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Fünfter Strauss. Verbunden

I.

Immer dacht' ich, Liebste, daß
Deines Dichters Lieben
Völlig von des Liedes Maß
Sollte sein umschrieben;

Daß du nichts zu tief, und nichts
Ich so hoch empfände,
Was in Schranken des Gedichts
Seinen Platz nicht fände.

Liebste! heut' erkenn' ich doch,
Daß ein Lied nicht reichet
An die Liebe, die ihm hoch
Himmelein entweichet.

Was ich heut', der Welt geheim,
Dir vor Gott geschworen,
Schwören könnt' ich's nicht im Reim,
Noch vor Menschenohren.

Darum fürchte nun auch nicht
Zaubertrug und Welle!
Treten kann nicht ein Gedicht
An der Liebe Stelle.

Nicht, die Liebe selb zu sein,
Mag dem Siede glücken,
Sondern sein Beruf allein
Bleibt, ihr Kleid zu schmücken.

 

II.

Herr! der du Alles wohl gemacht!
Ich will nichts, was nicht du willst schenken.
Du machst es nicht, wie wir's gedacht;
Du machst es besser, als wir's denken.

Mich geb' ich hier in deine Hand,
Daß du mich meiner Liebsten gebest.
Du hast geschlungen dieses Band,
O daß du's immer fester webest.

O ziehe nicht die Hand zurück,
Die du zum Heil mir ausgestrecket!
Du leitest mich zu meinem Glück;
Gieb, daß dazu kein Weg mich schrecket.

Soll ich mit ihr auf Rosen geh'n?
Den Dornenpfad? Ich geh' in Frieden.
Und sollen wir getrennt hier steh'n,
Laß uns im Himmel ungeschieden.

 

III.

Meine Augen, hier an deine Wangen
Angeschmiegt, in Wonne zugegangen,
Sehen dich nicht, doch im Herzen immer
Fühl' ich dich wie einen Gottesschimmer.

Sind wir hier durch etwas noch geschieden?
Was ist zwischen uns? Des Himmels Frieden!
Ihn, das fühl' ich, wie ich dich umwinde,
Fühltest du, wie ich ihn selbst empfinde.

 

IV.

Nun wünsch' ich, daß die ganze Welt
In Himmelslust erwarme,
Wenn Jeder das im Arme hält,
Was ich in meinem Arme;

Daß alle Blumen mögen blüh'n,
Und grünen alle Bäume,
Wie mir aus Hoffnungs-Immergrün
Der Zukunft Rosenträume!

 

V.

Ihr Engel, die ihr tretet,
Wie Morgenlüfte lind,
Heran, wo brünstig betet
Zu Gott ein Menschenkind,
Habt ihr zur Kirch' euch nieder,
Der ländlichen, geneigt,
Wo Opferrauch der Lieder
Aus hundert Herzen steigt?

Das heil'ge Fest der Pfingsten
Versammelt dort vor'm Herrn
Die Größten und Geringsten
Aus Hütten nah' und fern.
Ihr Engel, nehmt die Stimmen
Und laßt den vollen Chor
Wie Blumendüste schwimmen
Zu Gottes Thron empor.

Doch von den Stimmen eine
Die meiner Liebsten ist.
Die nehme du alleine,
Der du ihr Engel bist,
Und leg' am Thron sie nieder.
Dort soll für mich sie fleh'n,
So wie hier Freimunds Lieder
Für sie zum Himmel geh'n.

 

VI.

Aus nicht kann ich hier dich lieben
In der Erdenspanne Zeit,
Uebrig ist das Beste blieben,
Uebrig für die Ewigkeit.

Wie ein Brautstand nur auf Erden
Soll um dich mein Werben sein,
Bis, auf ewig Eins zu werden,
Gott uns führt im Himmel ein.

 

VII.

Liebe ward von Gott der Welt verliehen,
Um zu Gott die Seele zu erziehen.
In die Schule bin ich früh gegangen,
Habe nicht die rechte Lehr' empfangen.
Unerzogen ist das Seelchen blieben,
Bis du ihm zum Meister wardst verschrieben.
Mußt Geduld nur haben! Will ja gerne
Lernen: erst die Noth, daß ich verlerne,
Denn es blieb an nur das Falsche hangen.
Schlimmer als von vornen anzufangen!
Mußt mich Alles erst vergessen lassen,
Soll ich rein die neue Lehre fassen.

 

VIII.

Ich lade dich, Geliebter,
Heut' Abends auf ein Schach.
Leicht wirst du matt mich machen,
Ich fühle schon mich schwach.

Wie hat es mich, Geliebter,
Das erste Mal ergetzt,
Da mir ein Zug gelungen,
Und ich dich matt gesetzt!

Es ward mir fast zu lange,
Mich stets zu seh'n besiegt;
Du hast auch gar zu ernstlich
Die Schülerin bekriegt.

Drum fühlt' ich seit der Stunde
Ein süßes Obgewicht:
Du warst mir überwunden,
Ich war es fürder nicht.

Jetzt brauch' ich mich mit Stolze
Zu waffnen gar nicht mehr;
Besiegt mich zu bekennen,
Fällt, Liebster, mir nicht schwer.

 

IX.

Liebchen! meine Freunde rathen,
Edlem Lehrstand mich zu weih'n,
Auszustreuen gold'ne Saaten
In der Jugend frische Reih'n.

Ob in mir ich solche Körner
Heg', ist wenig mir bewußt;
Sie zu säen zwischen Dörner,
Hab' ich völlig keine Lust.

Bin ich selb doch in der Wilde
Aufgewachsen ohne Zucht.
Ohne daß ich And're bilde,
Will ich tragen meine Frucht.

Bin geworden, was ich konnte;
Werd' ein Jeder, was er kann!
Wie ich mich an Keinem sonnte,
Biet' ich Licht auch Keinem an.

Sollt' ich ernst gelehrte Sachen
Pred'gen? Mir ein schlechter Spaß;
Oder lehren Verse machen?
Selber kann ein Jeder das.

Liebchen! ab vom Lehrerstuhle
Wendet sich zu dir mein Sinn.
Wo ich halten soll die Schule,
Mußt du sein die Schülerin.

Meine Weisheit will ich träufen
Dir mit Küssen in die Brust,
Alle Geistesblüthen häufen
Um dich her zu Schmuck und Lust.

Warum sollt' ich meine Saaten
Fremden Feldern anvertrau'n,
Da mich Gott so wohl berathen,
Daß ich darf mein eig'nes bau'n?

Pflanzen will ich stets vom frischen
Und mich meiner Ernten freu'n,
Und kein Fremder soll mir zwischen
Meinen Waizen Unkraut streu'n.

 

X.

Wenn die Vöglein sich gepaart,
Dürfen sie gleich nisten,
Ohne Sorg', auf welche Art
Sie sich werden fristen.

Ach, daß auch der Menschen zwei
Also könnten wohnen
Wie die Vöglein frank und frei
In den Laubeskronen.

 

XI.

O ihr Herren, o ihr werthen,
Großen, reichen Herren all'!
Braucht in euren schönen Gärten
Ihr denn keine Nachtigall?

Hier ist eine, die ein stilles
Plätzchen sucht die Welt entlang.
Räumt mir eines ein, ich will es
Euch bezahlen mit Gesang.

 

XII.

O wie macht's dem Lehrer Freude,
Sieht er seines Schülers Fleiß,
Wie er in sein Lehrgebäude
Sich geschickt zu finden weiß.

Welche Freud' an meinem Kinde,
Die sich fleißet ernst und still,
Weil sie ganz, wie ich empfinde,
Mich auswendig lernen will.

 

XIII.

Liebchen hat zum Eigenthum
Einen kleinen Garten,
Und ich bin der Gärtner, um
Fleißig ihn zu warten.

Mag auf weiter Gartenflur
Jemand Früchte ziehen!
Blumen sind in meinem nur,
Rosen nur, gediehen ...

