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Trübe Tage

Der kranke Liebling

Unser Liebling ist krank, seine Stirn ist heiß,
Und Krankheit ist traurig, wie jeder weiß;
Doch gar nicht gefährlich, Gott sei Dank,
Nur ein bißchen ist unser Liebling krank,
Und ein bißchen Schonzeit im weichen Bett,
Ein bißchen Kranksein, das ist ganz nett.
Da streichelt jeder das blasse Püppchen,
Zu Mittag gibt es ein Extrasüppchen,
Die Guste ist sanft, wie sie niemals war.
Der große, wilde Bruder sogar
Borgt dem Kränkchen die Tafel aus seinem Ranzen
Und läßt die Kasperle-Puppen tanzen.
Die Mutter vollends! Die holt dem Kind
Das Sonntagsspielzeug aus ihrem Spind,
Sie befühlt ihm leise, leise die Wänglein
Und fragt: Wie geht's denn, Herzlein – und Englein?
Und solcher schönen Dinge gibt's mehr.
Wenn die bittre braune Arznei nicht wär,
Und die dummen Krümelchen nicht im Bett, –
Ein bißchen Kranksein wär gar zu nett!

Frida Schanz.

Dein Brüderlein ist droben,
Wo die Sonne ewig scheint.
Da gibts nur Freud und Loben
Und nimmer wird geweint.
Da wird es dein gedenken
Und denkt gewiß auch mein,
Wird sich vom Himmel senken
Und blickt zu uns herein.

Oskar Pletsch.

Muttertränen

Mein Kind, was hast du verübt,
Daß die Sonne auf einmal so trauernd scheint?
Du hast deine Mutter betrübt!
Deine Mutter weint!
Wie ein dunkler Schatten liegts auf dem Haus,
Erloschen ist alle Fröhlichkeit.
Geh, breite die Arme aus,
Fleh, daß sie verzeiht!
Ein Mutterherz, das klagt himmelan,
Sag, daß du bereust, o sag's geschwind.
Du hast deiner Mutter weh getan.
O Kind, – mein Kind!

Clotilde Frey.

Auch der Schmerz ist Gottes Bote; ernste Mahnung, heilge Worte
Bringt er uns und öffnet leise tiefgeheimer Weisheit Pforte.
Aber unser irrend Auge, vielgetrübt vom Staub der Mängel,
Nicht erkennt es in der dunklen Schattentracht sogleich den Engel.
Erst, wenn scheidend der Verhüllte wiederum sich von uns wendet,
Sehn wir plötzlich überm Haupt ihm eine Glorie, die uns blendet.
Durch die dunklen Schleier brechen Silberflügel, klar geteilet,
Und die Seele ahnt es schaudernd, welch ein Gast bei ihr geweilet.

Geibel.

Es liegen Veilchen, dunkelblau,
Auf einem Grab im Abendtau,
Ein kleines Mädchen kniet davor
Und hebt die Hände fromm empor:
»O sagt, ihr Veilchen, bei der Nacht
Der Mutter, was der Vater macht,
Daß ich schon stricken kann, und daß
Ich tausendmal sie grüßen laß.«

Hermann von Gilm.

Getrost –

Wenn alles eben käme,
Wie du gewollt es hast,
Und Gott dir gar nichts nähme
Und gäb' dir keine Last:
Wie wär's dann um dein Sterben,
Du Menschenkind, bestellt?
Du müßtest fast verderben,
So lieb wär' dir die Welt. –
Nun fällt eins nach dem andern,
Manch liebes Band dir ab;
Getrost kannst du nun wandern
Zum Himmel durch das Grab;
Dein Zagen ist gebrochen,
Und deine Seele hofft! –
Das ward schon oft gesprochen,
Doch spricht man's nie zu oft.

De la Motte-Fouquè.

Wenn zur Tür herein
Tritt dein Mütterlein
Mit der Kerze Schimmer,
Ist es mir, als immer
Kämst du mit herein,
Huschtest hinterdrein,
Als wie sonst ins Zimmer.

Träum' ich, bin ich wach,
Oder seh ich schwach
Bei dem Licht, dem matten?
Du nicht, nur ein Schatten
Folgt der Mutter nach.
Immer bist du, ach,
Noch der Mutter Schatten.

Friedrich Rückert.

Das sterbende Kind

Ach, wie so still dir am Herzen
Ruhet das Kind,
Weiß nicht, wie Mutterschmerzen
So herbe sind.

Auf Stirn und Lippe und Wangen
Ist schon vergangen
Das süße Rot,
Und dennoch heimlicherweise
Lächelt es leise,
Leise lächelt der Tod.

Paul Heyse.

Mein totes Kind

Mein Kind, das früh geschieden,
Goldlockig, hold und klein,
Oft nahst du jetzt der Müden,
Längst sank dein Hügel ein.

Nie hab' ich dich vergessen.
Die andern wurden groß,
Du aber unterdessen
Bliebst klein auf meinem Schoß.

Oft unter Sturm und Schmerzen,
Im heißen Mittagslicht
Verblich in meinem Herzen
Dein süßes Angesicht.

Doch jetzt beim Abendfrieden
Wie neu erwacht eilst du.
Mein Kind, das früh geschieden,
Der Mutter wieder zu.

Wie selig sind wir beide!
Ich fühl' dein Aermchen rund,
Der Locken blonde Seide,
Den lieben, kleinen Mund.

»Sie ließen dich alleine,
Mein armes Mütterlein,
Ich aber, deine Kleine,
Ich will nun bei dir sein.«

Auf deinem Grab die Rosen
Schaukeln im Abendwind,
Indes wir heimlich kosen,
Mein süßes, totes Kind.

