf alle nur mögliche Art zu Leibe zu gehen und ihren Streifereien ein Ende zu machen. Vieilleville erbot sich, mit seinen aus Verdun mitgebrachten Soldaten den Anfang zu machen, und versprach, die Räubereien, welche jene Garnison verübt hatte, reichlich zu vergelten. Er schickte gleich nach obiger Beratschlagung einen seiner Vertrauten und Spionen, deren er zwei bei sich hatte, heimlich nach Pont-à-Mousson, wohl unterrichtet von dem, was er bei den Fragen, die man an ihn thun würde, antworten sollte, und auf was er sorgfältig zu merken habe. Er sollte vorgeben, als gehörte er zum Hause der verwittweten Herzogin von Lothringen, Christine, einer Nichte des Kaisers, und habe von ihr Aufträge ins kaiserliche Lager. Er ging spät aus, um eine gültige Entschuldigung zu haben, daß er diesen Tag nicht weiter reiste, damit er die Stärke der Feinde und was sie im Werk haben könnten, desto eher entdecken möchte. Dieser gewandte und entschlossene Mensch machte sich also, ohne daß Jemand etwas davon wußte, mit seiner gelben Schärpe, die das lothringische Zeichen der Neutralität war, auf den Weg und kam in weniger als drei Stunden vor den Thoren von Pont-à-Mousson an. Man fragte ihn, wo er herkomme? wo er hin wolle? was er zu verrichten und ob er Briefe habe? Er verlangte, vor die Befehlshaber geführt zu werden, so gewiß war er seiner Antworten. Da er vor sie kam (es waren diese Don Alphonso d'Arbolancqua, ein Spanier, und Fabricio Colonna, ein Römer), wußte er ihnen auch auf alles so schicklich zu antworten, daß sie ihn nicht fangen noch seine eigentliche Bestimmung entdecken konnten. Er bat sich nun die Erlaubniß aus, in sein Logis zu gehen, und fragte, ob sie nichts bei Sr. kaiserlichen Majestät zu bestellen hätten? Er hoffe, morgen dort zu sein, und würde ihnen treue Dienste leisten.

Sie fragten ihn, da er durch Toul gereist sei, ob er nicht wisse, daß Truppen von Verdun angekommen, die ein gewisser Vieilleville angeführt. Hierauf fing er an: »O diese verdammte französische Kröte! Neulich ließ er zu Estain, das er überfiel, einen meiner Brüder hängen, der bei meinem Onkel, dem Amtmann, war, weil er Spaniern über die Stadtmauer geholfen hatte. Daß ihn die Pest treffe! Mich kostet es mein Leben, oder ich räche mich an ihm; denn die Ungerechtigkeit war zu groß, da wir doch alle verbunden sind, dem Herrn, dem wir dienen, alles zu thun, wie dies der Fall bei dem Kaiser und meiner Gebieterin ist. Denn wenn zwei dieser Herren wären gefangen worden, so hätte man viele heimliche Geschäfte von Sr. kaiserlichen Majestät erfahren. Und dieser Wütherich hat meinen armen Bruder tödten lassen, und er hatte keine weitere Farbe, seine Uebelthat zu beschönigen, als daß sie die Neutralität gebrochen hätten. Verdammt sei er auf ewig!«

Fabricio Colonna und Don Alphonso, die um Vieillevilles Expeditionen recht gut wußten und besonders diesen letzten Umstand kannten, merkten hoch auf. Sie nahmen ihn bei Seite und versprachen ihm, den Tod seines Bruders zu rächen, wenn er thun würde, was sie ihm sagten. Er antwortete darauf, daß er auch sein Leben dabei nicht schonen würde; aber er bitte sie, vorher zum Kaiser gehen zu dürfen, um die Botschaft seiner Gebieterin zu überbringen. Sie fragten ihn, warum er keine Briefe habe. »Weil,« sagte er, »meine Botschaft gewisse Staatsgeheimnisse des Königs von Frankreich enthält. Würde ich nun mit Briefen ertappt, so könnte ich die ganze Provinz ins Unglück stürzen, denn durch dieses ist die Neutralität verletzt, und ich wäre in Gefahr, gehangen oder wenigstens gefoltert zu werden.« Sie ließen sich mit diesem zufrieden stellen und, da sie ihn schon gewonnen glaubten, ihn in sein Logis zurückführen, mit dem Befehl, ihm das Thor von Metz mit dem frühesten Morgen zu öffnen, ohne sich um seine Geschäfte zu bekümmern.

Mit Anbruch des Tages zeigt er sich am Thor, das ihm auch ohne weiteres Nachfragen geöffnet wird. Er geht ins Lager, bleibt daselbst den ganzen Tag und weiß den Herzog von Alba so einzuschläfern, daß er sogar einen Brief von ihm an Fabricio und Alphonso, ihre Geschäfte betreffend, erhält, worin ihnen besonders aufgetragen wird, auf einen gewissen französischen Befehlshaber, Namens Vieilleville, der dem Lager des Markgrafen Albert sehr vielen Schaden zugefügt und jetzt sichern Nachrichten zufolge seit zwei Tagen mit Truppen in Toul angekommen, aufmerksam zu sein. Vorzüglich befahl man ihnen den Ueberbringer dieses Briefes an, dessen Eifer für den Dienst Seiner Majestät bekannt sei. Sie sollten daher keinen Anstand nehmen, ihn zu gebrauchen.