Zwar die Blätter duften frisch,
Und die Knospen hauchen,
Aber für den Mittagstisch
Sind sie nicht zu brauchen.

Drum zu Zeiten muß ich wohl
Von den Blumen nehmen,
Sie vertauschen gegen Kohl,
Darf mich deß nicht schämen.

Sehet hier die köstlichen
Rosen, die ich biete!
Gebt mir euren tröstlichen
Kohl dafür zur Miethe.

 

XIV.

Es ist kein Stand auf Erden,
Er reizt des Dichters Neid:
Der Schäfer bei den Heerden
Ist eine Herrlichkeit.

Der Jäger in den Wäldern
Ist vollends eine Lust;
Den Landmann in den Feldern
Trag' ich in meiner Brust.

Der Schnitter, der die Halmen
Vom Feld nach Hause bringt;
Der Priester, der die Psalmen
Für die Gemeinde singt.

Der Bergmann mit der Zitter
Bewegt das Gold im Schacht;
Zu Roß der kühne Ritter
Bewegt sich in der Schlacht.

Der Schiffer in dem Nachen
Schwebt auf der klaren Fluth;
Der Wächter hat zu wachen
Vom Thurm, wann Alles ruht.

Im Walde der Einsiedler
Ist sich genug allein;
Beim Erntefest der Fiedler
Erregt den bunten Reih'n.

Ich möchte meinen Garben
Die Scheuer selber bau'n,
Mein Haus mit eignen Farben
Möcht' ich bemalet schau'n.

Ich möchte meine Reben
Als Winzer zieh'n für mich,
Auf eignem Webstuhl weben
Das Kleid für mich und dich.

O Liebste, so gefallen
Mir alle Stände wohl,
Daß ich nicht weiß, von allen
Was ich erwählen soll.

Sie sprach: Erwählet hast du
Den besten Stand bereits.
Laß Anderen die Last du
Und nimm für dich den Reiz!

Du kannst dich zum Ergötzen,
Und mich an deiner Hand,
Im Augenblick versetzen
In den und jenen Stand;

Als Schäferin mich kleiden
Und dich als Jäger grün;
Mich küssest Lämmer werden
Und tödtest Hirsche kühn.

Du pflanzest einen Garten,
Wo Lenz zu jeder Frist,
Die Blumen aller Arten,
Und nirgend Unkraut ist.

Wir wohnen heut' auf Almen
Im luft'gen Schweizerland
Und morgen unter Palmen
An Ganga's heil'gem Strand.

Du tauchest in die Schachten
Und bringst den Edelstein,
Und deine Lieder brachten
Mir tausend Perlen ein.

Du rührest ja die Saiten
Und drehst die Stern' im Tanz,
Und deine Farben breiten
Um's Herz mir Himmelsglanz

Aus Strahlen und aus Tönen
Hast du erbaut dein Haus;
Komm', ruh' mir nun im schönen
Gemach des Busens aus.

 

XV.

Eines Weges so oft bin ich zur Liebsten gegangen,
Daß aufmerksam geworden die Leut' in der Näh' und die Hunde.
Doch mir haben die Hunde bereits als einem Bekannten
Auf zu bellen gehört, die Leute nur bellen noch immer.

 

XVI.

Wolle nur dein off'nes Herz mir zeigen,
Deinem Arzte mußt du nichts verschweigen.
Jede wunde Stelle muß ich schauen,
Wenn ich drauf soll meinen Balsam thauen.
Wo das Weh der Welt in dich geschnitten,
Und was du durch deine Schuld erlitten,
Ist es arg? es wird sich lassen heilen,
Und wo nicht, so will ich mit dir theilen.
Hast dich mir nicht für gesund gegeben;
Laß dich pflegen, liebes krankes Leben!

 

XVII.

Komm' und in die Welt tritt ohne Zagen,
Denn ich bin mit dir im Bund.
Heben will ich dich, ich will dich tragen,
Und nicht wanken soll der Grund.

Freund, Geliebter, Bruder, Bräut'gam, Gatte,
Stolz Gefühl! was bin ich dir!
Was dein Herz in Traumeshimmeln hatte,
Hast du wachend nun in mir.

 

XVIII.

Laß, geliebtes Angesicht,
Laß uns nicht verzagen,
Daß der Liebe Jugendlicht
Lischt in kurzen Tagen.

Ew'ge Jugend ist durch dich
Auf in mir gegangen;
Mag denn nur die ird'sche sich
Stehlen von den Wangen!

Dieses Leben, das du mir
Liebend hast gegeben,
Liebend wieder geb' ich dir
Und verschönt das Leben.

Jeder Blitz aus deinem Licht,
Jeder Schönheitsfunken,
In das Dunkel ist er nicht,
Sondern hier versunken;

In die frühlingshelle Brust
Stieg er leis' hernieder,
Ward ein stiller Keim der Lust
An dem Baum der Lieder.

Liebste! dieses Frühlings Glanz,
Den ich dir verdanke,
Freudig deinem Haupt zum Kranz
Opfr' er jede Ranke.

Wann in meines Auges Glanz
Du nicht mehr mein Lieben
Lesen kannst, so lies es ganz
Noch im Lied geschrieben.

Wann sein and'rer Spiegel dir
Will die Jugend zeigen,
In des Liedes Spiegel hier
Ist sie noch dein eigen.

 

XIX.

Wärst du krank, daß ich dich könnte pflegen,
Wärst du nackt, daß ich dich könnte kleiden,
Ohne Stätt', an's Herz wollt' ich dich legen,
Ohne Freund, von dir wollt' ich nicht scheiden!

Wärst du blind, daß, um die Welt zu sehen,
Ich dir meine Augen müßte leihen!
Wollt' ich doch, daß dir ein Weh' geschehen,
Daß ich könnte dich davon befreien!

Sieh' dein thöricht stolzes Weib! es könnte
Wünschen, daß dem liebsten Mann auf Erden
Alles fehlte, nur damit mir gönnte
Das Geschick, ihm Alles dann zu werden.

 

XX.

Wärst du minder mir ergeben.
Ging es dir wie Andern hin,
Auch einmal zu widerstreben,
Jeder Kopf hat seinen Sinn.

Doch du stehst mir in Gedanken,
Wie du dich zuerst gezeigt:
All' mit deiner Wünsche Ranken
Nur in meinen Sinn verzweigt.

Soll mein Herz nicht zornig beben,
An den Wurzeln tief verletzt,
Wenn mein eig'nes inn'res Leben
Mir sich feindlich widersetzt?

 

XXI.

Weißt du noch, mein süßes Täubchen,
Wie ich früh dir schon gesagt,
Daß an dir ein Spitzenhäubchen
Mir vor anderm Putz behagt?

Thue nur, mein holdes Sträubchen,
Hut und Schleier thu' von dir,
Zeige dich im Spitzenhäubchen,
Wenn du willst gefallen mir.

Süßer Hoffnung Düftestäubchen
Weh'n mich an mit stiller Lust,
Wenn dein Haupt im Spitzenhäubchen
So sich schmiegt an meine Brust.

Einmal soll vom Myrthenläubchen
Noch ein Kranz dein dunkles Haar
Schmücken, dann das Spitzenhäubchen
Immer, immer, immerdar.

 

XXII.

Ich segne diese Tropfen,
Die an das Fenster klopfen
Und sprechen: Wer zu Haus,
Der geh' itzt nicht hinaus.

Vom Himmel strömt im Regen
Den Fluren duft'ger Segen,
Daß neue Blumen blüh'n
Aus dem erfrischten Grün.

Mir aber strömen nieder
Im Regen Lieb' und Lieder
In meiner Liebsten Haus,
Wo ich nicht kann heraus.

Ich hätt' im Strahl der Sonnen
Verlassen meine Wonnen,
Ich hätt' im Sternenschein
Fort müssen zieh'n allein.

