Leopold von Sacher-Masoch
Der Capitulant
Leopold von Sacher-Masoch

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Alle, die Wache hielten, sprachen leise, ernsthaft; nur der Jude schwatzte.

»Ich wüßte eine Frau für Euch,« neckte er den verabschiedeten Soldaten, »eine hübsche Wittwe, ich weiß, Ihr haltet darauf, wirklich hübsch und eine große Wirthschaft, was auch hübsch ist. Was meint Ihr? Sie hat auch schon nach Euch gefragt!«

Er sah Alle im Kreise der Reihe nach an, aber keiner beachtete ihn. Leb Kattun schien jetzt erst recht gesprächig werden zu wollen. Er bürstete Balaban mit der Hand den Rücken und rief. »Gott, Gerechter! Ihr wollt ja kein Weib!«

Er kniff dabei ein Auge ein und blickte pfiffig auf die Bauern.

»Er hat es geschworen, so ein Mann, er hat es geschworen, er nimmt kein Weib!« –

Der Capitulant sah ihn über die Achsel an, daß der Jude hustend zum Schlitten ging und sich, den Rücken gegen das Bauernvolk, auf den Bock setzte. Hier schlenkerte er eine Weile mit den Beinen, rechnete, betete und schlief endlich ein. Wie er die Absätze tactvoll an das Holz schlug, hatte er den Hund geweckt.

»Ruhig Pollak!« sagte der Knabe.

Der Fuchskopf sah auf den Capitulanten und als der schwieg, stand er auf und ging, die Hinterfüße nachdehnend, zu mir, beroch mich, ging zu dem Schlitten, beroch die Pferde. Sie senkten die Köpfe zu ihm hinab, er hob die Schnauze zu ihnen, leckte ihnen den gefrorenen Dunst vom Maul, wedelte und winselte freundlich. Jetzt hob er die Nase, zog an und schritt feierlich zu dem Juden, beschnüffelte ihn, drehte sich sofort um, und hob den Fuß – Dann kam er gegen die kalte Luft, nieste und zog sich eilig an das Feuer zurück, wo er seine Nase in der warmen Asche begrub. –

»Dort kommt ein Mann über den Schnee herüber gelaufen,« rief plötzlich der Bauer, welcher an der Waldecke Wache hielt und deutete hin. Wir blickten Alle hinüber, nur der Capitulant blieb stille sitzen.

»Was wird es geben,« sprach er ruhig, kehrte den Kopf etwas hin und lächelte. »Kennt Ihr ihn nicht?« –

»Ah, das ist ja der Kolanko,« versicherte der Pappendeckelmann in weinerlichem Ton. Dabei kratzte er sich hinter dem Ohre und sah sehr unglücklich aus.

»Der hat uns noch gefehlt,« rief vorwitzig der Knabe Jur, die Arme wichtig auf der Brust verschränkt.

Der Capitulant machte eine verächtliche Bewegung mit der flachen Hand nach abwärts und wendete sich zugleich zu mir.

»Sie müssen wissen, Herr,« sprach er ernst, »das ist ein alter Mann von mehr als hundert Jahren, ein seltsamer Mann, ein erfahrener Mann, ein kluger Mann, nur etwas schwatzhaft, kindisch jetzt, er lacht ohne Ursache und weint auch wohl ohne Ursache. So kindisch wie man halt mit hundert Jahren ist.«

Da war er selbst und überhob den Capitulanten jeder weiteren Erklärung; ein kleines flinkes Männchen mit schlotterigen Beinen und Armen, eingefallener Brust, trockenem gelben Halse, einem alten gelben Gesichtchen, an dem nichts mehr lebendig war, als die grauen kleinen Augen, welche tief in ihre Höhlen zurückgesunken, um so eifriger Alles zu durchdringen und einzusaugen schienen.

Er hat tüchtige Stiefel, warme Beinkleider, einen langen schmierigen Schafpelz, eine Mütze aus einem dreifarbigen Katzenbalg, und hielt einen rothgestreiften Federpolster wie ein Kind in den Armen und so rasch sprach er mit seinem zahnlosen Munde, daß man ihn nicht immer verstehen konnte.

»Hab' ich euch, ihr Aalfische!« rief er zuerst kichernd, hierauf beklagte er sich über Etwas, was mir entging, später hörte ich, wie er den Capitulanten lobte.

Zu ihm setzte er sich dann auch, und sah Jedem einige Zeit ins Gesicht, der Reihe nach wie wir am Feuer saßen, bis er zu mir kam, da reckte er den kleinen zusammengeschrumpften Hals aus, zog die Augenbrauen empor, stand auf, verneigte sich dreimal und setzte sich wieder.

