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Erster Strauss. Erwacht

I.

Unvergleichlich blüht um mich der Frühling,
In die Fenster schlagen Nachtigallen,
Heiter blickt der Himmel her, die Sonne
In das Stübchen, wo ich sitz' und dichte.
Mehr als Blumen im Gefilde sprossen
Lieder täglich unter meiner Feder.
Und vom Flore meiner Blätter blick' ich
Zwischenhin auf den des Frühlings draußen,
Lächl' ihm zu und seh' ihn wieder lächeln.
Jeder von uns beiden scheint zufrieden
Mit sich selbst und mit dem andern; jeder
Thut und läßt den andern thun das Seine.
Und, den Tag lang dichtend, denk ich immer
An den Abend, wo, zu süßen Tagwerks
Süßem Lohn, ich gehe zu der Guten,
Die mit treuer, anspruchsloser Neigung
Mich beglückt, wie ich es nie mir träumte.
Hab' ich doch allein für sie gedichtet,
Wie der Frühling sich für sie nur schmückte.
Und sie freut sich meiner Liedesblüthen
Wie der Kränze, die der Lenz ihr bietet,
Theilt ihr Lächeln zwischen beiden Freunden,
Die einander nicht den Antheil neiden.
Lieben, dichten und den Frühling schauen,
Dichten und den Frühling schaun und lieben –
Giebt es einen angenehmem Kreislauf,
Als in dem ich spielend mich bewege?
Und den süßen Kelch mir scharf zu würzen,
Rascher zum Genuß mich aufzufordern,
Steht der Abschied winkend in der Ferne.
Näher treten seh' ich ihn bedeutsam,
Sprechend: Alles dieses mußt du lassen.
Wie das Leben schön ist, weil es endet,
Wie die Jugend lieblich, weil sie fliehet,
Wie die Rose reizend, weil sie welket;
So empfind ich heut' ein Glück gedoppelt,
Das mir morgen schon der Tod will rauben.
Angefangne Lieder möcht' ich enden,
Doch unendlich quellen sie im Herzen.
Rosenknospen möcht' ich noch im Garten
Sich zur Blüth' erschließen sehn und brechen.
Und die Sonne dieser tiefen Augen,
Die mit jedem Blick von Seelentreue,
Ew'ger Fülle der Empfindung sprechen,
Möcht' ich ganz noch in die Seele trinken.
Laß, o Herz, dich nicht vom Drang verwirren,
Sondern nimm, was du noch darfst, besonnen:
Diese ungebornen Lieder alle,
All' die Hoffnung dieser Rosenknospen,
Diesen Frühling, diesen Liebeshimmel,
All' dies Glück, o fass es, wenn du scheidest,
In ein liebendes Gefühl zusammen,
Nimm es mit! Wer kann's der Seele rauben?
Die Erinnrung wird davon sich nähren,
Wenn die Gegenwart die süße Nahrung
Dir versagt, woran dein Herz gewöhnt ist.
Phantasie und Liebe, deren Flügel
Nicht der Zeit, der Räume Trennung achtet,
Wird, wo du auf öden Steppen weilest,
Jeden Augenblick zurück dich tragen
In das Paradies, das du verlassen.

 

II.

Ich hab' in mich gesogen
Den Frühling treu und lieb,
Daß er, der Welt entflogen,
Hier in der Brust mir blieb.

Hier sind die blauen Lüfte,
Hier sind die grünen Au'n,
Die Blumen hier, die Düfte,
Der blüh'nde Rosenzaun.

Und hier am Busen lehnet
Mit süßem Liebesach
Die Liebste, die sich sehnet
Den Frühlingswonnen nach.

Sie lehnt sich an, zu lauschen,
Und hört in stiller Lust
Die Frühlingsströme rauschen
In ihres Dichters Brust.

Da quellen auf die Lieder
Und strömen über sie
Den vollen Frühling nieder,
Den mir der Gott verlieh.

Und wie sie, davon trunken,
Umblicket rings im Raum,
Blüht auch von ihren Funken
Die Welt, ein Frühlingstraum.

 

III.

Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', o du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh', du bist der Frieden,
Du bist der Himmel, mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich mir werth,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bess'res Ich!

 

IV.

Der Himmel hat eine Thräne geweint,
Die hat sich in's Meer zu verlieren gemeint.
Die Muschel kam und schloß sie ein:
Du sollst nun meine Perle sein.
Du sollst nicht vor den Wogen zagen,
Ich will hindurch dich ruhig tragen.
O du mein Schmerz, du meine Lust,
Du Himmelsthrän' in meiner Brust!
Gieb, Himmel, daß ich in reinem Gemüthe
Den reinsten deiner Tropfen hüte!

 

V.

Sie sah den Liebsten schweigend an,
Sie sucht' ein Wort, auf das sie sann.
Sie dachte, und in Duft zerfloß
Des Denkens Faden, den sie spann.
Empfindung tauchte auf, als wie
Die Nymph' aus Fluthen dann und wann,
Und tauchte wieder in die Fluth,
Als ob es sie zu reu'n begann.
Die Seele war der Knospe gleich,
Die will und sich nicht aufthun kann;
Sie lächelte, als staunte sie
In sich ein holdes Räthsel an.
Sie athmete, als ob auf's Herz
Ihr drück' ein süßer Zauberbann.
Sie blickte wie nach einem Traum,
Der schwimmend nicht Gestalt gewann.
Sie flüsterte, es war kein Wort,
Ein Hauch nur, der in Duft zerrann.
Sie flüstert' ihm das Wort in's Herz:
Du bist ein sehr geliebter Mann!
Du bist ein sehr geliebtes Weib!
So sprachen sie und schwiegen dann.

 

VI.

Warum sich Zwei erwählen,
Zusammen Eins zu sein,
Untrennlich sich vermählen
Zu Leib- und Seelverein?
Sind sie dazu geboren?
Von Gott dazu erkoren?
Es ist nicht auszuzählen,
Warum es so muß sein.

Die Welt, sie stand so munter
Vor meinen Augen da;
Die ganze ging mir unter,
Da ich den Einen sah!
Es faßte mich ein Bangen,
Wie ich sie sah zergangen;
Doch schöner ging und bunter
Sie auf im Freunde ja.