Der Regen heißt mich bleiben,
Sie kann mich nicht vertreiben,
Und wie ihr Auge spricht,
Vertreibt sie auch mich nicht.

 

XXIII.

Daß in diesem jungfräulichen
Zimmer, wo noch nimmer
Sich ein Mann hat eingeschlichen,
Nun sich wie auf immer
Nieder hat der Freund gelassen;
Kann ich den Gedanken fassen?

Und warum nicht in der Kammer
Soll er wohnen, schreiben,
Den ich doch nicht kann, o Jammer,
Aus dem Herzen treiben!
Freund, in meinem schönsten Zimmer,
Hier im Herzen wohnst du immer.

Ach, es war nicht wohl bewahret
Meines Herzens Pforte;
Und der Freund hat nicht gesparet
Seine starken Worte.
Daß ich ihn hereingenommen,
Macht mir wohl und doch beklommen.

Wann die kurzen Tage schwinden,
Und der Freund geschieden.
Wo dann einsam werd' ich finden
Wieder meinen Frieden?
Ihn im Herzen find' ich nimmer,
Ihn nicht mehr in meinem Zimmer.

Tages werd' ich still im Herzen
Dich verborgen tragen,
Nachts im Zimmer bei den Kerzen
Wird das Herzchen schlagen;
Wie ich öffne die Gardinen,
Schaut der Freund mich an aus ihnen.

Hast dich wollen malen lassen,
Um, wenn du gegangen,
An der Wand vor meinem nassen
Blick als Bild zu hangen!
Doch nun wird ein Bild mir strahlen,
Das kein Maler braucht zu malen.

Daß dich dieser Pfühl gewieget,
Kann ich das verdrängen?
Wo mein Haupt im Schlummer lieget,
Wird dein Bildnis hängen.
Und nicht brauch' ich zu erschrecken,
Niemand wird das Bild entdecken.

 

XXIV.

Liebster! einst geliebt hat mich ein Mann,
Deß ich noch mit Haß nicht denken kann,
Aber deß ich nie mit Liebe dachte.
Wunder nimmt mich's, wenn ich's jetzt betrachte,
Wie ich stets geblieben ihm so kalt
Und vor dir geschmolzen bin so bald.
Will mich Reue nun zu spät durchschauern?
Jetzo fang' ich an, ihn zu bedauern.
Jetzo, da ich, Liebster, liebe dich,
Fühl' ich, wie er einst geliebt hat mich;
Liebend erst kann ich es ganz empfinden,
Was es heißt, nicht Gegenliebe finden.

 

XXV.

Ich liebe dich aus Eigennutz,
Sprach ich zu ihr, sprach sie zu mir.
Ich liebe dich, weil du mein Putz,
Dich lieb' ich, weil du meine Zier.

Ich liebe dich aus Eigennutz,
Sprach sie zu mir, sprach ich zu ihr.
Ich liebe mich als deinen Putz,
Ich liebe mich als deine Zier.

Und lieben wir uns so zum Putz,
Und lieben wir uns so zur Zier,
Und ist das Lieb' aus Eigennutz,
Aus Eigennutz so lieben wir.

 

XXVI.

Scheint es dir nicht seltsam, Liebchen,
Wie wir Sprachen zweierlei
Reden, ob wir sind mit Andern,
Oder ob wir sind zu Zwei.

So geredet doppelzüngig
Hab' ich einst aus Welschlands Flur,
Welsches mit den Welschen sprechend,
Mit den Deutschen Deutsches nur.

Liebchen! laß nun fremde Zungen,
Denn die Fremden sind zur Ruh'.
O wie traulich ist erklungen
Unser landsmannschaftlich Du.

 

XXVII.

Eifersüchtig, Liebchen, ich?
Auf wen könnt' ich's sein als mich?
Könnt' ich's auf die Morgenluft
Oder auf den Blumenduft?
Als ich kargt' um Wort und Blick,
War es mir ein Mißgeschick,
Wenn sich einen Blick, ein Wort
Trug von dir ein And'rer fort.
Seit du mir dein süßes Leben
Ewig innig hast gegeben,
Weiß ich doch, du kannst es Keinem
Weiter geben als mir Einem.

 

XXVIII.

Ich will nicht eifersüchtig sein,
Weil das mir unbewußt geblieben,
Daß ich dich liebe so allein,
Wie dich kann keine And're lieben.

Ich bitte nur von Gott allein,
Der mir die Lieb' in's Herz geschrieben,
Daß dir die Schrift sei lesbar rein
In jedem Augenblick geblieben.

Wenn das Gefühl, wie ich bin dein,
Dir wird im Busen nie zerstieben,
So wirst du (kann es anders sein?),
Wie ich dich liebe, mich auch lieben.

 

XXIX.

Ich dachte nicht, dich selb zu haben,
Ich sah in deinem Kreis mich um,
Wem ich dies Herz mit seinen Gaben
Wohl gönnen möcht' als Eigenthum.

Ich habe Keinen wahrgenommen,
Dem ich dich hätte dürfen frei'n;
Es war mir noch nicht eingekommen,
Daß ich es selber könnte sein.

Ich fühlte wohl mich hingezogen
Zu deiner stillen Herzlichkeit,
Ich sah dich freundlich mir gewogen,
Doch glaubt' ich noch die Liebe weit.

Und als ich sah, wie nah' sie stünde,
Fiel schwer auf's Herz mir ihr Gewicht.
Ein Scherz an diesem Ort war Sünde,
Und Ernst, den Ernst den hofft' ich nicht.

Da wollt' ich leise mich entziehen,
Und näher kam ich dir zurück.
Den Tod im Herzen, wollt' ich fliehen,
Und mir im Arme lag mein Glück.

Ich weiß nicht, wie mir's zugekommen;
Doch wenn's der Himmel mir bestimmt,
So sei's mit Dank in Arm genommen,
Bis mir daraus der Tod es nimmt.

 

XXX.

Ich hätte deine Schwester
Zu heißen mich begnügt,
Du hast die Bande fester
Um mich als Braut gefügt.

Wenn du sie wieder rissest,
Ich trüge nicht den Schmerz;
Ja, Liebster, daß du's wissest,
Das bräche mir das Herz.

Ich könnt' ein Glück entbehren,
Als ich es nicht gekannt;
Nun muß es ewig währen,
Da ich's in dir empfand.

Ich bin nicht mehr die Meine,
Seit ich in dich ging ein;
Und sein muß ich die Deine,
Wenn ich soll irgend sein.

 

XXXI.

Ich bitte dich, o Mutter, bei den Brüsten,
Die ich gesogen hab' als Kind,
Daß du nicht weckest den von mir Geküßten,
Der mir am Busen schlummert lind.

Ich bitte dich, daß du ihn auf nicht weckest,
Bevor er selber hier erwacht,
Und aus dem Traume mir ihn auf nicht schreckest,
Darein ich küssend ihn gebracht.

 

XXXII.

Sieh', o Liebster, ob ich mich
Nicht auch überwinden kann!
Ja, ich überwand, und ich
Triumphire wie ein Mann.

Als du dort im Zimmer saßest,
Schreibend, und ich hier allein;
Wie du mich so lang' vergaßest,
Stellte sich die Sehnsucht ein.

Mutter war hinaus gegangen,
Meine Arbeit kam in Stocken,
Und es wollte ein Verlangen
Mich nach deinem Zimmer locken.

Doch ich sprach im Herzen: Wenn
Dich der Freund so leicht kann missen,
Soll er, daß es schwerer denn
Dir geworden, auch nicht wissen.

Und ich habe widerstanden,
Und dem Siege ward sein Lohn:
Denn zu meiner Arme Banden,
Liebster! eben kommst du schon.

 

XXXIII.