»Der gnädige Herr wird nicht wissen, was er aus mir machen soll,« kicherte er und schluckte wieder einige Worte hinab. »Sehen Sie, ich bin ein alter Mann, dem Alle gestorben sind. Wie Sie mich da sehen, bin ich allein wie das Kind im Mutterleibe. Voriges Jahr habe ich noch einen Raben gehabt, der, meinte ich, würde mit mir aufwachsen, es hat ihn aber auch beim Flügel erwischt. Nun ist in meiner Hütte Keiner, als ich. Wer will bei einem alten Manne bleiben? – Und dann ich selbst schlafe auch nicht. Das ist so eine Sache, wenn man alt ist. Es fällt einem Vieles ein. Ich fürchte mich allein in der Nacht, ja – ja,« er lachte, so daß die Luft ihm durch die Nase pfiff. »Da bekommt der Nebel Füße und der Schnee Hände, mit denen er an Fenster und Thüre klopft, und der Mond ein Gesicht und Augen, große Augen wie ein Verrückter, und fragt allerhand, der Narr, was unsereins nicht beantworten kann!«

Er spuckte kräftig aus.

»Sehen Sie, da stehle ich mich jederzeit fort, Herrchen, und laufe hin, wo ich weiß, daß Leute sind.«

Der alte Mann unterhielt mich.

»Unter Menschen ist es Euch also wohl?« fragte ich.

»Eigentlich langweile ich mich da vielerseits.«

Der Pappendeckelmann sah ihn entrüstet an.

»Nun ich sage ja gar nichts,« fuhr Kolanko fort. »Aber es gibt nichts, was ich nicht schon gehört hätte. Ich weiß Alles. Alles. Und wenn einmal etwas Neues dabei ist, was liegt etwa daran, daß Iwan es etwas dümmer angestellt hat als Basyl, da er seines Freundes Frau verführen wollte. Geht mir. Ihr seid auch solche Neulinge. Der Capitulant ist der Einzige, dem es noch der Mühe werth ist, zuzuhören, deßhalb bin ich zu Eurem Feuer gelaufen.«

»Also langweilt Euch das Leben,« sagte ich etwas neugierig.

»Allerdings.«

»Und wünscht Ihr Euch den Tod?«

»Den wirklichen Tod? Ja.«

»Was nennt Ihr den wirklichen Tod?«

»Einen Tod, Herr, der ausgibt, der einen lebendigen Mann todt macht für immer, nicht aber, daß er eine Weile in der Erde liegt und dann seine Glieder zusammensuchen kann und von vorne anfangen..

»Er fürchtet das ewige Leben,« sprach der Pappendeckelmann, den Kopf zu mir neigend.

Wir sahen Alle den Alten an. Ich war gespannt, ihn zu hören; denn unsere Bauern sind, ohne je ein Buch gesehen, einen Federzug gemacht zu haben, geborene Politiker und Philosophen. Es ist orientalische Weisheit in ihnen wie in den armen Fischern, Hirten und Straßenbettlern von Tausend und einer Nacht, bei denen Harun al Raschid einkehrt. Ich erwartete zu hören, was man nicht alle Tage hört und weder in Hegel noch Moleschott liest.

»Was habt Ihr denn eigentlich an diesem Leben?« sprach der Alte leise und deutlich, »Ihr Neulinge, Ihr könnt so wünschen fort zu leben, Ihr jungen Leute. Einer, der wie ich Alles gesehen hat, was ein Mensch sehen kann, Alles erfahren, Alles gelitten hat, was ein Mensch nur leiden kann – der freilich« – er versank in Nachdenken.

»Das ewige Leben müßte gewiß entsetzlich langweilig sein,« sagte er hierauf, »aber ich kenne Etwas, was mir noch furchtbarer wäre.«

»Das wäre?« –

»Wieder geboren zu werden.« Er lachte laut.

»Das ist mir wahrlich noch nie eingefallen,« sagte der Pappendeckelmann bedächtig, »der alte Mann hat Recht.«

Der Capitulant starrte in das Feuer mit verglasten Augen wie ein Erfrorener. Der Alte stieß ihn mit dem Ellenbogen.

