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6

Nun wurde nach altem Königsbrauch das Fest der ersten Nacht begangen, und es wartete nicht allein hier oben im Schlosse der Adel, sondern in ganz Ravellaska alles Volk darauf, den ersten Schrei der Königin zu feiern. Unten auf dem äußeren, der Stadt zugewendeten Schloßhof standen in schimmernder Front die Regimenter. An den Toren hielten die Herolde und Trompeter ihre Pferde am Zügel und waren jeden Augenblick bereit, in den Sattel zu springen, um in allen Straßen das Glück des Königs auszurufen. Vor den Schenken und Haustoren, auf den öffentlichen Plätzen harrte das Volk dieser Botschaft, damit Lustbarkeit und Tanz beginne. Die Musikanten stimmten überall ihre Instrumente, und in den Fenstern rückten die Frauen Lämpchen und Lichter zurecht, damit es eine stattliche Beleuchtung gebe, wenn der Moment gekommen sei.

Diesen Augenblick zu verkünden, war das Amt des Zeremonienmeisters Ruspoli. Er horchte in einem Vorgemach der königlichen Schlafstube auf den ersten Schrei der jungen Braut, und hatte er ihn vernommen, dann trat er an das Fenster und gab mit einem wehenden roten Tüchlein den Soldaten im Schloßhof unten das Zeichen. Die Regimenter feuerten dann sogleich eine Salve in die Luft und zogen mit klingendem Spiel und aufgerollten Fahnen heimwärts. Wenn die Schüsse krachten, sprangen auch die Herolde und Trompeter unverweilt zu Pferde. Durch alle Straßen schmetterten die Fanfaren, und die Herolde warfen Geldmünzen unter die Menge. Währenddessen mußte Ruspoli in den großen Saal schreiten, und sein Eintritt bedeutete, daß des Königs Ehe vollzogen sei. Vom Sängerchor erscholl die Königshymne, die bei der ersten Salve angestimmt worden war. Dann erschienen die Prinzen und führten den feierlichen Reigen, den die Hofgesellschaft tanzte, worauf der Adel das Schloß verließ. Das lag nun schweigend und inmitten des allgemeinen Lichtglanzes im Finstern da und barg den Schlummer der neuen Königin. Denn erst wenn dieser Schrei verkündigt und gefeiert war, galt die Frau des Königs als Königin. Deshalb auch konnte sie erst am folgenden Tag gekrönt werden.

 

Nun wandelte Lianora, von ihrem Gemahl an der erhobenen Hand geführt, durch die Reihen der Höflinge und ein leiser, frommer Gesang begleitete ihren Weg. Voran gingen die beiden Prinzen Cosimo und Cesare. Ihnen warf jeder einen raschen Blick zu, denn aus ihren Mienen wollte man abnehmen, ob dieser Zug feierlich angeschaut werden müsse, oder ob wohl ein rasches Lächeln und nachher ein Scherz gestattet sei. Prinz Cosimo schaute mit seinen blinkenden Augen über alle hinweg, als kenne er die Meinung der Versammelten und als wolle er sich nicht befragen lassen. Cesare tat desgleichen. Er lächelte nicht wie sonst, er warf den Kopf nicht wie sonst nach allen Seiten, und beide gingen sie so ernsthaft wie auf dem Wege zur Kirche.

Der König aber schritt wie im Traum einher, wechselte beständig die Farbe, so daß er bald rot, bald wieder bleich erschien, und er hielt die Blicke zu Boden gerichtet, als wolle er sein Denken jetzt vor allen verbergen. Nur Lianora nickte mit freiem Angesicht allen zu, die ihr den Gruß boten, und dieses Antlitz mit den fragenden Augen und den rätselhaft schimmernden Lippen wirkte so unnahbar, daß keiner mehr an das Ziel ihrer Schritte dachte und die zu fröhlichem Nachstürmen bereiten Gedanken der Männer ehrfürchtig zurückwichen.

Dem Königspaar folgte nur Ruspoli, der Lauscher dieser Nacht. Das Lied verklang leise, als der Zug vorüber war, und alsbald erhob sich im Saal das Plaudern wie ein sanftes Wetterrauschen.

 

Jetzt kam der König mit der Königin durch einen kleinen Saal, der mit kostbaren Teppichen dicht verhangen war, und Lianora sah, wie die beiden Prinzen vor ihr zur Seite traten und sie grüßend vorbeiließen. Eine schwer gepolsterte Pforte sprang auf, und in das nächste Gemach traten Lianora und der König, nur noch von Ruspoli gefolgt. Es war ein weiter, dämmernder Saal, dessen Wände von Malereien farbig glänzten. Es stand aber nur ein einziger Stuhl darinnen dicht an der Türe gegenüber.