Gleich nach Empfang des Briefes lobten ihn diese spanischen Herren sehr und sagten ihm, daß er gar nicht nöthig gehabt hätte, das Certificat seiner Treue vom Herzog von Alba mitzubringen, denn seit gestern schon hätten sie sich durch seine Reden überzeugt, daß er kaiserlich gesinnt sei. Wenn er reich werden wollte, sollte er nur alles Mögliche anwenden, den Feldherrn Vieilleville, der dem Lager des Markgrafen so geschadet habe, in ihre Hände zu bringen. Er antwortete darauf, daß er nichts anderes verlange, wenn er es dahinbringe, als daß er ihn umbringen dürfe, damit er ihm das Herz aus dem Leibe reiße, um sich wegen Ermordung seines Bruders zu rächen. Er forderte sie noch dazu auf, ihm als treuem Diener des Kaisers mit Macht bei dieser Unternehmung beizustehen, denn sein Bruder sei im Dienst Sr. kaiserlichen Majestät gehängt worden.

Sie, die diesen Eifer mit Thränen begleitet sahen, denn diese hatte er in seiner Gewalt, zweifelten nun gar nicht mehr, umarmten ihn, und Don Alphonso will ihm eine goldene Kette, fünfzig Thaler werth, umhängen; aber er verwirft dieses Geschenk mit Unwillen und sagt: daß er nie etwas von ihnen nehmen würde, wenn er nicht dem Kaiser einen ausgezeichneten Dienst geleistet und bei einer andern Gelegenheit als hier, wo sein eigenes Interesse am meisten im Spiel sei, denn er habe hier sein eigen Blut zu rächen. Zugleich bat er sie, nicht weiter in ihn zu dringen und ihm nur freie Hand zu lassen. Nur sollten sie ihm jetzt erlauben, sich seiner guten Gebieterin sogleich zu zeigen; er verspreche, auf seiner Rückkunft ihnen gute Nachrichten zu bringen.

Eine so edelmüthige Weigerung, das Geschenk anzunehmen, und alle die schönen Worte brachten Don Alphonso und Fabricio ganz in die Schlinge, so daß sie seine Treue gar nicht mehr in Zweifel zogen. Sie ließen ihn jetzt abreisen, um ihn bald wieder zu sehen.

Er machte sich nun sogleich auf den Weg und kam zu Vieilleville zurück, der ihn schon für verloren hielt, denn er war schon drei Tage ausgeblieben. Die Nachrichten, welche er mitbrachte, gaben jenem eine kühne und seltsame Kriegslist ein, welche er auch sogleich ins Werk setzte, ohne einen Menschen dabei zum Vertrauten zu machen. Er instruiert ihn, nach Pont-à-Mousson zurückzugehen und den Spaniern zu hinterbringen, daß Vieilleville mit Anbruch des Tages nach Condé sur Mozelle reiten würde, um mit seiner Gebieterin, die daselbst sich aufhielt, Unterhandlungen zu pflegen; denn die Herzogin fürchte, wenn der Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser noch lange dauern sollte, man möchte ihren Sohn das Piemonteser Stückchen tanzen lassen (ihn wie den Herzog von Savoyen um sein Land bringen); er solle aber ja sich der nämlichen Worte bedienen. Er solle noch hinzusetzen, daß Vieilleville, der die Garnison von Pont-à-Mousson fürchte, hundert und zwanzig Pferde, und darunter einige gepanzerte, zur Begleitung mit sich nehmen würde. Er brauche übrigens gar nicht sehr zu eilen, damit Vieilleville Zeit habe, seine Anstalten zu machen, und könne er nur den gewöhnlichen Schritt seines Pferdes reiten.

Des Nachts um eilf Uhr ritt der Kundschafter weg und kam um zwei Uhr nach Mitternacht bei den Spaniern in Pont-à-Mousson an, welche durch seinen Bericht in ein frohes Erstaunen gesetzt werden. Mit möglichster Schnelligkeit machen sie ihre Anstalten, diesen glücklichen Fang zu thun, an dem sie gar nicht mehr zweifelten. Die ganze Garnison, die noch einmal so stark war, als der Feind, dem man sie entgegenführte, mußte ausreiten, so daß nur etwa fünfzig Schützen in der Stadt zurückblieben, und man hielt sich des Sieges schon für gewiß.

Vieilleville hatte indessen, sobald der Kundschafter aus den Thoren von Toul war, alle seine Hauptleute bei dem Herzog von Nevers zusammenberufen und ihnen erklärt, daß er ein muthiges Unternehmen vorhabe, wobei sie sich aber nicht verdrießen lassen müßten, zehn Stunden zu Pferde zuzubringen. Er versicherte ihnen, es würde dabei etwas herauskommen und sie viel Ehre und Vortheil davon tragen. Alle waren es zufrieden und machten sich sogleich bereit. Sie zogen aus der Stadt aus, ritten dritthalb Stunden lang bis an die Brücke, gegen das Holz von Rouzières. Hier vertheilte Vieilleville die Truppen und legte sie an verschiedene Plätze in Hinterhalt. Er selbst hielt mit hundert und zwanzig Pferden die Ebene, und alles, was ihm in den Weg kam, arbeitende Landleute oder Wanderer, wurde festgehalten, damit der Feind nichts erfahren könnte. Sobald man den Feind sähe, sollte man machen, was er mache; die Trompeter sollten auf Gefahr ihres Kopfes nicht blasen, bis er es beföhle. Noch muß man bemerken, daß er in der Abwesenheit seines Kundschafters sich in der ganzen Gegend umgesehen hatte, um die Lage recht inne zu haben, wo er als ein erfahrner Soldat seinen Hinterhalt am besten anlegen könnte.