Ich träumte nur von Wonnen,
Wann ich mich sonst gefreut;
Ich meinte wohl, daß Sonnen
Mir schienen auch wie heut';
Das Alles war ein Schatte,
Da ich die Lust nicht hatte,
Die nun als wie ein Bronnen
Sich aus sich selbst erneut.

Es wurden die Gewalten
Der Liebe mir bewußt;
Ich fühle sich entfalten
Im Herzen eine Lust,
Mit meinen Liebesblicken
Die Schöpfung zu umstricken,
Gott, Himmel, Welt zu halten
Vereint an meiner Brust.

Kann man im Herzen tragen
So viel zu einer Frist?
Ich will davor nicht zagen,
Weil Alles Eins nur ist.
Durch Liebe will ich zeigen
Der Welt, ich sei liebeigen,
Und jeder Blum' es sagen,
Daß du mein Gatte bist.

Ich will die Liebesspenden
(O zürne nicht der Braut)
An alle Welt verschwenden,
Wie Lenz vom Himmel thaut.
Mir ist so viel geblieben:
Ich kann sie Alle lieben,
Ohn' etwas zu entwenden
Dir Einem süß und traut!

 

VII.

Gott! wie aus schwachen Weibes Brust
Sich ein Gefühl kann heben,
So stark und freudig, kraftbewußt,
Umfassend alles Leben,

Ein Held, der Alles setzet an
Den einzigen Gedanken!
Du setzest an den einz'gen Mann
Dein Alles ohne Schwanken.

Wie du, die edle Thrän' im Blick,
Mich hieltest fest umwunden,
Hast Leben, Erd' und Weltgeschick
Du glorreich überwunden.

 

VIII.

Deine Liebe hat mich beschlichen,
Wie der Frühling die Erde,
Wann der Winter nun ist entwichen,
Kaum merkt sie, daß warm es werde.

Aber der Sonne heimliche Kraft
Hat schon das Herz ihr gerühret, ¦
In der Wurzel regt sich der Saft,
Noch ehe der Zweig es spüret.

Der Schnee zerschmilzt, die Wolken zergehn,
Die erste Blüth' ist entglommen,
Dann sieht sie in voller Gluth sich stehn
Und weiß nicht, wie es gekommen.

 

IX.

Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.

Aller Glanz, ergossen,
Aller Thau der Frühlingsflur
Liegt vereint beschlossen
In dem Kelch der Rose nur.

Alle Farben ringen,
Alle Düft' im Lenzgefild,
Um hervorzubringen
Im Verein der Rose Bild.

Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.

Alle Ströme haben
Ihren Lauf auf Erden bloß,
Um sich zu begraben
Sehnend in des Meeres Schooß.

Alle Quellen fließen
In den unerschöpften Grund,
Einen Kreis zu schließen
Um der Erde blüh'ndes Rund.

Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.

Alle Stern' in Lüften
Sind ein Liebesblick der Nacht,
In des Morgens Düften
Sterbend, wann der Tag erwacht.

Alle Weltenflammen,
Der zerstreute Himmelsglanz,
Fließen hell zusammen
In der Sonne Strahlenkranz.

Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.

 

X.

O Sonn', o Meer, o Rose!
Wie wenn die Sonne triumphirend sich
Hebt über Sterne, die am Himmel stunden,
Ein Schimmer nach dem andern leis' erblich,
Bis alle sind in Einem Glanz geschwunden;
So hab' ich, Liebste, dich gefunden:
Du kamst, da war, was je mein Herz empfunden,
Geschwunden in dich.

O Sonn', o Meer, o Rose!
Wie wenn des Meeres Arme aufthun sich
Den Strömen, die nach ihnen sich gewunden,
Hinein sich diese stürzen brünstiglich,
Bis sie die Ruh' im tiefen Schooß gefunden;
So, Liebste, hab' ich dich empfunden:
Sich hat mein Herz mit allen Sehnsuchtswunden
Entbunden in dich.

O Sonn', o Meer, o Rose!
Wie wenn im Frühling tausendfältig sich
Ein buntes Grün hat ringend losgewunden,
Ein hadernd Volk, bis Rose, königlich
Eintretend, es zum Kranz um sich verbunden;
So, Liebste, hab' ich dich umwunden:
Der Kranz des Daseins muß sich blühend runden.
Gebunden in dich.

 

XI.

Ich frage, wer zuerst geliebt,
Ich oder sie, die mir mich giebt,
Und die von mir sich hat empfahlt,
Die ich nicht unterscheiden kann
Von mir; wie soll ich unterscheiden,
Wer da geliebt zuerst von Beiden?
Es war einmal die Blum' im Thal,
Und in den Lüsten war der Strahl.
War für die Blume Strahl erglüht?
War Blume für den Strahl erblüht?
Zusammen waren sie geflossen,
Und die Vermählung war geschlossen.
Es war ein einz'ger Augenblick
Und bleibt ein ewiges Geschick.

 

XII.

Zünde nur die Opferflamme
Immer höher, heller an;
Was an mir von Erden stamme,
Daß ich's ganz dir opfern kann!

Du ein Blitz aus Himmelslichte,
Glanz von reinerer Natur,
Strahl von Gottes Angesichte,
Und ich bin vom Staube nur.

O wie kniet in tiefer Kleinheit,
Meine Liebe neben dir!
Wie in hoher Engelsreinheit
Schwebst du lächelnd über mir.

Hebe mich auf deine Flügel,
Löse meinen dumpfen Traum,
Nimm mir ab die schweren Zügel,
Die mich niederziehn zum Raum.

Hauche doch die Sinnumdüstrung
Mir vom Seelenspiegel fort,
Brich mir doch die Wahnumflüstrung,
Brich sie durch dein klares Wort.

Ird'sches Feuer in den Adern,
In den Blicken trübe Gluth,
In der Brust verworrnes Hadern –
Mache, daß der Aufruhr ruht!

Mache, daß mein Ich mir schwinde,
Das mich mit mir selbst entzweit.
Daß ich Gott und dich empfinde
Und die Welt in Einigkeit.

 

XIII.