Auf diese Türe schritten sie jetzt zu, und ein tiefes Schweigen umfing sie. Lianora fühlte, wie die Hand des Königs in der ihren zu zittern begann, dann sah sie Ruspoli plötzlich kleiner werden, als sänke er in die Erde. Nun öffnete sich die Türe; ein silbernes Licht wie Mondenschein strömte ihr entgegen, und sie fand sich im Brautgemach allein mit dem König, der mit ausgebreiteten Armen vor ihr stand.

 

Ruspoli war zuerst auf einen Stuhl gesunken und blickte mit erloschenen Augen umher. Er war so sehr alt und hatte an diesem Tage so wenig geruht, daß seine Müdigkeit sich bis zum Gram gesteigert hatte. Nun genoß er die kurze Muße hier in der Kammer des Lauschers, wie der Saal nach seiner Bestimmung genannt wurde. Ruspoli glaubte zu wissen, welche Frist ihm gegönnt sei, denn drei Königinnen hatte er schon vernommen, hier in dieser Kammer, auf diesem alten Lehnstuhl. Da packte ihn aber die Mattigkeit mit solcher Gewalt, daß er den Schlaf zu fürchten begann. Er stand auf, trat an das Fenster und blickte auf den Schloßplatz hinunter. In endloser Reihe stand dort das Regiment des Königs. Die Helme blitzten im Dunkel und die Musketenläufe. Seitwärts aber, wo die Auffahrtsrampe vorsprang, hielten in dichtem Gedränge die Kutschen des Adels. Ruspoli sah das Gewühl der bunten Lakaien, der Läufer und Fackelträger, hörte das Stampfen und Schnauben der Rosse und das Klirren der Geschirre. Dann wandte er sich, ging mit schlurfenden Schritten die Wände entlang und betrachtete Bild für Bild. Die Abenteuer des Jupiter waren hier zu sehen, Europa und Io, Leda und Semele, Danae und die anderen alle. Ruspoli beschaute diese üppige Malerei zum viertenmal in seinem Leben und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß er sie rundum der Reihe nach nur beschauen dürfe, um sich die Weile zu kürzen. Wenn er dann damit fertig und wieder zu seinem Stuhle zurückgelangt war, dann kam auch immer, kaum er sich niedergesetzt hatte, um zu warten, der Schrei. Einmal ein kleines bißchen früher, einmal ein bißchen später, im ganzen aber war eine gewisse Pünktlichkeit und ein Verlaß dabei. Und so fing er jetzt bei Leda an, langsam, auf seinen Stab gestützt, vorwärtsschreitend.

Auch die Prinzen waren an das Fenster getreten und Cesare sagte: »Wahrlich, es ist heute das erstemal, seit Angela Dandolo in der Favorita weilte, daß ich meinen Bruder beneide.«

Cosimo lächelte: »Ich hab' dir also nicht zuviel erzählt. Nur einen Augenblick sah ich damals ihr Bildnis und hab' es nicht mehr vergessen können. Es ist ganz unbegreiflich, wie schön sie ist.«

Cesare rief übermütig: »Selbst an des alten Ruspoli Stelle möchte ich gerne sein, um sie zu hören. Denn wie ich sie heute auch betrachtet und ihr Antlitz auch durchsucht habe, ich vermag es nicht, ihren Schrei zu ahnen.«

Aber Cosimo erwiderte: »Wünsche dich nicht an Ruspolis Stelle. Der König hat gesagt, er wolle ihn am Morgen nach der Brautnacht töten lassen, damit keiner unter den lebenden Menschen Lianorens Liebesschrei kenne.«

Cesare fuhr betroffen auf. Er wurde ernst, trat vom Fenster fort, ging an den Tisch und ergriff einen Becher Wein.

Draußen im Saal sprachen sie von Lianoras Schönheit und von des Königs Liebe, auch von dem Entzücken war die Rede, das er jetzt wohl in den Armen der holden Prinzessin genieße. Sie redeten alle davon, aber ohne zu scherzen, wie man etwas Natürliches und Gutes bespricht, und waren heiter in der Erwartung des Tanzes, der nach dem Schrei der Königin anheben sollte. Denn also war es Sitte, daß nach des Zeremonienmeisters Verkündigung vom Chor die Königshymne gesungen, hierauf aber ein kurzer Ball abgehalten wurde. Der Adel wartete darauf, das Lied zu hören und die Brautsarabande zu tanzen, einen feierlichen umständlichen Reigen. Inzwischen plauderten die Herrschaften, und es ward eifrig besprochen, daß der edle Prinz Cosimo an Angela Dandolo hatte vermelden lassen, er gedenke den Reigen mit ihr zu führen. Das ward ihm als eine besondere Ritterlichkeit ausgelegt, auch wollten einige wissen, es stecke der König dahinter, der den Wunsch habe, am heutigen Abend das Begebnis mit Angela Dandolo auf eine ehrenvolle Weise aus dem Gedächtnisse der Leute zu tilgen.