Mutter, Mutter! glaube nicht,
Weil ich ihn lieb' also sehr,
Daß nun Liebe mir gebricht,
Dich zu lieben wie vorher.

Mutter, Mutter! seit ich ihn
Liebe, lieb' ich erst dich sehr.
Laß mich an mein Herz dich zieh'n
Und dich küssen, wie mich er.

Mutter, Mutter! seit ich ihn
Liebe, lieb' ich erst dich ganz,
Daß du mir das Sein verlieh'n,
Das mir ward zu solchem Glanz.

 

XXXIV.

Liebster! wenn an deinen Küssen
Ich nun eben stürbe,
Sag', ob unter Thränengüssen
Ich ein Grab erwürbe? –

Hast du solchen Tod erworben,
Sollt' ich wohl erschrecken?
Die an Küssen ist gestorben,
Wird ein Kuß erwecken.

 

XXXV.

Wahrlich, nicht durch Zärtlichkeit,
Freund, in meiner Nähe
Kommst du in Verlegenheit,
Ob ein Falk' auch spähe.

Aber das ist mir kein Trost;
Kann doch zum Verräther
Werden auch so gut der Frost,
Wie der Liebesäther.

Du mußt weder kalt noch warm
Mir genüber scheinen,
Wenn uns soll der laute Schwarm
Glauben von den Seinen.

 

XXXVI.

Laß mich ihm am Busen hangen,
Mutter, Mutter! laß das Bangen.
Frage nicht: Wie soll sich's wenden?
Frage nicht: Wie soll das enden?
Enden? Enden soll sich's nie,
Wenden, noch nicht weiß ich, wie!

 

XXXVII.

Liebster! ich begreife nicht,
Wie die Mutter ist,
Die mich sonst aus dem Gesicht
Ließ zu keiner Frist.

Da es mir nicht nöthig war,
Liebte sie die Hut,
Und vergißt sie ganz und gar,
Nun es wäre gut.

Mußt ein Engel scheinen ihr,
Daß sie so dir traut,
Ich erröthe, wie sie mir
In die Augen schaut.

 

XXXVIII.

Liebster! Als du neulich uns verlassen,
Und mein Aug' um dich begann zu nassen;
Als ich bei des Abends stillem Scheine
Mit dem guten Vater ging alleine,
Richtet' er an mich besorgt die Frage,
Wie ich meines Freundes Abschied trage?
Ich bin ruhig, sprach ich, denn es wollte
Unser Freund, daß ruhig sein ich sollte.
Mißlich wollte das dem Vater scheinen
Und er sprach: Wie will der Mann das meinen?
Als ob eine Neigung, die wir hegen,
Sei als wie ein Handschuh wegzulegen.
Und der gute Vater mit Erwarmen
Sprach, mich haltend in den treuen Armen:
Gott! was hätte dieser angerichtet,
Hätt' er meines Kindes Ruh' vernichtet,
Hätt' er dieses Herzens Glück gestöret,
Dessen Pflege mir durch Gott gehöret.
Liebster! wie des Greises Thränen rannen,
Fühlte fast mein Herz sich übermannen,
Ihm am Busen Alles zu bekennen,
Wie ich nicht mehr bin von dir zu trennen;
Ihm mein ganzes süßes Leid zu zeigen,
Wie ich ganz unnennbar bin dein eigen,
In den Abgrund meiner Liebe schauen
Ihn zu lassen, der erfüllt mit Grauen
Ihn würd' haben und allein mit Wonne
Mich erfüllt im Strahl der Gottessonne.

 

XXXIX.

Daß du ruhig wärest wie mein Vater!
Der, ein immer liebender Berather,
Freudig fördert, ordnet und beschließet,
Wenig braucht und dieses ganz genießet.
Wie im Haus er fest und sicher handelt,
Friedlich dann durch seine Gärten wandelt,
Sich der Frucht erfreut und ihrer Blüthe,
Immer heitern Himmel im Gemüthe.
Tägliche Zerstreuung kann nicht fehlen,
Tausend Knospen hat er ja zu zählen;
Vieler Pflanzen hat er auch zu warten,
Und mich zieht er wie die Ros' im Garten.
Möcht' er doch mit seinen treuen Händen
Jeden rauhen Anhauch von mir wenden!
Welche Pflege hat er mir bewiesen!
Seiner Sorgfalt nur verdank' ich diesen
Schmuck des Geistes, wenn mich etwas schmücket,
Was dich mehr als Sinnenreiz beglücket.
Sich', mein Freund, wie er in diesen Räumen
Zu den alten väterlichen Bäumen
Junge pflanzet, schon mit grauen Haaren;
Wird er ihre Früchte wohl erfahren?
Doch sein Leben soll mit ihm nicht schließen,
Andre sollen es nach ihm genießen.
Und so pflanzt er in der Tochter Herzen,
Bald mit Ernste, bald mit heitern Scherzen.
Stille Reiser, die nicht seinen Tagen,
Sondern dir nur werden Früchte tragen.

 

XL.

Liebste! welche süße Lust
Meine Brust empfunden,
Seit du dich auf ewig hast
Meinem Sein verbunden!

Auch nicht einen Augenblick
Kann ich mir's entschlagen,
Daß ich dich und dein Geschick
Muß im Arme tragen.

O der reizenden Begier,
Wie nach mir du sehnest!
Immer ist, als ob du mir
Auf der Schulter lehnest.

 

XLI.

Liebster! o wie fürchte ich,
Daß du statt als Flügel
Künftighin empfinden mich
Mögest nur als Zügel.

Da ich sollte himmelan
Heben das Gefieder,
Zieh' ich von der Sternenbahn
Dich zur Erde nieder. –

Liebste! ja ein Zügel mir
Bist du, laß dir's danken,
Daß die zügellose Gier
Trat durch dich in Schranken.

Du hast still den Trieb gelenkt
Auf das Ziel, das feste.
Sieh', der Vogel hat gesenkt
Seinen Flug zum Neste.

Ja herab, herab in dich
Hast du mich gezogen;
Warum flügeln sollt' ich mich
Auf zum Himmelsbogen?

Sieh', dir nach auf's Erdgefild
Steigt der Himmel nieder;
Wo dein Bronn der Liebe quillt,
Rauscht mein Strom der Lieder.

 

XLII.

O wie Vieles liebt ein Mann,
Wie viel hat die Welt zu lieben!
Aber seit ich dich gewann,
Ist mir weiter nichts geblieben.

Welt, ich kannte niemals sie,
Bis ich sie in dir gefunden.
Du liebst deine Poesie,
Schenkest ihr die besten Stunden.

Und so willst du von der Welt
Haben, weiß nicht was für Gaben,
Da mich nur die Sehnsucht hält, –
Deine Lieb' allein zu hoben. –

Und du hast sie ja allein,
Träume dir nicht Unterschiede!
Kannst du eifersüchtig sein
Deinem eignen Schmuck, dem Liede?

Wie des Liedes Thau es will
Nur auf dich, die Rose, träufen;
Könnt' ich Erd' und Himmel still
So um dich zu Schätzen häufen!

Und des Ruhmes goldnen Kranz
Will ich aus der Hand nicht lassen;
Denn es ziemt, in edlen Glanz
Meinen Edelstein zu fassen.

 

XLIII.

Ist es Demuth oder Stolz,
Daß die Liebste denkt und spricht,
Wie ihr Herz in Liebe schmolz,
Also könn' es meines nicht?

Glaub' es nur, mein süßer Leib,
Jedes liebt hier, wie es kann.
Ja, du liebst mich wie ein Weib,
Und dich lieb' ich wie ein Mann.

 

XLIV.