So wahr die Sonne scheinet,
So wahr die Wolke weinet,
So wahr die Flamme sprüht,
So wahr der Frühling blüht;
So wahr hab' ich empfunden,
Wie ich dich halt' umwunden:
Du liebst mich, wie ich dich,
Dich lieb' ich, wie du mich.

Die Sonne mag verscheinen,
Die Wolke nicht mehr weinen,
Die Flamme mag versprühn,
Der Frühling nicht mehr blühn!
Wir wollen uns umwinden
Und immer so empfinden:
Du liebst mich, wie ich dich,
Dich lieb' ich, wie du mich.

 

XIV.

Ich sehe wie in einem Spiegel
In der Geliebten Auge mich;
Gelöst von mir ist jedes Siegel,
Das mir verbarg mein eignes Ich.

Durch deinen Blick ist mir durchsichtig
Mein Herz geworden und die Welt;
Was in ihr wirklich und was nichtig,
Ist vor mir ewig aufgehellt.

So wie durch meinen Busen gehet
Hier deines Herzens stiller Schlag,
So fühl' ich, was die Schöpfung drehet
Vom ersten bis zum jüngsten Tag.

Die Welten drehn sich all' um Liebe,
Lieb' ist ihr Leben, Lieb' ihr Tod;
Und in mir wogt ein Weltgetriebe
Von Liebeslust und Liebesnoth.

Der Schöpfung Seel' ist ew'ger Frieden,
Ihr Lebensgeist ein steter Krieg.
Und so ist Friede mir beschieden,
Sieg über Tod und Leben, Sieg.

Ich spreche still zur Lieb' im Herzen,
Wie Blume zu der Sonne Schein:
Du gieb mir Lust, du gieb mir Schmerzen
Dein leb' ich und ich sterbe dein.

 

XV.

Die Stunde sei gesegnet,
Wo ich dir bin begegnet,
Wenn diese Liebe Lust
Dir weckt in stiller Brust,
Wie Thau auf Blumen regnet!

Der Stunde sei geflucht,
Wo ich dein Herz gesucht,
Wenn in dir diese Liebe
Statt milder Freudentriebe
Soll tragen herbe Frucht! –

Gesegnet ist die Stunde,
Sprach sie mit süßem Munde,
Mir ist kein Weh geschehn!
Den Himmel fühl' ich stehn
In meines Herzens Grunde.

 

XVI.

Beseligt sein und selig tief empfinden,
Wie du, beseliget, beseligest;
Herz, laß dir das Bewußtsein nie entwinden,
Fest halt' es, wie im Arm die Liebste, fest!

 

XVII.

Meinen Geist vermähl' ich deiner Seele,
Wie die Welt vermählet Mann und Weib.
Ewig lebt das Paar, das ich vermähle;
Sinke dann in's Grab der morsche Leib.

Eile freudig, deine Braut zu schmücken,
Dichtergeist entflammter Bräutigam!
Theil', o Braut, des Bräutigams Entzücken,
Und er theile deinen stillen Gram!

Geist, durch Höll' und Himmel einst verschlagen!
Diese Kette hat dir noth gethan.
Seele du, versunken im Entsagen!
Dieser Flügel trägt dich himmelan.

Lebet in einander, o ihr beiden,
Geist beseelt, begeistert Seele du!
Was Gott fügte, soll der Mensch nicht scheiden,
Und dem Bund sah Gott vom Himmel zu.

 

XVIII.

O mein Stern! Nah' und fern
War mir mancher holde Strahl erschienen;
Doch ich fand Unbestand,
Und die Treu' allein in deinen Mienen.

O mein Stern, Den ich gern
Laß in meines Herzens Tiefe schauen!
Dir allein Meine Pein,
Dir allein will ich mein Weh vertrauen.

O mein Stern! Zu dem Herrn
Fleh' ich, der mir diesen Strahl beschieden,
Daß er mich Sanft durch dich
Führ' aus meinem Kampf zu seinem Frieden.

O mein Stern, Der vom Herrn
Mir an des Gemüthes Himmelsbogen
Ward gesetzt, Ungenetzt
Von dem Gischte sturmbewegter Wogen!

O mein Stern, Der sich gern
Her zum Aufruhr meiner Seele neiget,
Eine Bahn Diesem Kahn
Durch die Nacht und durch die Klippen zeiget!

O mein Stern, Soll ich fern
Deinen sänftigenden Strahlen schreiten?
Doch verspricht Mir dein Licht,
Mich auf allen Pfaden zu begleiten.

 

XIX.

Die Liebste sprach: Wie dankbar einen Arzt man liebt,
Der Heilung oder Hoffnung nur auf Heilung giebt,
So liebt man einen Dichter auch für einen Sang,
Der wie ein Hoffnungsstrahl des Heils aus Himmeln drang,
So schlägt ihm dankbar manches Herz, das er nicht kennt,
So fühlt ihn manches, das von ihm die Ferne trennt.
Und wohl entschäd'gen muß ihn diese stille Lieb',
Ob ihm die Welt den Dank des Liedes schuldig blieb.

 

XX.

Die Liebe sprach: In der Geliebten Blicke
Mußt du den Himmel suchen, nicht die Erde,
Daß sich die bess're Kraft daran erquicke,
Und dir das Sternbild nicht zum Irrlicht werde.

Die Liebe sprach: In der Geliebten Auge
Mußt du das Licht dir suchen, nicht das Feuer,
Daß dir's zur Lamp' in dunkler Klause tauge,
Nicht dir verzehre deines Lebens Scheuer.

Die Liebe sprach: In der Geliebten Wonne
Mußt du die Flügel suchen, nicht die Fesseln,
Daß sie dich aufwärts tragen zu der Sonne,
Nicht niederziehn zu Rosen und zu Nesseln.

 

XXI.

Ich war ein Bettler und bin ein Reicher geworden,
Solch einen Schatz hab' ich gefunden.
Ich war ein Sklave und bin ein König geworden,
Solch einen Thron hab' ich gefunden.
Ich war ein Verlorner und bin ein Sel'ger geworden,
Solch einen Himmel hab' ich gefunden.

Der Schatz, den ich errungen habe,
Der liegt in eines Weibes Brust.
Der Thron, den ich erschwungen habe,
Ist ihres Busens reiche Lust.
Der Himmel, den ich ersungen habe,
Deß bin ich mir in ihr bewußt.

