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(Aus einer andern Quelle.)
York, im April 1642. So ist es denn wirklich geschehen! Die Rebellion ist ausgebrochen. Sir John Hotham (kaum kann ich mich entschließen, ihn Sir zu nennen; denn wie kann ein Ritter seines Namens werth sein, der sein ungetreues Schwert gegen den Urquell der Ritterschaft und der Ehre zieht?) hat die Thore von Hull gegen die Aufforderung, die Stimme und Person Seiner geheiligten Majestät verschlossen. Der König zog sich sogleich nach Beverley zurück und erklärte unter dem Schatten des großen alten Münsters den falschen Ritter für einen Verräther.
Die Rebellion hat angefangen; aber Jedermann sagt, sie könne nicht lange dauern. Das nächste Christfest muß uns wieder Alle in Frieden, und die Nation zu den Füßen ihres Königs finden; Mutter sagt, wie ein reuiges Kind; Sir Launcelot behauptet, wie einen gepeitschten Hund. Volksmassen, sagt er, können wie Hunde nur gehorchen lernen, wenn man sie ein wenig rebelliren läßt und sie dann peitscht. (Ich kann diese Reden nicht leiden. Wenn die Nation wie ein Hund ist, wo beginnt denn dann die Hundenatur und wo endigt die menschliche?) Ich sagte ihm, dann könnten wir uns nur auch mit einschließen. Allein er lachte nur und sagte, es bedürfe keiner Wundergabe, um dies zu unterscheiden. Ueberdies, sagte er, habe der König selbst das Parlament einmal mit »Katzen« verglichen, »die als jung leicht zu zähmen, aber im Alter verflucht seien«; und die Matrosen der Themseschiffe, welche sich erboten hatten, das Parlament zu bewachen, habe er »Wasserratten« genannt. Wenn der König dies wirklich gesagt hat, so muß ich gestehen, ich meine, Seine Majestät hätte höflichere Vergleichungen finden können. Allein ich glaube gar nicht, daß er es gesagt hat. Nie werde ich etwas Schlechtes von Seiner Majestät glauben, wer es auch behaupten mag; ja kaum wenn ich es selbst sehen sollte; denn meine Augen könnten mich täuschen.
Nur würde es mich sehr ärgern, wenn man in Netherby diese Dinge erführe; denn nie sagten sie dort etwas Grobes über irgend Jemand – besonders jetzt, wo ich nicht dort bin, um Alles zu erklären. Denn ich darf ihnen nicht schreiben noch sie sehen, bis das Land wieder in Ordnung ist, weßhalb ich auch dieses schreibe. Jedoch es kann nicht lange währen. Alle stimmen hierin überein. Alle, ausgenommen Harry, den wir » Il Penseroso« nennen. Er sieht so weit in die Ferne und nach so vielen Seiten hin, oder bemüht sich wenigstens zu sehen, und redet von dem Kriege der beiden Rosen und von den Kriegen in Deutschland, als ob eine Aehnlichkeit zwischen denselben vorhanden wäre. In Deutschland standen verschiedene Könige und Staaten einander feindlich gegenüber. Im Kriege der Rosen waren es fürstliche Personen, die eine Art von Recht auf den Thron hatten. Aber dies ist nichts als gemeine Rebellion; die Kinder gegen den Vater, die geschworenen Vasallen gegen ihren obersten Lehnsherrn; der Leib gegen das Haupt. Und was läßt sich da auch nur einen Augenblick lang anders erwarten, als nur das eine Ende und zwar in ganz kurzer Zeit? Ja, ich bin überzeugt, zu Weihnachten werden wir Davenants wieder in unserm Schlosse und die Draytons in Netherby sein, und auf diesen wahnsinnigen, unnatürlichen Ausbruch zurückschauen.