Nachdem alles auf diese Weise angeordnet war, verflossen kaum drei Stunden, als der Feind sich zeigte. »Wenden wir uns um nach Toul zurück,« sagte Vieilleville, »als wenn wir fliehen wollten, jedoch in langsamem Schritte, und fangen sie an, uns in Galopp zu verfolgen, so galoppieren wir auch, bis sie an unserm Hinterhalt vorbei sind. Geschieht dieses, so sind sie unser, ohne daß wir nur einen Mann verlieren.«

Der Feind, der sie fliehen sah, setzte ihnen in starkem Galopp nach mit einem schrecklichen Siegesgeschrei. So wie sie den Hinterhalt hinter sich haben, kommandiert Vieilleville: Halt! und läßt den Trompeter blasen. Zugleich machen sie Fronte gegen den Feind und rüsten sich zum Angriff. Augenblicklich bricht nun auch der Hinterhalt hervor, hundert und zwanzig Pferde von der einen Seite, fünfzig leichte Reiter von der andern, von einer dritten zweihundert Schützen zu Pferde, die unter einem unglaublichen Schreien und Trommelgetöse in vollem Rennen dahersprengen, welches die Feinde so überraschte, daß sie ganz bestürzt: Tradimento! tradimento! riefen. Unterdessen warf Vieilleville alles nieder, was ihm entgegen kam. Schüsse fielen von allen Seiten, daß man nur schreien hörte: Misericordia, Signor Vieillevilla . . . Buona Guerra, Dignori Francesi. Der Kugelregen warf in ganzen Haufen Menschen und Pferde dahin, so daß Vieilleville das Gefecht und Gemetzel aufhören ließ, und der übriggebliebene Theil ergab sich, nachdem er die Waffen weggeworfen, auf Gnade und Ungnade. Zweihundert und dreißig blieben auf dem Platz, und fünf und zwanzig wurden verwundet, unter denen auch der Anführer Fabricio Colonna sich befand. Die Uebrigen blieben gefangen, und kam auch nicht ein Einziger davon, der das Unglück seiner Kameraden nach Pont-à-Mousson hätte berichten können.

Nach dieser tapfern und siegreichen Unternehmung schickte Vieilleville einen Theil seiner Leute, nebst dem gefangenen feindlichen Anführer, zum Herzog von Nevers zurück; die andern Verwundeten oder Gefangenen aber wurden an einen sichern Ort gebracht. Die drei erbeuteten Standarten, ließ er dem Herzog sagen, könne er noch nicht mitschicken, da er sie zu einer Unternehmung nöthig habe, die ihm in dem Augenblick in den Sinn käme. Als man in ihn drang, zu sagen, was dies für ein Unternehmen sei, antwortete Vieilleville: er sei keiner von den Thoren, die das Bärenfell verkaufen, ehe sie ihn gefangen haben. Auch wollte er es nicht machen, wie Fabricio Colonna, der ihn an seinen Kundschafter geschenkt habe, um ihn zu tödten, und jetzt selbst von seiner Gnade abhänge.

Nachdem Jene weggeritten, rief Vieilleville seinen Kundschafter und sagte ihm: »Nimm meine weiße Standarte, meinen Kopfhelm und meine Armschienen, und gehe nach Pont-à-Mousson. Bist du eine Viertelstunde von der Stadt, so fange an zu galoppieren und rufe Victoria, sage, daß Colonna den Vieilleville und sein ganzes Corps geschlagen, und daß er ihn mit dreißig oder vierzig andern französischen Edelleuten gefangen bringe. Zeige ihnen zum Wahrzeichen meine Waffen. Hier hast du vier unbekannte Diener, die dir sie tragen helfen. Nimm noch einen Bündel zerbrochener Lanzen mit dem weißen französischen Fähnchen, um deine Rede zu unterstützen. Zeige ihnen ein recht fröhliches Gesicht und schimpfe auf mich, was du nur immer kannst, daß du in zwei Stunden mein Herz aus dem Leibe sehen müßtest, wenn ich es nicht mit zehntausend Thalern auslöste. Vergiß aber nicht, sobald du im Thor bist, auf dasselbe zu steigen, als wollest du meine Feldzeichen daselbst aufhängen, und halte dich bei den Fallrechen und Fallbrücken auf, daß man sie nicht niederlasse. Gott wird das Weitere thun.«

Suligny, so hieß der Kundschafter, machte sich frisch auf, um seinen Auftrag zu vollziehen, dem er auch pünktlich nachkam. Unterdessen befiehlt Vieilleville allen seinen Lanzenknechten und Schützen, das weiße Feldzeichen zu verbergen und die rothen Schärpen der Todten und sonst alles, was sie von kaiserlichen oder burgundischen Zeichen an sich tragen, anzulegen. Von den eroberten spanischen Standarten gab er eine dem Herrn von Montbourger, die andere dem von Thuré und die dritte dem von Mesnil-Barré, mit dem Befehl, alle Die, so aus der Stadt herauskämen, um die französischen Gefangenen zu sehen, umzubringen, wenn es nicht Einwohner seien. Vergäße aber Don Alphonso sich so sehr, daß er selbst den Platz verließe, um dem Colonna über einen so wichtigen Sieg Glück zu wünschen, so sollten sie ihn festhalten und entwaffnen, ohne ihm jedoch etwas anders zu Leid zu thun. »Jetzt voran im Namen Gottes,« sagte er, »die Stadt ist unser, wenn sich Niemand verräth.«

