Paul Scheerbart
Immer mutig!
Paul Scheerbart

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Der große Kampf

Ein Dualisticum

Langsam fallen glühende Sonnen in die schwarze Nacht – und machen Alles hell.

Und dann kommt der Erzengel Michael mit seinem langen Schwert. Mächtige Eisenmassen rasseln auf seiner Brust, die Beinschienen knacken, und die Armschienen platzen beinah – so schwellen dem Erzengel die Muskeln an.

Und dann taucht aus dunklen Wolken der Kopf des Drachensatans heraus. Aber dessen Augen sind nicht leuchtend wie die des Michael; des Drachensatans Augen sind so matt.

»Ich hau' Dich zu Brei!« brüllt der Michael.

Doch der Satan schüttelt den Kopf und sieht dem Engel traurig ins lachende Angesicht.

»Dein Schwert ist zu kurz!« erwidert der müde Satan.

Michael funkelt mit den Augen, seine Stahlrüstung kreischt, und das lange Schwert blitzt durch die Wolken.

Satan zieht den Kopf ein, und seine ungeheuere Körpermasse kommt zum Vorschein – Millionen weltendicke Schlangenarme winden sich aus den Wolken heraus.

Michael schlägt zu und haut unzählige Schlangenarme ab – aber die abgeschlagenen Glieder verbinden sich wieder mit dem Drachenrumpf.

Und des Erzengels Arm erlahmt.

Da kommt des Satans Kopf wieder an die Oberfläche des Rumpfes und grinst den Engel an wie ein Totenschädel.

Der Engel will zuschlagen, doch er kann das Schwert nicht mehr heben – seine Arme zittern.

Und die Millionen dicker Schlangenarme umhalsen den eisernen Engel, so daß der schier erstickt wird.

»Hör auf!« schreit der Engel.

Der Satan läßt nach, die weichen schlaffen dicken Schlangenarme lösen sich von dem Engel los.

Und langsam sinkt der Drachensatan zurück. »Nächstens kämpfen wir wieder von Neuem!« flüstert höhnisch der müde Teufel.

Der Engel stöhnt und schwebt mit hängendem Kopfe davon; nur ganz allmählich kehrt die Kraft in die zitternden Muskeln zurück.

Bunte Wolken nehmen den Engel auf und erfrischen ihn. Langsam steigen starke Marmorsäulen in den Himmel empor. Die Säulen steigen immer höher und verschwinden zwischen den Sternen.


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