Und ich habe mir vorgenommen, über diesen Punkt sehr großmüthig gegen sie Alle zu sein. Ich will nicht einmal sagen: »Habe ich Euch nicht immer gesagt, was es für ein Ende nehmen werde?« Sie werden es sehen, und das ist genug. Der König wird Allen verzeihen, ich weiß es gewiß; denn er ist so milde und gnädig; – (neulich sprach er mit mir wie ein Vater und doch mit solch ritterlicher Artigkeit); – nur ganz Wenige mögen vielleicht ausgenommen sein, an denen ein Exempel statuirt werden muß, wenn sie sich nicht selbst bestrafen, indem sie aus dem Lande fliehen; doch werden sie das hoffentlich thun. Denn wenn der König seine gerechte Autorität wieder gesichert hat, so wird er verzeihen können, ohne sich den Anschein der Schwäche zu geben. Dann brauchen keine armen, im Irrthum befangenen Leute mehr an den Pranger gestellt zu werden, was, so viel ich sehe, Niemand gut zu thun scheint, vielmehr alle Leute so schrecklich zornig macht. Die Puritaner (das heißt diejenigen, welche noch einigermaßen vernünftig sind,) werden einsehen, daß es in der That keinen Unterschied machen kann, ob der Geistliche in einem weißen oder in einem schwarzen Kleide die Gebete liest. Ja vielleicht gestehen die Bischöfe und Erzbischöfe dasselbe ein. Denn wenn es auch keine gute Erziehung ist, einem unartigen Kinde, wenn es schreit, den Willen zu thun, so ist das doch etwas ganz Anderes, wenn es aufhört zu schreien und artig ist.
Und dann würde Alles vortrefflich gehen. Die lästigsten, eigensinnigsten Leute (von beiden Parteien, meine ich), könnten alle vielleicht nach Amerika auswandern, die Einen nach Norden, die Andern nach Süden. Denn die amerikanischen Pflanzungen sind, wie man sagt, sehr ausgedehnt, und wenn sie, – etwa in hundert oder zweihundert Jahren – zusammen träfen, würden ihre Ururenkel sich wohl nicht mehr so viel um die Kleidung und die Titel der Geistlichen bekümmern, welche den Gottesdienst in der Kirche halten. Dann ginge ja Alles ganz herrlich in Amerika sowohl als in England. Und nach dem, was ich von den Herren und Damen unserer Umgebung hier höre, sollte ich meinen, daß an Weihnachten alles dies begonnen haben könnte. Nur jetzt muß dieser kleine unangenehme Streit noch durchgemacht werden. Und ich bin sehr in Sorgen, was Herr Drayton, Roger und selbst Olivia wohl thun werden. Sie sind so entsetzlich gewissenhaft. An die geringfügigsten Fragen treten sie mit ihrem Gewissen heran, statt mit ihrem gesunden Menschenverstande; dies kommt mir gerade so vor, als wenn man ein Maßliebchen mit einer Feuerspritze begießen, oder ein Blumenbeet mit einem Pflug jäten wollte. Fräulein Dorothea ist die schlimmste von ihnen (die gute, liebe, alte Seele); ich muß doch hin und wieder in ihre Predigten hineinsehen, damit ich mir selbst beweise, daß ich keine Heuchlerin war, als ich so lange daraus vorlas. Und doch bin ich im tiefsten Herzensgrunde überzeugt, daß sie besser sind, als alle andern Menschen auf der Welt, nur meine Mutter und Harry vielleicht ausgenommen. (Von Seiner Majestät ziemt mir natürlich nicht zu sprechen.) Ich liebe sie zärtlicher als alle Menschen auf der Welt; aber ich fürchte, sie werden es nicht glauben, da ich ihnen jetzt nicht einmal schreiben darf. Ich liebe sie wegen ihrer edeln Wunderlichkeit, ihrer heldenmüthigen Gewissenhaftigkeit und ihrer schrecklichen Aufrichtigkeit, wegen alles dessen, was uns trennt. Diese letzten Monate zu Hause sind die glücklichsten meines Lebens gewesen. Ich fühlte, daß ich ganz gut und fromm wurde. Eins habe ich mir vorgenommen: Ich will kein einziges Wort sagen, das sie nicht hören dürften, damit ich, wenn wir uns wiedersehen, nichts zu erklären, nichts zurückzunehmen brauche. Denn nur Mißverständnisse können je Eines von ihnen veranlassen, sich auf die unrechte Seite zu halten; nichts als Mißverständnisse. Und Thatsachen werden alles zurecht bringen, wenn sie sehen, wie die Dinge in Wirklichkeit sind. Und ich hoffe bis Weihnachten wird dies der Fall sein.
