Leopold von Sacher-Masoch
Mondnacht
Leopold von Sacher-Masoch

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Olga war einige Zeit recht glücklich. Man glaubte es wenigstens und sie glaubte es selbst. Wie alle Frauen, stellte sie sich die Welt so zu ihrem Vergnügen eingerichtet vor, eine gute Tafel, schöne Kleider, Pferde und Wagen, auf dem Sopha liegen, rauchen, Romane lesen; und die Männer? – Die sind dazu da, dachte sie, unsere Freuden zu bestreiten, uns die Zeit zu vertreiben, dann allenfalls noch, um uns schön zu finden und auf den Knien anzubeten. So beiläufig floß auch ihr Leben dahin, ein Tag wie der andere. Dazu bekam sie Kinder, welche sie bald genügend beschäftigten. So fühlte sie sich durch Jahre hindurch ziemlich zufrieden. Sie kannte ja nichts Anderes. Ihr Herz war still und todt. Nur manchmal, wenn sie – was nur selten geschah – in Dichtern las, dämmerte es ahnungsvoll in ihrer Seele auf, eine unbestimmte Anwandlung, eine namenlose Sehnsucht, begann in ihr zu zittern, eine Unruhe, welche sie nicht verstand, trieb in ihrem Blute, fieberte bis in ihre Fingerspitzen.

Und doch wäre es immer so geblieben, wenn ihr Mann es verstanden hätte, ihrer Eitelkeit unausgesetzt Nahrung zu geben.

»Er glaubt es wohl nicht?«

Sie lachte schalkhaft und wendete sich zu mir, ihre Augenlider vibrirten, die Stimme, mit der sie sprach, war die eines zutraulichen Kindes, und trotz der geschlossenen Augen war es mir, als sehe sie mich durchdringend an, und ich mußte den Blick niederschlagen.

Olga erhob sich, schritt langsam, ohne daß ihre Füße den Boden zu berühren schienen, bis zu dem offenen Fenster, wo sie stehen blieb und gegen den vollen Mond blickte. Sie hatte den Kopf anmuthig zurückgebeugt, die Arme waren ihr herabgesunken, sie stand ganz in einem warmen dämmernden Lichtschein, Duft und Melodie der Nacht schwebten um sie, ein Luftzug zerstreute ihre Haare und nestelte an ihrem Gewande.

»Ich möchte fliegen,« sprach sie nach einer Weile mit dem Tone verschämter Sehnsucht. »Ist er schon geflogen?«

»Ich?«

Sie lachte kindlich. »Im Traume, nicht?«

»Im Traume wohl.«

»Dann kennt er dieses selige Gefühl, zu schweben in der stillen, klaren Luft, über uns ziehen die Wolken, und Meer und Land liegen in heiliger Dämmerung unter uns. Ich möchte fliegen!«

Sie breitete die Arme aus, und die weiten weißen Spitzenärmel ihres Gewandes flatterten wie glänzende Cherubimflügel an ihren Schultern.

Mir schien in diesem Augenblicke das Unmöglichste möglich. Ich hörte auf zu denken.

»Warum fliegst du nicht?« fragte ich.

»Ich könnte,« entgegnete sie mit unbeschreiblicher Trauer; »aber die Olga läßt mich nicht.«

Mir schauderte.

»Ein Bauer geht über den Steg jenseits des Waldes,« rief Olga plötzlich lebhaft, »er wird Schlingen legen, den Amseln, welche Olga so lieb hat. Hört er nicht?«

»Nein.«

»Es ist auch zu weit; – aber es ist doch so.« –

»Wirst du mir weiter erzählen?« fragte ich nach längerem Schweigen.

»Ja. Ich erzähle ihm gerne. Es wird mir so leicht. Ich schaue bei ihm alles so deutlich, und meine Lippen bewegen sich wie von selbst und sagen ihm, was vor meiner Seele steht.«

»Und wie ist es dir möglich, so im Zusammenhange, mit einer solchen Umständlichkeit zu erzählen?« sagte ich. »Wie kannst du alles so bis in das Kleinste schildern, jedes Wort, jeden Ton der Stimme, jede Bewegung, zugleich aufmerksam und gleichgültig, als wäre gar nicht von dir die Rede?«

Olga schüttelte den Kopf. Ein Lächeln flog über ihr Gesicht. »Es ist ja auch nicht von mir die Rede,« sprach sie naiv, »sondern von der Olga. Ich sehe die Olga wie ich andere Menschen sehe, und alles so, als geschehe es eben jetzt. Er kann mich nicht verstehen. Raum und Zeit sind mir verschwunden, und ich habe Vergangenes und Zukünftiges wie gegenwärtig vor mir. Und ich sehe alles zugleich. Wenn ich Olga sehe, wie sie in die Polster ihrer Ottomane und einen französischen Roman versunken ist, so sehe ich zugleich, wie ihr Athem den Marderpelz an ihrer Jacke sträubt, ich sehe die goldgrüne Fliege, die um Olga's Locken schwebt, und die Spinne, die an der Decke auf sie lauert.«

Olga lehnte sich an den Fensterpfeiler zurück, die Arme im Nacken verschlungen.