»Nun, was sagst du?«

»Gott soll mich bewahren,« sprach ernst der Capitulant. »Ich will nicht wieder geboren werden!« »Sehen Sie also, Herrchen,« begann der Alte wieder, »ich denke mir etwa: du langweilst dich so genug mit deinen hundert Jahren im Leibe, aber es nimmt einmal ein Ende. Wenn du dich aber im ewigen Leben zu langweilen beginnst, da gibt es keine Rettung. Nehmen wir an, Leute! das wäre wirklich Alles so mit dem Himmelreiche. Also gut. Anfangs Herrchen, wäre Alles so zu sagen angenehm, es fehlte nicht an spassigen Gesprächen, erzählt mir der heilige Sebastian, wie die Türken auf ihn mit gefiederten Pfeilen geschossen und ihn angenagelt haben wie eine Eule, wie er aber nicht ganz todt war und eine Wittwe ihn gerettet hat in ihr Haus und wie er dann wieder dem Heidenkaiser entgegen ging und sagte: du Hundsblut! und dann noch einmal erschlagen wurde. Dann erzählt mir der heilige Bischof Polykarp von der tüchtigen Antwort, die er einem Heiden, so einem römischen Feldmarschalllieutenant gab und wie er dann auf dem Scheiterhaufen gebraten wurde und der heilige Vincenti beschreibt mir, wie er auf den schneidenden Scherben gebettet war. Aber endlich erzählt mir der heilige Sebastian zum tausendstenmale von den Pfeilen, und der heilige Vincenti zum tausendstenmale von den schneidigen Scherben und dann – nicht schlafen können! Im Schlafe ist der Mensch doch für einige Zeit todt. Und dann kann man doch gähnen, aber der Teufel weiß, ob die reinen Geister auch gähnen können.«

»Ihr seid munter,« sagte ich, »glaubt Ihr, daß Ihr es noch weit bringt über hundert?«

»Ja, leider, leider,« entgegnete er. »Wenn man so hundert Jahre geschaut hat, Herrchen, wie es aussieht in diesem Leben, hat man allenfalls genug. Man möchte lange, lange schlafen und wenn es sein könnte, nicht mehr aufwachen.«

Er versank in Gedanken und schaukelte seinen Federpolster vor sich hin. »Mit dem Himmel, Herrchen, kann das nur ein schlechter Spaß sein. Sehen Sie, dahier muß Alles was lebt, so Thier als Mensch, wie verzweifelt thun, nur um weiter zu leben und Eines mordet das Andere, und Eines lebt vom Anderen, und da drüben sollten so viel Faullenzer gefüttert werden? Wenn es ein ewiges Leben gibt, Herr, so heißt es dort wieder arbeiten, entbehren, leiden. Man sollte beten statt: Erlös uns von dem Uebel – erlös uns von dem Leben.«

»Glaubt Ihr an kein zweites Leben?« fragte still der Capitulant; seine Stimme zitterte bei der Frage.

»Ich sage gar nichts,« erwiederte Kolanko, indem er mit dem Finger in seiner Nase herumstocherte. »Die heilige Schrift aber ist ein Buch, das Gott selbst geschrieben hat. Der Diak wird's doch wissen. Sagt der Diak, kommen Stellen vor, man sieht, der liebe Gott hat es damals noch selbst nicht gewußt, ob es ihm gelungen ist, die Menschenseele unsterblich zu machen. Da steht geschrieben: Es geht dem Menschen wie dem Vieh, wie dies stirbt, so stirbt er auch, und haben alle einerlei Athem, und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh. Nun seht Ihr, der liebe Gott wird's doch wissen. Und dann steht geschrieben: Es fährt Alles an einen Ort, es ist Alles von Staub gemacht und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Geist des Menschen aufwärts fahre und der Athem des Viehs unterwärts unter die Erde fahre. Darum sah ich, daß nichts Besseres ist, denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, das ist sein Theil, denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird. – So steht es geschrieben, Wort für Wort.«

»Nichts Besseres, als daß der Mensch fröhlich ist bei seiner Arbeit,« rief der Capitulant. »Seine Pflicht muß man thun. Das ist das Beste. Was will man sonst auf dieser Welt?«

Mich beschäftigte der Alte vorläufig mehr als der Capitulant.

»Hört, Freund,« wendete ich mich zu ihm. »Ihr habt also den Wunsch für immer zu sterben, und der Tod flößt Euch nicht die mindeste Furcht ein?«

»Doch! doch! Herrchen,« nickte er kichernd, »ich fürchte mich ganz entsetzlich vor dem Tod.« –

»Wie das?« –

»So zum Beispiel; wie ich da lebe, habe ich doch eine Hoffnung, es nimmt einmal ein Ende; ist das wahr?«

Es war mir, als blicke er mir dabei mit seinen kleinen grauen Augen bis in die Tiefe der Seele hinein.