Hier ist es bei weitem nicht so leicht fromm zu sein, wie in Netherby. Die Leute sagen mir hier so viele Schmeicheleien. Mutter warnt mich oft, ich solle nicht darauf achten, es sei nur höfische Sitte und habe eigentlich gar keine Bedeutung; und ich könnte sie sogar zu meiner Demüthigung benutzen, wenn ich, so oft ich dergleichen schöne Redensarten höre, zu mir selbst sage, wie der fromme Dr. Taylor es empfohlen: »Meine Schönheit steht in Betreff der Farbe gar vielen Blumen nach, und sogar ein Hund hat ebenso wohl proportionirte Glieder für seine Bestimmung wie ich; eine kurze Krankheit kann meine Gestalt abmagern und verkrümmen, und mein Gesicht gelb machen und mit Narben und Runzeln entstellen.« Das ist aber gar nicht so leicht. Wenn ich eine Rose wäre, so würde ich mich freuen eine Rose zu sein und den Menschen zu gefallen. Ich meine, sogar ein hübscher Hund findet ein harmloses Vergnügen an seiner Schönheit. Und was die Krankheit betrifft, so ist sie nicht sehr wahrscheinlich. Und je mehr ich an's gelb- und magerwerden denke, desto froher bin ich, nicht so auszusehen. Dennoch mischt sich eine gewisse Unruhe in mein Vergnügen über diese schönen Redensarten, welche mir beweist, daß es nicht ganz unschuldig ist. Ich glaube nicht, daß Mutter weiß, welchen Unsinn die jungen Cavaliere sprechen. Wahrscheinlich hat man ihr niemals Unsinn gesagt. Wenigstens war es ihr nicht angenehm, das bin ich fest überzeugt. Und ich fürchte, mir gefällt es zuweilen ein bischen. Warum würde es mir sonst so oft zur unrechten Zeit einfallen? im Münster oder unter dem Gebet. Ach! wäre ich doch in Netherby! Dort nannte mich Niemand eine reizende Zauberin, oder meine Wangen Aurora's Rosengarten, oder meine Zähne Perlenschnüre, oder meine Hand Lilien, oder meine Haare gefangene Sonnenstrahlen, oder meine Stimme Sphärenmusik. Sir Launcelot hat auf dem Wege zwischen Netherby und Windsor genug dergleichen Poesie an mich hingeschwatzt, um ein ganzes Buch voll Balladen daraus zu machen. (Denn Mutter wurde in der Sänfte getragen, während ich meistens mit Sir Launcelot ritt.) Und doch glaube ich, daß es mir eine größere Ehre ist, wenn Roger Drayton in seiner aufrichtigen Weise mir sagt, ich hätte Unrecht, wie dies oft geschah, als Sir Launcelots süßeste Schmeicheleien.
Freilich glaube ich nicht, daß Olivia ganz gerecht ist gegen den armen Sir Launcelot. Wenn sie sein gütiges und höfliches Wesen gegen jeden Bauern und jedes arme Weib, denen wir begegneten, hätte sehen können, und wie er den Bettlern Kronen und Engelsthaler zuwarf, so hätte sie zugeben müssen, daß er bei aller seiner Wildheit doch ein guter Mensch ist.
Und als er bemerkte, daß ich nicht gern solche Lobeserhebungen hörte, gab er sie einigermaßen auf. Diese Gerechtigkeit muß ich ihm widerfahren lassen; und seit wir hier am Hofe sind, ist er so ehrfurchtsvoll gegen mich gewesen, als ob ich eine Prinzessin wäre. Wenn er es nur nicht immer bemerken wollte, so oft ich meinen Handschuh oder meinen Blumenstrauß fallen lasse. Ich glaube wirklich, ich wünsche es nicht. Allein zuweilen ist es doch auch angenehm, unter all den vielen fremden Menschen Jemand zu wissen, der sich für Einen interessirt und stets bereit ist, von dem lieben alten Netherby zu reden, und dabei solch edelmüthige Achtung für die Draytons hegt. Ich wollte nur, Olivia wüßte dies! –
Und ich wollte, ich wäre wie meine Mutter und hätte »in meinem Herzen eine Kapelle erbaut!« Oder daß ich in Netherby leben könnte!