Jedermann stand erstaunt da, denn er hatte sich Niemanden vorher entdeckt, und wußte man nicht, was er im Schilde führte, als er den Kundschafter abschickte. Dieser sprengte, sobald er sich der Stadt näherte, mit seinen vier Waffenträgern im Galopp an und rief: »Victoria, Victoria! der verdammte Hund von Franzmann, der Vieilleville, und seine Leute alle sind geschlagen. Fabricio führt ihn gefangen dem Don Alphonso zu. Hier sind seine Waffen, seine Armschienen, sein Feldzeichen. Mehr als hundert Todte liegen auf dem Platz, die andern alle sind geschlagen oder verwundet. Man hätte sie alle sollen in Stücke hauen, wenn es nach meinem Sinn gegangen wäre. Victoria! Victoria!«

Die Freude unter den Soldaten war so groß, daß die wenigen, so zurückgeblieben, die Zeit nicht erwarten konnten, Vieilleville zu sehen und Fabricio alle Ehre zu erzeigen, denn man zweifelte gar nicht an der Wahrheit. Don Alphonso, sobald er die Waffen und Armschienen, eines Prinzen würdig, so viele Lanzenstücke und weiße Standarten sah, fragte weiter nicht, sondern setzte sich zu Pferde und ritt, begleitet von zwanzig Mann, dem Fabricio entgegen. Orvaulx und Olivet, ganz roth gekleidet, kommen ihm mit dem Geschrei entgegen: Victoria, Victoria! los Franceses son todos matados (die Franzosen sind alle getödtet). Alphonso, dem dieses Geschrei und die Sprache gar wohl gefiel, ging immer vorwärts. Auf einmal fallen sie über ihn her, umringen ihn, machen alles nieder, was er bei sich hat, selbst die Bedienten, und nehmen ihn gefangen. Es kamen der Reihe nach immer mehrere nach, aber alle hatten dasselbe Schicksal.

Nun befahl Vieilleville dem Mesnil-Barré, dem Don Alphonso die Standarte, welches gerade die von seiner Compagnie war, in die Hand zu geben und ihn zwischen den zwei andern reiten zu lassen. Einer, Namens le Grec, der spanisch redete, mußte ihm sagen, daß, wenn er bei Annäherung gegen die Stadtthore nicht Victoria schriee, er eine Kugel vor den Kopf bekäme. Mesnil-Barré sollte dieses ausführen. Alles fing jetzt an zu galoppieren, als man einen Büchsenschuß vor den Thoren war. Le Grec war voran, der auf spanisch Wunder erzählte, so daß die Garnison, die echt Spanisch war, als sie Alphonso unter den Galoppierenden und Schreienden sah, Platz machte und alles herein ließ. Man ließ ihnen aber nicht mehr Zeit, die Brücke aufzuziehen, denn plötzlich änderte man die Sprache und hieb sie alle zusammen. France! France! wird jetzt gerufen. Die Schützen kommen auch dazu und besetzen die Thore, und so ist Vieilleville Herr der Stadt. Man fand in derselben einen unerwartet großen Vorrath von Proviant, welchen die verwittwete Herzogin von Lothringen durch den Fluß heimlich hatte hinschaffen lassen, um unter der Hand die Armee des Kaisers, ihres Onkels, davon zu erhalten.

Was Don Alphonso anbetrifft, so fand man ihn den andern Morgen ganz angekleidet todt auf seinem Bette ausgestreckt. Vincent de la Porta, ein neapolitanischer Edelmann, dem er von Vieilleville übergeben worden, hatte ihn nicht dahin bringen können, sich auszukleiden, ob er gleich sehr in ihn drang. Die Kälte konnte nicht Schuld an seinem Tode sein, denn der Edelmann und sechs Soldaten, mit denen er die Wache hielt, unterhielten im Zimmer ein so großes Feuer, daß man es kaum darin aushalten konnte. Es war Verzweiflung und Herzeleid, sich so leichtsinnig in die Falle gestürzt zu haben, was ihm das Leben gewaltsamer Weise nahm. Dazu kam noch die Schande und die Furcht, vor seinem Herrn jemals zu erscheinen, der ohnedem schon gegen alle Feldherren und vornehmen Officiere seiner Armee aufgebracht war, wie ihm der Herzog von Alba den Tag vor seiner Gefangennehmung geschrieben hatte; denn dieses war der Inhalt des Briefs, den le Grec ins Französische übersetzte, wo einige lächerliche Züge vorkommen. Der Brief fing nach einigen Eingangscomplimenten also an:

»Der Kaiser, der wohl wußte, daß die Bresche (vor Metz) ziemlich beträchtlich sei, aber keiner seiner Officiere sich wagte hineinzudringen, ließ sich von vier Soldaten dahin tragen und fragte, da er sie gesehen, sehr zornig: ›Aber um der Wunden Gottes willen! warum stürmt man denn da nicht hinein? Sie ist ja groß genug und dem Graben gleich, woran fehlt es denn bei Gott?‹ Ich antwortete ihm, wir wüßten für gewiß, daß der Herzog von Guise hinter der Bresche eine sehr weite und große Verschanzung angelegt habe, die mit unzähligen Feuerschlünden besetzt sei, so daß jede Armee dabei zu Grunde gehen müßte. ›Aber beim Teufel!‹ fuhr der Kaiser weiter fort, ›warum habt Ihr's nicht versuchen lassen?‹ Ich war genöthigt, ihm zu antworten, daß wir nicht vor Düren, Ingolstadt, Passau, noch andern deutschen Städten wären, die sich schon ergeben, wenn sie nur berennt sind, denn in dieser Stadt seien zehntausend brave Männer, sechzig bis achtzig von den vornehmsten französischen Herren und neun bis zehn Prinzen von königlichem Geblüt, wie Se. Majestät auf den blutigen und siegreichen Ausfällen, bei denen wir immer viel verloren, ersehen könnten. Auf diese Vorstellungen wurde er nur noch zorniger und sagte: ›Bei Gott, ich sehe wohl, daß ich keine Männer habe; ich muß Abschied von dem Reich, von allen meinen Planen, von der Welt nehmen und mich in ein Kloster zurück ziehen; denn ich bin verrathen, verkauft, oder wenigstens so schlecht bedient, als kein Monarch es sein kann; aber bei Gott, noch ehe drei Jahre um sind, mach' ich mich zum Mönch.‹