Während die Zeit verging, hatte sich eine Anzahl jüngerer und älterer Herren um die Musikantentribüne geschart, an deren Balustrade der alte Abbate und Kapellmeister Lorenzo Palmisotti lehnte. Er war ein schmächtiger Greis mit silberweißen Haaren und blühweißer Hemdkrause. Darauf saß sein Kopf wie auf einer reinen Schüssel. Regungslos waren seine Mienen, und mit seiner vergilbten elfenbeinfarbenen Haut sah er wie geschnitzt aus. Nur zwei lebhafte, leidenschaftliche Augen brannten schwarz unter der feinen Stirne. Dieser Mann war neunzig Jahre alt und wegen seiner Frechheit berühmt. Er hatte aber niemals durch ein unbedachtes Wort seinen Feinden sich ausgeliefert oder damit Anlaß gegeben, etwa festgenommen und bestraft zu werden. Er tat nur Dinge, die sich nicht anklagen ließen, tat sie mit unbewegter, harmloser Miene, so daß sein Gesicht niemals gegen ihn Zeugenschaft ablegen konnte. Deshalb war er gefürchtet ebenso wie umworben; und während alle seine boshaften Streiche erwarteten, suchte jeder Lorenzos Laune von sich abzulenken.

Nun schauten alle auf den alten Mann und harrten seines Scherzes, des berühmten Hochzeitsscherzes, den Lorenzo sich regelmäßig erlaubte. Denn auch er hatte schon drei Königinnen von Ravellaska eingesungen. Er stand jetzt schlank und graziös, den Ellbogen auf die Balustrade gelehnt, die Rechte, die den Taktstock hielt, in die Hüfte gestützt, und er plauderte mit dem Grafen Dossi, der von unten her augenzwinkernd zu ihm aufsah. Nach und nach versammelten sich mehr von den Herren um ihn, und die älteren erzählten den jüngeren, man brauche nur den würdigen Meister Lorenzo zu betrachten und könne aus seiner Haltung ersehen, wie bald der wichtige Augenblick bevorstehe. »Er hat es schon im Gefühl,« sagten sie von ihm, »und es ist eigentlich nur eine Förmlichkeit, wenn er auf die Gewehrsalve wartet ...« – »Er wittert den Schrei«, behaupteten andere, »und er vermöchte es, von selbst das Zeichen zu geben, genau in der richtigen Sekunde.«

»Seht doch Lorenzo an,« sagten die Damen zueinander, »solange er spricht, ist es noch nicht ernst. Er weiß es ja am besten.«

Einmal öffnete sich die Tür, die zum Prinzengemach führte. Cesare steckte rasch den Kopf heraus und spähte zu Lorenzo hin, wie einer, der nach der Uhr schaut. Im Saale ging ein leises Gelächter um. »Sie wissen es,« sagte man, »auch die Prinzen wissen von Lorenzos Scherz.« Und nun blickten auf einmal alle zu Lorenzo empor. Der aber lehnte noch immer gleichmütig plaudernd über der Balustrade und schien nichts zu merken. Keine Miene zuckte in seinem elfenbeinfarbenen Antlitz und die flammenden Augen hielt er zu Boden gesenkt.

Plötzlich ging ein eiliges Rauschen durch den Saal; dann wurde es mäuschenstille. Lorenzo hatte sein Gespräch beendet, hatte sich zu den Sängern gekehrt, und jetzt sah man nur seinen schmalen Rücken, sein weißes, lockiges Haupt. Aufrecht stand er da, und alles schwieg in Erwartung.

Lorenzo begann leise, ganz leise die Hand, die den Taktstab hielt, zu heben. Aller Augen hingen an diesem weißen, glänzenden Stäbchen, das nun langsam, langsam emporstieg. Und alle wußten, bis dieses Stäbchen kerzengerade über allen Häuptern in der Luft schimmerte, dann kam auch gleich das Schießen, dann fuhr das Stäbchen rasch hernieder und der Chor stimmte die schallende Hymne an.