Pauline Schanz.

Aus den Kindertotenliedern von Joseph Freiherr von Eichendorff

l.

Freuden wollt' ich dir bereiten,
Zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz
Wollt' ich treulich dich geleiten
Durch das Leben himmelwärts.

Doch du hast's allein gefunden,
Wo kein Vater führen kann,
Durch die ernste, dunkle Stunde
Gingst du schuldlos mir voran.

Wie das Säuseln leiser Schwingen
Draußen über Tal und Kluft
Ging zur selben Stund' ein Singen
Ferne durch die stille Luft.

Und so fröhlich glänzt der Morgen,
's war, als ob das Singen sprach:
Jetzo lasset alle Sorgen,
Liebt ihr mich, so folgt mir nach!

II.

Von fern die Uhren schlagen,
Es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster,
Dein Bettlein ist gemacht.

Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinne
Und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müßtest leise
Du klopfen an die Tür,
Du hätt'st dich nur verirret
Und kämst nun müd' zurück.

Wir armen, armen Toren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren –
Du fand'st ja längst nach Haus.

III.

Dort ist so tiefer Schatten,
Du schläfst in guter Ruh',
Es deckt mit grünen Matten
Der liebe Gott dich zu.

Die alten Weiden neigen
Sich auf dein Bett herein,
Die Vöglein in den Zweigen,
Die singen treu dich ein.

Und wie in goldnen Träumen
Geht linder Frühlingswind
Rings in den stillen Bäumen –
Schlaf' wohl, mein süßes Kind!

Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein

Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein,
Und nun ich dich habe begraben,
Mach ich mir Vorwurf', ich hätte fein
Noch lieber dich können haben.

Ich habe dich lieber, viel lieber gehabt,
Als ich dir's mochte zeigen;
Zu selten mit Liebeszeichen begabt
Hat dich mein ernstes Schweigen.

Ich habe dich liebgehabt, so lieb,
Auch wenn ich streng gescholten;
Was ich von Liebe dir schuldig blieb,
Sei zwiefach dir jetzt vergolten.

Zu oft verbarg sich hinter der Zucht
Die Vaterlieb im Gemüte;
Ich hatte schon im Auge die Frucht,
Anstatt mich zu freun an der Blüte.

O hätt' ich gewußt, wie bald der Wind
Die Blüte entblättern sollte!
Tun hätt' ich sollen meinem Kind,
Was alles sein Herzchen wollte.

Da solltest du, was ich wollte, tun,
Und tatst es auf meine Winke.
Du trankst das Bittre, wie reut's mich nun.
Weil ich dir sagte: Trinke!

Dein Mund, geschlossen vom Todeskrampf,
Hat meinem Gebot sich erschlossen;
Ach! nur zu verlängern den Todeskampf
Hat man dir's eingegossen.

Du aber hast, vom Tod umstrickt,
Noch deinem Vater geschmeichelt,
Mit brechenden Augen ihn angeblickt,
Mit sterbenden Händchen gestreichelt.

Was hat mir gesagt die streichelnde Hand,
Da schon die Rede dir fehlte,
Daß du verziehest den Unverstand,
Der dich gutmeinend quälte.

Nun bitt' ich dir ab jedes harte Wort.
Die Worte, die dich bedräuten,
Du wirst sie haben vergessen dort
Oder weißt sie zu deuten.

Friedrich Rückert.

Nun ist sie tot

Das Kind, an dem wir alle hingen,
Das Mägdlein mit dem goldnen Haar,
Nach kurzem, wildem Schmerzensringen
Ging's schlafen heut' für immerdar.
Auf ihren weichen lieben Wangen
Erlosch das feine Blütenrot.
Noch gestern freute uns sein Prangen.
                Nun ist sie tot!

Sie war der Eltern Glück und immer
Der lieblichste Besitz im Haus.
Der Vater sah vom Erkerzimmer
So gern mit ihr aufs Gut hinaus.
Er sah, wie weit sein Feld sich flachte,
Und sprach: »Gottlob! Sie hat ihr Brot!«
Sie sah ihn leuchtend an und lachte. – –
                Nun ist sie tot!

Ein Muster war sie nie, nur eben
Ein süßes, frisches Menschenkind,
Ein Herz voll Blütenduft und Leben,
Gut Freund mit Blumen, Wald und Wind.
Jüngst saß sie jubelnd hoch im Flieder,
Obgleich's die Mutter oft verbot;
Welch Flehen dann: »Ich tu's nicht wieder!«
                Nun ist sie tot!

Am liebsten jagte sie und tollte
Durch Parkgeheg im Sonnenschein,
Nur wenn sie eben lernen sollte,
Fiel ihr ein goldnes Märchen ein.
Ihr Blick dann, traumhaft und verschwommen.
War ihrer strengen Lehrer Not.
Ihr habt es viel zu ernst genommen!
                Nun ist sie tot!

Sie liegt in lauter Maienglocken
So weiß, so still, so schlank gestreckt.
Die Magd umkränzt ihr leis die Locken,
Die Alte, die sie oft geneckt.
»Auch du wirst welk und alt allmählich!«
Hat da die Greisin oft gedroht. –
Sie glaubt es nie. Sie lachte selig.
                Nun ist sie tot! –

Frida Schanz.

Ich sehe manche Mutter,
Mit ihrem lieben Kinde gehn.
Dann blick ich mich nach ihnen um
Und bleib ein Weilchen stehn.

Wie fügt das Kinderhändchen
Sich weich in seiner Mutter Hand.
Wie fühlt es wunderhold sich an.
Auch ich hab's einst gekannt.

Felix v. Stenglin.

Wohnt dort jetzt unser Schwesterlein?


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