Sir Launcelot bewundert an meiner Mutter »die Anmuth der Heiligkeit.« Er sagt, es habe glücklicher Weise zu allen Zeiten, zumal unter den Frauen, solch liebliche, erhabene Heilige gegeben; besonders glänzende Sterne, himmlische Schönheiten, und Fürstinnen, welche alle Menschen verehren mußten. Dies sei, sagt er, etwas ganz Verschiedenes von den puritanischen Grundsätzen, welche von allen Menschen verlangen, daß sie »Heilige« werden, oder will man das nicht werden, Einen mit den Gottlosen in die Hölle verweisen.«
Nachschrift. – »Ich bin in Verlegenheit, welchen Namen ich meinem Geschreibsel geben soll. Es kann kaum ein Tagebuch oder Journal genannt werden, da ich sicher nicht regelmäßig alle Tage hinein schreiben werde. Jahrbücher oder Annalen werden es auch keine sein; denn ich hoffe, noch vor Weihnachten es aufgeben zu können, wenn ich Olivia und die Andern alle zu Hause wiedergesehen habe. Chroniken? das klingt noch viel feierlicher. »Gedanken?« wo soll ich die hernehmen? »Thatsachen?« Ja wie kann man die kennen, wenn jede Begebenheit auf so verschiedene Weise von den Leuten berichtet wird? »Betrachtungen?« Noch schlimmer. »Religiöse Tagebücher,« »Bekenntnisse« und dergleichen haben mich immer verwirrt. Ich konnte nie begreifen, für wen sie bestimmt seien, besonders die Gebete, die ich darin ganz ausführlich geschrieben sah. Die können doch nicht dazu bestimmt sein, von andern Leuten gelesen zu werden. Das hieße ja statt im »Kämmerlein« an den Straßenecken beten. Und die Leute, welche sie schrieben, brauchen sie doch nicht selbst zu lesen. Was würde dies helfen? Denn das hieße doch nicht beten, zu sehen, wie ich vor etlichen Jahren gebetet habe. Und Gott soll sie doch wohl nicht lesen? Er ist uns ja immer nahe, Er hört uns und liest in unsern Herzen, und das ist noch viel besser als in unsern Tagebüchern.«
» York, den 30. Mai. Die Vögel auf den Bäumen, welche das alte Münster umgeben, beginnen zu singen. Wir wohnen gerade gegenüber. Die Höflinge schaaren sich wieder um den König. In den letzten Tagen sind viele Lords und einige getreue Mitglieder des Unterhauses von London hierhergekommen, und der alte Lord Littleton ist, wie man sagt, mit etwas hinkender Treue, dem Großen Siegel, das jetzt in der rechten Hand ist, nachgefolgt. So gewinnt die alte düstere Stadt einen ganz heitern Anschein, Cavaliere sprengen durch die Straßen und ziehen vor den hübschen Gesichtern, die am Fenster stehen, ihre Federhüte ab. Truppen ziehen sich nur langsam zusammen, ein wenig langsam. Auch ist mir nicht recht klar, ob die Stadtleute hier uns und unsere Sitten lieben. Es gibt so viele Puritaner darunter. Und Sir Launcelot sagt, es mache ihnen solchen Spaß, in der puritanischen Familie, bei welcher er einquartirt ist, die kleinen puritanischen Knaben »den verrückten Puritaner« und andere prahlerische Cavalierslieder zu lehren, mit ihnen auf den Untergang des Covenants anzustoßen, und den Wirth und die Wirthin ihre besten Vorräthe, ihr schönstes Leinenzeug und Silbergeschirr zum Gebrauch für ihre Soldaten hervorholen zu lassen. Sir Launcelot sagte ihnen, wie er erzählt, sie sollten es nur als Bezahlung jener alten Schuld betrachten, da die Kinder Israels vor dreitausend Jahren von den Egyptern silberne und goldene Geräthe und Kleider gefordert hätten. Ich halte solche Scherze nicht für artig in einem fremden Hause und ich sagte es ihm auch. Allein er erwiderte, ihr lächerlicher Ernst mache die Versuchung zu stark um zu widerstehen. Wenn sie gutmüthig seinen Scherz zurückgeben wollten, würden sie einander bald verstehen lernen. Ob dies wohl der Fall wäre? Ich zweifle fast daran, daß es Sir Launcelot angenehm wäre, im Scherz übertroffen zu werden. Und ich konnte es nicht ertragen, daß er die Puritaner alle winselnd und lächerlich nennt. Er weiß es besser. Ich sagte ihm dies. Ich war ganz entrüstet und Thränen traten mir in die Augen; (denn ich dachte an meine Freunde alle in Netherby.) Er schien reumüthig. Ich hoffe wirklich, daß es ihm gut war.«
» Im Juni. – Das Parlament wird täglich unverschämter. In einer ihrer thörichten Beschwerden wagten sie zu sagen, der König sei um des Reiches willen, nicht das Reich um des Königs willen da; sogar die Kronjuwelen seien nicht das Eigenthum Seiner Majestät, sondern nur ein der königlichen Macht anvertrautes Pfand. In diesem Stücke werden sie aber bald ihren Irrthum einsehen lernen; denn die Kronjuwelen sind in Holland in Sicherheit, und man hat dafür einen guten Vorrath von Waffen und Kriegsbedarf für die Krone eingehandelt, welche auf dem holländischen Schiff, die Vorsehung genannt, herüber gesandt wurden. Und in der That hat eine gütige Vorsehung, wie Mutter sagt, es behütet. Denn obgleich das Schiff an der Küste von Yorkshire scheiterte, wurden doch heute alle Vorräthe, die es enthielt, sicher nach York gebracht.