Das Stäbchen stieg und stieg und die Stille wurde atemlos. Niemand bewegte sich mehr. Belustigt, übermütig, gespannt verfolgten alle diesen kleinen weißen Stock. Er war der einzige, der in diesem Saale Bewegung hatte, er schien belebt und beseelt und rückte weiter und weiter.

Angela Dandolos Augen hingen glühend an dem Stab, und in eine Ecke des Saales geduckt, sah der Page Dossi zu ihm empor, während seine Wangen flammten.

Nun schwebte er aufrecht über den Häuptern der Gesellschaft, wies in die Höhe, hielt alle Blicke auf seiner Spitze versammelt und schien in der erhobenen Hand Lorenzos begehrlich zu beben.

Aber so viel man auch lauschte, das Dröhnen der Salve vom Schloßhofe her ließ sich nicht vernehmen.

Eine Weile verstrich. Alle blickten zu dem kleinen Stab empor, der in der Hand Lorenzos noch immer aufwärts wies, dann schaute man einander verwundert in die Augen, während ein leise anschwellendes Murmeln durch die Reihen ging.

Minute um Minute verging. Immer noch hielt Lorenzo seinen Stab erhoben, und es war, als streite er damit für die gute Sache, als hielte er mit seinem Stabe die Zuversicht der Menge aufrecht. Wie aber dann die Zeit vorrückte, wo jeder einsehen mußte, daß nichts geschehen war und nichts geschehen wolle, da schien es, als beharre Lorenzo eigensinnig bei seiner Meinung, als bestehe er darauf, recht zu behalten. Zuletzt war es dann wie ein Kampf zwischen dem König und Lorenzos Stab und alle glaubten, der alte Spitzbube, der in die feierlichste Stunde dieser Nacht seinen Scherz einflocht, sei nun endlich vom König erkannt, gefoppt und gestraft worden.

Lorenzos Ansehen geriet jetzt ins Schwanken, wie der Stab in seiner Hand zu schwanken begann. Langsam senkte sich der Arm Lorenzos, langsam tauchte das weiße Stäbchen wieder unter. Die Stille wich und eine gelind rauschende Heiterkeit löste die allgemeine Spannung.

Man wartete und wartete Stunde um Stunde, Ruspoli war in der Kammer des Lauschers schon dreimal umhergewandert, hatte dreimal schon Europa auf dem Rücken des Stieres sich wiegen sehen, hatte dreimal den schneeig weißen Schwan bewundert, der die Leda bestürmt, dreimal hatte er Io betrachtet, wie sie von der zärtlichen Wolke umschlungen wird. Dann war er ratlos auf seinen Stuhl niedergesunken, hatte gehorcht und gehorcht, ohne auch nur einen Laut zu vernehmen.

Auf einmal fuhr es ihm durch den Sinn, er könne bei seinem hohen Alter plötzlich das Gehör verloren haben, und ein tiefer Schreck erfüllte ihn. Er schleppte sich nochmals ans Fenster und vermochte das Klirren der Zügelketten, das Scharren der Pferdehufe zu vernehmen.

Ein wenig beruhigt schlüpfte er zu seinem Stuhl zurück, ließ sich darauf nieder, hielt den Stab in der Rechten und das rote Tuch in der Linken bereit, und wie die Nacht tiefer und tiefer wurde, begann er einen heldenmütigen Verzweiflungskampf gegen den Schlaf.

Prinz Cosimo hatte ein ängstliches Gesicht gemacht, als die erste Stunde verstrichen war. Zerstreut und bewegt hörte er die Scherze Cesares an, später aber wünschte er nur noch seines silbernen Panzers ledig zu werden. Sein Haupt sank schwer auf die Brust herab und er entschlummerte. Cesare wanderte in dem stillen Gemache auf und nieder, aß alle Früchte, die da waren, er trank den Wein bis zur Neige, und er murmelte dabei mit einem Gesicht, das zur Lustigkeit, zum Spott und zur Verlegenheit gleich unentschlossen war: »Was mag denn nur sein? Was mag denn nur sein?«

So verstrich die Nacht. Meister Lorenzo hatte sich auf seiner Estrade wieder dem Saale zugewendet, sein Gesicht war unbewegt, nur seine Augen gingen lebhaft und von einem verborgenen Hohn beleuchtet umher, als suche er beherzte Männer, die etwa fähig wären, in dieser schwierigen Lage zu helfen. Die Damen hatten sich längs der Wände auf die Bänke gesetzt, die Herren standen bei ihnen und wußten nicht, wovon sie reden sollten. Dossi ging in der Mitte auf und nieder und neben ihm schritt, den verlorenen Blick zur Decke geheftet, der Page. Angela Dandolo aber stand mit hellen Mienen dem Prinzengemach zunächst und schaute wie eine Siegerin umher.