 

XXII.

Glaub' es, holdes Angesicht,
Glaub' es nur und zweifle nicht,
Daß die Schätze, deren Glanz
Dich noch blendet, dein sind ganz!
Fühl' es recht in deinem Sinn,
Daß ich ganz dein eigen bin
Mit dem Besten, was ich habe,
Mit der reichen Liedergabe,
Die der Himmel mir gegeben
Nur zum Schmucke deinem Leben.

 

XXIII.

Dein Leben war mir schmucklos vorgekommen,
Ich glaubte mich berufen, es zu schmücken.
Erst schien der schöne Schmuck dich zu beglücken,
Dann kam mir's vor, als mach' er dich beklommen.

So sei der Schmuck dir wieder abgenommen;
Was soll er deinen zarten Busen drücken?
Und unbarmherzig will ich ihn zerstücken;
Dient er dir nicht, wozu könnt er mir frommen?

Doch du erholst dich schon von deinem Zagen,
Du fühlst dich stark, den Himmel meiner Lieder
Nun auf dem Atlas deiner Brust zu tragen.

Die Sonnen, die Plejaden zieh' ich nieder,
Und schmiegen will sich auch mit Wohlbehagen
Der Mond als Spang' um deine süßen Glieder.

 

XXIV.

Da mir einst die Zukunft fehlte,
Ging die Lieb' auf irrer Spur;
Zu betäuben, was mich quälte,
Mich berauschen könnt' ich nur.

Nun ist hell die Zukunft offen,
Und mein Glück ist nicht ein Rausch;
O wie könnt' ich dieses hoffen!
Ewig währt der Seelentausch.

 

XXV.

Ein Obdach gegen Sturm und Regen
Der Winterzeit
Sucht' ich und fand den Himmelssegen
Der Ewigkeit.
O Wort, wie du bewährt dich hast:
Wer wenig sucht, der findet viel.
Ich suchte eine Wanderrast
Und fand mein Reiseziel.

Ein gastlich Thor nur wünscht' ich offen,
Mich zu empfahn,
Ein liebend Herz war wider Hoffen
Mir aufgethan.
O Wort, wie du bewährt dich hast:
Wer wenig sucht, der findet viel.
Ich wollte sein ihr Wintergast
Und ward ihr Herzgespiel.

 

XXVI.

Die Liebe war wie Sonnenbrand
Des Tages über mich gekommen,
Daß ich ermattet mich empfand,
Als sei ich in der Gluth verglommen.

Der Liebe Himmel, wetterschwül,
Hat sich am Abend sanft gelichtet;
Du hieltest mich im Arme kühl,
Daß ich mich wieder aufgerichtet.

 

XXVII.

Liebster, deine Worte stehlen
Aus dem Busen mir das Herz.
O wie kann ich dir verhehlen
Meine Wonne, meinen Schmerz!

Liebster, deine Töne ziehen
Aus mir selber mich empor.
Laß uns von der Erde fliehen
Zu der sel'gen Geister Chor!

Liebster, deine Saiten tragen
Durch die Himmel mich im Tanz.
Laß um dich den Arm mich schlagen,
Daß ich nicht versink' im Glanz!

Liebster, deine Lieder wanken
Mir ein Strahlenkranz um's Haupt.
O wie kann ich dir es danken,
Wie du mich so reich umlaubt!

 

XXVIII.

Liebste, süß ist die Verschwendung,
Und Verschwendung ist das nicht,
Das ist meine Himmelssendung:
Um dich spielen im Gedicht.

Liebste, nur in deinem Busen,
Auf dem goldnen Liebesthron,
Sitzen meine Himmelsmusen,
Nicht auf ird'schem Helikon.

Liebste, nur von dir genommen,
Das dich blendet, ist das Licht.
Wie sie hier zurück dir kommen,
Kennst du deine Schätze nicht.

Liebste, mir zu tausend Liedern,
Schöneren als diesen doch,
Unter deinen Augenlidern
Schlummern tausend Blicke noch.

 

XXIX.

Schön ist das Fest des Lenzes,
Doch währt es nur der Tage drei.
Hast du ein Lieb, bekränz' es
Mit Rosen, eh' sie geh'n vorbei!

Hast du ein Glas, kredenz' es,
O Schenk, und singe mir dabei:
Schön ist das Fest des Lenzes,
Doch währt es nur der Tage drei.

 

XXX.

Zu euch, ihr Blätter meiner Lieben,
Wo, was mein Herz empfunden hat,
Die Hand hat zitternd nachgeschrieben,
Leg' ich ein unbeschriebnes Blatt.

Es hat das schwellende Entzücken,
Das meine Brust beseligt hat,
Vermocht genügend auszudrücken
Kein einziges beschriebnes Blatt.

Du Sonnenblick in meinem Wesen!
Wenn nun dein Aug' durchlaufen hat
Die Blätter alle, soll es lesen
Auch dieses unbeschriebne Blatt.

O die du in der Seele Gründen
Mir lasest! Alles, was dir hat
Mein Schreiben können nicht verkünden,
Das lies vom unbeschriebnen Blatt!

 

XXXI.

Nicht, mit Armen dich umschlingen,
Kann mir g'nügen, sondern mich
Geist mit Geist mit dir durchdringen,
Aufgehoben Du und Ich.

Immer stehn die Körperschranken,
Zweier Seelen Scheidewand;
Bis sie nicht in Staub zersanken,
Wird nicht frei der Himmelsbrand.

Liebe! diesen Leib verzehren
Müssen deine Lohen ganz:
Denn er will zwei Funken wehren
Aufzugehn in Einen Glanz.

Zitternd habet ihr, o Flammen,
Euch berührt im Sehnekuß,
Schlaget nun in Eins zusammen,
Daß die Welt verbrennen muß!

 

XXXII.

Grün ist der Jasminenstrauch
Abends eingeschlafen.
Als ihn mit des Morgens Hauch
Sonnenlichter trafen,

Ist er schneeweiß aufgewacht.
»Wie geschah mir in der Nacht?«
Seht, so geht es Bäumen,
Die im Frühling träumen!

 

XXXIII.