»Wenn aber der Tod kommt, dieser Augenblick, auf den ich mehr als hundert Jahre so schwer warte und ich lebe dann weiter... dann ist Alles aus.« Der ganze Kreis lachte.

»Ich bitte den Herrn!« fuhr der Alte schnell fort, »sehen Sie mich an. Ich bin ja kein verzweifelter Mensch, so ein abgewirthschafteter Bauer etwa oder ein Winkelschreiber; aber das Leben ist mir verdrießlich, so recht widerwärtig; wissen Sie, das ist eine Entdeckung, die jeder bald gemacht hat, wenn er sich nur das Bischen Gefallen erweist, über sich nachzudenken. Wenn die Leute einen Selbstmörder finden, allenfalls erhängt, da wundern sie sich – »Wie mag's dem gegangen sein?« – Wie? – es ist ihm eben nicht gegangen

Einen Augenblick war es ganz stille, das Feuer arbeitete und der Rauch wälzte sich träge gegen das Birkenwäldchen. Der Wind hatte sich ganz gelegt.

Der hundertjährige Mann blickte seitwärts auf den Capitulanten.

»Da ist auch so Einer,« sprach er leise. »Nicht?«

Dem Capitulanten war das Haupt bis auf die Brust herabgesunken, er schwieg.

»Aber erzähl' etwas, Balaban!«

»Erzählt uns, Freund,« sagte ich. »Man sagt, daß Ihr gut erzählt.«

Der Capitulant lächelte trübselig.

»Soll ich ein Märchen erzählen?« fragte er zuvorkommend.

»Nein, Etwas was Euch selbst begegnet ist.«

Der Alte nickte zustimmend.

»Ja, er weiß mehr als mancher Mann,« stieß er heiser heraus.

Der Capitulant fuhr mit der Hand leise über die Stirne.

»Was soll ich erzählen?« –

Der Pappendeckelmann reckte seinen Hals gewaltig aus und blinzelte verdrießlich mit seinen winzigen Augen.

»Was war das, was der Jude vorhin gemeint hat?« sagte er.

»Ach, so eine Historie,« entgegnete der Capitulant leise, sein Blick versank in das Feuer, eine stille unsäglich rührende Trauer lagerte sich auf seinem Gesichte.

»Eine Historie?« fragte Kolanko begierig.

»Nun so eine Historie, wie viele Historien sind,« murmelte der Capitulant.

»So,« sagte der Greis.

»Alte Historien und nicht eben unterhaltend.«

»Es ist eine Liebesgeschichte,« fügte der Pappendeckelmann schamhaft mit halber Stimme hinzu und blickte von unten wie furchtsam auf den verabschiedeten Soldaten.

»Gewiß etwas ganz Kurioses!« rief Kolanko.

»Auch nichts Kurioses,« sprach der Capitulant. »So – was alle Tage begegnet. Ich will – auch weil der Herr da – es ist besser vom ungarischen Krieg zu erzählen. Wir marschirten also –«

»Du wirst uns doch nicht wieder von Dukla nach Kaschau marschiren lassen,«Der erste Marsch des Schlick'schen Corps im ungarischen Winterfeldzuge. unterbrach ihn der Alte. »Jetzt wäre es das siebentemal, ich denke, da möchtest du doch etwas Anderes –«

»Erzähle nur die Historie,« begann der Pappendeckelmann.

»Was für eine Historie?«

»Nun von der Katharina vom Baran drüben, von der gnädigen Frau,« sagte der Pappendeckelmann nicht eben laut, aber mit einer eigenen bitteren Art Verachtung, und zugleich loderte etwas von der Feindseligkeit unseres Bauers gegen den Adel in seinem Auge auf.

»Habt Ihr sie gekannt?« fragte der Capitulant ohne aufzublicken. Dann schwieg er.

Keiner wagte das Wort zu nehmen.

»Ich habe sie gekannt.«

Seine Stimme zitterte so traurig wie der letzte Ton unserer Volkslieder. Er hob langsam den Kopf, seine Augen standen jetzt groß, ruhig, visionär in seinem bleichen Gesichte.

»Jetzt wird er erzählen,« flüsterte Mongol und stieß den Pappendeckelmann sanft in die Seite.

Alle setzten sich in Positur, um ihm behaglich zuzuhören. Mrak, welcher wie eine ordentliche Wache auf- und abging, hielt inne und stützte sich auf die Sense.