Drunten auf dem Schloßhof harrte das Regiment mit schußbereiten Flinten auf das Zeichen. Die Kutscher und Lakaien hatten die Karossen geöffnet und schliefen auf den Kissen von Samt und Seide. An dem Tore aber waren die Herolde noch immer bei ihren Pferden, klopften den ungeduldig stampfenden Tieren die Hälse, während das Volk ihnen in dichtem Gedränge beim Schein der Fackeln zuschaute und den Augenblick herbeisehnte, da jene sich in den Sattel schwingen und mit vollen Händen Geld ausstreuen würden.

In allen Häusern warteten die Bewohner Ravellaskas, bereit, die Lichter anzuzünden, wenn das Schießen losging und das Geläute der Glocken weit ins Land hinein verkündete, daß die Braut nun dem König zu eigen geworden sei.

Lianora aber war nicht von den Töchtern Ravellaskas und ihr ward die Gabe nicht verliehen, in einem einzigen Schrei ihre ganze Seele zu offenbaren. So ließ sie sich in stummer Hingabe vom Arm des Gatten umfangen und genoß schweigend seine Liebe.

Und dann stieg ganz sachte der Morgen herauf. Der weite Himmel wurde allmählich wieder sichtbar. Blaßgrau begann er aus der Finsternis zu dämmern und wie ein Schauer liefen rosige Lichtstrahlen über das Gewölbe. Der junge Tag stieg funkelnd aus dem Meer empor und vor dem Palast löschten die Diener ihre Fackeln. Heller und heller wurde es, und alsbald drangen die ersten Boten des Morgenrots durch die Vorhänge des Saales.

In der Kammer des Lauschers stand Ruspoli am hohen Fenster und blinzelte der aufgehenden Sonne entgegen und war so müde, daß er nichts zu denken vermochte. Auch Cesare war im Prinzengemach an das Fenster getreten, blickte zornig in das prangende Licht, als komme es verfrüht und störend. Er stampfte leise mit dem Fuße auf, indessen Cosimo das Gemach mit seinen röchelnden, schlafenden Atemzügen erfüllte.

Draußen im Saale drängte alles an die Fenster. Nur die alten Damen waren auf den Bänken eingenickt und Cardini schlief, in seinem Purpur vergraben. Dossi ging zur Balustrade und fragte Lorenzo: »Sollen wir noch warten?« Andere kamen herzu und verlangten, man solle nachsehen, ob nicht der greise Ruspoli eingeschlafen sei in seinem Amte ... »Ach ja,« entgegnete Lorenzo, »man müßte jedenfalls herausbekommen, wer von den dreien eigentlich schläft ...«

Da traten die Prinzen aus ihrem Gemach und hinter ihnen kam tief gebeugt der alte Zeremonienmeister. Sie wurden im Nu umringt und befragt, und es stellte sich heraus, daß Ruspoli nicht geschlafen, aber auch nichts gehört habe.

Prinz Cosimo, der über die Garden zu befehlen hatte, löste sich aus dem Kreise. Sein gutes, faltiges Antlitz sah erschöpft aus und in seinen sonst so lustigen Augen war nun jeder Glanz verschwunden. Er winkte einem Pagen und gebot ihm, in den Hof hinunter zu laufen, die Soldaten sollten abrücken. Dann verabschiedete der Prinz mit einem kurzen Wort die Gesellschaft und verließ mit Cesare den Saal.

In dem kleinen Tumult, der nun folgte, warf sich Angelo Dossi an des Vaters Brust. »Noch ist sie nicht sein!« rief er aufschluchzend und sein ganzer Körper zuckte. Er stammelte diese Worte ein ums andere Mal, ging vom Lachen zum Weinen und vom Weinen zum Lachen über und gebärdete sich ganz fassungslos. Der Vater fuhr ihm mit der flachen Hand in feinen Strichen über das Haar, um ihn zu beruhigen. Lorenzo aber, der dabeistand und alles vernommen hatte, sagte mit frommen Mienen: »Vielleicht hat die Ahnung dieses Kindes recht!«

Angela Dandolo war die erste, die das Schloß verließ. Sie wiegte sich in den Hüften und empfing die Grüße der jungen Leute mit flammenden Augen. Dann rollten die Karossen eine nach der andern durch die morgenstillen Straßen. Das Volk hatte sich längst verlaufen.


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