Eine Schönheit hab' ich mir
Aus zur Braut erlesen,
Minder schön von äußrer Zier
Als von inn'rem Wesen.

Schön're hab' ich wohl gesehn,
Die wie Blumen waren,
Konnten doch nicht widerstehn
Räuberischen Jahren.

Aber was vom Himmel stammt,
Kann nicht irdisch alten:
Wie die Sonn' am Himmel flammt,
Ohne zu erkalten.

Ewig wie im Paradies
Steht die Schönheitsblüthe,
Diese Lilie Unschuld, dies
Rosenduft-Gemüthe.

 

XXXIV.

Blick' einmal mit deiner Augen Strahl
Heiter diese trübe Luft!
Wenn du das nicht kannst, so blickt' einmal
Hell in meines Herzens Gruft!
Lächle mir die Seele heiter,
Daß mich nicht bekümm're weiter
Dieses Himmels Wolkenduft.

 

XXXV.

Mein schöner Stern! ich bitte dich,
O lasse du dein heitres Licht
Nicht trüben durch den Dampf in mir,
Vielmehr den Dampf in mir zu Licht,
Mein schöner Stern, verklären hilf!

Mein schöner Stern! ich bitte dich,
Nicht senk' herab zur Erde dich,
Weil du mich noch hier unten siehst,
Heb' auf vielmehr zum Himmel mich,
Mein schöner Stern, wo du schon bist!

 

XXXVI.

Da ich der Ostwind bin,
Wie sollt' ich nicht dahin
Mit meinen Seufzern wehen,
Wo meine Rosen stehen!

Da Schmetterling ich bin,
Wie sollt' ich nicht dahin
Zum Opfer meine Schwingen,
Wo meine Kerz' ist, bringen!

Da ich die Biene bin,
Wie sollt' ich den Gewinn
Der Düfte dort nicht holen
Bei Nelken und Violen!

Da Sonnenblum' ich bin,
Wie sollt' ich nicht den Sinn
Nach meiner Sonne wenden,
Am Lichte süß mich blenden!

Da ich dein Liebster bin,
Wie sollt' ich immerhin
Nach dir zurück nicht trachten!
O Liebste! sieh' mich schmachten!

 

XXXVII.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht
Aus einer Nacht voll Sorgen;
Ich hab' ihm einen Gruß gebracht
Zu neuem Freudenmorgen.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht
Aus einem Zauberschlummer,
Ein Wunder hat zunicht' gemacht
Den Baum von Gram und Kummer.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht
Als wie aus tiefem Traume,
Es sieht erstaunt die Frühlingspracht
Um sich im Weltenraume.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht
Zu einem neuen Leben;
Ein Himmel hat es angelacht,
Darein es will verschweben.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht
Als wie die Ros' am Strauche;
Die Liebe hat es angefacht
Mit einem frischen Hauche.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht,
Es ringt und springt in Freuden
Und will nun seine reiche Macht
Der Lust an mich vergeuden.

Der Liebsten Herz ist aufgewacht,
Ich hab' es aufgewertet
Und wache, daß es keine Nacht
Des Grames wieder decket.

 

XXXVIII.

Geh' und sauge Liebesäther,
Sauge ganz dich voll und stark!
Und dann wie ein Wunderthäter
Töne, sprich durch Bein und Mark.

Laß das Lied elektrisch funken,
Daß die Nerven Wohllust schwellt;
Singe, daß in Liebe trunken
Selig untergeh' die Welt.

 

XXXIX.

Nicht verschweigen kann dir's meine Seele,
Liebster! wie mich bange Ahnung quäle,
Daß ein Glück, so unverhofft geboren,
Unverhofft auch gehe mir verloren;

Wenn ich will das Blumorakel fragen,
Mir, ob du mich liebst, ob nicht, zu sagen,
Immer stock' ich, ach, am letzten Blatte,
Wenn: er liebt nicht, ich zu sagen hatte.

Gestern ist ein Traum zu mir gekommen,
Hat mir alle Zuversicht benommen.
Liebster, Liebster! o wem soll ich glauben,
Wenn dich mir so Träum' als Blumen rauben?

 

XL.

Liebste! können diese Augen,
Schwimmend in dem Thau der Zähren,
Dir nicht mehr als Blumen taugen,
Meine Liebe zu erklären?

Kann dein innerstes Gefühl,
Deiner Seele hellstes Wachen
Ein verworrnes Traumgewühl
Siegreich nicht zu nichte machen?

Liebste! nicht den eitlen Schäumen
Glaube, sondern glaube mir!
Mehr als Blumen, mehr als Träumen,
Glaub' ich, Liebste, selber dir.

 

XLI.

O ihr undankbaren Blumen,
Die ihr in des Liebsten Dienst
Mir nur Süßes sollet sagen,
Und nun sagt so Schlimmes mir!
Immer wenn ich euch befrage:
Liebt er oder liebt er nicht?
Hör' ich euch: er liebt nicht, sagen,
Tödten wollt ihr mich damit.
Oder auch: er liebt ein wenig;
Damit ist mir nicht gedient,
Könnt ihr nicht: er liebt von Herzen,
Wie du liebest, liebt er dich!
Könnt ihr nicht: er liebt mit Schmerzen
Sagen, lieber sagt mir nichts.
Hat mein Liebster euch gepriesen
Darum in so manchem Lied,
Daß ihr mich, sein Herz, nun quälet?
Schämet ihr vor ihm euch nicht?
Die ihr es müßt besser wissen,
Daß er mich von Herzen liebt,
Wollet mir es nur nicht sagen,
Weil ihr neidisch seid auf mich,
Wollt mich quälen, weil ihr sehet,
Daß ich bin ein schwaches Kind.

 

XLII.

Ihr Blumen müsset nie mehr Thau
Auf euren Lippen tragen!
Es werden eure Farben grau,
Und Niemand müss' es klagen!

Es müsse nie zu eurem Mund
Nach Honig gehn die Imme!
Es nag' ein Wurm das Herz euch wund,
Und eine Spinn' im Grimme!

Weil ihr mit falschen Worten wollt
Der Liebsten Herz vergiften,
Hat darum euch der Frühling hold
Gebracht zu diesen Triften?