»Soll ich erzählen?«

»Ich bitte dich.«

»Es ist so traurig, was ich jetzt sehe« fuhr sie fort; »Olga ist nicht mehr glücklich. –

Ihr Gatte liebt sie und bewacht sein Glück mit grenzenlosem Mißtrauen; er will sein Weib ganz nur für sich, für sich allein. Er hat alle Freunde vertrieben; er duldet keine fremden Unterröcke in seinem Hause, wie er sich ausdrückt, er haßt das viele Wortmachen über Menschen und Dinge, Bücher und Politik mit Leuten, die wir nicht verstehen und die uns nie verstehen werden. Er selbst lebt nur seinem Weibe, seinen Kindern, er arbeitet für sie, er sucht sie zu unterrichten, zu unterhalten.

Aber seinem jungen Weibe beginnt es in dem dämmerigen Edelhofe mit den düsteren Pappeln furchtsam einsam zu werden. Ein Stachel sitzt ihr in dem stolzen, eitlen Herzen und sie drückt ihn immer tiefer, und sie verwundet sich immer unheilbarer.

Man nannte sie einst die beste Tänzerin, es schmeichelte ihr; wenn man sie jetzt daran erinnert, thut es ihr nur weh. Mit wem soll sie tanzen? Manchmal nimmt sie ihr jüngstes Kind auf den Arm, hüpft mit ihm herum und trillert, dann schießt ihr auf einmal das Wasser in die Augen.

Sie zeichnet nach der Natur, sie combinirt und erfindet, skizzirt Scenen aus Büchern, die sie zusammen lesen. Ihr Mann sieht dieselben lange prüfend an und sagt dann nur: »Es ist gut. Ich hätte es aber so gemacht.« Und je mehr er das Rechte trifft, um so empfindlicher wird sie. – Dann sitzt sie am Clavier, sie spielt Mendelssohn, Schumann, Beethoven, für wen? sie singt Lieder von Schubert, das herrliche Ständchen, wer hört zu? – Vielleicht bleibt ein Bauer, der vom Felde heimkehrt, unter ihrem Fenster stehen, vielleicht ist ihr Mann vom Vorwerk zurück und raucht auf dem Divan seine Cigarre.

Sie ist schön, und als Frau wird sie immer schöner. Ihr Gesicht ist geistiger, charaktervoller, harmonischer geworden, ihre Formen entwickeln sich wahrhaft königlich. Für wen? Ihr Spiegel sagt es ihr, sonst Niemand. Dem Manne fällt es nicht ein. Ist seine Liebe, seine volle Hingebung nicht Huldigung genug?

Sie kleidet sich geschmackvoll. Für wen? für das Bauernweib, das ihr Schwämme bringt? für den Heger, der dem Herrn die geschossenen Wildenten nachträgt? für die Amme ihrer Kinder? für den Gatten, in dessen Augen sich das Alles von selbst versteht? Er hat sie ja theuer genug bezahlt mit seinem Vermögen, seiner Freiheit, er will ein schönes Weib und er liebt ein prächtiges Behagen in seinem Hause und an ihr. Es ist ihre Pflicht, schön zu sein, es ist kein Verdienst, wenn sie ihre Reize durch ihre Toilette erhöht.

Sie sitzt vornehm zu Pferde, setzt kühn über Gräben und Hecken, wer bewundert sie? Ihr Mann gewiß nicht, der würde sie ja verachten, wenn sie feig wäre. Im Gegentheil; er erinnert sie an ihre Kinder.

So hat sie das Gefühl wie ein Schauspieler, der ohne Publikum spielen soll, und knirscht endlich vor Wuth mit den Zähnen und weint in schlaflosen Nächten in ihre Polster hinein.