Ich und meine Liebste sind im Streite,
Ob mein Kind sie sei, ob ich das ihre?
Jedes will zu seinem Kind das Andre
Darum machen, um es so zu pflegen.
Dann hinwieder will das Kind des Andern
Jedes sein, sich pflegen so zu lassen.
Und die Mutter, die den Streit mit ansah,
Sprach: Das End' ist, daß ihr alle Beide,
Sonst vernünft'ge Leute, nun zu Kindern
Wieder seid geworden. Nun so wartet!
Eure Mutter wird zur Ruthe greifen,
Wenn ihr nicht mit Küssen euch versöhnet.

 

XLV.

Meine Liebste mit den frommen, treuen
Braunen Rehesaugen sagt, sie habe
Blaue einst als Kind gehabt. Ich glaub' es.
Neulich, da ich, seliges Vergessen
Trinkend, hing an ihren süßen Lippen,
Meine Augen unter'm langen Kusse
Oeffnend, schaut' ich in die nahen ihren,
Und sie kamen mir in solcher Nähe
Tiefblau wie ein Himmel vor. Was ist das?
Wer gibt dir der Kindheit Augen wieder?
Deine Liebe, sprach sie, deine Liebe,
Die mich hat zum Kind gemacht, die alle
Liebesunschuldsträume meiner Kindheit
Hat gereift zu seliger Erfüllung.
Soll der Himmel nicht, der mir im Herzen
Steht durch dich, mir blau durch's Auge blicken?

 

XLVI.

Wie mir's steht im Herzensgrunde,
Kannst du seh'n an meinem Munde.
Hat ein And'rer schlimme Launen,
Furch't er wohl die Augenbraunen.

Aber was mir ist zuwider,
Zieht mir gleich die Lippen nieder.
Und sie wieder aufzubringen,
Kann nur deinem Kuß gelingen.

 

XLVII.

Hier, Geliebte, nimm es wieder,
Was von Schulter und Gewand,
Süßen Raub der süßen Glieder,
Ich dir spielend einst entwand.

Nimm den Tand zurück mit Schweigen,
Er ist mir nicht weiter Nutz.
Nun du selber bist mein eigen,
Wozu braucht' ich deinen Putz?

 

XLVIII.

Ich lag in stummer Lust
An meiner Liebsten Brust,
Und meine Augenliede
Geschlossen hielt der Friede.

Ich fühlte mich in ihr
Und fühlte sie in mir,
Ich fühlte nur das Leben,
Das wir einander geben.

Da blickt' ich auf nach ihr,
Und wieder sie nach mir,
Es kamen auf den Wegen
Die Blicke sich entgegen.

Was wollt ihr Augen hier?
Ihr seid nur Neubegier.
Wir wissen im Vertrauen,
Was ihr nicht braucht zu schauen.

Mein Auge schaute doch,
Und ihres schaute noch,
Als ob das meine fragte,
Und ihres Antwort sagte.

Es fragte: Liebst du mich?
Es sagte: Frage dich!
Und beide schlossen wieder
Begnügt die Augenlider.

 

XLIX.

Eines hat mich oft erstaunet,
Liebste! wenn die Fremden nah'n,
Wie du scherzen frohgelaunet
Kannst, als sei dir nichts gethan.

Durch die tausend Nichtigkeiten
Förmlicher Geselligkeit
Weißt du heiter hinzugleiten,
Rechts und links Aufmerksamkeit.

Ist dir nicht, seit du empfangen
Diesen Himmel in der Brust,
Für die Welt der Sinn vergangen,
Und für ihren Tand die Lust?

Liebste! mir, seit ich getrunken
Habe deinen heil'gen Kuß,
Ist das Irdische versunken,
Und die Welt ein Ueberfluß.

Sie zu sehen, sie zu hören,
Ihr geseh'n, gehört zu sein,
Kann nur das Bewußtsein stören,
Daß ich lebe dir allein.

Laß mich diese Last nicht tragen,
Mit den Andern umzugeh'n,
Denen ich doch nicht darf sagen,
Wie durch dich mir ist gescheh'n.

Aber du vermagst im Herzen
Tief zu bergen dies Gefühl,
Außen munter fortzuscherzen
In dem muntern Weltgewühl.

 

L.

Liebster! nun ich dich gefunden,
Der mich ewig ganz bewegt,
Denk' ich, wie einst kurze Stunden
Mich der erste Mann erregt.

Noch am Fuß die Kinderschuhe,
Sah' ich ihn, der mir gefiel.
Wie ich jetzt es kund dir thue,
Fühl' ich nur, es war ein Spiel.

Soll es nicht ein Mädchen reizen,
Das sich selber kaum gewahrt
Und nun sieht, daß man kann geizen
Nach den Blicken, die es spart?

Selber wichtig vorgekommen
Bin ich damals mir zuerst,
Und es war mein Stolz entglommen,
Den du nun die Demuth lehrst.

Jener hat mir wie von ferne
Angekündigt dein Geschlecht;
O wie giebt ein Mädchen gerne
Sich in's reizende Gefecht!

Liebster! vielfach angefochten,
Doch kein einzig Mal besiegt,
Wie sie auch sich stellen mochten,
Hab' ich mich hindurch geschmiegt.

Jeden Angriff abgeschlagen
Hab' ich bis zum letzten Mann.
Ach, dem letzten muß ich sagen,
Daß er ganz mein Herz gewann.

 

LI.

Sie haben mir den Liebsten ganz
Ermüdet durch Gespräch und Schmaus;
In seinem Auge starb der Glanz;
Verstört, unliebend sah er aus.

Ich nahm ihn heimlich bei der Hand
Und führt' ihn fort zur Mittagsruh';
Ich sah, indem ich vor ihm stand,
Ihm leise beim Entschlafen zu.

Die Liebe kehrt' in sein Gesicht
Und Fried' und Lust, indem er schlief;
Den Blick des Auges sah ich nicht,
Doch fühlt' ich ihn im Busen tief.

 

LII.

Was ich je als Putz besaß,
Pflegte stets mir lang' zu dienen;
Meine Freunde sagten, daß
Meine Sachen ewig schienen.

Sollte das ein Tadel sein,
Hab' ich's doch als Lob genommen;
Und nun soll, was dort war klein,
Größerem zu Statten kommen:

Da ich unter meinen Sachen
Nun, o Freund, dein Lieben habe,
Werd' ich's wissen so zu machen,
Daß mir's halte bis zum Grabe.

 

LIII.

Sie sagen wohl, ein Kuß sei Scherz,
Sie sagen wohl, ein Kuß sei Spiel.
O wie ein Kuß mir fiel auf's Herz,
O wie ein Kuß auf's Herz mir fiel!

Ich küsse nicht zum Scherze dich,
Ich küsse dich aus vollem Ernst,
Und wenn du anders küssest mich,
So bitt' ich, daß du's besser lernst.

Ich sage dir mit diesem Kuß,
Daß ich die Deine bin und bleib',
Ich sage dir, daß ewig muß
Ich mich bekennen als dein Weib.

Du hast dasselbe mir gesagt,
Du liebst im Ernst und nicht im Scherz.
Und wenn mein Mund dich zweifelnd fragt,
So küss' es wieder mir in's Herz.

 

LIV.

Diesen Spiegel deiner Lieder
Nahm ich zitternd in die Hand,
Legt' ihn hin und nahm ihn wieder,
Und die Liebe überwand.

Fühl' nur meine Wangen brennen,
Ob du malest, wie du liebst!
Soll ich mich zum Bild bekennen,
Das du mir zum Bilde giebst?

Wie du mir mich giebst zu lesen,
Bin ich's oder bin ich's nicht?
Weiß nicht, was ich sonst gewesen,
Jetzo bin ich dein Gedicht.

Magst mich immer weiter dichten,
Immer reiner, himmelsrein;
Und ich will ja gern verzichten,
Etwas auf der Welt zu sein.

 

LV.

Dies Verläugnen kann nicht taugen!
Wie mich so dein Mund verschwor,
Komm' ich mir in deinen Augen
Selbst im Werth gesunken vor.