Euch hat der Lenz hieher gestellt,
Daß ihr mit Lieb' im Bunde
Ihr Herz mit süßer Hoffnung schwellt,
Erquickt mit froher Kunde.

Darum, weil ihr mit argem Fleiß:
Er liebt nicht, liebt nicht! saget,
Geb' euch der Lenz dem Herbste preis,
Bevor ihr Samen traget.

Es müsse nie der Liebsten Hand
Euch flechten mir zum Kranze?
Ihr treuer Blick sei abgewandt
Von eurem falschen Glanze!

Es müsse nie der Liebsten Fuß
Euch nur im Fluge rühren,
Wenn ihr nicht schnell mit holdem Gruß
Sie sühnet nach Gebühren.

Sie will's mit euch zum letzten Mal
Versuchen, euch zu fragen;
Nun machet, daß der Blättlein Zahl
Ihr müss' Erwünschtes sagen.

Sagt ihr: Er liebt! beim letzten Blatt.
Das stets zu sagen wieder,
Nie werdet, o ihr Blumen, matt,
Nie mild', ihr meine Lieder!

 

XLIII.

Eh' es dich fand, geahnet
Hat dich das Lied in mir!
Und hat mir nicht gebahnet
Das Lied den Weg zu dir?

Da bist du mir begegnet,
Wo ich die Laute trug:
Die Stunde sei gesegnet,
Seit ich für dich sie schlug.

Einst mußt' ich wie im Traume
Als Dichter kund mich thun;
Nun stehst du mir im Raume,
Ein Seher bin ich nun.

Ich hab' in Formenschranken
Mich dazu vorgeübt,
Um nun den Gottgedanken
Zu spiegeln ungetrübt;

Um diesen Gottgedanken
Der Liebe, die mich schwellt,
Aus deiner Arme Schranken
Zu singen in die Welt.

 

XLIV.

Mit dem goldnen Schlüssel des Vertrauens
Hat die Liebste mir ihr Herz erschlossen.
O der Fülle sel'gen Wonneschauens,
O des Anblicks, den ich da genossen!

Wie durchleuchtet sah ich, wie durchfunkelt
Dieses Herz von ew'gen Liebessonnen,
Nichts verschattet, nichts umwölkt, verdunkelt,
Alles rein in Licht und Glanz zerronnen.

Welche Heldenfreudigkeit der Liebe,
Welche Stärke muthigen Entsagens,
Welche himmlisch-erdentschwungnen Triebe,
Welche Gottbegeistrung des Ertragens.

Welche Sich-Erhebung, Sich-Erniedrung,
Sich-Entäußrung, völl'ge Hin-sich-gebung,
Tiefe, ganze, innige Erwiedrung,
Seelenaustausch, Ineinanderlebung.

Solche Bronnen des Gefühls, wie nimmer
Noch sie rauschen hörten Dichterträume,
Solche Schöpfungsstrahlen, Weltenschimmer,
Wie sie niemals faßten Himmelsräume.

Kann ein solcher Abgrund sel'ger Schmerzen,
Solch ein Ueberschwang von Himmelswonnen,
All' zusammen stehn in einem Herzen?
Und ich hab' es, dieses All, gewonnen.

Gott! der du mir diesen Schatz gegeben!
Kann ich je nach anderm Gut auf Erden
Ungenügsam diesen Blick erheben,
Mög' ich Nichts vor deinem Antlitz werden.

 

XLV.

Dein Liebesevangelium
Zu predigen der Welt,
Hast du mich nicht erschaffen stumm,
Du hast mir zugesellt

Das laute, freie Saitenspiel,
Das ich so lange schlug;
Und wenn es deinem Ohr gefiel,
So lohnst du mir's genug.

Du hast zu Liebesanges Lohn
Die Liebe mir verliehn,
Und Kraft dadurch, im hellsten Ton
Nun erst einherzuziehn.

Ich habe nur als wie im Traum
Bisher gesungen ja
Von Paradies und Lebensbaum,
Die ich von ferne sah.

In Paradieses Mitte hast
Du nun mich eingeführt,
Zum Baum des Lebens, dessen Ast
Nicht mehr die Schlang' umschnürt.

Du gabest selber mir die Frucht
Zu essen in die Hand.
Sie trieb mich nicht vor dir zur Flucht
Und nicht in's Bußgewand.

Du hast aus übergroßer Huld
Das Wunder mir gemacht,
Aus dem Bewußtsein meiner Schuld
Zur Unschuld mich gebracht.

Ich sing' in deiner Gnade Glanz,
Horcht, wie die Saite tönt!
Die Liebe hat im Sternenkranz
Gott mit der Welt versöhnt.

 

XLVI.

Ich sprach: du bist nun meine Welt.
Sie sprach: Wie ist die Welt so klein!
Ob sie auf Dauer dir gefällt?
Sie sollte, fürcht' ich, reicher sein.

Mein Freund! es wohnt in dieser Welt
Nur Liebe, Liebe, Lieb' allein;
Und wenn dich diese fest nicht hält,
So muß die Welt verloren sein.

 

XLVII.

Gestern sprach der Mond zu mir,
Als ich von der Liebsten ging,
Wie er hell in stiller Zier
Ueber dunklen Wolken hing:

Hat der Freund so manches Mal
Sonst doch nach mir aufgeschaut,
Und es hat mein feuchter Strahl
Wehmuth ihm in's Herz gethaut.

Bin ich dir nicht mehr vertraut?
Blickst du nicht nach mir einmal?
In Gedanken deine Braut,
Merkst du gar nicht meinen Strahl?

Streu' ich doch auf deinen Weg
Meine schönsten Schimmer gern;
Dir zu zeigen Weg und Steg,
Eifr' ich mit dem Abendstern.

Himmel schaut in deine Lust,
Theilst du gleich sie nicht ihm mit;
Und es lenken unbewußt
Seine Lichter deinen Schritt.

In der Morgensonne Glanz
Gingest heut' zu deinem Glück;
Und die Nacht im Sternenkranz
Führt im Dunkel dich zurück.

Mond und Sonne siehst du nicht,
Doch dich sehen Sonn' und Mond
Und erquicken sich am Licht,
Das in deinem Herzen wohnt.