Nun wird sich's zeigen, was adelige Herren gegen Kellner und Schneider und Krämerlehrlinge, woraus die elende Armee besteht, die sie in London zusammen gezogen haben, ausrichten können! Die Bürgerfrauen haben sogar ihre silbernen Fingerhüte und Schnürnadeln gebracht, wie man sagt, um die Leute zu bezahlen. In solcher Klemme stecken sie, daß sie zu solch niedrigen, lächerlichen Auswegen ihre Zuflucht nehmen müssen! Die Cavaliere nennen es »das Fingerhut- und Schnürnadel-Heer!«
» Den 20. Juli. Man sagt, Sir John Hotham sei halb entschlossen, wieder zur Treue zurückzukehren. Vor ein Paar Tagen ritt ein kleines stattliches Heer von viertausend Mann von hier durch den großen Schlagbaum, um die Auslieferung der vermessenen Stadt Hull zu verlangen und im Weigerungsfalle sie zu stürmen. Die Einwohner hätten besser gethan, der milden Aufforderung Seiner Majestät an der Spitze der dreihundert Ritter zu gehorchen. Wie tapfer und stattlich sie aussahen mit ihren schimmernden Federhüten, mit den blinkenden Schwertern, den flatternden Wimpeln und den herrlichen Rossen, die eben so stolz auf ihre Sache zu sein schienen, wie ihre Reiter. Da war keiner unter den Cavalieren, der nicht eben so fröhlich aufs Schlachtfeld wie auf die Jagd gezogen wäre.«
» Den 22. Juli. – Diese verräterischen Städtler! Nicht auf die kleinste Schaar von ihnen kann man sich verlassen. Unsere tapfern Cavaliere kamen in großer Unordnung zurück. Und daran ist nur jene treulose Landmiliz und die aufrührerischen Huller Bürger Schuld, Lord Lindsay war mit dreitausend Mann zu Beverley, und auf ein Feuersignal vom Münster zu Beverley sollten einige getreue Männer von Hull die Stadtthore von innen öffnen. Aber die Absicht dieser wackern Leute wurde zu früh verrathen, und fünfhundert Rebellen machten einen Ausfall unter der Anführung des Sir John Hotham. Jedermann sagt, die tapfern Cavaliere würden fest geblieben sein, aber die Yorker Landmiliz weigerte sich, das Schwert gegen ihre Nachbarn zu ziehen, und rannte nach Beverley zurück, so daß die ganze Sache einen schimpflichen Ausgang nahm. Wenn wir nur ein Heer hätten, das aus lauter Edelleuten mit ihren Söhnen und Anhängern bestünde, dann könnte sich das Parlament keinen einzigen Tag halten. Aber die schlimmste Nachricht, die wir unlängst erhalten haben, ist die von dem Verrath des Grafen von Warwick und seiner Flotte, welche zum Parlament übergegangen ist, trotz dem, daß der König den Seeleuten bessern Sold versprach, als sie je erhalten hatten. Fünf Schiffe blieben zuerst treu, wurden aber von den andern überwältigt. Hoffentlich hat ihnen Niemand gesagt, man habe sie »Wasserratten« genannt; allein es gibt immer boshafte Leute, welche sich ein Vergnügen daraus machen, durch Verbreitung übler Nachreden Unheil zu stiften. Ich meine, fürstliche Personen sollten mit ihren Scherzen sehr vorsichtig sein.«
» August. – Wir stehen im Begriffe York zu verlassen, um ein Paar Tage in Nottingham zuzubringen, wo die Standarte des Königs aufgepflanzt werden soll.
Mir thut es nicht leid, diese alte Stadt zu verlassen. Ich vermisse die angenehmen Spaziergänge meiner Heimath. Denn hier darf man sich kaum aus dem Hause wagen. Wenn die Cavaliere ihren Feinden so gefährlich sind wie nur zu oft ihren Freunden, so hat das Parlament alle Ursache vor ihnen zu zittern. Oft hört man des Nachts das wüste Geschrei trunkener Lust in den Straßen wiederhallen. Aber vermuthlich geht es bei allen Heeren auf diese Weise zu. Nur ist es ein Unglück für uns, daß viele junge Cavaliere im Gegensatz zu dem Ernst und der zur Schau getragenen Frömmigkeit, welche das Kennzeichen der Puritaner sind, den Leichtsinn und ein rücksichtsloses stürmisches Benehmen zu ihrem Merkmal gewählt haben.