Da sie's uns nicht wollen gönnen,
Unser ohne sie zu sein,
Laß sie sehen, was sie können!
Seh'n sie Aeuß'res doch allein.

Laß dir nicht die Wangen brennen,
Tilge mit dem Stolz die Scham,
Woll' es kühn der Welt bekennen:
Dieser ist mein Bräutigam.

 

LVI.

Aus des Taschenbuches Blättern
Schrieb ich mit arab'schen Lettern
Meiner Liebsten Namenszug.
Weißt du auch, was das bedeute?
Nicht Arabisch wissen Bräute,
Doch errieth sie's schnell genug.

Las sie's wohl in meinen Mienen?
Immer liest sie recht in ihnen.
Oder meint sie, auch zum Scherz
Könn' ich eben anders keinen
Namen schreiben als den einen,
Den ich ewig schreib' in's Herz?

 

LVII.

Freilich, wenn mein Herz ich frage,
Das verschämt mit Antwort säumt,
Hör' ich, daß vom ersten Tage
Es hat nichts als das geträumt.

Doch nie hab' ich mir's gestanden,
Selbst als Herz an Herz gepocht,
Selbst nicht, als zu kühn'ren Banden
Ich um dich die Arme flocht.

Ob dein Mund es mochte schwören,
Mir unglaublich kam es vor,
Daß mir hier sollt' angehören,
Was ich mir für dort erkor.

Weißt du noch, wie von Entsagen
Ich mir wob ein Traumgespinnst?
Durft' ich denn zu greifen wagen
Nach des Lebens Hauptgewinnst?

Ja, ich wäre dein geblieben.
Hättest du des Jahrs einmal
Mich geseh'n nur, mir geschrieben,
Mir gesendet einen Strahl.

Und nun doch für dieses Leben,
Und nun über's Grab hinaus
Ist mir doch das Glück gegeben;
Denk' ich das und fühl' ich's aus?

O ihr ew'gen Himmelslichter,
Gold'ne Sommerauen, seht,
Wie mein Liebestraum, mein Dichter,
Mir zur Seit' als Gatte steht.

 

LVIII.

Eins, Geliebte, muß ich rügen,
Das dich mit dir selb entzweit,
Das den milden Engelszügen
Stört die sich're Heiterkeit.

In der Seele tiefstem Grunde
Fühlest du so stark wie ich,
Daß wir sind im ew'gen Bunde,
Und nichts trennet dich und mich.

Doch oft kann ein Nichts genügen,
Eine Kleinigkeit, ein Scherz,
Um's Gefühl dich zu betrügen,
Das doch ganz erfüllt dein Herz.

Das Bewußtsein aller Stunden,
Aller Liebesschwüre Kraft,
Sind sie denn im Nu geschwunden,
Hat ein Hauch sie hingerafft?

Alle sel'gen Liebesfüllen,
Aller Himmel Sonnenschein,
Konnte sie in Schatten hüllen
Eines Augenblickes Pein?

Lieb' ist das, doch ist sie bänglich,
Wenn sie nicht kann widersteh'n,
Was sie fühlt als unvergänglich,
Für vergänglich anzuseh'n.

Kann ein Wort aus fremdem Munde
So dich kälten, süßes Herz?
Aber sieh', zu dieser Stunde
That's des eignen Freundes Scherz.

Was du ja mußt besser wissen,
Glaub' es doch nicht einem Scherz!
Drücke dir nicht wehbeflissen
Selbst den Rosendorn an's Herz!

Drücke nicht, o meine Rose,
Selbst an's Herz den Rosenstift!
Sauge nicht, erbarmungslose
Bien', aus Redeblumen Gift!

Warum willst du selb dich tödten,
Tödten mein Gefühl in dir?
Welt genügt mit ihren Nöthen,
Ihr nicht helfen wollen wir.

Zwar, was eben dich beklommen,
Was dich flüchtig hat verstimmt,
Ist verschwunden und verschwommen,
Wie der Freund in Arm dich nimmt.

Doch wenn einst die Zweifel kämen,
Sei's durch Andre, sei's durch mich,
Und sogleich in Arm nicht nehmen
Könnt' ich, liebe Seele, dich:

Wolltest du denn lassen walten
Diese fremde Kraft in dir,
Blutig dein Gefühl zerspalten
Und dich fühlen außer mir? –

Liebster! nein, bei meinen Zähren!
Meiner Liebe Sonnenschein
Würd' aus der Umwölkung klären
Sich auch durch sich selbst allein.

Aber Pein würd' ich empfinden,
Bis ich neu mich fänd' in dir.
Sollst mich künftig stärker finden,
Heut' verzeih' die Schwäche mir. –

Liebste! Seele meiner Seele,
Du verzeih' die rauhe Qual!
Daß dich fürder Schmerz nicht quäle,
Abschied hab' er allzumal!

Mit der Welt nur will ich scherzen,
Weisen sie mit Scherz zurück,
Aber nicht mit deinem Herzen,
Aber nicht mit meinem Glück.

Doch so leicht du zu verwunden,
Bist du auch zu heilen leicht;
Und ich hab' es tief empfunden,
Daß dich Liebe schnell erweicht.

Und so ist es denn gekommen,
Wie die Mutter dir gesagt
Neulich, als sie wahrgenommen,
Daß wir zwistig uns genagt:

Soll ich's loben, soll ich's klagen?
Immer, wenn ihr euch entzweit,
Seh' ich nur in nächsten Tagen
Wachsen eure Innigkeit.

 

LIX.

Ich war mir selb ein Traum,
Bis mich die Liebe weckte;
O wie ich da den Raum
Der Welt um mich entdeckte.

Ich wies dich nicht zurück,
Weil du so fromm gebeten,
Nun ist durch dich mein Glück
Auf ird'schen Grund getreten.

Gott! wenn er könnte wanken,
Der Grund, wenn er versänke!
Mir schwinden die Gedanken,
Geliebter! wann ich's denke.

 

LX.

Neulich beim Verlobungsfeste,
Liebster, als auf's allerbeste
Du mit deinem Glas
Gegen meines angeklungen,
Ist das meinige zersprungen;
Was bedeutet das?

Hör', o Liebste, wie ich's meine:
Nur zersprungen ist das eine,
Ganz ist eins noch hier.
Folgen wir des Himmels Winken
Zwei aus einem Glase trinken
Künftig sollen wir.

 

LXI.

Du meinst, o liebe Mutter,
Wenn ich beim Liebsten bin,
Es käm' uns gar nichts Andres
Als Küssen in den Sinn.

Du irrst, o liebe Mutter!
Ich darf den Liebsten ja,
Auch wenn du's siehest, küssen,
Sieh' her, ich küss' ihn da.

Doch wenn allein wir sitzen
In stiller Traulichkeit,
Wie ernstliche Gedanken
Verkürzen uns die Zeit!

Wie hat mir wicht'ge Dinge
Der Liebste zu vertrau'n!
Er giebt sein Herz, sein Leben
Von Grund aus mir zu schau'n.

Er will mir nichts verhehlen,
Und ihm verhehl' ich nichts.
Wir kennen unsre Seelen,
Wie Züge des Gesichts.

Denn Alles muß auf Erden
Sein zwischen uns ganz klar,
Bevor wir können werden
Ein wohlverständigt Paar.

 

LXII.

Horch nur, Mutter, horch, wie schön
Draußen mein Geliebter schilt!
Weiß nicht, wem und was es gilt,
Doch mir ist's ein Wohlgetön.

Sprach die Mutter, das ist selten,
Kann die Liebe so erblinden?
Wird er einst als Eh'mann schelten,
Mögest du's so schön auch finden.

 

LXIII.

