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Nachtrag

Zur silbernen Hochzeit 1846.

1. Widmung.

Dir schenk' ich, was du mir geschenkt;
Was ich dir schenkte, schenk' ich wieder:
Mein Herz wird jung, so oft es denkt
Der dir gesung'nen Jugendlieder.

Wir alterten, sie blieben jung
Und werden jung auf ewig bleiben:
Erfreue dich der Huldigung,
Daß sie von dir, von dir sich schreiben.

Merk' auf ihr schmeichelndes Getön,
Blick' in den Spiegel dieser Lieder;
Du siehst dich ewig jung und schön
Und schlägst beschämt die Augen nieder.

 

2. Am 26. December.

So sind gegangen dir und mir
Nun fünf und zwanzig Jahr' in's Land,
Seit unser Liebesfrühling hier
In seiner vollen Blüthe stand!

In seiner vollen Blüthe stand!
Und steht er nicht in voller noch?
O sieh', gereiht an uns'rer Hand,
Die blüh'nden Söhn' und Töchter doch!

Wie ist Natur erfinderisch,
Nie um Ersatz umsonst bemüht!
Auf diesen Wangen blühet frisch,
Was auf den unsern abgeblüht.

Da blühet dir, da blühet mir
Der allerschönste Hochzeitkranz;
Gabst du ihn mir? Gab ich ihn dir?
Gott gab uns diesen Frühlingsglanz.

Ein Frühlingsglanz und Frühlingsduft,
Der unserm Herbst und Winter bleibt
Und der noch spät auf uns'rer Gruft,
So Gott will, neue Blüthen treibt.

Die Hoffnung ist ein Blüthentraum,
Der Wunsch ein unzufriednes Kind,
Will pflücken jede Blüth' am Baum,
Doch manche Blüth' entführt der Wind.

Doch was auch hat ein Wind entführt,
Und was auch hat ein Sturm geraubt,
Des Lebens Kern blieb unberührt,
Der Liebe Kranz ist unentlaubt.

Bist du zufrieden, wie ich bin,
Und schreckt dich nicht mein graues Haar,
So nehmen wir uns immerhin
Auf neue fünf und zwanzig Jahr'.

Doch wenn ich an den letzten Gang
Soll morgen schon, so denk' ich heut',
Daß fünf und zwanzig Jahre lang
Mein Liebesfrühling mich erfreut.

Ich dank' es Gott und dank' es dir
Und leb' und sterb' in diesem Dank,
Daß, was von Lebenswonne hier
Mir ward, an deinem Mund ich trank.

Und jeden Liebesfrühlingsklang
Fass' ich zusammen in den Laut,
Der meinem Innersten entsprang.
Ich küsse dich als meine Braut.

Wie ich mit Nachtigallensang
Dich einst gegrüßt als Rosenbraut,
Mit diesem Silberschwanenklang
Grüß' ich dich neu als Silberbraut.

 

3. Am 27. December.

Hätt' ich heut' vor fünf und zwanzig Jahren
So viel Grau gehabt in meinen Haaren,
Nicht genommen hätt'st du mich, ich wette;
Und wenn Rosen damals auf der Wange
Du nicht hättest mehr gehabt, ich bange,
Ob ich selber dich genommen hätte.

Dennoch ist es glücklich so gekommen,
Und nicht reut mich's, daß ich dich genommen,
Und am Ende darf dich's auch nicht reuen.
Danken wir's den Lockungen der Rosen
Und der Locken, ohn' uns zu erbosen,
Daß sie Winterreife jetzt bestreuen.

O Natur, Allmutter deiner Kinder,
Weise lockest du durch solchen Flinder
Zweie, die du für einander freiest,
Die, wenn fein sie miteinander wallen,
Merken, wenn die äußern Flitter fallen,
Daß du sie für Höh'res, Inn'res weihest.


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