Ihr Mann bemerkt einmal eine Wolke auf ihrer Stirn, die nicht so rasch weichen will. »Du bist so trüb gestimmt,« sagt er nach einiger Zeit. »Ich habe auf etwas Neues gedacht, was dir Vergnügen machen könnte. Er lächelte und brachte Olga eine allerliebste kleine Flinte, welche eben auf seine Bestellung aus der Stadt gekommen war. »Du sollst schießen lernen und mit mir auf die Jagd gehen. Willst du?«

In dem Augenblick war alles vergessen. Olga jubelte an seinem Halse und küßte seine harten Wangen. »Ich will es gleich lernen,« rief sie, »heute noch.«

»Heute noch, sobald du es befiehlst.« Mihael war immer sehr galant.

»Noch diesen Vormittag,« bat Olga.

»Gewiß, kleide dich nur an.«

»Oder jetzt – jetzt gleich,« – sagte sie schüchtern, »aber du wirst keine Zeit haben.«

»Für dich habe ich immer Zeit,« sprach ihr Mann, indem er sie auf die Stirn küßte. Olga schloß ihren weißen Morgenanzug mit einer Nadel über der wogenden Brust und hüpfte dann an seinem Arme die Freitreppe hinab. Es war ein frischer warmer Junivormittag, die trockene Luft mit balsamischem Heugeruch erfüllt, die Erde schwamm in heißem gelben Sonnenlicht und kräuselte sich leise in kleinen weißen Wolken. Auf der Straße, welche an dem Edelhofe vorüber führte, badete eine lärmende Bande fröhlicher Sperlinge im Staube.

Mihael besah die kleine Flinte, legte an und zielte, dann gab er sie Olga in die Hand und an die Backe und legte ihr sanft den Finger auf den Drücker. Olga zielte auf einen Apfel, der aus dem grünen Laube blickte, dann auf eine Schwalbe, die an der Erde dahinschoß. »So! jetzt sieh zu, wie ich lade.« Olga folgte mit gespannter Aufmerksamkeit der Patrone, dem Ladstock. »Jetzt setzest du die Kapsel auf. Vorsichtig. – Nun spanne den Hahn. – Gut. – Nimm dir den Apfel dort zum Ziele.« Olga nahm das Gewehr an die Backe.

»Höher.«

Der Schuß krachte, die Blätter flogen. »Nun lade selbst. Es wird das nächstemal besser gehen.«

Olga ergriff die kleine Patrone, schüttete das Pulver in den Lauf, setzte den Pfropf fest auf, den Vogeldunst, die Kapsel.

»Siehst du die Sperlinge dort auf der Straße?« fragte Mihael, der spähend umhergeblickt hatte.

»Ja.«.

»Nun, so versuche dein Glück.«

Olga besann sich nicht lange und zielte auf sie. Die kleinen Schreier schwammen sorglos mit ausgebreiteten Flügeln in dem feinen, weißen, warmen Staube, tauchten unter und kamen wieder mit grauen Köpfen lärmend hervor, flatterten auf, zankten, schnarrten, kollerten possirlich durcheinander.

Jetzt blitzte der Lauf. Ein Schrei von mehr als zwanzig kleinen Kehlen, ein dichter Schwarm erhob sich schwerfällig, flog gegen die Hecke und ließ sich auf derselben nieder, so daß sich die hohen Zweige derselben bogen. Olga jubelte auf und lief hin. Da lagen fünf der kleinen Wichte zerschossen auf dem Boden. Ihr Blut färbte den Staub. Einer zappelte noch, drehte sich wie im Kreisel und lag dann auch ausathmend neben den anderen. Olga nahm sie rasch in ihr Morgengewand und flog zurück. »Ich habe fünf erschossen, fünf!« rief sie mit kindlicher Ausgelassenheit, »da sind sie.« Sie sprang die Freitreppe empor, legte sie auf dem Geländer neben einander in Reih und Glied, wie man auf dem Schlachtfelde die Leichen der gefallenen Soldaten zusammenträgt, ehe man sie begräbt, und betrachtete sie mit einer großen Genugthuung.

»Fünf auf einen Schuß,« sagte sie noch immer heiter, »das war ein guter Schuß.« Mihael lud die Flinte von Neuem.

Olga war indeß still geworden. Sie stützte den Kopf in die Hand, blickte starr auf die kleinen Todten und langsam fielen ihr große, helle Thränen auf sie herab.