Mit der Freundin meiner Lieben
Durch's bethaute Kleegefild'
Wandelnd, bückt' ich mich am Wege
Nach dem grünen Teppich hin,
Ob ich bei den dreigetheilten
Blättchen, d'raus er war gewirkt,
Nicht ein viergetheiltes fände,
Welches für ein Glücksblatt gilt.
Da ich keines finden konnte,
Bei dem Glück beklagt' ich mich;
Als die Freundin meiner Lieben
Lächelnd so zurück mich wies:
Ist der Freund nicht unbegnügsam,
Wie nur Männer immer sind!
Doppelt Glück an einem Tage
Findet man im Leben nie.
Aber seht den Unzufriednen,
Der in diesem Augenblick
Eben ein vierblätt'rig Kleeblatt,
Welches meine Freundin ist,
Diesen seltnen Schmuck der Fluren,
Dieses Frühlingswunderkind,
Seines Lebens Glücks- und Herzblatt,
(Ohne Würden und Verdienst,
Nur weil es das Glück gewollt hat,
Und der Himmel es bestimmt)
Hat gefunden und an seine
Brust gepflückt, und eben itzt
Noch will auf der Wiese suchen,
Was er schon so schön besitzt.

 

LXIV.

Liebe! Jenes Briefchen, das du schriebest
Meiner Mutter, die als deine liebest;
Schön und einfach, stille Liebestiefe,
Ja, es war dein ganzes Bild im Briefe;
Und sie sieht nun, ohne noch gesehen
Dich zu haben, dich vor Augen stehen.
Soll ich sagen, wie du sie gerühret?
Ja, das Plätzchen, das dir nun gebühret,
Hast an ihrem Herzen eingenommen,
Nah', so nah', nicht näher konnt' ich kommen.
Höre, was zu mir sie sprach: Dein Schätzchen,
Sprach sie, ist ein; rechtes Schmeichelkätzchen.
Hat sie doch bei mir sich eingeschmieget,
Daß mir ist, als hätt' ich sie gewieget.
Hüte dich! sie wird gewiß mit Streicheln
Aus dem Busen einst das Herz dir schmeicheln.

 

LXV.

Jüngst in der Liebsten Vaterhause,
Bewegt von lautem Freudenbrause,
Begegnete ein schlimmes Zeichen,
Das jede Wange macht' erbleichen:
Ein Bienenschwarm, den sie gezogen,
War über Nacht davon geflogen.

Heut', da zu meiner Mutter Hause
Die Liebste kommt zu Fest und Schmause,
Begegnet hier ein gutes Zeichen,
Um jenes schlimme auszugleichen:
Ein Bienenschwarm ist angeflogen
Und hat ein neues Haus bezogen.

Geliebte, ja! im Vaterhause
Bald räumest du die Mädchenklause
Und wirst in meinen Arm entweichen;
Das deutete das Doppelzeichen:
Der Bienenschwarm ist ausgeflogen
Und hat ein neues Haus bezogen.

 

LXVI.

Liebster! Da so viele Lieder
Du gesungen hast für mich,
Meine Augen schlag' ich nieder,
Noch um eines bitt' ich dich.

Der Geburtstag meiner lieben
Mutter, blieb er unbesungen?
Selbst ist er das nicht geblieben,
Eh' ich, Liebster, dich errungen.

Hast mich oft genug genecket,
Weil ich's thöricht dir verrieth,
Daß ich mich als Kind erkecket,
Selb zu machen solch ein Lied,

Das der Mutter Lieblingshunde
An den steifen Hals ich hing,
Als sie ihn zur Morgenstunde
Bei sich zum Besuch empfing.

Doch es ist mir vorgekommen,
Daß mir Verse schlecht gelingen;
Darum hab' ich dich genommen,
Daß du's sollst für mich vollbringen. –

Liebste! wie soll der ich danken,
Die dich mir geboren hat!
Liebste! Meine Liederranken
Nimm sie alle, Blatt für Blatt.

Was ich habe dir gesungen,
Sang ich's all nicht ihr zugleich?
Denn mir wär' es nicht entsprungen,
Wär' ich durch ihr Kind nicht reich.

Nimm den reichen Kranz und schling' ihn
Um des Tages Festaltar,
Sag', du bringest ihn, ich bring' ihn
Deiner, meiner Mutter dar. –

Sieh' das reiche Brautgeschmeide,
Mutter! das der Liebste mir
Umgehangen hat zum Neide
Aller Welt, zum Stolze dir.

Diese Zauberketten binden
Ganz mich an den liebsten Mann,
Die mich doch nicht dir entwinden,
Schöner dir gehör' ich an.

Wie vor meinem Blick die Liebe
Hat die ganze Welt verklärt,
Fühl' ich auch mit rein'rem Triebe,
Was mir Gott in dir gewährt.

Zum Geburtstag nicht verloren
Hast du heut' dein Kind in mir,
Wie mich selber neu geboren
Fühl' ich auch die Mutter mir.

 

LXVII.

Hast nicht diese armen Augen
Deine Sonnen oft genannt?
Sollen sie nun Thränen saugen
Wie die dort am Himmelsrand?

Mögen sie wohl Sonnen heißen,
Die mit ihrer Blicke Gluth
Können nicht den Flor zerreißen,
Der auf dir wie Nebel ruht?

Weil der Himmel uns will zeigen
Heut' ein finster Angesicht,
Hüllst du dich in dunkles Schweigen
Und mein Lächeln siehst du nicht.

Hast du doch nicht wahrgenommen
Manchen Tag, der hell verging,
Und bist eben hergekommen,
Da es an zu regnen fing.

Ach, die hellen Tage gingen
Ohne dich mir trüb vorbei.
Nun dich meine Arm' umfingen,
Bist du selb nicht wolkenfrei.

Freilich durch den Garten gehen
Möcht' ich nun an deiner Hand,
Wo die stillen Lilien stehen,
Weil die Rosen abgebrannt.

Wollten in die Laube schlüpfen,
Wo das stille Vogelpaar
Einst genistet; dort nun hüpfen
Auf dem Zweig die Jungen gar.

Wenn der Himmel das uns wehret,
Denk' ich doch im Zimmer, daß
Ein Liebhaber nichts entbehret,
Wo er warm beim Liebchen saß.

Weißt du, was der Himmel denket?
Daß er seinen Sonnenschein
Nicht vergebens denen schenket,
Die sich selb das sollen sein.

Doch du blickest ungeduldig,
Wie sich Wolk' an Wolke treibt;
Find'st wohl meine Blicke schuldig,
Daß in dir es finster bleibt?

Zürn' ich, klag' ich oder staun' ich,
Wie den Sinn der Wind dir dreht?
Soll ich sagen: wetterlaunig?
Nein, ich sage nur: Poet!

 

LXVIII.

Prüfe noch sich wohl mein Dichter!
Halbgeflochten, noch ist Zeit;
Geht der Knoten zu, so flicht er
Ganz sich für die Ewigkeit.

Frage nicht, wie ich's ertrage,
Sage nichts und gehe fort.
Wie ich meinem Glück entsage,
Bleibt mir noch ein Zufluchtsort.

»Und was wär' es, das dir bliebe,
Fielen diese Blüthen ab?
O ich kenne deine Liebe,
Und dir bliebe nur ein Grab.«

Sich eröffnen diese Stätte
Soll der Mensch nicht freventlich;
Wo ich dich verloren hätte,
Nähme auf ein Kloster mich.

Nicht der Nonne dumpfe Zelle,
Dieses Herzens Einsamkeit,
Liebster! sei die heil'ge Schwelle,
Ew'gem Liebeschmerz geweiht.

»Nicht der Nonne dumpfe Zelle,
Dieses Herzens Innigkeit,
Schwester, sei die heil'ge Schwelle,
Ew'gem Liebesglück geweiht.«

 

LXIX.

Liebste! Wer vom Anfang ist Vertrauter
Uns'res Bund's gewesen? Gott allein.
Und als ew'ger Bundeszeuge schaut er
Noch von dort in unser Herz herein.
Liebste! Niemand kann so rein, so lauter
Der Vermittler uns'rer Liebe sein.
Liebste! nie ein anderer Vertrauter
Stehe zwischen uns als Gott allein.