Schau' nun doch mich an einmal,
Birg es meinen Blicken nicht,
Wie der Liebe Gottesstrahl
Klärt ein Menschenangesicht!

 

XLVIII.

Was soll ich dir für Namen geben?
Mein trautes Herz! mein einz'ges Leben!
Mein Sonnenblick! mein Seelenstrahl!
Mein Hoffen, Sehnen und Verlangen!
Mein Wünschen, Glauben, Zweifeln, Bangen!
O meine süße Liebesqual!

Ich nenne dich mit allen Namen,
Die je von Liebeslippen kamen,
Ich grüße dich mit jedem Laut,
Den du mir je geküßt vom Munde,
Ich nenne dich im Herzensgrunde
Lieb, ewig theuer, Schwester, Braut!

 

XLIX.

Du mit Strahlen mich begleitend,
Blick', o Mond, von hier zurück!
Dort, nach mir die Arme breitend,
Traurig steht mein süßes Glück.

Sie beneidet deine Strahlen,
Die mit ihrem Freunde gehn.
Laß sie nicht in stummen Qualen
Ohne Trost am Fenster stehn!

Um des Busens heißes Sehnen
Lege du dein kühles Licht;
Die dem Freund geweinten Thränen
Küss' ihr leicht vom Angesicht!

Warum willst an Blumen saugen
In der öden Wiesenau?
Sprich mit ihren sanften Augen,
Rede mit der Ros' im Thau!

 

L.

Lüfte, die ihr scherzet
Auf der Sommerflur,
Gehet hin und herzet
Meine Rose nur!

Weil ihr Liebster säumet,
Ist ihr schwül zu Muth;
Geht, und weil sie träumet,
Küßt ihr ab die Gluth!

 

LI.

Die Liebe herrscht, kein Widerstreben frommt;
Sie herrscht, und nur sich zu ergeben frommt.
Ihr Blick demüthigt, und ihr Wort erhebt;
Kein trotziges Sich-selbst-erheben frommt.
Ihr Joch ist sanft, und ihre Last ist leicht;
Doch Schweres auch, das sie gegeben, frommt.
Sie hat den bittern und den süßen Kelch;
Was sie zu trinken dir will geben, frommt.
Gieb deinen Weinberg in des Winzers Hand,
Weil scharfes Messer wilden Reben frommt.
Ihr Liebespilger! werft den Stolz von euch,
Das Holz, das nicht zu Wanderstäben frommt.
Auf Bergen klimmt man nicht zum Himmel an;
Auf Liebesflügeln aufzuschweben frommt.
Fleug, Schmetterling, die Flügel gab ich dir,
Weil nur der Raup' am Blatt zu kleben frommt.
Du, Raupe, spinne mir zum Preis dein Grab!
Auch klein Gespinnst mit Fleiß zu weben frommt.
In Mutter-Augen sind die Kinder gleich,
Und jedem geb' ich, was zum Leben frommt.
O Freimund, dir gab ich das Saitenspiel,
Dem es in jedem Hauch zu beben frommt.

 

LII.

Wie die Blum' in sich hinein, senke dich und schweige still!
Wie die Blum', in dich hinein denke dich und schweige still!
In der Mutter kühle Brust fühle wurzelnd dich hinein,
Liebefasernd ihr in's Herz schränke dich und schweige still!
Blume! deinen Schweigeblick will die Sonne nicht verstehn!
Kränkest du dich, zartes Herz? Kränke dich und schweige still!
Keinen Labetropfen hat dir der Nachtthau mitgebracht;
Mit der eignen Thräne Naß tränke dich und schweige still!
Wenn du Sonnenblume bist, blicke nicht der Erde zu;
Mit dem Blick zur Sonn' empor lenke dich und schweige still!
Wo die Liebe Veilchen liest, und du dich die Rose dünkst,
Herz! zu einem Veilchen ihr schenke dich und schweige still!
Wenn zu ihres Hauptes Kranz dich der Liebe Hand verschmäht,
Küsse sterbend ihren Saum, senke dich und schweige still!

 

LIII.

Meines Liedes Stimmen riefen,
Als mein Herz im Blute stand:
Ach! in diesen Wogentiefen,
Götter! nur ein sichres Pfand;

Wenn die Freuden all' entschliefen
Oder flohen himmelwärts,
Laßt mir in des Herzens Tiefen
Unverlierbar nur den Schmerz! –

Hast du doch den Schmerz verloren,
Den du ewig nanntest, Brust?
Nein! er ward nur umgeboren
Durch die Lieb' in ew'ge Lust.

 

LIV.

O ihr herzbewegenden Augen,
Seelenbrand anregenden Augen!
Ihr in Paradiesen der Liebe
Hüteramtes pflegenden Augen!
Ihr den Leugner ewigen Lebens
Leuchtend widerlegenden Augen!
Meiner Sehnsucht Orient, meiner
Hoffnung Himmelsgegenden, Augen!
Ihr mit Mond und Sonne den Schutzbund
Lichtgerüstet begehenden Augen!
Ihr auf Seelenraub in der Brauen
Hinterhalt euch legenden Augen!
Nehmet Freimunds Seele zum Opfer,
O ihr herzbewegenden Augen!

 

LV.

Deiner Liebe reichsten Lohn,
Den nicht ich, den du mir giebst,
Trägst in deinem Busen schon
Im Bewußtsein, wie du liebst.

Rein sich opfernd hingegeben,
Frei von Selbheit, höher kann
Kein Gefühl die Seele heben,
Die dadurch der Erd' entrann.

Dennoch, wie zum Lohn genügen
Selb sich deine Liebe mag,
Will ich doch nicht dich betrügen
Auch um meinen Schuldbetrag.

Alle Liebe, die ich habe,
Nimm zu deiner mit dahin;
Meine ist die Nebengabe,
Deine ist der Hauptgewinn.

 

LVI.

Zweifle nicht, geliebtes Leben,
Daß dein Freund auch glücklich ist!
Denn mein Glück ist dieses eben,
Fühlen, daß du glücklich bist.

Wie du mit dem Blick mir Kunde,
Wie du mit dem Wort sie giebst,
Daß der Himmel dir im Grunde
Steht der Brust, weil du mich liebst

Ist der Himmel nur der deine,
Da dein Alles mein doch ward?
Dieser Himmel ist der meine,
Nur bei dir mir aufbewahrt.