Ich wollte, sie nähmen sich den König zum Vorbilde. Seine Majestät ist unlängst selbst durch's Land geritten und hat seine Vasallen aufgefordert, ihm zu folgen. Und seine majestätische Artigkeit und Anmuth, seine liebreichen, herzgewinnenden Reden, die er in Newark und Lincoln gehalten hat, worin er seine guten Absichten und seine Wünsche für die Freiheit und Wohlfahrt der Nation aussprach, müssen ihm sicher ebenso viel Geld einbringen als die Londoner Bürger aus ihren Fingerhüten und Schnürnadeln prägen können.
Wie man sagt, ist der Norden in guter Stimmung, so wie auch Lancashire, wo die Königin auf die katholischen Edelleute von alter Familie großen Einfluß hat; auch der Westen, wo der wackere Sir Bevil Grenvill wohnt, ist voll treuer Anhänglichkeit an den König. Allein in Buckinghamshire hat Herr Hampden Unheil gestiftet, während Herr Cromwell (wie Sir Launcelot sagt, eher ein Brauer als ein Edelmann, obgleich nicht von niedriger Abkunft) sich Hauptmann titulirt und die östlichen Grafschaften aufwiegelt, welche ohnedem durch ihre hugenottischen Weber und ihre »Anabaptisten, Atheisten und Brownisten«, wie der König sie nennt, schon untreu genug sind.
Jedoch die Städte sind noch am schlimmsten. Es muß etwas im Kaufen und Verkaufen, im Kesselflicken und Schneidern liegen, was die Leute antreibt, mehr Werth auf das gemeine Geld als auf Ehre und Treue zu legen. Und dann gibt es auch so viele Puritaner in der Stadt. Vielleicht werden sie durch die engen, dunkeln hohen Straßen so düster und engherzig. Allein ich glaube, je weniger die Soldaten unserer Cavaliere in die Städte einquartirt werden, desto besser wird es sein, wenigstens bis sie ihre Sitten geändert haben. Die Bürger würden dadurch noch mehr gegen das Buch der Spiele eingenommen werden.«
» Nottingham, den 23. August. – Heute Abend hat der König mit eigener Hand seine Standarte am Ende des Feldes hinter dem Schlosse unter Trommelwirbel und Trompetenklang aufgepflanzt. Mehrere Hunderte schaarten sich um die Partei des Königs, und wir sahen aus einiger Entfernung der Ceremonie zu. Ich weiß nicht recht warum; aber die Handlung kam mir bei weitem nicht so feierlich vor wie die Gelegenheit sie erfordert hätte. Die Nacht war stürmisch; die Trommeln und Trompeten und die Stimme des Herolds, der die königliche Proklamation vorlas, klangen schwach und leise gegen das Geheul der Winde. Die Truppen haben auf den Aufruf des Königs noch nicht so geantwortet, wie sie sollten, und es waren meist nur Milizen gegenwärtig. Auch machte Seine Majestät auf der Stelle selbst einige Abänderungen an der Proklamation, welche den Herold aus dem Concept brachten, so daß er beim Lesen stotterte und Fehler machte. Ich wollte eigentlich lieber, daß ich nicht zugegen gewesen wäre.
Die Standarte des Königs sollte imposanter sein, als eine Stange, ungefähr so hoch wie ein Maibaum mit etlichen Wimpeln, und einer gewöhnlichen Flagge auf der Spitze. Und die Trompeten, womit man eine Nation aufruft, sollten majestätischer klingen, als die Trompeten, welche man zu Netherby zur Feier des Weihnachtsfestes bläst. Ich kann freilich nicht sagen wie. Aber ich hatte mir's immer so vorgestellt. Die Worte sind erhabener als die Sachen selbst.
Vielleicht sehen auch alle unsere Feierlichkeiten und unser Gepränge unter freiem Himmel ärmlich und elend aus, und wir würden besser daran thun, sie unter Dächern von unserm eigenen Machwerk zu halten. Der Purpur, das Roth und Gold des Sonnen-Aufgangs und Untergangs, mächtige Paniere von dunkeln Gewitterwolken, die über den Himmel geschleudert werden, sind die Pracht, welche wir unter freiem Himmel zu sehen gewohnt sind. Und das feierliche Gepräge gibt ihr das Gerolle des Donners, das Heulen des Windes, das Rauschen der Ströme und das Brausen des Meeres.
Diese Dinge sind erhabener als alle Worte, womit wir von ihnen sprechen können.