»Ich versichere Euch, Don Alphonso, ich hätte sogleich seinen Dienst verlassen, wenn ich kein Spanier wäre. Denn ist er bei dieser Belagerung übel bedient worden, so muß er sich an Brabancon, Feldherrn der Königin von Ungarn, halten, der diese Belagerung hauptsächlich commandiert und gleichsam als ein Franzose anzusehen ist, so wie auch die Stadt Metz im französischen Klima liegt; und rühmte er sich überdies, ein Verständniß mit vielen Einwohnern zu haben, unter denen die Tallanges, die Baudoiches, die Gornays, lauter alte Edelleute der Stadt Metz, seien. Auch haben wir die Stadt von ihrer stärksten Seite angegriffen, unsere Minen sind entdeckt worden und haben nicht gewirkt. So ist uns alles übel gelungen und gegen alle Hoffnung schlecht von Statten gegangen. Wir haben Menschen und Wetter bekriegen müssen. Er bereut es nicht und bleibt dabei, und um seine Halsstarrigkeit zu decken, greift er uns an und wirft auf uns alles Unglück und seine Fehler. Alle Tage sieht er sein Fußvolk zu Haufen dahinstürzen und besonders unsere Deutschen, die im Koth bis an die Ohren stecken. Schickt uns doch ja die eilf Schiffe mit Erfrischungen, die uns Ihre Durchlaucht von Lothringen bestimmt haben, denn unsere Armee leidet unendlich. Vor allem andern aber seid auf Eurer Hut gegen Vieilleville, der von Verdun nach Toul mit Truppen gekommen, denn der Kaiser ahnet viel Schlimmes, da er schon lange her seine Tapferkeit und Verschlagenheit kennt, so daß er sogar sagt, ohne ihn wäre er jetzt König von Frankreich; denn als er in die Provence, ins Königreich eingedrungen, sei Vieilleville ihm zuvorgekommen und habe sich durch eine seine Kriegslist von Avignon Meister gemacht, daß der Connetable seine Armee zusammenziehen konnte, die ihn hinderte, weiter vorzudringen. Ich gebe Euch davon Nachricht, als meinem Verwandten, denn es sollte mir leid thun, wenn unsere Nation, die er jedoch weniger begünstigt und in Ehren hält als andere, dem Herrn mehr Ursache zur Unzufriedenheit gäbe u. s. f.« Nach Lesung dieses Briefs war es klar, welches die wahre Ursache seines Todes gewesen, denn Alphonso hatte gegen alle darin enthaltenen Punkte gefehlt.

Der Herzog von Nevers kam auf diese Nachrichten selbst vor den Thoren von Pont-à-Mousson an, eben da man sich zum Mittagsessen setzen wollte. Vieilleville ging ihm sogleich entgegen; es wurde beschlossen, einen Courier an den König abzuschicken, dem man auch den Brief des Herzogs von Alba an Don Alphonso mitzugeben nicht vergaß. Einen andern Kundschafter, mit Namen Habert, schickte man ins kaiserliche Lager, um aufmerksam zu sein, wenn der Herzog von Alba etwas gegen Pont-à-Mousson unternehmen würde, denn die Stadt war sehr schlecht befestigt, und Vieilleville war der Meinung, sie lieber sogleich zu verlassen, als zu befestigen, um die Neutralität nicht zu verletzen und dem Kaiser keine Ursache zu geben, sich der andern Städte von Lothringen zu versichern.

Den andern Tag schlug Vieilleville vor, unter dem Schutz der kaiserlichen Feldzeichen einige Streifereien in der Gegend vorzunehmen und so die Feinde anzulocken. Der Herzog von Nevers wollte, aller Widerrede ungeachtet, dabeisein; doch überließ er Vieilleville alle Anstalten und das Commando. Sie zogen mit ungefähr vierhundert Mann aus und machten auf dem Weg viele Gefangene, da einige feindliche Trupps ihnen in die Hände ritten, die sie für Spanier und Deutsche hielten. So kamen sie bis Corney, den halben Weg von Pont-à-Mousson nach Metz und nur zwei kleine Stunden vom kaiserlichen Lager. Da sie hier nichts fanden, trug Vieilleville, ungeachtet sie nicht sicher waren, dennoch darauf an, noch eine halbe Stunde weiter vorwärts zu gehen. Auf diesem Weg trafen sie ein großes Convoi von sechzig Wägen unter einer Bedeckung von zweihundert Mann an, die ihnen alle in die Hände fielen. Jetzt war es aber zu spät, um nach Pont-à-Mousson zurückzukommen, denn sie waren auf vier Stunden entfernt, und es schneite außerordentlich stark. Es wurde daher beschlossen, in Corney zu übernachten, obgleich ein sehr unbequemes Nachtquartier daselbst war. Gleich den andern Morgen wurde wieder ausgeritten; diesmal traf man auf sechs Wägen mit Wein und andern ausgesuchten Lebensmitteln, welche die Herzogin von Lothringen dem Kaiser, ihrem Onkel, für seine Tafel schickte. Acht Edelleute und zwanzig Mann begleiteten diese Leckerbissen, worunter unter andern zwölf Rheinlachse und die Hälfte in Pasteten waren. Wie sie die rothen Feldzeichen sahen, riefen sie: da kommt die Escorte, so der Kaiser uns entgegen schickt! Wie groß aber war nicht ihr Erstaunen, als sie auf einmal rufen hörten: France! und alle gefangen genommen wurden.

