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Dumpfes Lied

Wisse: Zornwind ists, der mich heimzu zerrt,
Wutwind, ins Winkelwerk der Gassen gesperrt.
Aus balligem Gramgewölk teuflisch Mond loht.
Giftig Irrlicht der Gosse, böses Sternbild droht.

Totvögel rufen. Uhrwerk röchelt im Turm.
Im Gebälk und Gestühl der Gebäude klopft knisternd der Wurm.
Du, sprich leis, geh leis, begegne mir nicht,
Bleib vor Bildern betend mit seidnem Gesicht.

Sieh meine Stirn nicht an, meine Stirn ist blaß.
Strahlender Maitag dein, mein sei düstres Gelaß.
Friedlos, liedlos bin ich, Hände heiß, Blick schwer,
Wahnwach in gelbem Gelächter, hortlos, ortlos, leer.

Du wächst eine Hecke hoch um mein Haus,
Einsam umgrenzest du mich. Ich kann die Welt nicht mehr finden.
Manchmal bringen Vögel fernher die Kunde,
Daß du am Sonnblumenzaun hinter blinkenden Scheiben wohnst.

Ich steig vom Fensterkreuz in den schmalen Mondnachen, die Fahrt zu dir.
Ich trag dich aus deiner Kammer zur Morgensternstunde.
Braut lachst du über meinem Sattel quer durch die Lande.
Meine Schwelle grünt. Frühling besprengt mein Haus.

Ich sammle Rosentau in kühle Kristalle für dich.
Ich häufele Heu auf der Wiese und sing ein Lied von Fernen für dich.
Ich erfinde Feste um dich. Ich male in meine Tapeten
Blauwickengirlanden und tanzende Engel, bis du kommst.

Meine Runenstirn grübelt, wie dich mein Herz freun könnte.
Über meinem Bett hängt die Sichel, mit der du zur Mahd gehn sollst.
Weiß ichs, warum meine Kissen kühl sind wie deine Windwangen,
Wenn du am Meer stehst im Nordlicht und dein Gudrunhaar strählst.

Nun ist Herbst. Mein Turm grüßt Kranichzüge.
Samen süßen im Kelch. Immen tragen Obstzucker ein.
Wenn du da wärst, könnten wir uns Wochen Nilsonne schenken.
Soviel Märchen weiß ich, daß du gern mir am Herd bliebst.

Wenn der Winter dann kommt, will ich die entzückenden Eisblumen
Auf weiße Briefblätter zeichnen und flattern lassen zu dir.
Und mit dir in Jahrtausenden leben, da noch der alte Gottvater
Das Glück der Völker prangend an die Himmelsbögen schrieb.

Ich fahre über meine Landkart die kurze Strecke, ein Strich zu dir.
Finde ich meine vergeßne Fiedel, fallen mir deine Hände ein.
In meinem Blute brennts nach deinen Ostseeaugen. Süße,
Du, du, ruft mein Mund deine Lippen her.


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