»Was hast du?« rief ihr Mann. »Ich glaube, du weinst!«

Olga begann zu schluchzen. »Die armen Thiere,« rief sie, »wie sie traurig da liegen, die Federn mit Blut verklebt, mit gebrochenen Augen, noch warm, was haben sie uns gethan? sie haben gewiß Junge im Neste, die auf sie warten und verhungern können, und ich habe ihnen das Leben genommen und kann es ihnen nicht zurückgeben! Daran ist nur unser verfluchtes Leben schuld, diese Einsamkeit, so wird der Mensch aus lauter Langerweile ein Raubthier.«

Ihr Mann lachte. Sein Gelächter klang ihr in diesem Augenblicke entsetzlich roh und bäuerisch.

»Du willst mich nicht verstehen,« rief Olga, »so muß ich noch deutlicher mit dir reden. Ich habe es lange auf dem Herzen. So kann es nicht bleiben, außer du willst mich opfern. Du jagst alle Menschen aus meiner Nähe, du sperrst mich ein, jedes Bauernweib hat mehr Freiheit. Ich kann nicht mehr, ich verzweifle, ich werde krank oder wahnsinnig.« Sie brach neuerdings in ein krampfhaftes Schluchzen aus.

Ihr Mann schwieg, schoß die Flinte aus und ging dann ruhig hinauf in das Zimmer. Sie folgte ihm und stellte sich mit auf der Brust gekreuzten Armen an das Fenster. »Du sprichst kein Wort,« sprach sie nach einer Weile, »ich verlohne dir wohl nicht der Mühe!«

»Ich spreche nie, ohne vorher zu denken,« entgegnete ihr Mann. »Hast du auch bedacht, was du mir gesagt hast?«

»Bedacht?« rief Olga, »ich habe Nächte lang geweint, zu Gott gebetet, er soll mich erlösen.«

»Da muß geholfen werden,« sprach ihr Mann trocken.

»Nun, so hilf!«

»Du fühlst dich in deinem Hause, bei unserem einsamen Leben nicht glücklich?«

»Nein.«

»Du erträgst es nicht?«

»Nein.«

»Nun, so sollst du leben, wie es dir Vergnügen macht. Empfange Besuche, lade deine Freundinnen, fahre zu den Nachbarn, tanze, reite, jage mit den Anderen. Ich habe nichts dagegen.«

»Ich danke dir,« sagte Olga beschämt.

»Danke mir nicht,« erwiederte ihr Mann ernst.

»Du bist böse,« sagte sie besorgt und trocknete ihre Thränen.

»Ich bin nicht böse,« entgegnete er, nahm sie beim Kopf, küßte sie, setzte sich zu Pferd und ritt nach dem Holzschlag. –

Olga kehrte nun in kurzer Zeit das ganze Haus um. Der Kreis von Kolomea schien bald nur eine Gesellschaft, einen einzigen großen Salon zu bilden, in dem man sich auf das Vornehmste amüsirte und als dessen Mittelpunkt die junge schöne Frau erschien, welche das neue Leben gierig, mit vollen Zügen einsog.

Der einsame Edelhof bekam auf einmal Ton und Farbe, sogar die großen Pappeln schienen freundlicher zu rauschen. Die Wiese schimmerte von hellen Frauengewändern, bunte Reife und Federbälle stiegen in die Luft, muthwilliges Lachen tönte durch den Garten.

Langsam rötheten sich die Blätter der Bäume. Der Wind strich kräftig durch die Stoppeln, Sommerfäden flatterten wie kleine Flaggen an den kahlen Büschen, Kraniche zogen im Dreieck gegen Süden. Ueber das Blachfeld sprengt Olga auf dem milchweißen Ukrainer, im fließenden Gewande, die wogende Feder auf der coquetten Mütze. Die jungen Gutsbesitzer, die Frauen in phantastischen Costümen folgen ihr auf muthigen Pferden. Das Jagdhorn schallt. Der Hase hebt im Krautfeld seine langen behaarten Ohren, setzt sich erstaunt auf und flieht dann zum Walde. Der Fuchs stößt eine heiseres Gebell aus und schlägt sich durch die Büsche seitwärts. –