Einer von den gefangenen Edelleuten, Namens Vignaucourt, fragte: »ob dieser Trupp nicht dem Herrn von Vieilleville zugehörte?« Warum? fragte Vieilleville selbst. »Weil er es ist, der Pont-à-Mousson mit den kaiserlichen Feldzeichen eingenommen hat, worüber der Kaiser außerordentlich aufgebracht ist. Ich war gestern bei seinem Lever, und ich hörte ihn schwören, daß, wenn er ihn ertappte, er ihm übel mitspielen wollte. Dieser Verräther Vieilleville, sagte er, hat mit meinem Feldzeichen Pont-à-Mousson weggenommen und mit kaltem Blut meinen armen Don Alphonso umgebracht, auch alle darin befindlichen Kranken tödten lassen und die Lebensmittel, die für mich bestimmt waren, weggenommen. Aber ich schwöre bei Gott dem Lebendigen, daß, wenn er jemals in meine Hände fällt, ich ihn lehren will, solche Treulosigkeiten zu begehen und sich meines Namens, meiner Waffen und Zeichen zu meinem Schaden zu bedienen. Auch der mächtigste und tapferste Fürst müßte auf diese Art hintergangen werden. Er soll versichert sein, daß ihm nichts anders bevorsteht, als gespießt zu werden, und verdamm' ich ihn von diesem Augenblick an zu dieser Strafe, wenn ich ihn bekomme. Und ihr andern, euch mein' ich, die ihr mein Heer commandiert, was für Leute seid ihr, daß ihr nichts gegen diesen Menschen unternehmet? denn ich hörte noch gestern von Jemand, der mir treu ist, daß er noch immer alle Tage mit seinen Soldaten herumstreift in rothen Schärpen mit den spanischen und burgundischen Feldzeichen, unter welchen er viele tausend meiner Leute ermordet, denn Niemand setzt ein Mißtrauen darein. Beim Teufel auch, seid ihr Leute, so etwas zu ertragen, und liegt euch meine Ehre und mein Dienst nicht besser am Herzen? Auf diese zornige Aeußerung entstand unter den Prinzen und Grafen, die in seinem Zimmer waren, ein Gemurmel, und sie entfernten sich voll Zorn. Vieilleville mag sich in Acht nehmen; denn sie sind sehr giftig auf ihn, besonders die Spanier wegen des Don Alphonso d'Arbolancqua, den er auf eine so grausame Art hat umbringen lassen.«

Vieilleville antwortete darauf, daß Don Alphonso auf seinem Bette todt gefunden worden, und Niemand seinen Tod befördert hätte. Vieilleville würde lieber wünschen, niemals gelebt zu haben, als sich einer solchen That schuldig zu wissen. Er fürchte sich jedoch nicht vor des Kaisers Drohungen. Seine Ehre erfordere, zu beweisen, daß es eine Unwahrheit sei, ihn einer solchen Unmenschlichkeit zu beschuldigen. Vignaucourt merkte an diesen Reden, daß Vieilleville mit ihm spreche; auch winkten ihm die Andern zu, daher er nicht weiter fortfuhr.

Auf dieses beschloß Vieilleville, mit dem Herzog von Nevers sich zurückzuziehen. Kaum waren sie eine halbe Stunde von Corney, als Habert einhergesprengt kam und sie warnte, ja nicht in Corney zu übernachten; denn der Prinz von Infantasque käme mit dreitausend Schützen und tausend Pferden gegen Mitternacht an, indem er dem Kaiser geschworen, Vieilleville lebendig oder todt zu liefern. »Seid willkommen, Habert, Ihr bringt mir gute Botschaft,« sagte er darauf und drang nun in den Herzog von Nevers, sich nach Pont-à-Mousson zurückzuziehen, indem er einen solchen Prinzen nicht der Gefahr aussetzen könne; er selbst aber wolle bleiben und diesen Spanier mit seinen großen Worten erwarten. »Wollet ihr alle, die ihr hier seid,« sprach er dann mit erhöhter Stimme, »meinen Entschluß unterstützen? Auch habt ihr noch nie den Krieg anders geführt als durch List und Ueberfall.« Er nimmt darauf die rothen Standarten und reißt sie in Stücken, befiehlt die spanischen Schärpen zu verbergen und die französischen Zeichen anzulegen. Alle antworteten einmüthig, sie wollten zu seinen Füßen sterben, und zerrissen alles, was sie Rothes an sich hatten. Der Herzog von Nevers stellte ihm vor, daß es eine Verwegenheit sei, in einem Dorfe, das keine Befestigung hätte, wo man von allen Seiten hinein könne, sich zu halten. »Das ist alles eins,« antwortete Vieilleville, »ich weiß, womit ich diese Armee schlage, oder sie wenigstens fortjage. Sehen Sie dort jenes Buschholz und links diesen Wald; in jedes verstecke ich zweihundert Pferde, die sollen ihnen unversehens auf den Leib fallen, wenn sie im Angriff auf unser Dorf begriffen sind, und wenn auch hundert Prinzen von Infantasque da wären, so würden sie davon müssen. Lassen Sie mich nur machen, mit Hilfe Gottes hoffe ich alles gut auszuführen, und in weniger als zwei Stunden will ich gerächt sein.«