Als ich dies meiner Mutter sagte, erwiderte sie: »Und doch, mein Kind, ist eine Seele, ja selbst eine menschliche Stimme erhabener und selbst gottähnlicher als aller Donner. Die Bedeutung ist es, Lätitia, was unsern Festlichkeiten ihre Erhabenheit verleiht. Wenn wir sähen, wie diese Trompeten Tausende unserer Landsleute zur Schlacht rufen, oder wie diese Flagge blutbefleckt vom Schlachtfelde getragen wird, dann würden wir nicht finden, daß es der Stimme der Trompete an schrecklicher Macht gebreche, dann würden wir die Flagge nie wieder ein gewöhnliches Ding nennen.«
Vielleicht war es auch nur eine geheime kleine Niedergeschlagenheit, welche in mir ein so tiefes Gefühl der Enttäuschung bewirkte. Denn nur drei Tage vorher hatte Coventry seine Thore dem König vor der Nase zugeschlossen, der Graf von Essex ist in der Nähe, wie man sagt, und so Wenige schaaren sich treu um den König her.
Aber ich glaube, der schlimmste von Allen ist dieser Prinz Ruprecht. Der Name seiner Mutter, Elisabeth von Böhmen, wurde lange Jahre im Lande heilig gehalten; sie war eine Heilige und Heldin an Geduld und Muth. Aber dieser Prinz ist so lärmend und stürmisch und maßt sich so viel Gewalt an, daß er die ältern Herrn und erfahrenen Soldaten schwer ärgert. Vater sagt, er sei nicht viel besser als ein kleiner wilder Knabe. Allein er gilt sehr viel bei dem Könige, seinem Oheim, er übernimmt den Befehl des Heeres, so daß der wackere alte Lord Lindsay seine Befehlshaberwürde für nicht viel mehr als einen bloßen Titel ansieht. Und die jungen Cavaliere richten sich nach ihm und gebrauchen den neuen gemeinen Kunstausdruck »Plündern« als einen Scherz, als ob es irgend ein neues Spiel oder eine Fechtübung bedeutete, während es nichts Anderes heißt, als das Land durchstreifen, einsame Bauernhäuser niederbrennen, die Einwohner berauben und zuweilen die Diener an den Thüren aufhängen, weil sie sich weigern ihre Herrn zu verrathen, Dörfer verheeren und ich weiß nicht, welche andere Greuel. In den vierzehn Tagen seit seiner Ankunft hat er schon Worcestershire, Nottinghamshire, Warwickshire, Leicestershire und Cheshire durchzogen; und keine Nacht ist vergangen, in der wir nicht sehen mußten, wie der Himmel von dem Feuer brennender Dörfer und Meiereien erglühte. Ich möchte nicht hören, wie die Leute auf seiner Marschroute von dem Könige reden, wenn sie in ihre zerstörten Wohnungen zurückkehren.
Dagegen sagt man, daß es den Truppen der Rebellen streng verboten sei, etwas zu nehmen, ohne es zu bezahlen, ein Kontrast, der ihnen viele Ehre macht.«
» Den 23. August. – Diesen Morgen, noch ehe ich aufgestanden war, brachte die Kammerfrau meiner Mutter traurige Nachrichten. Die königliche Standarte, erzählte sie, sei in der Nacht herunter gefallen und liege zertrümmert auf dem Hügel umher.
Mutter sagt, es sei heidnisch, von Vorzeichen und bösen Omen zu reden. Und Vater behauptet, diese Fremden seien das schlimmste Omen, und es würde Alles weit besser gehen, wollten sie die Engländer ihren Streit allein ausfechten lassen, wie Nachbarn, die sich eine Weile schlagen und dann wieder Freunde sind, anstatt wie elende, gemiethete Lanzknechte oder Freischärler.
Jedoch Sir Launcelot lacht und sagt, es sei recht, daß man diesen winselnden Puritanern endlich Grund zum Weinen gebe. Und Harry seufzt und sagt, es müsse wohl nothwendig sein, den Rebellen zu zeigen, daß es uns Ernst sei.
Bei alledem scheinen wir sämmtlich nicht gerade in der besten Laune zu sein. Aber ein Paar Siege werden ohne Zweifel wieder Alles in's Geleise bringen. Kein Vernünftiger kann daran zweifeln, daß der König früher oder später – längstens in einigen Monaten – die Rebellen zur Einsicht bringen wird.