Dann wird der Himmel immer grauer, nebelhafter, die Raben kreisen um die alten Pappeln, Nachts leuchten die Augen des Wolfes wie grüne Flammen hinter dem Zaun. An einem kalten sonnigen Morgen liegt die weiße Decke dicht und flaumig auf der weiten Ebene, kleine Diamanten kleben an den Fenstern, es tropft von Bäumen und Dächern, die Sperlinge schreien auf der Tenne. Noch ein paar Wochen, dann bleibt der Schnee liegen, der Schlitten mit dem verstaubten Schwanenkopf wird aus der Remise gezogen, die Bärenfelle pfeifen unter dem dünnen Rohr des Kosaken. Das Feuer knistert in den mächtigen Renaissanceöfen. Von allen Seiten schießen die Schlitten wie Raubvögel auf den gastlichen Edelhof zu, die Glöckchen klingen weit über die Fläche, im Vorsaal thürmen sich Pelze auf Pelze, die Damen schlüpfen aus den warmen, weichen Hüllen in den kleinen Salon und zünden ihre Cigaretten an, die Herren ziehe mühsam Glacéhandschuhe über die erstarrten Finger. Jetzt setzt sich Jemand an das Clavier, ein paar Takte, schon stehen die Paare zum Tanze gereiht. So geht es von Woche zu Woche, von Edelhof zu Edelhof. Die Spieltische werden nicht mehr zugeklappt, die langen Pfeifen dampfen, die geleerten Flaschen stehen in den Kellern in großen Quarrées, wie die alten Garden bei Waterloo.

Und wenn Olga, im fahlen Frühlicht, in den dunklen Pelz von sibirischem Zobel, die weichen Felle ihres Schlittens versunken nach Hause zurückkehrt, da reiten vor ihr Kosaken mit Fackeln, von denen das Pech unausgesetzt in den zischenden Schnee träufelt und alle Schlitten geben ihr das Geleite wie einer Herrscherin.

Und sie gebietet auch unumschränkt in dem lustigen Kreise, sie glänzt, sie siegt, sie ist glücklich. Man nennt schon den und jenen, der ihr sein verliebtes Confect besonders graciös und originell zu präsentiren weiß und dafür die Gunst genießt, ihr die Pelzschuhe an- und auszuziehen oder den Steigbügel zu halten, ihren Geliebten, während sie ihrem Manne die Treue noch kaum mit einem Worte, kaum mit einem Blicke verletzt hat. Sie hat ihren Gatten nie freundlicher behandelt sie sucht ihn durch hundert kleine Zärtlichkeiten zu entschädigen; aber das Geflüster der Gesellschaft, der Nachbarn, der Dienstleute drang auch zu seinem Ohr. Er vertraute seinem Weibe, aber er hielt auf Ehre und jeder Tropfen Verleumdung, der auf Olga spritzte, fraß wie Gift in seiner Seele.

Er wurde immer stiller, immer kälter. Wenn Jemand kam, ging er leise zur Hinterthür hinaus. Immer seltener begleitete er seine Frau auf ihren Ausflügen. Im Frühjahr gründete er mit mehreren russischen Gutsbesitzern einen ökonomischen Klub und nahm eine Reihe von Verbesserungen auf seinem Gute vor, hielt mehrere Zeitungen, kaufte viel Bücher, begann die Bauern an sich zu ziehen und besuchte Dorfschenken, da er daran dachte, sich in den Landtag wählen zu lassen. Als die Ernte vorüber war, ging er viel auf die Jagd, allein, nur mit dem Hunde. Oft kam er erst tief in der Nacht nach Hause. Olga war zu Bett, aber sie schloß kein Auge und erwartete ihn mit klopfendem Herzen. Er aber dachte, sie schlafe und ging still in sein Zimmer. Und nie hatte er sie so sehr interessirt, wie gerade jetzt. Alles, was er that, gewann für sie eine größere Bedeutung. Wenn er fort war, sah sie die Zeitungen an, die er gelesen hatte und blätterte in seinen Büchern.

Jetzt begann sie zu ahnen, was Liebe ist und sie fühlte, daß sie ihren Mann lieben könnte.

Dann, wie sie ihm so wenig war, daß er ganze Stunden mit Bauern sprechen konnte, welche ihn besuchten und einen abscheulichen Juchtengeruch verbreiteten, für sie dagegen kaum ein Wort fand; als sie lange Abende neben ihm saß, ohne daß er aus seinem Buche aufgeblickt hätte; als er zu Bette gehen konnte, ohne sie zu küssen, da verlangte sie mit einer Art Heftigkeit nach seiner Liebe. Sie ersann reizende Negligées, sie coquettirte mit ihrem Manne wie mit einem ihrer wahnsinnigsten Anbeter. Er mußte sie lieben, sie wollte, daß er sie liebe.

Alles versuchte sie und kam auf ein verzweifeltes Mittel.

Sie beschloß, ihn eifersüchtig zu machen.

Aber wo war der zu finden, welcher die Eifersucht des kühlen, klugen, sicheren Mannes erregen konnte! Olga suchte vergebens, sie fand keinen Würdigen. Unruhig trieb sie sich in der Gesellschaft, im Hause umher.


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