Da der Herzog von Nevers sah, daß er nicht abzubringen sei, bestand er darauf, bei dieser Unternehmung zu bleiben, welche Vorstellung ihm auch Vieilleville dagegen machte. Jetzt wurde beschlossen, nach Corney zu gehen, um alles zu veranstalten; sie waren nur noch tausend Schritte davon entfernt, als sie einen Mann durch das grüne Korn daher laufen sahen, worauf sie Halt machten. Es war der Maire von Villesaleron, der ihnen schon gute Dienste geleistet hatte. Dieser sagte, daß sie sich retten sollten, denn auch der Markgraf Albert von Brandenburg rücke mit viertausend Mann Fußvolk, zweitausend Pferden und sechs Kanonen auf das Dorf an. Auf dieses waren sie, zum großen Verdruß von Vieilleville, genöthigt, das Dorf zu verlassen. Die acht lothringischen Edelleute wurden frei gelassen. Noch beim Weggehen sagte Vignaucourt, er wundere sich gar nicht, wenn Vieilleville solche Dinge ausführte, da er so vortrefflich bedient sei, denn er wolle verdammt sein, wenn er nicht jenen, Namens Habert, im Zimmer des Kaisers gesehen habe, wo er vorgegeben, daß er von Oberst Schertel geschickt sei und diesen krank in Straßburg verlassen habe. Und diesen letzten, den Maire, habe er vor vier Tagen Brod und Wein in des Markgrafen Lager verkaufen sehen.

Den Sonntag darauf, den 1. Januar 1553, erfuhr Vieilleville durch Deserteurs, daß der Kaiser die Belagerung von Metz aufgehoben, worauf er zu dem Herzog von Nevers sagte: Ich dachte es immer, der Kaiser sei zu alt und zu podagrisch, um ein so schönes junges Mädchen zu entjungfern. Der Herzog verstand dies nicht; ich mache Anspielung, sagte er, auf die Stadt Metz, das im Deutschen eine Metze, auf französisch pucelle bedeutet. Sie fanden diese Anspielung so artig und erfindungsreich, daß sie sie in der Depesche, die sie sogleich an den König abschickten, um die ersten zu sein, die die Aufhebung der Belagerung meldeten, mit anführten.

Vieilleville lebte jetzt drei Monate ruhig auf seinem Gut Durestal und erholte sich von den Mühseligkeiten des Kriegs. Unterdessen hatte man ihm bei Hofe das Gouvernement von Metz, wo der Herr von Gonnor gegenwärtig kommandierte, zugedacht; besonders verwendeten sich für ihn der Herzog von Guise und von Nevers als Augenzeugen seiner Thaten vor Metz. Allein der Connetable warf sich auch hier dazwischen und stellte vor, daß man Herrn von Gonnor, der die Belagerung ausgehalten habe, nicht absetzen könne, und es Vieillevillen lieber sein würde, wenn ihn der König zu seinem Lieutenant in Bretagne machte, wo er seine Familie und Güter hätte. Denn der Herzog von Estampes, jetziger Gouverneur von Bretagne, sei sehr krank, es würde sodann der Herr von Gyé, sein Lieutenant, ihm folgen und Vieilleville dessen Stelle erhalten können.

Vieilleville wurde davon fünfzehn Tage nach Ostern 1553 durch den Secretär Malestroit heimlich benachrichtigt, um sich auf eine Entschließung gefaßt zu halten. Das Schreiben vom König vom 22. April 1553 kam auch wirklich an und war so abgefaßt, wie es der Connetable gewollt hatte. Vieilleville antwortete dem König sehr ehrerbietig, wie ihn hauptsächlich vier Ursachen hinderten, diese Gnade anzunehmen. Erstlich sei Estampes nichts weniger als gefährlich krank; es würde dieses beide von einander entfernen, da sie jetzt in gutem Vernehmen stünden; überdem sei er ja selbst zwei Jahre älter als der Herzog von Estampes. Zweitens habe er sehr viele Verwandte und Freunde, die sich vielleicht auf ihre Verwandtschaft stützen und sich gegen die Gesetze vergehen könnten, wo er dann, ein Feind aller Parteilichkeiten, streng verfahren müßte, und doch würde es ihm leid sein, seine Bekannten als Verbrecher behandelt zu sehen. Drittens sei er noch gar nicht in den Jahren, um sich in eine Provinz versetzt zu sehen, wo man ruhig leben könne und nichts zu thun habe, als am Ufer spazieren zu gehen und die Ebbe und Fluth zu beobachten. Er habe erst zwei und vierzig Jahr und hoffe noch im Stand zu sein, Seiner Majestät vor dem Feind zu dienen. Es würde ihm viertens zu hart vorkommen, unter dem Herrn von Gyé zu dienen, der ein Unterthan von ihm sei, und mit dem er nicht ganz gut stehe. Er wisse, daß Seine Majestät ihm das Gouvernement von Metz zugedacht, und er sei verwundert, wie man sich so zwischen den König und ihn werfen und alles vereiteln könne, was ihm dieser bestimmt habe.