Nur hatte ich nicht geahnt, wie traurig der Krieg ist. Ich hatte gedacht, er gehe Niemand an als die Soldaten; und Männer müßten sich nun einmal Gefahren aussetzen; dafür hätten sie den Ruhm und die erwünschte Aufregung und die Gelegenheit, einen edeln Muth zu beweisen, da nur solche Prüfungen Männer zu bilden im Stande sind.
Allein die Schlachten sind nur ein geringer Theil des Elendes. Jedermann nimmt Theil am Elende, aber nicht an dem Ruhme.
Auf der Reise von York hieher fühlte sich Mutter schwach und angegriffen, weshalb wir an einem kleinen Bauernhause mit einem hübschen Obstgarten anhielten. Es war Abend, die Frau hatte eben vor der Thüre die Kühe gemolken und brachte eine Tasse frischer Milch meiner Mutter, die auf dem Sessel in der reinlichen kleinen Küche ausruhte. Zwei kleine Kinder spielten um die Bäuerin her; eines der Kinder rief den Vater herbei, der im Garten beschäftigt war, worauf er kam und meinem Vater einen Krug voll Apfelwein brachte. Auf dem Tische aber lag eine Bibel mit Holzschnitten, und ich fand, daß das älteste Kind die Bedeutung derselben verstand. Es sagte, sein Vater habe sie ihm erklärt. Die ganze Familie war sehr freundlich und gefällig gegen uns.
Und neulich erzählte mir Harry, sie seien an einem einzelnen Bauernhause mit einem Obstgarten vorbeigekommen, dessen Besitzer, ein mürrischer Puritaner, sich geweigert habe zu sagen, welchen Weg einige Flüchtlinge eingeschlagen, worauf Prinz Ruprecht ihn über seiner eigenen Thürschwelle aufhängen und sein Vieh als Beute forttreiben ließ.
Aus Harry's Beschreibung sehe ich, daß es derselbe Mann ist.
Seither habe ich fast kein Auge mehr geschlossen. Immer muß ich an den armen Mann denken, an die leise Stimme, welche nie mehr die Holzschnitte in der alten Bibel erklären, an die armen Hände, die keinem Fremden mehr Gastfreundschaft erweisen werden.
Allein Harry sagt, dies sei nur einer unter Hunderten, solche Thaten seien unvermeidlich und ich solle nicht mehr daran denken.
Aber ein Jeder von diesen Hunderten ist gerade derjenige, ohne welchen für seine Hinterlassenen die ganze Welt ausgestorben scheint.
Welch schreckliche Dinge diese Herrn im Parlamente zu verantworten haben!
Warum hat doch Herr Hampden nicht lieber tausendmal sein elendes Schiffsgeld bezahlt, als solche Greuelscenen herbeizuführen?
Denn der König kann es nicht dulden, daß man sich seinen Befehlen widersetzt. Wie könnte er denn sonst König sein?
Wenn er nur seinen eigenen Truppen gegenüber mehr als König aufträte! Denn ich bin überzeugt, daß er dieses Verwüsten und Marodiren haßt. Aber viele Offiziere dienen und unterhalten ihre Regimenter auf ihre eigenen Kosten, und dies macht es schwer sie zu lenken.«
» Im Oktober. – Prinz Ruprecht ist aus Worcester vertrieben worden. Manche Leute denken, wenn der Prinz dadurch Ehrfurcht und Bescheidenheit lernte, so wäre es kein so großes Unglück, daß er zwanzig treue, tapfere Männer todt auf dem Platze gelassen hat. Der Graf von Essex hält die Stadt besetzt. Er ist schon zwei Wochen dort, ohne etwas zu unternehmen. Vielleicht hält ihn, wie wir vermuthen, ein letzter Ueberrest von Treue ab, zu einem offenen Zusammenstoß zu kommen. Uebrigens ist es schwer begreiflich, wozu es helfen soll, ein Heer zu sammeln, wenn man nicht damit kämpfen will. Vielleicht erkennt er nun auch die Gefahr, mit seinen von einem meineidigen Pair angeführten Krämer- und Schneiderlehrlingen Söhne von Edelleuten anzugreifen, die unter den Augen ihres Königs fechten. Indessen zieht unsere Armee zusammen und ist, wie man sagt, nur zu bereit den Rebellen eine Lektion zu geben – ein für alle Mal; ja gebe Gott, ein für alle Mal! Jedoch scheinen mir die Schlachten nicht halb so schrecklich als dieses Plündern! Doch vielleicht kommt dies nur daher, weil ich nie in der Nähe einer Schlacht gewesen bin, wie ja überhaupt die ältesten Leute sich keiner Schlacht erinnern, die auf englischem Boden geschlagen worden wäre.«