»Wie war das gleich, als ich sie das erstemal traf?« begann der Capitulant. »Richtig, es war in den Erlenbüschen bei Tulawa, sie suchte Haselnüsse dort und hatte sich einen Dorn, einen langen scharfen Dorn, wißt Ihr, in den Fuß gestoßen, saß nun da am Rain und weinte, und wie ich das hübsche Mädchen da sitzen sah und so bitterlich weinen, da wurde mir leid um sie. Nun da bleib ich denn stehen und fragte sie: »Was hast du?«

Sie gab keine Antwort, zog nur wieder so an dem Dorn und schluchzte noch stärker. Jetzt merkte ich, was meinem Vogel fehle, hockte mich zu ihr nieder und sagte: »Warte, ich werde dir schon helfen.« Sie hörte zu weinen auf, ließ mir ohne weiteres ihren Fuß und blinzelte seitwärts nach mir hin. Ich hatte ihn sogleich, den Dorn, wißt ihr, und wie ich ihn herauszog, zischte sie nur ein klein wenig durch die Zähne, dann riß sie ihr Kopftuch über das Gesicht herab, sprang auf und lief davon, ohne sich zu bedanken.

Wenn sie mich nach dieser Historie nur von weitem sah, floh sie euch wie vor einem Unthiere, einem Hajdamaken. Und mir war es wieder recht, wenn ich sie irgendwo fand.

Einmal kam ich mit einer Fuhre zurück vom Markte, hatte schwer geladen und ging neben den Pferden, da stand sie hinter dem Zaune, und wie ich sie bemerkte, duckte sie schnell herab und blitzte mit ihren schwarzen Augen durch die Weidenruthen auf mich wie eine Katze.

»Warum versteckst du dich, Kasja,« rief ich, »ich thue dir nichts.« Zugleich hielt ich die Pferde an.

Das Mädchen blieb euch aber stille.

»Nun, was bildest du dir ein,« sprach ich weiter, »und läufst immer fort. Ich laufe dir nicht nach.«

Darauf kam sie wieder zum Vorschein, hielt den Arm vor die Augen und lachte, die Spitzbübin. Ach! was hatte sie für ein liebes Göschchen und diese Zähne, wie weiße Korallen!

»Ihr fahrt vom Jahrmarkt, Balaban,« sprach sie verschämt. –

»So ist es, Katharina,« erwiederte ich artig.

»Ach! könnte ich so in der Welt herumlaufen wie Ihr,« sagte sie.

»Wo würdet Ihr allenfalls hinfahren, Katharina?«

»Nun, auf den Jahrmarkt, meine ich, und alle Städte müßte ich sehen und das schwarze Meer, zuerst aber Kolomea,« entgegnete sie mir.

»Ihr wart noch nicht in Kolomea?« fragte ich.

»Niemals.«

»Niemals?«

»Ich habe noch keine Stadt gesehen,« fuhr sie fort und sah mich jetzt auch beherzt an. »Ist es wahr, daß dort zwei, drei Häuser aufeinander stehen? und die Edelleute fahren in Kästen herum? die vier Räder haben? und ein Haus gibt es voll von Soldaten?«

Ich erklärte ihr das alles und sie fragte allerhand spassiges Zeug, sie verstand es damals nicht besser. Ich mußte lachen, so ein Unsinn! Bei Gott! Sie sah mich erschrocken an und barg dann wieder schnell ihren Kopf unter dem Arm, wie ein Hühnchen. Die Sonne ging eben unter, ich sehe heute noch alles ganz deutlich, die Straße, den Zaun, das hübsche Mädchen. Der Himmel war hinter ihr wie ein ausgespanntes, brennrothes Tuch. Ich konnte nicht hinsehen, griff mit einer Hand am Wagen herum und zog mit der anderen den Peitschenstiel durch den Sand.

Den Sonntag darnach treffe ich meine Katharina – verzeiht. Ich sage meine Katharina. So eine dumme Gewohnheit. Gut, ich treffe sie, nämlich in der Kirche, bete hübsch und schaue nur von Zeit zu Zeit auf sie hin. Wie die Leute nach der Messe hinausgehen, entsteht euch ein fabelhaftes Gedränge um den Weihbrunnen, ich arbeite ordentlich mit meinen Ellnbogen, und bringe meiner hübschen Katharina das Weihwasser in der hohlen Hand. Sie schmunzelt, taucht ihre Finger ein, macht das Kreuz und besprengt mich dann, die Spitzbübin, und läuft fort.

Von nun an mußte ich immer an sie denken, gegen meinen Willen. Das war das Unglück. Ich studire euch nach, wo ich ihr begegnen kann, so daß es doch den Anschein hat, sie laufe mir zufällig in den Weg. Ach, mein Gott! so eine Liebesgeschichte wie jede andere.


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