Als der König diesen Brief gelesen, wurde er aufgebracht, daß man ihm so entgegenstände, ließ den Connetable rufen und sagte ihm sehr bestimmt, daß Vieilleville das Gouvernement von Metz haben solle, Gonnor solle sogleich aus Metz heraus und Vieilleville dahin abgehen, welches denn auch geschah. Er brachte eine sehr ausgedehnte Vollmacht mit, wodurch er über Leben und Tod zu sprechen hatte und die Commandanten von Toul und Verdun so eingeschränkt wurden, daß sie gleichsam nur Capitäns von ihm waren. Er hatte den Sold der Garnison auf zwei Monate mitgebracht und ließ ihn austheilen, jedoch so, daß Mann für Mann von dem Kriegscommissär verlesen wurde, wie sie in den Listen standen. Sonst hatten die Capitäns die Löhnung für ihre Compagnieen erhalten und manche Unterschleife damit getrieben. Die Einwohner von Metz gewannen hierbei viel, da sie sonst ganz von der Gnade des Capitäns abhingen, wenn ein Soldat ihnen schuldig war. Nachdem nun Gonnor alles, was in den Arsenälen war, übergeben hatte, verließ er Metz und empfahl Vieillevillen besonders den Sergentmajor von der Stadt, den Capitän Nycollas, und den Prevot, Namens Vaurés; er lobte sie außerordentlich in ihrer Gegenwart, woraus Vieilleville sogleich ein Mißtrauen schöpfte, aber keineswegs merken ließ.

Er fand die Garnison in großer Unordnung; sie war stolz dadurch geworden, daß sie gegen einen so mächtigen Kaiser eine Belagerung ausgehalten, und es verging keine Woche, wo nicht fünf bis sechs Schlägereien vorfielen über den Streit, wer sich am tapfersten gehalten hätte. Oft fielen sie unter den Officieren vor, die den Ruhm ihrer Soldaten verteidigten; oft brachen sich die Soldaten für ihre Officiere die Hälse. Vieilleville war deßhalb in großer Verlegenheit; er mußte fürchten, durch scharfe Befehle einen Aufstand zu erregen, der um so gefährlicher war, als der Graf von Mansfeld im Luxemburgischen, wo er commandierte, und besonders in Thionville, vier Stunden von Metz, viele Truppen hatte. Ueberdem waren die Einwohner selbst voll Verzweiflung, denn nachdem der Kaiser hatte abziehen müssen, sahen sie wohl, daß sie das französische Joch nicht wieder abschütteln könnten. Ueberdieses waren sie auf eine unleidliche Art durch starke Einquartierungen geplagt, denn es war kein Geistlicher, noch Adeliger, noch eine Gerichtsperson, die davon befreit war. Auf der andern Seite hielt es Vieilleville gegen seine Ehre und Würde, solche Ungezogenheiten fortgehen zu lassen, und er beschloß daher, was es auch kosten möge, seinen Muth zu zeigen und sich Ansehen und Gehorsam zu verschaffen.

Er ließ daher schnell alle Hauptleute versammeln und that ihnen seinen Vorsatz kund, wie er noch heute die Befehle und die Strafen für den Uebertretungsfall würde verlesen lassen, von denen Niemand, weß Standes er auch sei, sollte ausgenommen sein. Sie, die ihn wohl kannten, wie fest er bei einer Sache bliebe, wenn er sie reiflich überlegt hatte, boten ihm auf alle Art die Hand hierzu; doch ließen sie bei dieser Gelegenheit den Wunsch merken, daß er weniger streng in Vertheilung der letzten Löhnung gewesen wäre. Er stellte ihnen aber vor, daß es schändlich wäre, sich vom Geiz beherrschen zu lassen, und dieses Laster sich mit der Ehrliebe der Soldaten nicht vertrüge. Ich bin fest entschlossen, sagte er, auch nicht im geringsten davon abzugehen, was ich einrichten und befehlen werde, und lieber den Tod! Nachmittags wurden die Befehle mit großer Feierlichkeit verlesen, besonders auf dem großen Markt, wo alle Cavallerie mit ihren Officieren aufmarschiert war; er selbst hielt daselbst auf seinem schönen Pferd mitten unter seiner Leibwache von Deutschen – sehr schöne Leute, die ihm der Graf von Nassau geschickt hatte, mit ihren großen Hellebarden und Streitäxten, in Gelb und Schwarz gekleidet, denn dieses war seine Farbe, die ihm Frau von Vieilleville, als sie noch Fräulein war, gegeben hatte, und die er immer beibehielt. Es machte dieses einen solchen Eindruck, daß in zwei Monaten keine Schlägerei entstand, als zwischen zwei Soldaten über das Spiel, wovon der eine den andern tödtete. Vieilleville nöthigte den Hauptmann, unter dessen Compagnie der noch lebende Soldat stand, diesen, der sich verborgen hatte, vor Gericht zu bringen, wo sodann der Kopf erst dem Getödteten und sodann dem andern Soldaten abgeschlagen wurde.

Kurz darauf meldete man ihm, daß einige Soldaten unter dem Vorwand, Wildpret zu schießen, Leute, die Lebensmittel in die Stadt brächten, auf der Straße anfielen und ihnen das Geld abnähmen. Gegen Mitternacht fing man drei derselben, die sogleich die Folter so stark bekamen, daß sie sieben ihrer Helfershelfer angaben. Er ließ diese sogleich aus ihren Betten ausheben und war selbst bei diesen Gefangennehmungen mit seinen Garden und Soldaten. Diese zehn Straßenräuber wurden in sein Logis gebracht, hier vier befohlenen Kaufleuten vorgestellt und ihnen, da sie erkannt wurden, sogleich der Proceß gemacht. Des Morgens um acht Uhr waren schon drei davon gerädert und die Uebrigen gehangen, so daß ihre Capitäns ihren Tod eher als ihre Gefangennehmung vernahmen.


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