 

LXX.

Ich bin mit meiner Liebe
Vor Gott gestanden
Und stelle diese Triebe
Zu seinen Händen.

Ich bin von diesen Trieben
Nun unbetreten:
Ich kann dich, Liebster, lieben
Zugleich und beten.

 

LXXI.

O Gott, wie dank' ich dir,
Daß du mir gabst das Leben,
Da du die Liebe mir
Nun hast dazu gegeben.

Das ew'ge Morgenroth
Ist in mir aufgegangen;
Ich brauche nicht vor'm Tod,
Vor'm Leben nicht zu bangen.

Du bist im Leben mein
Und mein im Tod geblieben.
Ich sah, wie Gott uns ein
Hat in sein Buch geschrieben.

 

LXXII.

Mir ist, nun ich dich habe,
Als müßt' ich sterben.
Was könnt' ich, das mich labe,
Noch sonst erwerben?

Mir ist, nun ich dich habe,
Ich sei gestorben.
Mir ist zum stillen Grabe
Dein Herz erworben.

 

LXXIII.

Ich weiß, daß mich der Himmel liebt,
Weil du mich liebst, mein Leben!
Daß er mir meine Schuld vergiebt,
Weil er dich mir gegeben.

Ja, weil du schwörst, daß ohne mich
Kein Glück dir könne lachen,
Muß, um zu machen glücklich dich,
Der Herr mich glücklich machen.

 

LXXIV.

Sie sprach: Erschrick nicht! sie ist dein,
Ist dein auf Tod und Leben.
Ich sprach: Und bist du, bist du mein
Wie sollt' ich denn nicht beben?

Wie sollt' ich die Unendlichkeit
Der Lieb' am Busen tragen,
Und von der neuen Seligkeit
Nicht überwältigt zagen!

 

LXXV.

Liebste! Neulich, als die Vorbereitung
Dieses Festes, das nun (Gott gedankt sei's)
Glücklich überstanden ist, im Hause
Dich von mir entfernt so manche Stunden,
Schlich ich nach dir in die Speisekammer,
Und du weißt: wir hatten kaum zu kosen
Angefangen, als der Vater draußen
(Eben aus der Stadt kehrt' er zurücke)
Auf dem Vorplatz eilig rief nach seinem
Töchterchen. Du sprangst hinaus und ließest
Eingeschlossen mich zurück. Da ward ich,
Ungeseh'n, ein Zeuge seiner Liebe,
Dieser Liebe, die ich längst schon kannte,
Doch die nie so nah' mir trat zum Herzen.
Wie er dich mit süßen Schmeichelnamen
Nannte, angelegentlichst nach deinem
Wohlfein forschte, ob du froh sei'st, fragte;
Liebste! nicht verstand ich alle Worte,
Doch es rührte mich der Ton der Stimme,
Und ich sprach: Dem willst du sie entreißen
Sündlich ist's da fast mir vorgekommen.
Doch ich habe mir das Wort gegeben,
Alle Kraft der Liebe, die im Busen
Eines Mann's kann wohnen, aufzubieten,
Um dir die des Vaters zu ersetzen,
Zu ersetzen den Verlust dem Vater
Durch's Gefühl, daß er dich glücklich wisse.

 

LXXVI.

Lade die Welt zum Feste der Lust, o Flötengetön!
Wecke das Herz und schwelle die Brust, o Flötengetön!
Irdisches Rohr! zu schwellen beginnt dich himmlischer Hauch;
Trage die Seel' empor aus dem Dunst, o Flötengetön!
Winter und Gram hat Welt und Gemüth umzogen mit Eis:
Löse das Band und sprenge die Krust', o Flötengetön!
Rauschte das Meer, und braus'te der Sturm? Du hobest die Stimm',
Und die der Welt hat schweigen gemußt, o Flötengetön!
Nicht in der Nacht der Wälder hat Pan dich hauchend geweckt,
Sondern dich spielt die Still' in der Brust, o Flötengetön!
Droben die Stern' am Reihen, sie steh'n, es führet zum Tanz
Niemand sie auf, wenn du es nicht thust, o Flötengetön!
Siehe, da tönt der Reigen, und horch, die Laut' Anahids
Spielet, so oft aufathmend du ruh'st, o Flötengetön!
Sage, wo schwebt, im Glänze verhüllt, die Liebe dahin?
Sag', ob sie auf Milchstraßen dort fußt, o Flötengetön!
Seit mir einmal gezogen durch's Herz ihr lächelnder Duft,
Athm' ich nur sie, dir ist es bewußt, o Flötengetön!
Ob sie mich liebt? und wie ich sie lieb', ob das ihr geliebt?
Sag' du es mir, weil wissen du's mußt, o Flötengetön;
Seit ich gewann die Hoffnung zu ihr, verlor ich die Welt;
Sag' ihr mein Glück und meinen Verlust, o Flötengetön!
Hier aus dem Schrein, den ihr ich gebaut, aus hab' ich gekehrt
Willen, den Staub, und Wissen, den Wust, o Flötengetön!
Sag' es ihr, wirb und ziehe sie her, mir wieder an's Herz,
Goldengelockt und silbergebus't, o Flötengetön!
Siehe, sie kommt, die Perle des Meer's, die glänzende Braut,
Füllend mit Glanz die Muschel der Brust, o Flötengetön!
Wölbe zum Dach den Himmel, zum Pfühl die Erde und stirb.
Säuselnd in Freimunds bräutliche Lust, o Flötengetön!

 

LXXVII.

Nun komme, was liebet, nun komm' es zu zweier
Verliebten, Verlobten vermählender Feier!
Die Schöpfung, die sonst sich um Liebe gedrehet,
Sie dreh' sich in Lieb' um die Braut und den Freier!
Das Zimmer, sich wandt' es in Gärten des Himmels!
Der Winter, verzaubert zum Frühlinge sei er!
Der Odem der Liebe, statt Ostwindes dien' er,
Den stockenden Lüften die Regung verleih' er!
Der Blick der Geliebten ersetze die Sonne,
Aus drängenden Knospen die Rosen befrei' er!
Komm', Nachtigall, sing' uns ein Lied hier wie jenes,
Wodurch dir im Nest sich beleben die Eier!
Ihr Tauben in Lauben, o girret und schwirret!
Lahm sei, euch zu schrecken, der Flügel dem Geier.
Schwing', Falke der Lust, dich und hol' mir aus Lüften
Die Beute des Glückes, den glänzenden Reiher!
Zieh' magische Kreise aus feuchten Krystallen,
O Schwan, mit Gesängen berud're den Weiher!
O Dichtergenosse, prophetischer Vogel,
Sei heute dem Dichter ein Heilprophezeier!
Wir pflanzen im Garten zum Baum der Erkenntniß
Den Baum des Genusses; still wurzelnd gedeih' er!
Sanft schwelle der Apfel und winke vom Zweige,
Und seinen Genießer der Sünde nicht zeih' er!
Die Unschuld ist wieder durch Liebe gewonnen;
Der Geist fühlt im Bande der Sünde sich freier.
Profane! wir wollen die Weihe beginnen;
Hinweg, Ungeweihte, den Blick, den Entweiher!
Nacht, heilige Göttin, Allmutter des Lebens,
Zieh' um uns den Himmel, den bräutlichen Schleier
Wir ruhen im Dufte des Schleiers der Liebe;
Hell tönet vom Himmel die mystische Leier.

 

LXXVIII.

Mein Lieben blicket an das Lied,
Und mein Gesang die Lieb' ansieht.
Sie blicken stets einander an,
Als wär' es ihnen angethan.
Sie sehen sich so wonnereich,
Das Eine schön dem Andern gleich;
Sie können ab davon nicht steh'n,
Einander immer anzuseh'n.


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