Wenn mich irrt das Weltgewimmel,
Oder wenn mein Ich mich thört,
Flücht' ich mich in diesen Himmel,
Und die Erd' hat aufgehört.

 

LVII.

Da ich dich einmal gefunden,
Kann ich dich nicht mehr verlieren.
Da du mich einmal umwunden,
Mußt als Kranz mich ewig zieren.

Dich nicht ahnte mein Verlangen,
Eh' dich mir der Himmel gab:
Da ich dich von ihm empfangen,
Nimmt dich keine Welt mir ab.

 

LVIII.

Liebster, wie bist du beglückt,
Daß zum Alltagsleben,
Was zum Festtag Andre schmückt,
Dir hat Gott gegeben.

An der Liebe flücht'gem Strahl
Sonnen sich die Andern
Im Vorübergehn durch's Thal,
Wo sie mühsam wandern.

Aber du im Sonnenglanz
Hast nicht andre Mühen,
Als zu lassen dir zum Kranz
Alle Blumen blühen.

Anderes Geschäft der Welt
Hast nicht zu vollbringen,
Als die Liebe, die dich schwellt,
Freudig auszusingen.

Wenn du deine Braut geschmückt,
Dein Gefühl ergossen,
Hast du auch die Welt entzückt
Und dein Werk beschlossen.

 

LIX.

Ich wüßte nicht, wenn ich's vergliche,
Ob meins, ob deins ein größ'res Reich?
Es sind des Sanges Himmelsstriche
Wohl dem Gebiet der Anmuth gleich.

Zwei Paradiese, die uns glänzen,
Das deine mein, und meines deins,
Die gegenseitig sich begrenzen,
Und beide sind zusammen eins.

Wo deiner Liebe Zauber endet,
Hebt meines Liedes Glanzwelt an;
Und wo die Seele hin sich wendet,
Ist ihr ein Himmel aufgethan.

 

LX.

Sie sprach: O du bist gut.
Ja, sprach ich wohlgemuth:
Ja, gut, ich bin es dir,
Dir gut im Herzen hier.
Ja, gut, ich bin's durch dich,
Du bist mein beßres Ich.
Wie sollt' ich gut nicht sein,
Da du bist, Gute, mein!

 

LXI.

Ein Strom der Liebe ging
Aus meiner Liebsten Herzen,
Den ich in meins empfing
Herüber ohne Schmerzen;

Der, wie er meine Brust
Durchfluthet und durchzogen,
Zurück in stiller Lust
Ergoß in sie sein Wogen.

Sie fühlte, wie ich tief
In ihrem Frieden ruhte;
Ich fühlte, wie sie schlief,
An meinem stillen Blute.

Wir sah'n uns an dazu,
Verwundert, wie auf Erden
Solch eine Himmelsruh'
Mag zweien Herzen werden.

 

LXII.

O Freund, mein Schirm, mein Schutz!
O Freund, mein Schmuck, mein Putz
Mein Stolz, mein Trost, mein Trutz!

Mein Bollwerk, o mein Schild!
Wo's einen Kampf mir gilt,
Flücht' ich zu deinem Bild.

Wenn mich in Jammerschlucht
Die Welt zu drängen sucht,
Nehm' ich zu dir die Flucht.

Ob sie mir Bitt'res bot,
Mit Bittrerem mir droht,
So klag' ich dir die Noth.

Du schickest ohn' ein Wort
Des Trostes mich nicht fort,
Du bist und bleibst mein Hort.

Der Erde Weh ist Scherz,
Hier leg' ich an dein Herz
Mich selbst und meinen Schmerz.

O Welt, was du mir thust,
Ich ruh' in stiller Lust
An meines Freundes Brust.

 

LXIII.

O Liebster! nie hab' ich geahnt in Träumen,
Daß solche reiche Lust
Platz haben könn' in allen Himmelsräumen,
Geschweig' in Menschenbrust.

O Liebster! wie ich heut' in stillem Frieden
An deinem Busen lag,
Fühlt' ich, daß einem Herzen es hienieden
Nicht besser werden mag.

 

LXIV.

Liebe, Unschuld, Inbrunst, Sitte, Ehre,
Sind der Züge, fünf die ich verehre;
Und die fünfe hab' ich schön verbunden
In der Freundin Namenszug gefunden.

 

LXV.

Hier in diesen erdbeklomm'nen
Lüften, wo die Wehmuth thaut,
Hab' ich dir den unvollkomm'nen
Kranz geflochten, Schwester, Braut!
Wenn uns droben Aufgenomm'nen
Gottes Sonn' entgegenschaut,
Wird die Liebe den vollkomm'nen
Kranz uns flechten, Schwester, Braut.

 

LXVI.

Ich bin auf Leben und Tod gefaßt,
Die Liebe wird mich decken,
Daß mir das Leben keine Last,
Der Tod mir sei kein Schrecken.

Die Bürde des Lebens wird mir leicht,
Weil Liebe sie mir hilft tragen;
Und wenn sie vom Himmel die Hand mir reicht,
Wie dürft' ich am Grab verzagen?

 

LXVII.

Ich hab' in deinem Auge den Strahl
Der ewigen Liebe gesehen,
Ich sah auf deinen Wangen einmal
Die Rosen des Himmels stehen.

Und wie der Strahl im Aug' erlischt,
Und wie die Rosen zerstieben,
Ihr Abglanz, ewig neu erfrischt,
Ist mir im Herzen geblieben.

Und niemals werd' ich die Wange sehn,
Und nie in's Auge dir blicken,
So werden sie mir in Rosen stehn,
Und es den Strahl mir schicken.

 

LXVIII.

Der Frühling sprach zu mir:
Ich kann nicht bleiben hier.
Ich lasse meine Lust
In deiner treuen Brust.
Austheile sie der Welt,
Wie es dir wohlgefällt.
Gieb einen Frühlingstraum
Dem Wald und jedem Baum,
Der Flur und jedem Strauch
Und deiner Liebsten auch!
Daß sie mich nicht vermißt
Und auch mich nicht vergißt,
Bis wieder ich allhier
Erschein' in meiner Zier.


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